Rory McIlroy PGA Tour16.07.2015, Mathias Oertel

Im Test: Neuer Name, neue Engine, neuer Spaß?

Dass Electronic Arts seinen im jährlichen Turnus erscheinenden Sportspielen eine Pause gönnt, ist selten. Angesichts der Stagnation der Golfspiele rund um Tiger Woods war das aber eine sinnvolle Entscheidung. Ob die einjährige Abstinenz und ein neuer Coverstar dafür sorgen können, dass die PGA Tour wieder begeistert, verrät der Test.

Neu, neu, neu

Ein Jahr Zwangspause für die Konsolengolfer. Naja, nicht ganz. In der Zwischenzeit wurde ja auch The Golf Club veröffentlicht. Doch das Spielerlebnis war im Test nur befriedigend. Insofern stehen die Chancen für einen Erfolg der PlayStation-4- bzw. Xbox-One-Premiere von EAs PGA Tour Golf gar nicht so schlecht. Denn während der Auszeit wurden viele Entscheidungen getroffen. Der ehemalige Champion Tiger Woods ist z.B. nicht mehr auf dem Cover zu finden. Stattdessen rückt der derzeitig Führende der Weltrangliste Rory McIlroy in den Vordergrund. Während der auf beiden Systemen etwas Zeit in Anspruch nehmenden Installation schlüpft man im Prolog in die Rolle des jungen Shooting Stars und lernt die Grundlagen kennen, bevor man in einem verkürzten Wettbewerb versucht, den deutschen Martin Kaymer in einem spannenden Duell zu besiegen. Dabei werden immer wieder Interview-Ausschnitte mit dem sympathischen Iren eingeblendet, die sich auf die Situationen beziehen, die man gerade erlebt hat  eine nette Idee.

Der derzeitige Weltranglistenerste Rory McIlroy ist das neue Gesicht von EAs Golfserie.
Doch nicht nur der Coverstar ist neu. Auch die Kulisse wurde auf den neuesten Stand gebracht, nachdem sie jahrelang nur minimale Fortschritte gemacht hat. Das Zauberwort bei der diesjährigen PGA Tour heißt wie bei mittlerweile nahezu allen anderen Titeln aus dem Hause Electronic Arts "Frostbite". Die von DICE entwickelte Engine hat ihre Leistungsfähigkeit schon in zahlreichen anderen Titeln unter Beweis gestellt und sich dabei auch nicht von Genregrenzen abschrecken lassen. Rennspiele, Rollenspiele und natürlich Action wie die Battlefield-Serie oder das kommende Star Wars Battlefront: Sie alle werden von Frostbite  angetrieben. Und das Ergebnis kann sich auch hier sehen lassen. Die Kurse überzeugen mit ansehnlichen Texturen und einer ordentlichen Weitsicht. Stimmungsvolle Lichteffekte sorgen für Atmosphäre. Die Animationen der Golfer sind bis auf wenige Ausnahmen ebenfalls gelungen. Stattliche Zuschauermengen säumen die Kurse. Wenn man genau hinschaut, kann man auf einigen Kursen sogar Insekten erkennen, die vor der Kamera schwirren. Und ebenfalls nicht zu unterschätzen: Die Ladezeiten wurden stark optimiert. Es gibt nur eine etwas längere Pause vor dem ersten Abschlag, wenn der gesamte Kurs eingelesen wird. Ab diesem Moment gibt es ein nachladefreies Golfen.

Kinderkrankheiten

Der eigentliche Star ist jedoch die vollkommen überbeitete Kulisse, die auf die Frostbite-Engine setzt, aber Kinderkrankheiten wie Pop-ups oder Kantenflimmern nicht verstecken kann.
Doch obwohl das Konsolengolfen von EA in einem ansehnlichen neuen Licht strahlt, gibt es auch noch genug Schatten. Pop-ups von Texturen oder Levelarchitektur sind allzu deutlich. Dazu gesellt sich ein omnipräsentes Kantenflimmern, das vor allem bei den eigentlich stimmungsvollen Kamerafahrten über den Kurs seine hässliche Fratze zeigt. Und dass die Zuschauer zahlreich vertreten sind, wurde durch eingesparte Details und viel Copy&Paste erkauft. Sprich: Es kann nur der erste Schritt hin zu einem Golfspiel der nächsten Generation gewesen ein. Zwar schon zu diesem Zeitpunkt ein ansehnlicher, aber nur ein erster Schritt. Doch nicht nur hier hat die Umstellung auf ein neues System Wirkung gezeigt. Auch die mitgelieferten Inhalte zeigen, dass EAs Tiburon-Studio die aktuelle Auflage als "Reboot" versteht – als Neuanfang, bei dem auch die Inhalte erst wieder nach und nach in den nächsten Jahren oder ggf. per Download aufgestockt werden.

Es stehen drei Kontrolloptionen zur Verfügung, um Erfolg auf den Fairways zu haben.
Die Anzahl der Kurse z.B. wurde im Vergleich zur 2013 erschienenen PGA Tour 14 von 20 auf zwölf gestutzt. Einen weiteren Kurs gibt es für Vorbesteller. Dabei wird Puristen stören, dass mit dem auf den südchinesischen Paracel Inseln gelegenen "Paracel Storm" ein Kurs eingebaut wurde, der in den Kulissen von Battlefield 4 spielt. Der komplett aus Par-3-Löchern bestehende Golfplatz wurde zwar interessant gestaltet, fällt aber verständlicherweise aus der Reihe der ansonsten realen Vorbilder. Oder muss man an dieser Stelle vielleicht sogar froh sein, dass man nicht auch in Ferelden oder Orlais abschlagen darf? Weitere Einschränkungen gibt es bei der Anzahl der Golfer: Zwölf stehen zur Verfügung, es gibt keine Frauen mehr. Im Vergleich dazu: Bei PGA Tour 14 waren es über 20, darunter eine Hand voll Damen der Ladies PGA. Ebenfalls gestutzt wurde der Editor zur Erstellung eigener Sportler. Statt Schiebereglern oder der Möglichkeit, per Gameface sein Konterfei als Foto zu integrieren, gibt es momentan nur eine durchschnittliche Zahl an Vorgaben, die man sich zusammenklicken kann. Vor allem hier ist man beim Neustart der Serie ein paar Schritte zu weit in die Vergangenheit gegangen.

Die inneren Werte

Ja: Die Kürzungen sind nicht schön, da man so das Gefühl hat, "weniger" Spiel zu bekommen. Und im Bereich des eingeschränkten Editors hat es mich auch genervt, da man zum einen weniger Möglichkeiten hat, sein virtuelles Alter Ego zu gestalten, das man auf der Jagd nach Birdies und Eagles über die Kurse jagt. Doch zum anderen vielmehr, weil man der Option beraubt wurde, die schmale Riege realer Golfer durch sorgfältige sowie geduldige Arbeit im Editor aufzustocken. Aber selbst wenn die Kulisse Schwächen zeigt, bin ich viel lieber auf den PS4- und One-Kursen unterwegs als auf den Plätzen der letzten Generation. Denn sobald ich am ersten Abschlag stehe, ist der Ärger verflogen. Hinsichtlich Schlagmechanik trifft Tiburon genau meinen Nerv. Zwar hat man immer noch das Problem übernommen, dass die Auswirkungen der vollen Ausholbewegung in erster Linie von der Zielmarkierung abhängig ist, so dass man kaum "überschlagen" kann. Doch im Gegenzug bietet man drei Standard-Schlagformen an, die keinen Sofagolfer außen vor lassen.

Sattes Grün und schöne Lichteffekte kann man auf den meisten Kursen erleben.
Man kann sich für die klassische Dreiklick-Mechanik alter PC-Zeiten entscheiden. Man darf die Arcade-Steuerung nutzen, die von der Serie vor ein paar Jahren eingeführt wurde: Hier kann während der Rückschwung-Phase durch Knopfhämmern zusätzliche Kraft aufgebaut werden, die den Ball weiter fliegen lässt. Und man kann während des Fluges dem Spielgerät zusätzlichen Drall in alle Richtungen geben. Zu guter Letzt gibt es die so genannte "Tour"-Steuerung. Hier werden alle Effekte über die Voreinstellungen sowie den akkurat ausgeführten Schwung geregelt. Je nachdem, wo man den Schlagpunkt mit dem rechten Stick am Ball festlegt, wird entsprechender Drall eingesetzt - insofern man den analogen Schwung richtig ausführt und bei der Abschwungphase nicht nach rechts oder links verzieht, was natürlich ebenfalls Auswirkungen zeigt. Zusätzlich kann man bestimmte "Presets" wählen, um einen vollen Powerschwung durchzuführen, einen Chipshot zu setzen etc. Übrigens sehen die Standardeinstellungen für "Tour" keinen Zoom auf das geplante Ziel vor. Beim Abschlag sowie bei Annäherungsschlägen muss man sich auf das verlassen, was man sieht. Gleiches gilt natürlich auch beim Putten: Die Hilfslinie wird bei dieser Variante ausgeblendet, so dass man das Grün selber lesen und anhand des Gitternetzes analysieren muss. Allerdings kann man sich in einem übersichtlichen Menü auch seine ganz individuelle Steuerung samt Anzeigen zusammenstellen, so dass wirklich jeder ins Boot geholt wird.

Wohin soll's denn gehen?

Bei Kamerafahrten werden die Schwächen der für Golf noch nicht optimierten Engine wie Pop-ups oder Kantenflimmern offenbart.
Hat man seine Steuerungsoption festgelegt, kann man sich an einer ansprechenden Modi-Auswahl versuchen: So kann man z.B. mit einem Golfer seiner Wahl eine Proberunde auf jedem Kurs drehen, wobei offline bis zu drei Freunde mit auf Tour gehen. Oder aber man geht mit seinem im Editor erstellten Alter Ego auf die Jagd nach der PGA-Krone. Allerdings muss man sich mit seinem gerade mal das Nötigste an Fähigkeiten mitbringenden Golfer erst einmal in Probeturnieren beweisen, damit man die PGA-Tourkarte bekommt und sich dort auch über Szenarien (z.B. verkürzte Kurse)  nach oben arbeitet. Seine Fähigkeiten kann man im Laufe der Turnierserie verbessern, wobei die Steigerungen der zahlreichen Werte zu einem Großteil davon abhängen, wie man sich anstellt. Puttet man z.B. gut und effektiv, wird dieser Wert gesteigert. Allerdings gab es auch einige Verbesserungen, bei denen ich mir nicht genau erklären konnte, wieso ausgerechnet diese angeschoben wurden, da mein Golfer sich in just diesem Bereich nicht hervorgetan hat. Also doch eine Mischung aus Learning-by-Doing und geskripteten Einflüssen? In Jedem Fall sollte man sein initiales Fähigkeitenbonus-Paket (Balanced, Power, Finesse, Precision) gut auswählen, da eine erneute Auswahl bzw. "Umschulung" erst mit fortgeschrittenen Stufen möglich ist. Jede Aktion wird mit Erfahrungspunkten bewertet (erfolgreiche natürlich mit mehr), wobei mit jedem Aufstieg neue Gimmicks oder Upgrades zur Verfügung stehen. So wird der Golfer Marke Eigenbau immer wettbewerbsfähiger und kann schließlich nicht nur die Stars des Sports, sondern auch die Internetwelt herausfordern.

Hier stehen zum einen die so genannten "Head-2-Head"-Herausforderungen auf dem Programm, bei denen bis zu vier Golfer simultan losziehen. Damit diejenigen, die etwas schneller sind, nicht ewig auf die Nachzügler warten müssen, gibt es ein Zeitlimit, das aber bei den Probespielen für den Test von keinem Spieler ausgeschöpft wurde. Eine Runde lässt sich so in etwa 20 bis 25 Minuten spielen. Alternativ kann man sich auch an den Online-Turnieren probieren, die es in täglicher sowie wöchentlicher Form gibt. Hier laufen die Wettbewerbe asynchron; soll heißen, man spielt die Runde gemütlich in seiner Zeit und taucht dann in der Rangliste auf. Sehr schön: Es gibt für jede der drei Steuerungsvarianten (Arcade, Klassisch, Tour) eigene Turniere sowie Head-2-Head-Lobbys. Allerdings findet man hauptsächlich Turniere oder Simultan-Duelle für die Arcade-Steuerung. Im Gegenzug bedeutet dies aber, dass die Siegchancen bei klassischer oder Tour-Steuerung deutlich höher liegen.

Gib Schubrakete

Die arcadigen "Nightclub"-Challenges mit ihrem Neon-Design und dem Einsatz von Boosts sind eine unterhaltsame Überraschung.
Obwohl es komplett dem Simulationsansatz widerspricht und obwohl ich die Einbindung des Battlefield-4-Kurses ob seines nicht zum Rest des Spieles passenden Charakters kritisiert habe, gefällt mir der neue "Nightclub"-Modus mit seinen insgesamt über 170 Herausforderungen als Abwechslung vom Standard-Golfen richtig gut. Die drei Kurse, auf denen man nachts unterwegs ist, werden mit Neon beleuchtet, so dass eine sehr eigentümliche Stimmung entsteht. Und die Herausforderungen, bei denen es nicht nur (aber auch) darum geht, so weit wie möglich zu schlagen, bestimmte Markierungen zu treffen oder Ziele zu zerstören, haben es in sich, wenn man überall drei Sterne einheimsen möchte. Daher sollte man auch die neun Boosts, von denen nur maximal drei mitgenommen werden können, taktisch auswählen und einsetzen. Der Ball springt zu stark? Dann aktiviert man einfach "Sticky" und der Ball bleibt wie mit Sekundenkleber festgeleimt beim ersten Aufprallen liegen. Mit "Nitro" kann man seinem Abschlag Extrakraft verpassen. Und mit "Super Spin" bzw. der auch im Flug einsetzbaren Fernsteuerung lassen sich Ziele erreichen, die auf physikalisch korrektem Wege nie und nimmer getroffen werden könnten.

Schade ist allerdings, dass die nächtlichen Aktionen, die aus Golf eine Art Funsport machen, nicht vom neuen kompetenten Sprecher-Team Rich Lerner/Frank Nobilo mit Kommentaren versehen wurden. Denn die zwei machen bei den anderen Turnieren eine gute Figur. Sauber eingesprochen und bis auf ganz wenige Ausnahmen akkurat zur jeweiligen Situation passend, sorgen die beiden zusammen mit den überzeugenden Geräuschen für eine gediegene Atmosphäre. Insekten schwirren, das "Pling" des Auftreffens von Schläger und Ball wird ersetzt von einem dumpfen "Plopp", wenn die Kugel auf dem Fairway landet - sehr schön. Und das Kommentar-Repertoire der neuen Sprecher ist so groß, dass es im Normalfall angenehm lange dauert, bis es zu Wiederholungen kommt.

Fazit

Die einjährige Auszeit hat der Golfserie gut getan, der Umstieg auf die Frostbite-Engine hat sich gelohnt: Die Kurse sehen durch die Bank so gut aus wie noch nie auf Konsolen und punkten mit detaillierten Texturen, einer ordentlichen Weitsicht, schönen Lichteffekten sowie stark reduzierten Ladezeiten. Allerdings ist der Einsatz des Allround-Grafikmotors nicht perfekt. Pop-ups und omnipräsentes Kantenflimmern, das vor allem bei den Kamerafahrten über die Kurse ins Auge springt, hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Ganz im Gegensatz zur Schlagmechanik: Mit ordentlicher Physik, drei voreingestellten Kontrolloptionen sowie der Möglichkeit zur Individualisierung findet jeder seine Einstellung. Was die Inhalte betrifft, muss man sich allerdings darüber im Klaren sein, dass man weniger bekommt als auf den alten Systemen vor zwei Jahren. Zwölf (für Vorbesteller 13) statt 20 Kurse. Zwölf statt über 20 Golfer, dazu ein eingeschränkter Editor. Immerhin kann man sowohl on- als auch offline in zahlreichen Modi Spaß haben, wobei vor allem die asynchronen Turniere und wider Erwarten die arcadigen Nightclub-Herausforderungen für Unterhaltung sorgen. Unter dem Strich kein grandioser, aber ein ordentlicher Neustart für eine Serie, die in ihren letzten Ausgaben auf den alten Systemen weitgehend stagnierte.

Pro

drei Schlagvarianten zur Auswahl (Drei-Klick, Arcade, Tour)
individiduelle Steuerung möglich
Frostbite-Engine sorgt für eine ansehnliche Kulisse...
überzeugende Physik
minimierte Ladezeiten
sehr gute Kommentare...
Nightclub Challenges als unterhaltsame Arcade-Herausforderungen
asynchrone Online-Turniere für jede Steuerungsvariante

Kontra

nur zwölf reale Golfer integriert
rudimentärer Figuren-Editor
... die aber noch von Pop-ups und Kantenflimmern gepeinigt wird
Zuschauer meist Copy/Paste-Figuren, die auch akustisch nicht immer einwandfrei reagieren
... die es allerdings nur wie das gesamte Spiel auf Englisch gibt
mit zwölf Kursen wird deutlich weniger als beim letzten Auftritt vor zwei Jahren geboten
Battlefield-4-Kurs "Paracel Storm" passt nicht ins Paket

Wertung

PlayStation4

Ordentlicher Neustart einer stagnierenden Serie, bei der aber sowohl inhaltlich als auch visuell noch Luft nach oben ist.

XboxOne

Ordentlicher Neustart einer stagnierenden Serie, bei der aber sowohl inhaltlich als auch trotz neuer Engine visuell noch Luft nach oben ist.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.