Moto GP 1426.06.2014, Michael Krosta

Im Test: Gute Fahrphysik, schwache Technik

Milestone sitzt weiter fest auf dem Motorrad-Sattel und bringt mit Moto GP 14 (ab 19,95€ bei kaufen) auch in diesem Jahr einen neuen Ableger rund um die Königsklasse des Zweirad-Motorsports. Dabei lässt man Valentino Rossi & Co erstmals auch auf der neuen Konsolengeneration um Siege kämpfen. Können die Italiener auf der PS4 endlich die bislang enttäuschende Technik aufpolieren oder fährt man schon jetzt wieder hinterher?

Alles wie gehabt

Die gute Nachricht: Endlich, endlich sieht man einem Rennspiel aus dem Hause Milestone seine PS3-Herkunft an! Im Vergleich zum Vorjahr hat man den Detailgrad von Landschafts- und Maschinentexturen deutlich nach oben geschraubt, auch wenn die abermals überarbeitete Engine immer noch weit davon entfernt ist, die visuelle Qualität eines Gran Turismo 5 auf den Bildschirm zu zaubern. Auch bei der Bildrate erkennt man Fortschritte: Die Darstellung bleibt zwar weiterhin auf 30 Bilder pro Sekunde beschränkt, hat aber selbst bei Regenwetter und mit über 20 Maschinen auf den lizenzierten Pisten deutlich seltener mit Einbrüchen zu kämpfen. Tolle Sache.

Die schlechte Nachricht: Ich beziehe mich dabei leider nicht auf die PS3-Version von Moto GP 14, sondern die Next-Gen-Fassung für die PlayStation 4! Wie gehabt hängt Milestone gefühlt eine ganze Generation zurück, was das technische Gerüst der Motorrad-Simulation angeht. Und wie schon im letzten Jahr muss ich erneut Entwickler Climax zum Vergleich anführen: Ein Moto GP Ultimate Racing Technology 3 zauberte im Jahr 2005 auf der ersten(!) Xbox schon 60 Bilder pro Sekunde auf den Bildschirm und kann sich selbst heute noch grafisch mit den Milestone-Titeln messen. Und die PS3-Version? Hier gibt es im Vergleich zum Vorjahr nur minimale Fortschritte wie der besseren Performance bei Rennen am geteilten Bildschirm, die trotz verringerter Bildrate mittlerweile halbwegs spielbar sind, wobei das Starterfeld auf

Die Fahrer unterscheiden sich im Stil, wie sich sich in die Kurven legen.
läppische sechs Teilnehmer reduziert wird. Diese langen und häufigen Ladezeiten kennt man noch gut aus dem Vorgänger. Ein „Feature“, das Milestone auch für die PS4 übernimmt, wo man sich trotz Installation ebenfalls in Geduld üben muss, bevor die Daten endgültig im Speicher gelandet sind.

Gelungene Fahrphysik

Es bleibt dabei: Hinsichtlich Technik liefert Milestone die nächste Enttäuschung ab – und das auch auf der PS4! Es mag sein, dass einem kleinen Team sowohl Zeit als auch die Ressourcen für die Entwicklung einer modernen Engine fehlen, aber wenn jedes Jahr aufs Neue die großen Fortschritte in Pressemitteilungen angepriesen werden, sich diese aber im fertigen Spiel nicht widerspiegeln, ist die Enttäuschung umso größer.

Doch zum Glück bleiben sich die Italiener auch in einem anderen Bereich treu: Die dreistufige Fahrphysik, die sich mit diversen Hilfen vom Brems-Assistenten über Koppel-Bremsen bis hin zur in Echtzeit verstellbaren Traktionskontrolle weiter anpassen lässt, ist immer noch das beste Verkaufsargument für die Reihe. Profis erfreuen sich am extrem anspruchsvollen Handling der PS-Monster, sobald sämtliche Hilfen deaktiviert sind und man sich sogar manuell um die Position des Fahrers kümmern muss. Schaltet man zusätzlich noch den optionalen Reifenverschleiß, das leider etwas inkonsequente Flaggen- und Strafsystem sowie das Schadensmodell hinzu und verzichtet gleichzeitig auf die bequeme Rückspulfunktion, erfüllt das Spiel die meisten Anforderungen, die echte Biker-Fans an eine anspruchsvolle Simulation stellen. Selbst technische Defekte wie überhitzte Motoren sind möglich, die das sofortige Aus bedeuten können. Nicht zu vergessen, dass man auch selbst an den

Den Strecken mangelt es an Details.
Maschinen herumschrauben und die gewohnten Einstellungen am Fahrwerk, Lenker, Getriebe und den Bremsen vornehmen kann, wenn man sich nicht auf seinen Mechaniker verlassen will, der das Setup nach geäußerten Wünschen zum Fahrverhalten auch automatisch übernimmt. Anfänger werden dagegen nicht gleich abgeschreckt, da die angebotenen Hilfs-Optionen eine gute Kontrolle über die kraftvollen Biester ermöglichen – vergleichbar mit Stützrädern am Fahrrad. Hinzu kommt, dass man sich in den beiden niedrigeren Klassen - der Moto GP 3 und Moto GP 2 - langsam an das Thema Motorrad-Rennen herantasten kann, denn hier reagieren die Maschinen selbst auf nassem Asphalt im Vergleich zu den 1000ccm-Flitzern noch sehr gutmütig.

Harte Zweikämpfe

Für die KI gilt das nicht: Schon auf der normalen Stufe lieferten sich die anderen Piloten teilweise harte Positionsduelle mit mir oder setzten mich als Verfolger gehörig unter Druck, wenn sie sich in meinem Windschatten an mich heran saugten und manchmal sogar mit einem Geschwindigkeitsüberschuss an mir vorbei huschten. Klar, dass es im Zweikampf schon mal heiß hergehen kann und es im Eifer des Gefechts zu Berührungen sowie Stürzen kommt. Hier fällt zum einen auf, dass das Straf- und Flaggensystem kaum greift und in erster Linie lediglich Abkürzungen ahndet. Zum anderen wird bei heftigeren Kollisionen meist nur der Spieler benachteiligt, weil unabhängig vom Verursacher nur er stürzt, während die KI meist ungehindert weiterfahren kann. In diesem Fall ist die Rückspulfunktion ein wahrer Segen, damit der Frust angesichts solcher Aktionen nicht die Oberhand gewinnt.   

Großer Umfang

Die ohnehin große Auswahl an Spielmodi haben die Entwickler weiter aufgestockt: Neben Sofortrennen, einzelnen Grand-Prix-Läufen inklusive Training und Qualifikation sowie eigenen oder offiziellen Meisterschaften und dem typischen Karriere-Modus nach Codemasters-Vorbild gibt es erstmals auch kleine Herausforderungen, in denen Ereignisse der letzten Saison nachgespielt oder verändert werden müssen. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Legendenrennen, in denen man ebenfalls bestimmte Aufgaben erfüllen muss. Dabei handelt es sich zwar nur um kleine Snacks, doch

Die KI gibt sich kämpferisch.
insgesamt wird hier viel Umfang fürs Geld geboten. Die Zeitrennen feiern ebenfalls ihr Comeback als separater Modus und wer sich nur mit den Besten messen will, findet in der neuen Klasse MotoGP Champions ausschließlich Zweirad-Helden verschiedener Epochen, darunter Max Biaggi, Mick Doohan und Valentino Rossi.

Online wird ebenfalls einiges geboten, denn neben Einzelrennen (inkl. Qualifying) dürfen auch ganze Meisterschaften für bis zu zwölf Teilnehmer über das PSN ausgetragen werden. Kommen nicht genug Spieler zusammen, wird der Rest des Feldes mit KI-Piloten aufgefüllt. Alternativ zu den Standard-Rennen darf man online außerdem um Sektoren-Bestzeiten kämpfen – immer noch ein toller Modus! Schön auch, dass man in eigenen Lobbys wieder viele Regeln und Einschränkungen nach eigenen Wünschen anpassen kann, darunter erlaubte Hilfen, Wetter und die Stufe der Fahrphysik. Gab es im letzten Jahr noch viele Probleme mit Lags, liefen die Online-Rennen dieses Mal ohne große Störungen ab. Nur das Lobbysystem liefert wieder Grund zur Klage: Zum einen gibt es immer noch keine Live-Videos von laufenden Rennen, um die Wartezeit zu überbrücken. Zum anderen werden immer noch abgelaufene Sitzungen in der Übersicht angezeigt und das automatische Vermitteln für schnelle Rennen funktioniert nur selten. Hinzu kommt der Ärger, wenn sich der Host verabschiedet und die Leitung nicht automatisch einem anderen Spieler übertragen wird – vor allem dann, wenn man vorher geduldig auf das Ende des laufenden Rennens gewartet hat.

Vier statt zwei Räder

Wer lieber mit zwei Rädern mehr auf die Piste gehen will, bekommt im neuen Safety-Car-Modus die Gelegenheit dazu: Hier rast man auf der Jagd nach neuen Bestzeiten in einem BMW M4 über die Kurse – direkte Gegner gibt es leider genauso wenig wie einen Motorrad-Pulk, den man sicher über die Strecke führt. Hinzu kommt, dass die Fahrphysik mit ihrer schwammigen Steuerung hier im Gegensatz zu den Bikes unter aller Kanone ist. Liebe Leute von Milestone: Bitte entwickelt auf dieser schrecklichen Basis niemals ein Autorennspiel! Denn das Ergebnis wäre wahrscheinlich genauso überflüssig wie die Integration eines halbherzigen Safety-Car-Modus in Moto GP 14.

In Katar geht es wieder bei Nacht auf die Piste.
Apropos überflüssig: Der Fahrer-Editor ist und bleibt ein schlechter Witz – vor allem dann, wenn man sich bei den wenigen vorgegebenen Fahrer-Portraits für eine Frau entscheidet, aber trotzdem ein Mann auf der Maschine sitzt und man in Mails auch immer in der maskulinen Form angesprochen wird. Bei dieser erbärmlichen Umsetzung kann man dann auch gleich auf die „Frauenquote“ verzichten. Davon abgesehen wird auch sonst bis auf eine Auswahl an vorgefertigten Helmen, Handschuhen und Anzügen nichts geboten, um den Fahrer anzupassen. Warum wird es z.B. nicht erlaubt, sich selbst mittels Kamera ins Spiel zu bringen? Aber Aufnahmen sind eh kein großes Thema, denn selbst auf der PS3 hat Milestone den Fotomodus mittlerweile gestrichen. Auch die mitunter ruckeligen Wiederholungen lassen sich immer noch nicht speichern.

Fazit

Moto GP 14 ist wieder eine dieser klassischen Milestone-Fortsetzungen: Zwar wurden im Vorfeld auch angesichts der PS4-Premiere viele Verbesserungen versprochen, doch am Ende überwiegt einmal mehr die Ernüchterung – zumindest in technischer Hinsicht. Dafür überzeugen die Italiener einmal mehr bei der Fahrphysik, die mit ihren Abstufungen und Anpassungen sowohl Gelegenheitsfahrer als auch Biker-Profis zufriedenstellen dürfte. Auch am Umfang gibt es nichts zu meckern, denn dank vieler Meisterschaften, einer schwach präsentierten, aber langen Karriere und zahlreichen Herausforderungen kann man viel Zeit auf dem Sattel verbringen oder in der Box an den Maschinen herumschrauben. Der grauenhafte Safety-Car-Modus ist als Neuzugang allerdings genauso überflüssig wie der weiterhin schwache Fahrer-Editor. Und auch die unfaire Kollisionsabfrage, die den Spieler bei Rempeleien benachteiligt, kann bei Positionsduellen gegen die kämpferische KI für Frust sorgen. Trotzdem: Wer über die technischen Schwächen und die magere Präsentation hinweg sehen kann, findet unter der verstaubten Haube auch in diesem Jahr wieder ein solides Motorrad-Rennspiel, das sich Besitzer des Vorgängers mangels Fortschritt aber nicht unbedingt ins Regal stellen müssen.

(Zum Test lagen uns lediglich die PS3- und PS4-Versionen vor, Anm. d. Redaktion)

Pro

offizielle Lizenz für drei Leistungsklassen...
diverse Fahrphysik-Modelle und Hilfen
großer Umfang (Karriere, WM, Zusatz-Modi)
eigenes Setup möglich
verschiedene Witterungsbedingungen...
optionales Schadensmodell
optionaler Reifenverschleiß
optionale Rückspulfunktion
komplette Rennwochenenden möglich
fordernde KI
immersive Helmansicht
Splitscreen-Rennen
gute Auswahl und Anpassungen bei Online-Modi

Kontra

...aber viele Fahrer & Teams müssen erst freigespielt werden
neben PS3 auch auf der PS4 technisch hoffnungslos veraltet
vereinzelte Einbrüche der Bildrate
schlimmer Sprecher
...deren Auswirkungen man erst in höheren Klassen spürt
furchtbarer und überflüssiger Safety-Car-Modus
magere Präsentation
häufige Ladeunterbrechungen
repetitive Parc-Fermé-Szenen statt Siegerehrung
lasches Strafsystem ohne echte Auswirkungen
Spieler wird bei Kollisionen fast immer benachteiligt
enttäuschender Fahrer-Editor
Frauen-Profile werden als Männer bezeichnet
Wiederholungen lassen sich nicht speichern
keine Zuschauer-Funktion (online)
kein automatischer Host-Wechsel (online)

Wertung

PlayStation4

Technisch ernüchtert die Zweirad-Premiere auch auf der PlayStation 4 - aber der große Umfang und die gelungene Fahrphysik dürfte Biker-Fans zufrieden stellen.

PlayStation3

Bis auf neue Herausforderungen und aktuelle Lizenzen entspricht Moto GP 14 auf der PS3 nahezu dem Vorgänger mit allen Stärken und Schwächen.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.