Im Test: Der Fluch der offenen Gangster-Welt
Im Konzert der Großen
Miller’s Crossing. King of New York. Carlito’s Way. GoodFellas. Natürlich die Paten-Trilogie von Francis Ford Coppola. Die Sopranos. Filmemacher haben das Thema Mafia bereits sehr erfolgreich aus den verschiedensten Gesichtspunkten betrachtet. Und sowohl das 2002 erschienene Mafia als auch die acht Jahre später veröffentliche Fortsetzung konnten mit ihrer Erzählung und Atmosphäre punkten. Zumindest in Sachen Inszenierung steht Mafia 3 seinen Vorgängern in Nichts nach, ganz im Gegenteil. Die Zwischensequenzen überzeugen mit feiner Mimik, die auch kleinste Veränderungen der Gefühlslage bei den Protagonisten deutlich werden lässt und stets glaubhaft wirkt. Im allerletzten Detail muss man sich zwar Uncharted 4 geschlagen geben, doch viel fehlt nicht, um Nathan Drake & Co in diesem Bereich gefährlich auf die Pelle zu rücken.
Glaubhaft, spannend und intensiv
Die Charaktere sind glaubhaft und bieten trotz der mitunter zu stereotypen Zeichnung auch ein paar Überraschungen. Und sie wurden in der deutschen Version bis auf wenige Ausnahmen vorbildlich synchronisiert. Apropos vorbildlich: Man kann jederzeit sowohl die gesprochene als auch die textuelle Sprache ändern oder Untertitel zuschalten. Zwar ist dafür ein Sprung zurück ins Startmenü nötig, doch das ist ein verschmerzbarer Zwischenschritt, um nicht die Systemsprache umstellen zu müssen. Weniger vorbildlich sind jedoch die Szenen bei bestimmten Missionsgebern, in denen nicht mit der aufwändigen Mimik, sondern quasi mit einer statischen Third-Person-Perspektive gearbeitet wird. Diese Dialoge sind inhaltlich ebenso gut und meist gleich wichtig wie die der "Hauptszenen", werden aber durch die Form der unspektakulären Inszenierung vollkommen unnötig aufs Abstellgleis geschoben.
Fängt stark an
Anfänglich macht Mafia 3 nicht nur erzählerisch bzw. mit der Inszenierung, sondern auch mechanisch neugierig. Während des überraschend umfangreichen und zeitaufwändigen Tutorials wird man linear an die Hand genommen, während man mit einigen Missions-Typen sowie mechanischen Feinheiten vertraut gemacht wird. Man lernt die Handhabung der Fahrzeuge kennen, die sich in den Optionen sogar auf "Simulation" schalten lässt. Allerdings ist dies ein kleiner Etikettenschwindel: Denn es wartet dann kein Gran Turismo oder Forza Motorsport mit auf echten Boliden der Ära basierenden Fantasie-Fahrzeugen. Das Gewicht ist deutlicher spürbar als bei der "normalen" Kontrollvariante, doch es bleibt dennoch alles im arcadigen Bereich.
Man erlebt erste Schusswechsel und kann sich mit den Schleichoptionen vertraut machen, die beide bei den meisten folgenden Missionen einzeln oder im Verbund Erfolg versprechen. Und so gut diese zwei "Angriffsformen" auch funktionieren, bieten sie jede für sich kaum genug Stoff, um mit den großen der jeweiligen Zunft mithalten zu können.
Schleichen auf der Karriereleiter
Auch an der grundsätzlichen Schleichmechanik, die mit dem Deckungssystem verbunden wurde, lässt sich nichts aussetzen. Man bewegt sich geschmeidig um Ecken herum oder huscht schnell von Vorsprung zu Vorsprung, um außerhalb des Sichtfelds der häufig patroullierenden Gegner zu bleiben. Man kann Gegner in Hörweite sogar mit einem Pfiff zu sich locken und sie unentdeckt mit einem Knopfdruck ausschalten. Sehr schön: Fast immer hat man bei den Missionen die Wahl, ob man im Verborgenen bleibt oder per bleihaltigem Frontalangriff à la John Rambo vorgeht, der durchaus in der gleichen Einheit wie Lincoln Clay in Vietnam gedient haben könnte. Beide sind im Nahkampf enorm versiert und beide verstehen sich auf psychologische Kriegsführung.
Lässt stark nach
Doch an dieser Stelle wurden die kreativen Köpfe von Hangar 13 offensichtlich von ihren Musen verlassen. Denn wo die Vorgänger mit abwechslungsreichem Missionsdesign punkteten und auch andere Titel mit offener Welt wie Saints Row 4, das thematisch ähnliche Der Pate 2 oder allen voran Grand Theft Auto 5 auf Variation setzten, hat man das Prinzip in New Bordeaux nicht nur schnell durchschaut, sondern wird dessen auch bei längeren Spielesessions überdrüssig. Denn es ist vollkommen unerheblich, ob man jetzt einen Autoschieberring aushebt, Schmugglern das Handwerk legt, den Drogenverkauf lahmlegt, Schutzgelderpressung eindämmt oder Geiseln befreit: Alles läuft nach Schema F. Man fährt oder läuft zu den Informanten, bekommt dort weitere strategische Orte angezeigt, an denen man entweder alle Gegner ausschaltet oder verbrecherische Aktivitäten zerstört, bis ein bestimmter Geld-Gegenwert erreicht ist. Dann taucht der Boss auf, den man nach gleichem Prinzip sucht und erledigt - oder auf seine Seite zieht. Das geht allerdings nur, wenn man vorher über das "Hacken" von Telefon-Schaltkästen Informationen über sie gesammelt hat. Hat man nicht genug von ihnen übernommen, wird der Boss von Lincoln ohne Entscheidungsoption kaltgestellt.
Das ist jedoch kein großer Verlust, da selbst im Überlebensfall diese Figuren nie wieder auftauchen und sich nur minimal auf den Kontostand auswirken. Verschlimmert wird diese Missions-Redundanz, die erst im letzten Drittel durch die Leutnants wieder aufgebrochen wird und mit interessanten Aufgaben zum Weiterspielen locken möchte, durch die absolut debile KI, die das Schleichen mit seinen brutalen, aber sich auch schnell abnutzenden Meuchelmorden extrem übermächtig macht. In diesen Momenten erinnert Mafia 3 überhaupt nicht mehr an Rockstars famose Gangster-Serie, sondern eher an Assassin’s Creed. Teil 1 wohlgemerkt. Nur, dass Altairs Abenteuer insgesamt faszinierender war und das Schleichen und Meucheln seinerzeit noch den Reiz des Neuen verströmte - und dass die KI, die bereits damals schon Grund zur Klage gab, im Vergleich zu den Tölpeln in New Bordeaux zumindest in Ansätzen die Spannung unterstützen konnte.
Pfeifenköpfe
Dabei geht die KI bei Entdeckung und den daraus folgenden Ballersequenzen durchaus in Ordnung. Die Feinde nutzen ebenfalls Deckung und versuchen sogar, Lincoln in die Enge zu treiben oder zu flankieren. Doch solange man im Verborgenen agiert, lassen die Deppen keine Peinlichkeit aus. Man kann hinter einem Durchgang hockend einen Feind nach dem anderen per Pfiff zu sich locken und in aller Seelenruhe per Ein-Knopfdruck-Kill töten - im Zweifelsfall, bis keiner mehr übrig ist und der in der Tür liegende Leichenberg, der irgendeinen stutzig werden lassen müsste, auf sechs, acht oder zwölf angewachsen ist. In zwei Fällen konnte ich sogar Capos auf diese Weise ausschalten. Dass dies sowohl der Spannung als auch der Glaubwürdigkeit der Spielwelt massiv schadet, ist zwangsläufig. Und dass man mitunter auch Gegner meucheln kann, die in Sichtlinie eines anderen oder nur ein paar Meter daneben stehen, überrascht an dieser Stelle wohl keinen mehr.
Unnötiger Sammelwahn und taktische Kompromisse
Dass man über seine Leutnants nicht nur Nebenaufgaben bekommt, sondern je nach zugewiesenen Bezirken auch besondere Extras wie die "Aufklärung ohne Schaltkästen" genießen darf, ist ein interessanter Kniff. In den Treffen, in denen die Verteilungen finalisiert werden, reagieren die drei Unterbosse sogar sehr glaubwürdig, je nachdem, wie sie bislang abgeschnitten haben. Doch unter dem Strich bleibt trotz versteckter Drohungen hier alles weitgehend harmlos - man braucht keine weitreichenden Konsequenzen zu befürchten. Zwar kann es passieren, dass man auf bestimmte Boni wie erhöhte Lebensenergie, bestimmte Waffen etc. verzichten muss. Doch die grundsätzlichen Lieferdienste wie ein Autoschieber, der einem jederzeit einen fahrbaren Untersatz besorgt oder der Waffendealer, der stets auf Abruf mit frischer Munition und Knarren anrückt, sind nie in Gefahr. So bleibt die prinzipiell gute Idee der Territoriums-Verteilung ebenfalls an der Oberfläche stecken.
Technisch bieder bis marode
Vielleicht wären mit zunehmenden Optimierungen auch die Grafikbugs reduziert worden. Regen in Gebäuden. Fahrzeuge, die mit offenen Türen fahren. Texturen, die je nach Laune mal erscheinen und dann wieder mit Abwesenheit glänzen. Vollkommen skurrile Grafikerscheinungen. Keine Version ist vor Problemen gefeit. Immerhin kann man auf dem PC mit dem 60-FPS-Patch die anfängliche Reduzierung auf 30 Bilder aushebeln. Konsolenbesitzer würden sich allerdings freuen, wenn diese magische Zahl wenigstens stabil erreicht würde. Wenig Grund zur Klage liefert der Soundtrack mit gut 100 lizenzierten Tracks aus den 60er Jahren. Mafia-Puristen werden allerdings die Ausdruckskraft der markanten Orchester-Kompositionen der Vorgänger vermissen.
Fazit
Mafia 3 ist ambitioniert. Doch Hangar 13 hat sich vollkommen überhoben. Während die Zwischensequenzen mit zum Besten gehören, was man derzeit neben Uncharted 4 genießen kann und die Rachemär zwar nicht außergewöhnlich ist, aber dennoch stimmungsvoll erzählt wird, bleibt das Spiel in der offenen Welt nach anfänglicher Euphorie zunehmend hinter den Erwartungen zurück. Es fängt stark an und lässt dann stark nach, bevor es sich im letzten Drittel wieder weitgehend fängt. Die Missionen sind bis auf viel zu wenige Ausnahmen redundant, geben einem aber immer die Option, schleichend oder im Rahmen eines passablen Deckungsshooters vorzugehen. Doch vor allem Ersteres ist dank der sehr schwachen KI viel zu mächtig und verliert dadurch auch schnell Spannung. Dazu gibt es technische Probleme (in erster Linie auf Konsolen), vollkommen belanglose Sammeleien und das Gefühl, dass Hangar 13 nicht genau wusste, wohin man abseits der Inszenierung wollte, die mich letztlich trotz mechanischer und spielerischer Defizite immer wieder ans Pad gelockt hat. Mal fühlt es sich so an, als ob man Richtung Grand Theft Auto gehen wollte, dann wiederum scheint es, als ob man sich an Assassin’s Creed orientiert – ohne auch nur irgendwie an die vermeintlichen Vorbilder heranzureichen. Und das ist das größte Problem: Hatten die Vorgänger noch eine eigene Identität, ist Mafia 3 im Gegensatz zu seinem markanten Protagonisten, der definitiv mehr verdient hätte, nur noch ein belang- und zumeist gesichtsloser Action-Spielplatz.
Pro
Kontra
Wertung
PC
Die Inszenierung ist mitunter fantastisch, der Rest ist bis auf zu wenige Ausnahmen jedoch altbackene Action von der Stange mit großen KI-Problemen und technischen Macken auf allen Plattformen.
PlayStation4
Die Inszenierung ist mitunter fantastisch, der Rest ist bis auf zu wenige Ausnahmen jedoch altbackene Action von der Stange mit großen KI-Problemen und technischen Macken auf allen Plattformen.
XboxOne
Die Inszenierung ist mitunter fantastisch, der Rest ist bis auf zu wenige Ausnahmen jedoch altbackene Action von der Stange mit großen KI-Problemen und technischen Macken auf allen Plattformen.
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