Spider-Man 217.07.2004, Mathias Oertel
Spider-Man 2

Im Test:

Spider-Man begeistert die Kinogänger. Doch Peter Parker kehrt nicht nur auf die Leinwände zurück, sondern möchte mit Spider-Man 2 (ab 22,00€ bei kaufen) auch auf Konsolen zeigen, dass Treyarch aus einer großen Lizenz ein großes Spiel machen kann. Da der Vorgänger getrost zu den besseren Film-Versoftungen gezählt werden kann, scheinen die Chancen nicht schlecht zu stehen. Wir haben uns im Test durch New York geschwungen und Doc Ock zum Kampf herausgefordert!

Mit großer Lizenz kommt große Verantwortung

Während viele Publisher in den letzten Jahren vergeblich versucht haben, mit Spielen zu Filmen vom Erfolg der Zelluloidwerke zu profitieren, blieben die Umsetzungen spielerisch häufig nicht nur hinter den Erwartungen, sondern auch hinter dem Genre-Standard zurück.

Wo lauert das nächste Verbrechen? Sowohl Mini-Radar als auch die übersichtliche Karte bieten wertvolle Hilfe.
Doch in den letzten Monaten ist eine Tendenz nach oben festzustellen: Harry Potter, Findet Nemo und vor allem auch The Chronicles of Riddick haben gezeigt, dass Lizenzen auch sinnvoll versoftet werden können.

In dieser Aufzählung nicht vergessen sollte man das Team von Treyarch, das mit der Umsetzung zu dem Blockbuster Spider-Man als eines der ersten Studios gezeigt hat, dass mit Verständnis für die Materie ein ansehnliches Spiel herauskommen kann.

Und jetzt geht man sogar noch einen Schritt weiter.

Eng am Film – und darüber hinaus...

Bei der grundlegenden Geschichte orientiert man sich natürlich am derzeit in den Kinos laufenden Film: Peter Parker, alias Spider-Man, ist hin- und hergerissen zwischen seinen sozialen Pflichten, seiner Liebe zu Mary Jane und seinem Alternativleben als Superheld.

Hinzu kommt der Konflikt mit Doc Ock, der natürlich auch eine zentrale Rolle im Software-Abenteuer spielt. Außerdem tauchen andere Comic-Obermotze wie Mysterio und Shocker ergänzt sowie die ominöse Black Cat als weitere Handlungsfigur auf. Die geskripteten Interaktionen mit der schwarzen Katze, die MJ Konkurrenz als Herzblatt macht, sind hollywoodreif in Szene gesetzt und vermitteln Peters Zerissenheit wunderbar.

Nachts wirkt die Stadt deutlich beeindruckender und verströmt die Atmosphäre der Comics.
Mach, was du willst!

Im Gegensatz zum linearen ersten Teil hat sich Treyarch dazu entschlossen, dem Spieler weitestgehend freie Hand bei der Erforschung der Welt zu geben: Nicht nur, dass ganz Manhatten von der Wall Street bis zum Central Park (plus Ellis Island und Roosevelt Island) eure Spielwiese darstellt. Auch den Fortschritt in der Story könnt ihr fast immer nach eigenem Willen steuern: In jedem der 16 Kapitel gilt es bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Meist bestehen diese aus dem Erreichen einer festgesetzten Heldenpunktzahl und dem Erreichen bestimmter Orte, an denen eine Cut-Scene und damit die Geschichte weitergeführt wird.

Jetzt mal langsam... Heldenpunkte? Bestimmte Orte? Hä? Die Lösung ist einfach: Während ihr nach eigenem Gutdünken durch die Stadt schwingt und lauft, passieren überall Verbrechen, die ihr teilweise selber sehen könnt oder die euch durch Passanten gemeldet werden.

Dabei geht es allerdings nicht nur um Schusswechsel von Gangstern mit der Polizei, denen Spidey Einhalt gebietet. Autodiebstähle, Verfolgungsjagden, Ballons, die Kindern aus der Hand gerutscht sind und eingefangen sowie Passagiere, die von sinkenden Schiffen gerettet werden müssen (Spider-Man kann allerdings nicht schwimmen), stehen auf dem Programm, das etwa ein Dutzend verschiedener Aufgaben umfasst.

  

Es gibt viel zu tun

Das hört sich nicht nach all zu viel an und gestaltet sich vor allem in der Anfangsphase auch ziemlich eintönig. Viele der Missionstypen werden erst im weiteren Spielverlauf freigeschaltet, so dass ihr abseits der Hauptmissionen einen Großteil der ersten Stunden damit beschäftigt seid, Handtaschenräuber und Autodiebe zu jagen und gelegentlich noch den einen oder anderen Arbeiter vor einem Absturz von der Kante eines Hochhauses zu retten.

Freiflug: Ein Sprung vom Empire State Building raubt den Atem.
Doch just in dem Moment, in dem man vor Langeweile fast schon zum Schalter greift, beginnt man, sich in der Stadt etwas umzuschauen und die Freiheit auszunutzen, die einem Treyarch bietet.

Und das bedeutet, dass ihr jedes Gebäude der Stadt erklimmen und sogar in zahlreiche Häuser hinein gehen könnt. Und schwupps: wird eine neue Dimension geöffnet, die allerdings nur optional ist. Denn auf Hochhäusern könnt ihr Medaillen finden, für gefundene Unterschlupfe von Gangs gibt es ebenfalls Belohnungen und zudem sind in der Stadt über 200 Tipp-Zeichen verteilt, die nicht nur ein kleines Ansteigen des Heldenpunkte-Kontos nach sich ziehen, sondern unter Umständen mit wertvollen Hinweisen dienen.

Kleine Checkpunkt-Rennen gibt es ebenso wie Fotografieraufträge des Daily Bugle oder eure Arbeit als Pizzabote usw. Ihr seht: Um das Spiel 100-prozentig zu schaffen ist man deutlich länger beschäftigt als die etwa zehn bis zwölf Stunden, die es braucht, um Doc Ock dingfest zu machen.

Kombo-Fest

Die Heldenpunkte, die ihr mit den ganzen Aufgaben verdienen könnt, dienen nicht nur dazu die Missionsanforderungen zu erfüllen. In Shops, die über die ganze Stadt verteilt sind und die ihr auf der übersichtlichen Karte einsehen könnt, habt ihr die Möglichkeit, eure Fähigkeiten durch den Erwerb neuer Features aufzuwerten. Leider ist deren Anordnung etwas unübersichtlich, was allerdings nicht am Spielspaß nagt.

Es stehen zahlreiche Kombos zur Verfügung, doch die KI fordert nur selten euer ganzes Können.
Gesteigerte Schwunggeschwindigkeit, akrobatische Moves und Schlagkombos gehören z.B. zum Repertoire. Vor allem Letzteres ist im Kampf mit den zahlreichen Gangstern sehr wichtig. Seid ihr anfänglich auf eine normale Kombo angewiesen und könnt z.B. nur einen Gegner mit eurem Netz zu euch ziehen, habt ihr später ein weitreichendes Arsenal zur Verfügung. Das geht sogar so weit, dass ihr die Gegner einspinnen und wie ein Rodeo-Lasso um euch schwingen oder am nächsten Laternenpfahl aufhängen und einlagern könnt.

Doch obwohl die Kombos vielfältig sind, ertappt man sich dabei, wie man immer wieder die gleichen Moves macht. Was größtenteils der Gegner-KI zuzuschreiben ist, die sehr eintönig und meist vorhersehbar reagiert, so dass man meist genau so eintönig darauf antwortet.

Und wenn alle Stricke reißen, könnt ihr zusätzlich den Spinnenreflex aktivieren, der optisch eindrucksvoll das Geschehen um euch verlangsamt, so dass ihr eine bessere Möglichkeit habt, sowohl Attacken als auch Defensivmanöver durchzuführen.

  

Schwungmeister

Glücklicherweise macht euch die gut reagierende Steuerung weder bei den Kämpfen noch bei den imposanten Netzschwüngen durch die Stadt einen Strich durch die Rechnung. Und obwohl die Entwickler das "Ankerprinzip" des Netzes geändert haben, gibt es keine Probleme. Beim ersten Teil konnte man sein Seil jederzeit abschießen, um zu schwingen - man konnte sich quasi an Wolken hängen.

Das Gefühl für Höhe und Geschwindigkeit lässt sich kaum in Worte fassen.
Bei Spider-Man 2 hingegen muss ein Haus oder Baum in der Nähe sein, an dem man sein Netz verankern kann. Ansonsten heißt es laufen oder wie ein gedoptes Kaninchen durch die Stadt hüpfen. Und wer es schafft, sein Seil an einem vorbei fliegenden Helikopter zu befestigen, kommt vollkommen ohne Stress voran.

Mit der neuen Netz-Schwungsteuerung hat man eine immense Kontrolle über die Flüge Spider-Mans, braucht allerdings auch eine kleine Eingewöhnungszeit, um die Finessen voll auskosten zu können und sich wie im Film durch die Häuserschluchten zu schwingen.

Allerdings haben die Entwickler auch eine vereinfachte Steuerung eingebaut, die in etwa der des Vorgängers entspricht. Wer sich allerdings die Mühe macht, sich in die neuen Kontrollmöglichkeiten einzuarbeiten, wird mit deutlich eindrucksvolleren Reisen durch die Stadt belohnt.

Höhenangst?

Das Vorhaben von Treyarch schien gewagt: New York, genauer gesagt: Manhatten, akkurat nachzubilden, ohne Geschwindigkeit zu verlieren, dabei noch gut auszusehen und dem Spieler mit möglichst geringen Ladezeiten eine größtmögliche Freiheit zu geben.

Doch der Vorsatz wurde mit einem Minimum an Kompromissen auf allen Konsolen gut umgesetzt, wobei es allerdings qualitative Unterschiede gibt.

Schwingen, klettern, Doc Ock bekämpfen: Fast alles, was Spidey im Film kann, dürft ihr auch im Spiel umsetzen.
Allen Fassungen gemeinsam ist sowohl ein hoher Wiedererkennungswert der Stadt und ihrer relevanten Touri-Attraktionen als auch ein enormes Gefühl für Höhe und die Größe des Areals. Wer sich im Spiel aufs Empire State Building schwingt, hat nicht nur eine fantastische Aussicht auf das gesamte Spielgebiet, sondern gleichzeitig auch den höchsten Punkt der Stadt unter sich. Und das heißt: Freiflug! Das Gefühl, das sich in einem aufbaut, wenn man springt, auf dem Flug noch einige Kunststücke durchführt, um dann kurz vor dem Aufprall das rettende Seil zu verankern und elegant durch die nächste Straße zu schwingen, lässt sich nicht beschreiben - und das alles ohne Geschwindigkeitsverlust.

Da nur dann offensichtlich nachgeladen wird, wenn Cut-Scenes eingespielt werden bzw. wenn Spider-Man in seine zivile Peter Parker-Kluft wechselt, ist die Leistung der Grafikabteilung um so höher zu werten. Allerdings fordert das Streaming neuer Abschnitte auch einen Preis: Die Texturen erreichen im Normalfall nur Durchschnittswerte, wobei es Ausreißer nach oben und unten gibt.

Und bei all dem Nachladen im Hintergrund war es vermutlich unmöglich, die Stadt dem echten New York entsprechend mit Leben zu erfüllen. Verstopfte Straßen werdet ihr niemals sehen und trotz des Tag-/Nachtwechsels sind meist nur ein, zwei Dutzend Passanten auf dem Bildschirm.

  

Bei den Zivilisten fällt allerdings auch auf (vor allem, wenn man Aufträge annimmt), dass sich die Gesichts- und Kleidungstexturen schnell wiederholen. Auch Auto-Varianten werdet ihr wenige zu sehen bekommen.

Für die Zwischensequenzen hat man sich gegen die einfache Lösung entschieden, einfach Filmszenen einzuspielen und setzt stattdessen auf einen Mix aus CG-Videos und Cut-Scenes in Spielgrafik.

Die sauber produzierten Videos orientieren sich allerdings stark an der Optik der Filme und glänzen mit ähnlichen Schnitten.

Vor allem nachts vermittelt die Optik der Stadt eine feine Atmosphäre.
Bei den Sequenzen mit der In-Game-Engine wirkt im direkten Vergleich auch vieles statisch, was im Falle der Treffen zwischen Peter Parker und seinen Freunden auf die vergleichsweise kleinen Polygonzahlen zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu sind die Szenen mit Black Cat allerdings deutlich besser.

Bei den Animationen sticht natürlich Spider-Man hervor, der sich geschmeidig durch die Straßen schwingt und auch in den Kämpfen eine gute Figur abgibt.

Die Gegner hingegen (mit Ausnahme der Bosse) haben meist nur wenige Bewegungsphasen und die zivile Bevölkerung stelzt eher unbeteiligt durch die Stadt.

Doch alles in allem haben die Entwickler eine durchaus beeindruckende Leistung abgeliefert, die sich stilistisch irgendwo zwischen den Filmen und den Comics eine Nische gesucht hat.

Versionsunterschiede

Jede Fassung für sich sieht gut aus. Schaut man die Versionen parallel an, fallen jedoch einige Unterschiede auf: So hat die PS2 z.B. deutlich gröbere Texturen als die Kollegen und lässt es hin und wieder an Perspektivenkorrektur mangeln. Zusätzlich wurden die Scheiben der Fahrzeuge mit einem vollkommen unnatürlich wirkenden Spiegeleffekt versehen, der einfach nur schlecht aussieht. Außerdem kann es auf der PS2 gelegentlich zu kleinen Bildraten-Einbrüchen kommen, die das Spiel aber nicht beeinflussen.

Wer geschickt ist, kann sich an einem Helikopter "verankern" und einen Rundflug genießen.
Und auch, wenn man den "Nintendo-Weichzeichner" nicht mag, der u.a. auch in Harry Potter eingesetzt wurde, passt er hier wunderbar, da er kleinere Schwächen im Texturbereich behebt und zusätzlich den Comic-Charakter unterstreicht und so die Cube-Variante fast auf das Niveau der klaren Xbox-Fassung hebelt.

Dafür allerdings ist die Übersichtskarte steril. Nichts bewegt sich, während auf PS2 und Xbox kleine Autos (nicht identisch mit der Echtzeitspielwelt) durch die Straßen fahren.

Totenstille

Die akustische Kulisse New Yorks lässt auf lange Sicht stark zu wünschen übrig und hilft wenig, um das Großstadtflair zu vermitteln, das vom Big Apple ausgeht. Statt wild hupender Taxis samt fluchender Fahrer und dem Lärm von verstopften und belebten Straßen, herrscht größtenteils Stille. Dadurch geht letzten Endes viel von der Atmosphäre flöten, die von dem großen Gebiet ausgeht, das man durchstreifen und –schwingen kann.

Die sich schnell abnutzenden Sprachsamples gehen einem leider auch nach spätestens der Hälfte des Spieles auf den Nerv – was bei den Missionsbeschreibungen noch schwerer wiegt, da man diese nicht abbrechen kann.

In den Cut-Scenes hingegen zahlt sich aus, dass für alle relevanten Rollen (inkl. des herrlich zynischen Kommentators) die original Synchronsprecher verpflichtet wurden. Auch die Charaktere, die nicht im Film auftauchen –allen voran Black Cat- wurden gut besetzt.

Bei den Soundeffekten gibt man sich sparsam effektiv: Alles passt, bietet aber zu wenig Abwechslung. Und dank des Original-Soundtracks kommt bei dem Abenteuer in den Straßenschluchten New Yorks endlich die Atmosphäre auf, die die Umgebungsgeräusche nicht vermitteln können.

 

Fazit

Gratulation an Treyarch und Activision: Spider-Man 2 zeigt, wie eine gute Filmumsetzung auszusehen hat. Spielerisch mit Anleihen bei der immensen Bewegungsfreiheit eines GTA und versehen mit einem Story-Mix aus Film und neuen Elementen gibt es nur ein paar Punkte, die am Motivationsbarometer nagen und die größtenteils technischer Natur sind. Hier ist vor allem die Akustik anzukreiden: Selten war New York so leise. Abgesehen von sporadischen Sprachsamples, die sich allesamt schnell wiederholen, klingt der Ausflug in den Big Apple eher wie ein Abstecher ins Museum: Über allen Gipfeln herrscht Ruhe. Grafisch mögen die Texturen vielleicht nicht das Maß aller Dinge sein, doch gerade bei Nacht kommt ein enormes Comic-Feeling auf, das dem Titel unheimlich gut zu Gesicht steht. Zudem könnten die freien Missionen gerade in der Anfangsphase etwas Abwechslung vertragen, da einem die ersten Stunden abseits der Story-Aufgaben nur mit 08/15-Aufträgen versüßt werden. Dem gegenüber stehen das grandiose Höhengefühl, die eingängige Steuerung und gut inszenierte Action. Kurzum: Spider-Man 2 ist unterhaltsam, macht eine Menge Spaß und kann zudem für sich den Titel des bislang besten Superhelden-Spieles beanspruchen.

Achtung: Im Streaming-Bereich haben wir eine Video-Review zu Spider-Man 2 vorbeitet:
4P|Stream: Video-Review (Laufzeit: 9:45 Min.)

Pro

immense Bewegungsfreiheit
zahlreiche Schlagkombos
kaum Nachladen
gute Steuerung
Original-Synchronsprecher
stimmungsvolle Musik
viel zu entdecken
gute Story mit Einschlägen des Filmes
zwei Schwung-Varianten
zynischer Kommentator
gutes Tutorial
klasse Höhengefühl
Speichern jederzeit möglich
übersichtliche Karte

Kontra

schwache Umgebungssounds
eintönige Sprachsamples
Texturschwächen (PS2)
wenig Texturvariation bei den Passanten
wenig Abwechslung bei den freien Missionen
unübersichtliche Shops

Wertung

XBox

PlayStation2

GameCube

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.