Im Test: Neue Turbo-Ära, altes Rennspiel?
Neue Regeln und Ohrenfolter
Was soll ich sagen? Genau wie bei anderen Sportspielserien wie FIFA oder NBA halten sich auch bei F1 2014 (ab 18,57€ bei kaufen) die Neuerungen bei der jährlichen Erscheinungsweise in Grenzen. Klar: Die Lizenzen, Fahrer und Teams wurden auf den aktuellen Stand gebracht. Entsprechend wurden auch die Chassis und in den meisten Modellen vorhandenen Display-Lenkräder der F1-Boliden neu modelliert. Darüber hinaus hören sich die Turbomotoren nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Spiel furchtbar an. Immerhin unterscheiden sich die neu aufgenommenen Klänge, denn während die Mercedes-Aggregate mit ihrem Turbo-Pfeifen noch halbwegs passabel rüberkommen, erinnern die Ferraris mit ihrem leisen Summen fast schon an billige Serienfahrzeuge – schlimm! Zumindest kann man Codemasters hier keinen Vorwurf machen: Die neuen Motoren hören sich in der Realität bescheiden an und das Spiel steht dieser traurigen Vorlage eben in nichts nach.
Schmerzhafter sind da schon die Regeländerungen für die Saison 2014, die auch direkten Einfluss auf das Spieldesign nehmen. So fällt durch die Abkehr von KERS und die Einführung der beiden neuen Systemen ERS-H und ERS-K das manuelle Aktivieren der zusätzlichen Leistung auf Knopfdruck flach. Damit verliert die virtuelle Formel Eins in diesem Jahr eine taktische Komponente hinter dem Steuer – schade. Die Motorleistung (bzw. das Benzinmanagement) lässt sich neben dem Verstellen der Bremsen und der Aktivierung von DRS in entsprechenden Zonen aber weiterhin wie gehabt vornehmen.
Bewährter Aufbau
Verschiedene Szenarien
Darüber hinaus findet man im Bereich „Testgelände“ erneut den Szenario-Modus, in dem man in festgelegten Strecken und Boliden bestimmte Ziele unter den gegebenen Voraussetzungen erfüllen muss, um die begehrten Medaillen zu ergattern. Dazu gehört z.B., eine Position auf Intermediate-Reifen bei anhaltendem Regen zu halten oder ein Rennen vom Start aus den hinteren Reihen doch noch zu gewinnen. Auch die Zeitfahr-Attacken, bei denen leider nur sechs Strecken mit vorgegebenen Fahrzeugen zur Auswahl stehen, sind wieder mit an Bord. Gleiches gilt für das freie Zeitfahren auf allen Pisten sowie mit uneingeschränkter Team- und Fahrerwahl. Der Classic-Modus, bei dem man im Vorjahr noch mit Weltmeistern und F1-Boliden vergangener Jahrzehnte auf ebenso klassischen Pisten Gas geben durfte, wurde bei F1 2014 leider ersatzlos gestrichen. De facto gibt es verglichen mit dem Vorgänger also weniger Inhalt. Auch der Young Drivers Test ist der Schere zum Opfer gefallen. Stattdessen dreht man hier lediglich eine Einstufungs-Runde und bekommt anschließend einen Schwierigkeitsgrad vom Spiel vorgeschlagen.
Weniger zu schrauben
Kaum spürbare Unterschiede
Trotz neuer Motoren und Aerodynamik spürt man hinsichtlich der Fahrphysik keine allzu großen Unterschiede im Vergleich zum Vorjahr: Dank einer schnellen und präzisen Steuerung reagieren die Flitzer auch mit dem Gamepad angenehm flott und präzise auf die Eingaben, während sich der Reifenverschleiß mit einer abnehmenden Bodenhaftung schön bemerkbar macht und das Grip-Niveau beim Herausbeschleunigen generell etwas niedriger angesetzt ist als bei F1 2013. Eine anspruchsvolle Simulation ist F1 aber auch in diesem Jahr nicht. Selbst wenn man alle Hilfen wie ABS, Brems- und Lenkunterstützung sowie die Traktionskontrolle deaktiviert, reagieren die PS-starken Wagen noch verhältnismäßig gutmütig. Trotzdem hat Codemasters mit der Stufe „sehr einfach“ einen weiteren Schwierigkeitsgrad eingefügt, um die Formel Eins auch für die absoluten Gelegenheitsfahrer zugänglicher zu machen. Das dürfte wohl auch einer der Gründe dafür sein, dass man sich bei der optionalen Rückspulfunktion von der begrenzten Anzahl verabschiedet und Fahrfehler jetzt beliebig oft korrigieren darf.
Auch an anderen Problembereichen sollte Codemasters noch Hand anlegen. Das Strafsystem reagiert z.B. immer noch viel zu inkonsequent: Selbst auf der höchsten Stufe wird man nur manchmal für Abkürzungen oder rabiates Fahren bestraft, kommt in vergleichbaren Situationen dagegen ungeschoren davon. Und auch das Schadensmodell ist immer noch nicht das Gelbe vom Ei, denn sowohl die visuelle Darstellung als auch die Auswirkungen auf die Fahrphysik halten sich in Grenzen. Klar gibt es mal einen Plattfuß und der sensible Frontflügel verabschiedet sich oft schon nach einem leichten Berühren der Bande. Aber ich würde mir für die Zukunft ein feinfühligeres System wünschen, bei dem die Schäden und deren Konsequenzen noch etwas differenzierter eingefangen werden.
Harte Kämpfe – mit Abstrichen
Einen kleinen Fortschritt erkennt man dagegen bei der KI, denn die Konkurrenten agieren bei Positionsduellen spürbar intelligenter und weniger aggressiv. Sie setzen mich je nach gewählter Stufe zwar gehörig unter Druck und brennen beachtliche Zeiten in den Asphalt, sind dabei aber etwas von ihrer Brechstangen-Mentalität der letzten Jahre abgerückt und verhalten sich insgesamt fairer. Vor allem beim Anbremsen vor Kurven sind Verfolger selbst dann auf Zack, wenn die mir am Heck kleben anstatt wie früher direkt in selbiges hinein zu krachen.
Unmittelbar nach dem Start lassen sich die KI-Piloten allerdings immer noch zu leicht übertölpeln und man kann an der ersten Kurve oder Schikane ungewöhnlich viele Gegner auf einmal überholen. So landet man selbst auf höheren Schwierigkeitsgraden von einer Startposition in der Mitte oder am Ende des Feldes mit etwas Glück problemlos unter den ersten sechs Fahrern, je nach Strecken-Layout aber mindestens in der Top Ten. Solche Szenen bekommt man in der realen Formel Eins zwar auch hin und wieder, insgesamt aber doch eher selten zu Gesicht. Trotzdem machen die Zweikämpfe in diesem Jahr etwas mehr Spaß – vor allem, wenn man die Möglichkeit bekommt, mit offenem Flügel am Führenden vorbei zu rasen oder nach DRS-Angriffen der Konkurrenz bei der nächsten Kurve auf eine Konter-Chance zu lauern. Ärgerlich dagegen, dass es im Rahmen der Boxenstopps immer noch vereinzelt zu lästigen
Vorbildliche Mehrspieler-Optionen
Im Mehrspieler-Bereich recycelt Codemasters zwar ebenfalls gewaltig von den Vorgängern und bietet nichts Neues, doch können sich die gebotenen Optionen immer noch sehen lassen. Neben schnellen Einzelrennen darf man weiterhin eigene Lobbys (sowohl offen als auch privat) für bis zu 16 Fahrer erstellen oder sogar eine komplette (Koop-)Meisterschaft bestreiten. Dabei hat man sogar die Wahl, die Leistung aller Wagen auf ein identisches Niveau festzulegen, so dass es keine Unterschiede mehr zwischen einem überlegenen Mercedes und einem schwächelnden Caterham gibt. Und natürlich kann man nicht nur eigene Sitzungen anlegen, sondern auch gezielt nach offenen Lobbys im Server-Browser suchen – so gehört sich das!
Besonders löblich ist zudem die Tatsache, dass die Entwickler neben Online-Rennen weiterhin lokale Duelle am geteilten Bildschirm und sogar via LAN / System-Link ermöglichen. Genau wie im letzten Jahr verzichtet man auch hier auf einen Online-Pass.
Technischer Stillstand
Hinsichtlich Technik setzt sich das gewohnte Bild der letzten Jahre fort: Zwar könnte man aus aktuellen PCs mittlerweile sicher noch mehr rausholen, doch bekommt man hier dank höherer Bildrate, mehr Details und kürzeren Ladezeiten wieder die schönste Version präsentiert. Auf den beiden betagten Konsolen stößt die Ego-Engine wie schon bei F1 2013 ans Limit und versucht krampfhaft, eine flüssige Darstellung zu gewährleisten, was ihr aber nicht immer gelingt. Stärkere Kantenbildung und vereinzeltes Tearing trüben ebenfalls das Gesamtbild.
Fazit
Ich werde das Gefühl nicht los, dass man sich bei Codemasters lieber schon auf den ersten Auftritt der Formel Eins auf den neuen Konsolen im nächsten Jahr konzentriert hat, anstatt noch viel Feinarbeit in F1 2014 zu investieren. Denn obwohl die Auffrischung der Lizenz durch das veränderte Wagendesign sowie die Neu-Aufnahmen der scheußlichen Klänge aus den Turbomotoren einen etwas höheren Aufwand erfordert haben dürfte als im letzten Jahr, haben die Briten auch wieder viel durch den Recycling-Fleischwolf gedreht und sogar inhaltliche Kürzungen vorgenommen. Zudem sind Strafsystem und Schadensmodell so inkonsequent wie immer und auch Design sowie Präsentation der Spielmodi wurden quasi 1:1 übernommen. Dass mit KERS eine taktische Komponente und mit dem Einheits-Getriebe Optionen zum Schrauben unter den Tisch fallen, ist dagegen dem neuen Reglement zu verdanken. Kurzum: Spielerisch (und soundtechnisch) hatte der Vorgänger für mich mehr zu bieten. Wer also keinen großen Wert auf aktuelle Lizenzen legt und auch bei der Streckenauswahl auf Neuzugänge wie Sotschi oder den Red Bull Ring sowie Hockenheim als Wiederkehrer verzichten kann, braucht F1 2014 nicht unbedingt. Für die Premiere auf den neuen Konsolen wünsche ich mir neben einer realistischeren Fahrphysik vor allem eine modernere Präsentation der Karriere und des Flairs abseits der Strecke – diese trockenen Menüs und immer gleichen Szenen aus dem Parc-Fermé sind einfach nicht mehr zeitgemäß!
Pro
Kontra
Wertung
360
Auf der 360 präsentiert sich die Formel Eins mit sehr viel Recycling und technisch am Limit.
PC
Immer noch die technisch beste Fassung rund um die Königsklasse des Motorsports. Trotzdem müssen nächstes Jahr größere Fortschritte her!
PlayStation3
Wie in den letzten Jahren markiert die PS3-Version aufgrund der größten Technik-Schwächen erneut das Schlusslicht im F1-Starterfeld.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.