Project Zero 2: Crimson Butterfly24.01.2005, Jörg Luibl
Project Zero 2: Crimson Butterfly

Im Test:

Im Mai 2004 schenkte Project Zero 2 allen gruselfreudigen PS2-Spielern eine aufregende Facette der Angst: Zwei zitternde Mädchen, eine exorzierende Kamera und ein Dorf voller Geister sorgten für grausige Schauer. Kann Tecmo diese Spanung mit dem Director`s Cut für die Xbox noch erhöhen?

Gekonnter Einstieg

Würdet ihr einem karmesinroten Schmetterling folgen, der in einer dunklen Nacht einen einsamen Waldweg hinabflattert? Der Teenagerin Mio bleibt jedenfalls nichts anderes übrig. Sie muss dem mysteriösen Falter nachspüren, denn ihre Zwillingsschwester Mayu scheint dem Insekt wie in Trance zu folgen. Immer tiefer zieht es die beiden in den Wald hinein, bis sie sich endlich am nebligen Eingang eines Dorfes treffen. Das freudige Wiedersehen ist allerdings nur der Auftakt für eine beängstigende Reise in die Welt mordender Geister.

Project Zero 2 spielt gleich zu Beginn seine dramaturgischen Joker aus: zwei unschuldig wirkende Schwestern, die vom Bösen bedroht werden; die blutrote Symbolik, die sich wie ein Leitmotiv durch die Story zieht; die plötzlich eingestreuten Erinnerungsfetzen, die verstörende Schwarz-Weiß-Filme mit grausamen Szenen. Wer hier Regie geführt hat, versteht sein schockierendes Handwerk: kein plumper Zombie-Horror, sondern subtil arrangierte Angstmomente warten auf euch.

Und die Story hilft kräftig mit, den Spannungsbogen straff zu halten: Zwar wird für meinen Geschmack zu früh die Ursache der dämonischen Bedrohung klar, aber dafür lüften die beiden

Zwei Schwestern auf Alptraum-Odyssee.
Schwestern so manches schaurige Geheimnis im verfluchten Dorf. Überall findet ihr Zettel, Tagebuchseiten und Notizen, die mit der Zeit ein erzählerisches Mosaik des Grauens bilden. Da das Abenteuer einige Jahrzehnte vor Teil1 spielt, thematisch komplett eigenständig ist und dazu noch einen angenehmeren Schwierigkeitsgrad bietet, werden auch Einsteiger voll auf ihre Kosten kommen.

Horror im Duett

Das Tutorial ist gut in den Prolog und das erste von insgesamt neun Kapiteln eingebunden, denn ihr werdet Schritt für Schritt mit der Führung der Figuren vertraut gemacht. Die mutigere Mio kontrolliert ihr direkt in Schulterperspektive, während euch die übersinnlich veranlagte Mayu schüchtern folgt – ihr seid also gleichzeitig Beschützerin und Entdeckerin.

Leider kann man seine Partnerin weder direkt ansprechen noch rufen, wie beispielsweise in ICO . Das ist zwar schade, aber dafür gibt Mayu wenigstens indirekt Hinweise, indem sie ab und zu schaudernd vor einer Tür verharrt, die Anwesenheit eines Geistes spürt oder euch bei Berührung mit Visionen konfrontiert.

Das Grauen im Visier: Noch ein bisschen warten und die Punktzahl fürs Foto wird erhöht.
In Sachen Steuerung ist Tecmo auf der PS2 leider auf veraltetem Resident Evil -Niveau stehen geblieben: Es gibt keine freie Kamera, sondern vorgegebene Blickwinkel, die des Öfteren die Orientierung erschweren oder zu spät Geister zeigen. Außerdem stehen sich die beiden Schwestern gerade in den engen Korridoren häufig im Weg, so dass man geduldig auf den Schritt zur Seite warten muss.

Stärken der Xbox

Das passiert zwar auch auf der Xbox, aber hier könnt ihr euch von Beginn an für die neue First-Person-Perspektive (4P|Stream: Ego-Modus Gameplay; Laufzeit: 5:00 Min.) entscheiden, in der ihr mit dem linken Stick laufen und euch mit dem rechten umschauen könnt. Das hat zwei Vorteile, die der Xbox den Gold-Awward sichern: Erstens steigt das Mittendringefühl, denn da man ein leicht eingeschränktes Blickfeld hat, ist man noch mehr auf die Geräuschkulisse angewiesen, um Geister zu entdecken. Und die profitiert wiederum von der 5.1 Dolby Surround-Technik, die die Akustik der PS2 ganz klar übertrumpft. Zweitens gibt es keine abrupten Kamerawechsel mehr, denn die Sichtlinie bleibt gleich - egal ob bei der Erkundung oder im Kampf. Auf der PS2 wird das Spiel wesentlich öfter von Perspektivwechseln unterbrochen, auf der Xbox sorgt die First-Person-Integration für ein homogeneres Erlebnis.

Obwohl die Xbox in Sachen Beleuchtung und Interieur  eindeutig mehr zu bieten hat, sind gerade in den düsteren Räumen -selbst mit Taschenlampe- so manche Türtexturen nur sehr schwer zu erkennen. Das kann schon mal eine Zeit des ziellosen Umherirrens nach sich ziehen, hält sich aber dank der zoombaren Minikarte in Grenzen, die offene und blockierte Ausgänge zeigt. Außerdem sind diese Leerlaufphasen alles andere als einschläfernd, denn die KI bestraft zu langes Verweilen an einem Ort mit umherstreifenden Geistern.                     

Kamera frei!

Wie schon im Vorgänger Project Zero   konzentriert sich das Gameplay auf die Geisterjagd – etwa 150 Kreaturen lauern in Kisten, hinter Wänden, in Gängen und Gärten. Davon sind euch zwar einige

Sexy oder einfach nur albern? In der Xbox-Fassung könnt ihr u.a. auch Bikinis freischalten.
wohl gesonnen und sogar hilfreich, aber die meisten verbergen hinter ihren gequälten und teilweise verunstalteten Visagen eine mordlüsterne Seele.  

Die gescripteten Überraschungen sorgen immer wieder für stramm stehende Nackenhaare: Da schlendert man z.B. nichtsahnend zum Speicherpunkt, und plötzlich knarrt dort eine Truhe, die sonst ein stiefmütterliches Eckendasein fristete. Was macht man, wenn sich dann eine langhaarige Kreatur aus der Truhe zwängt, sich langsam auf seine spinnenhaften Arme stützt und sich zischend näher schleicht?

Nicht wegrennen, sondern in der Ego-Perspektive zur Kamera Obscura greifen: Allerdings könnt ihr dem bösen Geist erst dann schaden, wenn er euch optimal vor die Linse kommt. Also heißt es in masochistischer Ruhe abzuwarten, bis sich der Langhaarige mit hasserfüllter Fratze auf euch stürzt – ein Klick zur rechten Zeit und der körperlose Angreifer wird vom exorzistischen Blitz getroffen. Und, wenn ihr ihn besonders gut und nah im Bild habt, weit zurückgeworfen; selbst vernichtende Kombo-Schüsse sind möglich.

Horror-Paparazzi

Die Kamera macht euch quasi zum Horror-Paparazzi, der die umherstreifenden Seelenwesen im

Zusätze für die Xbox:

- optionale Ego-Perspektive

- Survival-Modus gegen die Zeit

- 5.1 Dolby Surround

- ein neuer Endgegner

- freischaltbare Outfits & Itemsrichtigen Moment ablichten und in seinem Album verewigen kann. Dabei stehen euch fünf Filmtypen mit unterschiedlich großer exorzistischer Wirkung und Nachladezeit zur Verfügung.

Auch das Aufrüsten der okkultistischen Waffe ist ausgesprochen reizvoll: Ihr könnt mit den Geisterkugeln Reichweite, Schnelligkeit und Angriffskraft in drei Stufen erhöhen sowie die Linse so stärken, dass sie Geister verlangsamt, einfriert, entlarvt, verfolgt oder noch weiter zurückwirft. Gerade das Verlangsamen ist bei besonders aggressiven Gegnern sehr hilfreich. Außerdem lassen sich automatisch wirksame Kamerafunktionen wie die akustische Alarmierung bei Gefahr oder die Hitpointanzeige der Gegner freischalten.

Eine schlagfertige Ausrüstung ist bitter nötig. Denn das Geisterknipsen verlangt euch kapitelweise immer mehr Konzentration und Geschick ab. Gibt es zunächst noch einfache Bosskämpfe am Ende eines Kapitels, warten später ausgesprochen kluge Wesen auf euch, die sich geschickt zurückziehen, euch am liebsten von hinten attackieren oder plötzlich von der Decke hinabstürzen. Und wenn es in einem engen Raum von allen Seiten zischelt, sind starke Nerven und manchmal auch schnelle Beine lebenswichtig.

Überleben auf der Xbox

Wer es ganz hart mag, der darf sich - ärgerlicher Weise erst nach dem Durchspielen - auch am Survival-Modus versuchen. Es geht hier exklusiv für die Xbox ohne Story sofort hinein in die Arena der kreischenden Geister: Hier gibt es keine Gnade, denn jeder Kontakt ist tödlich und ihr müsst euch mit flinken Kamerafingern gegen Horden von übersinnlichen Feinden durchsetzen. Damit hört der Nervenkitzel aber noch nicht auf, denn die Entwickler lassen auch noch die Uhr ticken. Je schneller ihr seid, desto mehr Punkte wandern auf euer Konto. Immerhin gibt es einiges an Gegenständen und Klamotten freizuspielen.       

Magere Rätsel- & Itemkost

Aufgelockert wird das adrenalinhaltige Blitzgewitter durch Mayus Visionen, friedliche Wesen mit Hinweisen und die sporadisch eingestreuten Rätsel. Hier hätte man sich etwas mehr gewünscht als

Schwarz-Weißes Trauma: Macht euch gefasst auf verstörende Visonen und grausame Erinnerungen.
Verschiebe-Spielchen und kleine Knobeleien, obwohl man diese Ruhepausen dankbar hinnimmt. Resident Evil zeigte sich hier zwar einfallsreicher, konnte aber weniger Intensität in Sachen Angstgefühl aufbauen.

Falls ihr euch in den Kämpfen verwundet, helfen Kräutermedizin und heiliges Wasser, das gerade auf dem einfachsten der zwei Schwierigkeitsgrade reichlich vorhanden ist. Wie schon im ersten Teil schenkt euch ein Steinspiegel sofort ein Leben, falls ihr auf dem Weg zum Speicherpunkt tödlich überrascht werdet. Ansonsten gibt es weder besondere Gegenstände noch Item-Kombinationen oder einen Inventarzoom.

Verschönerte Kulisse

Im Herbst 2001 konnte Project Zero keinen Redakteur vom Grafikhocker reißen. Aber diesmal zeigt Tecmo, was noch alles in der PS2 steckt und lässt sich auch auf der Xbox nicht lumpen. Sowohl die Texturqualität der 2D-Hintergründe als auch die Partikel- und Lichteffekte – alles wurde erheblich aufgewertet. Und die immer wieder abgespulten Filmchen erreichen eine dramatische Qualität, die man sonst nur aus Silent Hill 3 kennt. Auch die Animationen können sich trotz altbackener Steuerungssteifheit sehen lassen: Die beiden Mädchen gehen geschmeidig Treppen hinauf, drehen sich ängstlich um und halten sich vor Schreck die Hände vors Gesicht; Mimik und Gestik sind ausgesprochen lebendig. Auf der Xbox präsentiert sich das Ganze jedoch schärfer, farbintensiver und detailverliebter.

Die Geister überzeugen übrigens nicht nur angesichts ihrer erschreckend eindringlichen Porträts, sondern bieten auch in Bewegung viel Abwechslung: mal schweben sie wie Astralkörper umher, mal quälen sie

Nicht alles Geister sind böse: Diese Frau will euch auf etwas aufmerksam machen.
sich gefährlich langsam auf euch zu, bevor sie dann wie hungrige Raubtiere zum Sprung ansetzen.

Englische Stimmen

Leider bleibt es auch diesmal bei einer englischen Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln - egal ob PS2 oder Xbox. Die ist allerdings für alle anglistisch Geübten ein Ohrenschmaus, denn sie unterstützt das ohnehin schaurige Spielgefühl: Egal ob es böse aus der Ecke flüstert oder weinerlich hinter dem Rücken wispert – alles wird schauspielerisch überzeugend vorgetragen.

Ein große akustische Rolle kommt auch dem okkulten Radio zu: Wenn ihr einen Geist besiegt, hinterlässt er manchmal einen Kristall. Sobald ihr diesen ins Radio legt, begrüßt euch zwischen bedrohlichem Rauschen eine außerweltliche Stimme mit der nächsten Alptraumvorhersage.      

Fazit

Ihr habt zu hohen Blutdruck? Einen Herzschrittmacher? Kein Freunde? Dann solltet ihr einen großen Bogen um Project Zero 2 machen. Tecmo lockt euch Schritt für Schritt in eine bitterböse Alptraumwelt. Die Atmosphäre ist so beängstigend, dass man sich selbst als gestandener Resi- und Silent Hill-Veteran andauernd die peinliche Mann oder Memme-Frage stellen muss. Grauenvolle Filmfetzen und mordlüsterne Fratzen tanzen unbarmherzig auf eurer Psyche. Dem Nachfolger fehlt allerdings der Innovationsbonus, denn weder am Spielprinzip noch am Kampfsystem hat sich etwas getan. Auch die Steuerung gehört in die Mottenkiste und die veraltete Kameraführung sorgt schon mal für Orientierungsfrust. Aber hier schafft der rundum gelungene Director`s Cut der Xbox mit der sinnvollen Ego-Perspektive Abhilfe: Das Horrorerlebnis ist hier einen Tick ansehnlicher, komfortabler und intensiver. Und schließlich gibt`s hier noch den gnadenlosen Survival-Modus für ganz harte Geisterjäger. Zugreifen!

(Aktualisierung des PS2-Tests vom 5. Mai 2004; Anm. d. Red.)

Pro

spannende Story+ zoombare Minikarte
gutes Kampfsystem
Gänsehaut-Atmosphäre
motivierendes Aufrüsten
edle Menüs & Präsentation
packende Zwischensequenzen
alternatives Ende beim zweiten Durchspielen
zwei Schwierigkeitsgrade zu Beginn; weitere freispielbar
5.1 Dolby Surround (Xbox)
Survival-Modus (Xbox)+ mehr Gegner, mehr Extras (Xbox)
packende Egoperspektive (Xbox)

Kontra

einfache Rätselkost
nur deutsche Untertitel
kein kooperativer Modus
ab und zu Orientierungsfrust
nicht viel Neues gegenüber Teil 1
veraltete Steuerung/Kameraführung (PS2)
kein freier Wechsel zwischen Ego & Schulterperspektive (Xbox)
Survival-Modus nicht sofort spielbar (Xbox)

Wertung

PlayStation2

XBox

Auch der zweite Teil der Project Zero-Reihe ist ein Gänsehaut-Garant!

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