Madden NFL 1527.08.2014, Mathias Oertel
Madden NFL 15

Im Test: Zurück zu alter Stärke?

American Football und kein Ende. Seit 1988 kämpfen die Mannschaften der National Football League  für Electronic Arts um den virtuellen Super Bowl. Doch in den letzten Jahren entfernte sich die Madden-NFL-Serie von der Topform, die sie zu ihren Glanzzeiten auszeichnete. Auch mit der neuen Ignite-Engine auf PS4 und Xbox One konnte sie nicht an die Erfolge anknüpfen. Dieses Jahr unternimmt EA Tiburon natürlich einen neuen Anlauf. Wie stehen die Chancen?

Die gute alte Zeit    

Seine stärkste Phase hatte die Madden-Serie Anfang des Jahrtausends, als man sich mit Visual Concepts NFL-2K-Spielen einen heißen Kampf um das beste American-Football-Spiel lieferte. Doch nachdem 2K Sports die Lizenz nicht mehr nutzen konnte und EAs Football nahezu konkurrenzlos war, machte man nur noch das Nötigste. Mit Independent-Produktionen wie Backbreaker, das bis heute eine beispiellose Kollisions-Physik bietet, kam zwar ansatzweise so etwas wie Wettbewerb auf, doch die Dominanz von Madden blieb ungebrochen. Das Ergebnis waren jährlich neue Spiele, die unter dem Strich zwar mehr waren als Kader-Updates (das Phänomen der Legacy Editions sollte FIFA vorbehalten sein), die aber auch immer näher an das ominöse „Update zum Vollpreis“ herankamen.

In diesem Jahr dreht die Ignite-Engine auf PS4 und Xbox One auf: Die Kulisse hat einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht.
Mit der Jubiläumsausgabe letztes Jahr hatte man auf Xbox One und PS4 eine zusätzliche Chance, der Serie wieder Leben einzuhauchen. Doch diese Chance blieb weitgehend ungenutzt. EA hatte die damals frische Ignite Engine noch nicht im Griff - zumindest nicht weit genug, um das Spielerlebnis mit einer angemessenen Kulisse aufzuwerten. Die Madden-Reihe war trotz (oder gerade wegen) mangelnder Konkurrenz kurz davor, in die Durchschnittlichkeit abzudriften. Beim letzten Generationswechsel von PS2, Xbox und GameCube zu 360 und PS3 gab es eine ähnliche Phase. Nur, dass die Serie zu jenem Zeitpunkt mehr oder weniger auf ihrem Zenit angekommen war, während man sich letztes Jahr und mit dem jüngsten Wechsel der Systeme auf älteren Konsolen bereits Richtung "routinierte Tristesse" bewegte.

Zweierlei Maß

Und das ist dort dieses Jahr nicht anders. Zwar profitieren auch 360 und PS3 von den Fortschritten, die z.B. die in den Fokus gerückten Defensiv-Systeme machen. Doch die wesentlichen Änderungen, vor allem hinsichtlich Präsentation und Kulisse, bleiben den neuen Systemen von Sony und Microsoft vorbehalten. Angefangen bei den Modi über den Einstieg in die Partien bis hin zur Spielzugauswahl hat man mitunter Probleme, festzustellen, ob jetzt die aktuelle Version oder die des letzten Jahres im Laufwerk von 360 oder PS3 rotiert. Also doch erstmals eine Madden "Legacy Edition"? Nein. Denn auch, wenn man hinsichtlich der Präsentation keine Fortschritte mehr macht, sind die wenigen Änderungen, die sich spielerisch auswirken, mehr zu spüren als in den letzten Jahren. Dennoch wirkt es so, als ob sich EA spätestens nächstes Jahr intensiv mit dem Abschied von den Konsolen befassen wird, auf denen die Madden-Serie nach starkem Beginn ihre anhaltende "Ausruhphase" hatte.   

Der mechanische Fokus liegt dieses Jahr auf einer gestärkten Verteidigung, von der allerdings ebenfalls hauptsächlich PS4 und Xbox One profitieren.
Der Fokus in der Entwicklung lag eindeutig auf PS4 und Xbox One - und das spürt man an allen Ecken und Enden. Es beginnt damit, dass die Ignite Engine erstmals ihre Muskeln wirklich zur Schau stellt und American Football zu einem Hingucker macht. Man ist zwar noch nicht vor allen Tücken der Physik gefeit, so dass die eine oder andere Bewegung bzw. Kollision unnatürlich wirkt. Was wiederum auch dadurch besonders auffällt, dass der Rest der Kulisse auf Hochglanz poliert ist. Erinnert ihr euch noch an den Trailer mit fotorealistischen Gesichtern  und akkurater Mimik? Dieses Jahr ist in man in dieser Hinsicht dicht dran. Dazu kommt eine aufgebohrte Animationsbibliothek, die zusammen mit der Physikberechnung für größtenteils realistische Spielzüge und Aktionen sorgt.

Umfeld mit Auf und Ab

Auch das Umfeld zeigt sich verbessert: Die Zuschauerreihen flackern nicht mehr, die Kamerafahrten bei Kick-Offs zeigen den Rasen in seiner ganzen Halmpracht und bei kühlen Witterungsbedingungen sieht man den Atem kondensieren - schön. Leider hat man es aber noch nicht geschafft, alle Details am Spielfeldrand in dieser Qualität zu präsentieren. Zwar sehen die Figuren, die abseits des Spielfeldes warten oder arbeiten (Linienrichter, Fotografen, Zuschauer auf dem Trainingsgelände) besser aus als letztes Jahr, doch aufmerksamen Beobachtern wird auffallen, dass sie sich sehr häufig das gleiche Gesicht teilen.

Doch viel wichtiger ist: Spielerisch ist Madden NFL 15 (ab 9,97€ bei kaufen) auf dem Weg zurück zu alter Klasse. Nicht nur, dass man einige neue Mechaniken einführt, die ich nicht mehr missen möchte. Mit seinen vielen kleinen Änderungen und Erläuterungen schafft man es gleichermaßen, Fans des taktischen, aber mitunter auch sperrigen amerikanischen Nationalsports wie auch Neueinsteiger zu begeistern. Die einen werden sich über eine neu gestaltete Spielzugauswahl freuen, die die "Ask-Madden"- bzw. die Gameflow-Vorschläge der Vorgänger mit mehreren situationsabhängigen sowie durchschaltbaren "Coaches Suggestions" ersetzt. Dabei wird sogar angezeigt, wieso der Coach glaubt, dass dieser oder jener Spielzug Erfolg verspricht, wobei zahlreiche Statistiken bemüht werden. Und die anderen ergötzen sich an den neuen Sortierungen der Spielzüge, die einen vielleicht nicht schnell, aber dennoch einfach dorthin bringen, wo man hin möchte.

Die Null muss stehen

Die Physik hat ebenfalls Fortschritte gemacht und leistet sich deutlich weniger Aussetzer als letztes Jahr.
Okay: Dieser Satz kommt eigentlich aus dem Fußball. Doch mit dem neuen bzw. wieder gewonnenen Fokus auf die Verteidigung, der zuletzt in Madden NFL 2005 größer thematisiert wurde, kommt man dem Fußball-Leitspruch recht nahe. Es gibt ein neues Tackling-System, bei dem man nicht nur zwischen leichtem und aggressiven Blockversuch entscheidet, sondern diesen anbhängig von der Position höher oder tiefer ansetzen kann - das Timing wird wichtiger. Überhaupt hat man das Gefühl, dass die Entscheidungen, die man defensiv trifft, mehr Auswirkung zeigen. Was auch an der verbesserten KI liegen könnte, die nachvollziehbarer auf Laufwege reagiert und entsprechende Entscheidungen trifft. Unterstützt wird das Spielerlebnis auch durch eine brandneue Kameraperspektive, die den Versionen für die alten Systeme leider vorbehalten bleibt: Vor dem Snap kann man sich auf einen Abwehrspieler festlegen und ist nun in einer sehr dichten Schulterperspektive. So werden sowohl das Knopfdruck-Minispiel, wenn man versucht, sich durch einen Guard hindurchzutanken, um zum Quarterback zu gelangen, als auch das Abdecken der Passwege oder die Tacklings noch intensiver. Allerdings fehlt diese Kameraperspektive im Offline-Duell zweier menschlicher Spieler.

Um alle neuen Mechaniken zu erlernen, sich ggf. umzugewöhnen oder auch, um als Einsteiger die Grundlagen zu erlernen, wurden die so genannten "Skill Games" erweitert und auch um taktische Erläuterungen sowie Übungen ergänzt. Obendrauf gibt es einen arcadigen Modus namens "Gauntlet", in dem man das Gelernte unter Druck (man hat nur fünf "Leben") umsetzen muss. Hier kommt es sogar alle fünf Übungen zu einem „Bosslevel“, wo man z.B. mit Unterstützung von Orkanwinden ein Field Goal über das gesamte Feld erzielen muss. Das mag alles nicht realistisch sein, macht aber genau deswegen Spaß - was für mich auch ein Indiz dafür ist, dass EA Tiburon mit Madden auf den neuen Systemen ebenfalls wieder zum Spaß zurückgefunden hat. Ich hoffe nur, dass dieser Eindruck auch in den nächsten Ausgaben der Serie zu spüren ist und nicht so schnell wieder Tristesse einkehrt.

Alles bekannt

Dass es in allen On- bzw. Offline-Modi nur wenig Forschritte gibt, kann man angesichts der übrigen Verbesserungen verschmerzen.
Die gibt es jedoch bei den Spielmodi: Im Wesentlichen findet man die gleichen Elemente vor wie letztes Jahr. Wenn man genau hinschaut, kann man zwar sowohl bei der "Connected Franchise" als auch beim Ultimate Team leichte Änderungen feststellen. Gleich geblieben ist jedoch, dass hier Mikro-Transaktionen (Kauf von Münzen für Kartenpacks mit Echtgeld) dadurch forciert werden, dass man ohne Geldaufwand enorm viel Zeit investieren muss, um entsprechende Ingame-Währung zu bekommen. Und auch innerhalb der "Connected Franchise", in der man als Spieler, Coach oder Franchise-Besitzer versucht, Eindruck zu hinterlassen, gibt es Verfeinerungen. Doch letztlich bleiben diese marginal.

Dennoch habe ich dieses Jahr auch in diesen Bereichen mehr Spaß am American-Football-Spektakel. Wieso? Ganz einfach: Die mechanischen Fortschritte sind für mich ungleich mehr wert. Nur dank ihnen kann ich in den anderen Modi, gleichgültig ob on- oder offline, so gut unterhalten werden. So gut wie schon lange nicht mehr bei Madden. So gut, wie ich es eigentlich für den Systemwechsel letztes Jahr erhofft hatte.

Fazit

Nach Jahren, in denen EA gerade mal  das Nötigste machte oder die Änderungen nur in den nachgelagerten Spielebenen zu spüren waren, ist die Madden-Serie endlich wieder auf Kurs. Während die Versionen für die alten Systeme zwar in Ansätzen von den mechanischen Neuerungen profitieren, die weiter reichen als die letzten Jahre zusammen genommen, ist man hinsichtlich visueller Fortschritte scheinbar am Ende der Fahnenstange angelangt - die Geister der „Legacy Editionen“ der FIFA-Serie rücken unaufhörlich an. Ganz im Gegensatz zur auf PS4 und Xbox One eingesetzten Ignite Engine, die in dieser Version endlich die Versprechen von Next-Gen-Kulissen einlöst. Die Physik liegt zwar immer noch ein Stückchen hinter der von Backbreaker und leistet sich ab und an noch Aussetzer, hat aber den Abstand deutlich verkürzt. Doch viel wichtiger: Das Spielgefühl ist dank neuem Defensiv-Fokus, optimierten Kontroll-Optionen und verbesserter KI angenehm frisch und hat mich so intensiv wie schon lange nicht mehr ans Pad gefesselt. Ich hoffe, dass Electronic Arts an diesem Weg der Neuausrichtung festhält und sich in den kommenden Jahren nicht wieder auf nur kleine Änderungen konzentriert. Madden NFL 15 ist vor allem auf PS4 und Xbox One in dieser Form auf einem verdammt guten Wege, an die Form anzuknüpfen, die die Serie vor gut zehn Jahren auszeichnete.

Pro

stark verbesserte Kulisse (PS4, One)
Präsentation erinnert dank neuer Kamera-Perspektiven noch mehr an TV-Übertragungen
zahlreiche Off- und Online-Modi, die miteinander verknüpft werden...
deutlich verfeinerte Spielzug-Auswahl mit sinnvollen Hinweisen
Defensive hat einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht
akkurate Steuerung
neue defensive Kameraeinstellung bringt einen direkt ins Geschehen
Ultimate Team wurde entschlackt
"Skill Games" führen Anfänger in die Feinheiten von Regeln und Mechanik ein
KI reagiert deutlich besser als in den letzten Jahren
"Gauntlet" eine unterhaltsame Reihe von Arcade-Übungen inkl. "Bosskämpfen"

Kontra

nur wenige visuelle Fortschritte auf PS3 oder 360
Physik immer noch mit Aussetzern
... aber trotz Ergänzungen nichts Neues bieten
nicht alle mechanischen Fortschritte in PS3 oder 360 enthalten
niedrige Details bei Objekten am Spielfeldrand
Ultimate Team wird ohne Mikro-Transaktionen zu einem Grind
Kommentare nutzen sich schnell ab

Wertung

360

Auch wenn die wenigen mechanischen Fortschritte für ein verbessertes Spielgefühl sorgen, ist man nicht mehr weit von der "Legacy Edition" entfernt.

PlayStation4

Dass der Fokus auf den Next-Gen-Versionen lag, ist überall spürbar. Die Madden-Serie hat die Kurve bekommen und ist wieder auf dem Weg zu alter Topform.

XboxOne

Dass der Fokus auf den Next-Gen-Versionen lag, ist überall spürbar. Die Madden-Serie hat die Kurve bekommen und ist wieder auf dem Weg zu alter Topform.

PlayStation3

Auch wenn die wenigen mechanischen Fortschritte für ein verbessertes Spielgefühl sorgen, ist man nicht mehr weit von der "Legacy Edition" entfernt.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.