Im Test: Ozean der Weisheit?
Eine verborgene Welt
Was ist das für ein Wesen, das so elegant durch das Wasser gleitet? Das sich wie selbstverständlich an all die Fische heftet, um auf ihnen zu reiten? Auf den ersten Blick sieht es in seinem schwarzgelben Tauchanzug menschlich aus, aber es trägt auch leicht katzenhafte Züge und blickt aus ungewöhnlich großen Augen. Sobald man sich in die Tiefe begibt, wird man nicht nur von sanften, fast schon sakralen Klängen und bunten Schwärmen von Fischen begleitet, sondern auch von vielen Fragen. Das passt zum Namen Abzû, der aus dem Mesopotamischen stammt und so viel bedeutet wie „Ozean der Weisheit“.
Tolle Stimmungswechsel
Der Einstieg ist noch überaus gelungen, zumal die orchestrale Begleitung von Austin Wintory für tolle Stimmungswechsel sorgt, wenn man z.B. paradiesisch anmutende Regionen verlässt
Erst danach kann man in der befreiten Region die ersten azurblauen Bildtafeln erkunden, auf denen ikonographische Abbilder des eigenen Selbst scheinbar Rituale vollziehen. Also geht es doch um eine Reise in die eigene Vergangenheit? Hat das eigene Volk unter Wasser gelebt? Kaum entdeckt man in der Ferne ein riesiges rotes Dreieck, das wie ein Auge aus der Ferne glimmt, fragt man sich: Gab es Besucher einer anderen Welt? Wurde die Idylle gestört? Schließlich entpuppt sich das Auge als metallischer Schacht, der sich wie ein Raumschiffhangar öffnet. So taucht man in den nächsten Unterwasserbereich – Abzû macht in der ersten Viertelstunde richtig neugierig.
Ozean der Wiederholung
Das große Problem ist in den kommenden zwei Stunden allerdings die Wiederholung des ewig Gleichen bei fehlender spielerischer Entwicklung in begrenzten Arealen. Immer wieder lässt man auf Knopfdruck abgestorbene Bereiche erblühen, um danach weitere Bildtafeln seiner potenziellen Ahnen zu entdecken und tiefer in die Raumschiff-ähnlichen Wracks vorzudringen. Dieses über acht Kapitel laufende Prinzip hat man zu schnell durchschaut, zumal die neuen Bereiche zwar über Strömungen sowie immer neue und mächtigere Fische und Wale ergänzt werden, aber auch recht klein bleiben und man recht linearen Pfaden folgt.
Der Zauber verfliegt
Auch das Sammeln von Muscheln oder Befreien von Fischen aus ihren Nestern, bleibt genauso hübsch inszenierter Selbstzweck wie das Meditieren. Letzteres wirkt sogar wie ein Fremdkörper: Man sitzt auf
Apropos: So cool das Schwimmen mit Fischen und Walen beim ersten Mal ist, wird es erstens nicht so intensiv dargestellt, dass man z.B. an einem Walhai treibend auch staunend die Kamera dreht – der Zauber verfliegt hier leider recht schnell, weil man technisch nicht alle Möglichkeiten nutzt. Das zehn Jahre ältere Shadow of the Colossus hat seine Ritte auf Riesen zehnmal spektakulärer inszeniert. Zweitens verschenkt man in diesen kooperativen Situationen das Potenzial möglicher Fähigkeiten oder Wissen, die oder das man vielleicht von diesen Urzeitriesen adaptiert, oder geheimer Wege, die man vielleicht nur in ihrer Begleitung gefahrlos entdecken könnte.
Fazit
Das Erstlingswerk des Studios von Matt Nava ist ein audiovisueller Genuss. Freut euch auf eine stimmungsvolle Komposition aus Klängen und Bildern in einer mysteriösen Unterwasserwelt, in der nicht nur zig Fische und Wale, sondern auch archäologische Monumente sowie Science-Fiction-Elemente zum Erkunden einladen. Schon nach wenigen Augenblicken unter Wasser fühlt man sich musikalisch sowie stilistisch an Journey erinnert. Aber Abzû erreicht nur ansatzweise dessen Sogkraft, wirkt vier Jahre nach dem Meisterwerk im Wüstensand wie eine ambitionierte, aber letztlich nicht konsequent durchdachte und fade Variante. Der Zauber des stimmungsvollen Einstiegs verfliegt recht schnell, denn man erlebt eine Wiederholung des ewig Gleichen mit kinderleichten Rätseln. Storytelling, Spielmechanik und Erkundungsreize werden einfach nicht so gut verwoben, dass man staunend in diese Welt gelockt wird. Statt in einem Ozean der Weisheit etwas freier zu grübeln, wird man wie ein Kind zum Ziel geführt. Nach nur zwei Stunden hat man eine viel zu kurze Reise beendet, die in den ersten fünfzehn Minuten mehr versprach als sie letztlich halten konnte.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Abzû ist audiovisuell ein Genuss mit tollen Unterwasser-Momenten, aber scheitert nach dem stimmungsvollen Einstieg an der Wiederholung des ewig Gleichen, entwickelt seine erzählerischen Potenziale nicht und bietet nur kinderleichte Rätsel.
PlayStation4
Abzû ist audiovisuell ein Genuss mit tollen Unterwasser-Momenten, aber scheitert nach dem stimmungsvollen Einstieg an der Wiederholung des ewig Gleichen, entwickelt seine erzählerischen Potenziale nicht und bietet nur kinderleichte Rätsel.
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