The Assembly18.10.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: VR-Ausflug in unteriridische Labors

“Wir haben die Motion-Sickness besiegt!” – mit diesem mutigen Statement bewarb der englische Entwicker nDreams sein VR-Adventure auf der letztjährigen Gamescom. Eine verfeinerte Teleportations-Technik soll den Mystery-Thriller in einer unterirdischen Forschungsstation extrem komfortabel gestalten. Im Test haben wir uns auf die Suche nach gefährlichen Viren begeben.

Ethisch fragwürdige Experimente

Es stimmt tatsächlich: Während ich mich durch Labore beame, Schubladen nach geheimen Akten durchwühle und Experimente starte, denke ich nur noch selten darüber nach, dass mir irgendwann übel werden könnte. nDreams hat die Navigation im Vergleich zur letzten Gamescom sogar noch einmal gründlich überarbeitet. Auch anstrengende Momente wie die Entführungsszene von Madeleine Stone auf einer rollenden Sackkarre wurden deutlich verkürzt. Nachdem die hochbegabte Wissenschaftlerin in ihrem alten Job für nicht ganz einwandfreie Arbeitsmethoden bestraft wurde, wird sie von einer geheimnisvollen Organisation in eine unterirdische Station verschleppt. Dort muss sie sich an einer Reihe von Tests versuchen, um ihre Tauglichkeit für die Organisation zu beweisen, welche ohne störende ethische Bedenken den wissenschaftlichen Fortschritt vorantreibt. Auch Madeleines moralischer Wertekanon wird dabei abgeklopft.

Unterm Wüstensand gehen geheimnisvolle Experimente vor sich.
Einen Teil des Mystery-Abenteuers erlebe ich aus ihrer Perspektive, den anderen aus der von Virologe Cal Pearson, bevor sich ihre Wege im späteren Verlauf kreuzen. Cal stößt in seiner Abteilung auf Machenschaften, welche offenbar sogar für Verhältnisse der Geheimorganisation reichlich leichtsinnig oder sogar boshaft wirken. In seinen Abschnitten untersuche ich die überschaubaren Labore nach Hinweisen, Schlüsselcodes und diversen Chemikalien, die mir bei der Lösung von Rätseln nützlich werden. Drücke ich den rechten Stick zur Seite, schaltet die Kamera ruckartig in die entsprechende Richtung um. Außerdem beame ich mich per Knopfdruck in die gewählte Richtung. Hinter Schreibtischen oder in engen Nischen kann ich außerdem mit dem linken Stick mein Position feintunen. Klack, klack, klack – und schon bewege ich mich schnell und ruckartig durch die Kulisse.

Ausgefeilte Bedienung

Auch für empfindliche Spieler geeignet: Die Navigation durch die Labore gestaltet sich sehr magenfreundlich.
Das wirkt zu Beginn natürlich reichlich ungewohnt und sorgt für weniger Immersion als eine flüssige Bewegung wie beim klassischen Gehen. Trotzdem haben die Entwickler einen sinnvollen Weg ausgetüftelt, wie man auch im Sitzen prima kleine Räume nach Indizien untersuchen kann. Im PC-Original gab es übrigens keine Roomscale-Unterstützung – obwohl die HTC Vive unterstützt wurde. Seltsamerweise wurde in der PS4-Umsetzung die Bildschirm-Fassung ohne VR gestrichen. Mit einem Headset ist das Erlebnis dank des Mittendrin-Gefühls aber ohnehin deutlich intensiver. Ein für die Augen anstrengender Störfaktor sind die wild flimmernden Pixelkanten: Offenbar war das Anti-Aliasing in den Augen der Entwickler zu viel für die Rechenpower der Konsole, so dass es kurzerhand deaktiviert wurde. Auch in den Menüs lässt sich das Dauergeflimmer nicht entschärfen, da es keinerlei Optionen für die Grafikqualität gibt. Ein Vorteil der Konsolenumsetzung ist, dass wir im Gegensatz zum PC-Original diesmal keine Bugs oder Abstürze erlebt haben.

Anspruchslose Aufnahmetests

Die Rätsel beschränken sich oft leider auf einfaches Zusammenklauben von Informationen: Bin ich nach dem Durchwühlen von Schränken und E-Mails auf einen Zugangscode und neue Pläne zu gefährlichen Experimenten gestoßen, bekomme ich Zugriff zu neuen Büros verschwörerischer Kollegen. Manchmal muss Cal auch diverse Zutaten sammeln, um z.B. technische Anlagen zu sabotieren und so Kollegen abzulenken. Oder ich muss im Tierlabor logische Hinweise wie „Jene, die im Nest bleiben“ deuten, um eine Schlüssel-Code herauszufinden.  Meist bleibt es aber beim anspruchslosen Abklappern der Umgebung. Sehr sinnvoll wirkt dabei allerdings die Einbindung von Monologen als Ersatz für das fehlende Inventar: Per Knopfdruck sehe ich stets eine Liste grob umrissener Aufgaben, benötigter Objekten oder Informationen, während Cal bei meinen Aktionen oft nützliche Hinweise von sich gibt: „Das brauche ich nicht!“, „ein Gang in die Bakteriologie hilft mir momentan auch nicht weiter“, „Es fehlt noch Zutat xy für die Versuchsanordnung“ usw.

Makabre Experimente gefällig?
So wirkt die Suche immerhin authentisch und komfortabel. Madeleines Aufgaben haben mich dagegen meist gelangweilt: Bei einem Intelligenztest z.B. bekommt sie lediglich ein dreidimensionales Schiebepuzzle vorgesetzt. Auch das Lösen eines inszenierten Mordfalls mit Puppen an einer großen Dinner-Tafel gestaltet sich kinderleicht, weil die Motive nach der Befragung aller Zeugen zu offensichtlich waren. Unverständlich ist auch, dass der Fortschritt nur zu Beginn eines Kapitels gespeichert wird.

Professionelle Vertonung

Des Weiteren plätschert die Geschichte meist zu ruhig vor sich hin, da trotz der interessanten Ausgangslage nicht wirklich ein Spannungsbogen aufgebaut wird. Moralische Entscheidungen mit einschneidenden Auswirkungen sind trotz alternativer Enden Mangelware. Die professionelle deutsche Synchronisation sorgt aber immerhin für ein gewisses Kinogefühl – was im Bereich von VR-Abenteuern noch eine Seltenheit darstellt. Auch grafisch hinterlässt das Spiel (abseits der beschriebenen Probleme) einen hochwertigen Eindruck: Die ansehnlichen Kulissen wirken dank Dunst und spiegelnder Oberflächen angenehm räumlich. Weniger gelungen sind die etwas steifen Animationen und der Umstand, dass man in den verlassen wirkenden Räumen nur selten mit anderen Figuren spricht und interagiert.

Fazit

Schade – ähnlich wie Pollen lässt mich auch The Assembly mit einem unbefriedigten Gefühl zurück. Warum trauen so viele VR-Entwickler ihren Spielern nicht mal etwas anspruchsvollere Rätsel und Aufgaben zu?  Meist bleibt es leider beim Abklappern von Versuchslaboren nach verschwörerischen Hinweisen, was immerhin ab und zu von Umgebungs- und Kombinationsrätseln aufgewertet wird. Madeleines Aufnahmetests haben mich noch stärker gelangweilt, zumal auch die Story meist vor sich hinplätschert. Schade um die spannende Grundstimmung und das ausgefeilte Steuerungs-Schema. nDreams sollte ruhig noch weitere, spielerisch gehaltvollere Abenteuer in dem gelungenen Grundgerüst entwickeln – oder es an andere Entwickler lizenzieren. Ihr erster VR-Thriller konnte mich trotz gelungener Ansätze aber kaum fesseln, zumal die Umsetzung für PlayStation VR technisch etwas schwächer geraten ist als das PC-Original. Vor allem die flimmernden Pixelkanten ohne Anti-Aliasing sorgen für ein störend unruhiges Bild.

Pro

mysteriöses Ausgangsszenario weckt Neugier
durchdachte VR-Navigation
sehr geringes Übelkeitspotenzial
ansehnlich designte, detailreiche Forschungseinrichtung
professionelle deutsche Synchro

Kontra

nur einfach gestrickte Rätsel und Tests
Geschichte plätschert spannungsarm vor sich hin
Forschungsstation wirkt meist leer und unbelebt
steife Animationen
speichert nur am Anfang von Kapiteln
schrecklich flimmernde Pixelkanten
alternativer TV-Modus der PC-Fassung wurde gestrichen

Wertung

PlayStationVR

Ein durchdachtes Steuerungs-Schema gestaltet das Mystery-Abenteuer komfortabel, doch Story und Rätseln mangelt es an Anspruch.

VirtualReality

Ein durchdachtes Steuerungs-Schema gestaltet das Mystery-Abenteuer komfortabel, doch Story und Rätseln mangelt es an Anspruch.

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