Dishonored 2: Das Vermächtnis der Maske17.11.2016, Jörg Luibl

Im Test: Zwischen Maschinen und Mystik

Vor vier Jahren feierte Dishonored: Die Maske des Zorns eine markante Premiere auf PC, PlayStation 3 und Xbox 360. Die Arkane Studios inszenierten Stealth-Action, die mit ihren flotten Teleports für frische Impulse sorgen konnte. Noch beeindruckender als das Spieldesign war das Artdesign, das in eine malerische Steampunkwelt zwischen Walfangmythen und Industrialisierung entführte. Dort kämpfte ein Leibwächter um seinen guten Ruf sowie das Kaiserreich. Wie geht es ihm nach fünfzehn Jahren in Dishonored 2: Das Vermächtnis der Maske (ab 5,70€ bei kaufen)?

Tante ex machina

Corvo Attano kann stolz sein. Der leicht ergraute Leibwächter hat nicht nur seinen Ruf und das Reich gerettet, sondern seine Tochter Emily sitzt mittlerweile auf dem Thron. Als Kaiserin von Dunwall erfüllt sie zwar eher widerwillig ihre politischen Pflichten, außerdem bereitet eine Mordserie sowie eine Blutfliegenplage gewisse Sorgen, aber die Familie regiert in Frieden. Zum fünfzehnten Jahrestag des Attentats auf ihre Mutter empfängt die junge Herrscherin gerade Delegationen. Und eine davon wird ihr zum Verhängnis.

Was hat es mit der Tante auf sich, die in einem dreisten Coup die Macht an sich reißt?
Wie aus dem Nichts erscheint ihre mysteriöse Tante in Schwarz, gibt sich als humorlose Schwester der verstorbenen Kaiserin aus, bevor sie ihre arkane Macht entfesselt. Vater und Tochter haben kaum Zeit sich über den zornigen Familienzuwachs zu wundern, oder sich zu fragen, wie diese bewaffnete Delegation überhaupt in den Thronsaal kommen konnte, denn sie sind in null Komma nichts entmachtet und versteinert. Aber einer von beiden bekommt eine Chance. Wen wollt ihr spielen: Corvo Attano oder Emily?

Subtiles Schleichen, brachiales Kämpfen

Mit wem wollt ihr spielen? Corvo und seine Tochter Emily stehen zur Wahl.
Egal ob man den Leibwächter oder seine Tochter spielt: Beide können entweder subtil oder brachial vorgehen – und zwar im fließenden Wechsel vom lautlosen Schleichen bis hin zu explosiven Gefechten mit Feuerwaffen und Handgranaten. Man kann seine Feinde mit Bolzen oder Minen betäuben, Schrapnell verschießen oder Feuer entfachen. Es ist möglich, das Abenteuer komplett ohne einen Toten oder etwas martialischer als mordender, aber unentdeckter „Geist“ zu meistern. Man kann aber auch rachgierigen Terror entfachen und seinen Weg mit Leichen pflastern. Selbst Ratten lassen sich mit Haftminen in laufende Attentäter verwandeln.

Man kann auch auf dem PC zig Optionen aktivieren.
Offener Nah- und Fernkampf sind unterhaltsam, erleichtern das Vorankommen sowie verkürzen die Spielzeit deutlich, aber sind auch recht hektisch und weniger befriedigend. Man wird schnell umzingelt und kann in den Klingenduellen mit ihrem kleinen Zeitfenster für Paraden keine Zielfixierung einsetzen, um sich auf einen Gegner zu konzentrieren. Dafür sorgen erfolgreiche Konter für ein Taumeln, so dass man einen Todeshieb ansetzen oder sie greifen und bewusstlos würgen kann – auch als Schleicher lässt sich ein offenes Duell also noch drehen. Sehr schön: Je nach Spielweise verändert sich der so genannte „Chaosfaktor“ der Welt, denn die grassierende Blutfliegenplage wird z.B. mit jeder Leiche schlimmer, Figuren reagieren auf brutale Helden anders und das mögliche Ende ist düsterer.

Vater oder Tochter spielen?

Corvo und Emily besitzen etwas andere Fähigkeiten: Nur der Leibwächter kann z.B. in Tiere schlüpfen, eine Rattenmeute rufen oder die Zeit anhalten – all das lässt sich wie im Vorgänger durch das Sammeln von Herzen noch verfeinern. Nur seine Tochter kann einen Doppelgänger zur Verwirrung oder gar als Killer einsetzen, sich in Schatten hüllen und so früher Entdeckung ausweichen oder über „Domino“ einem Feind etwas antun, was dann auf bis zu vier Markierte übertragen wird – einer bewusstlos, alle  bewusstlos. Da ergeben sich je nach Figur durchaus coole Möglichkeiten und es macht Spaß, diese zu kombinieren. Und weil die für die Aufrüstung benötigten Herzen (sowie die für passive Boni sorgenden

Mit gefundenen Herzen kann man seine Fähigkeiten erweitern.
Knochenartefakte) diesmal besser versteckt sind, kann man sich auch nicht so schnell zum Alleskönner entwickeln, sondern sollte sich auf einige Manöver spezialisieren - eine gute Entwicklung.

Aber unterm Strich spielen sich die beiden recht ähnlich in Akrobatik sowie Kampf, zumal sie die meisten Fähigkeiten wie das Teleportieren sowie das komplette Bewegungs-, Zubehör- und Waffenrepertoire ja teilen. Außerdem durchlaufen sie natürlich dieselben Areale und auch in der Reaktion anderer Figuren bemerkt man zu selten markante Unterschiede. Trotzdem lohnt es sich, das Abenteuer nach dem Ende mit dem anderen Charakter nochmal zu starten, denn dieses Dishonored 2: Das Vermächtnis der Maske hat viele alternative Wege, Taktiken und zwei Enden zu bieten, die für reichlich Wiederspielwert sorgen.

Vier Schwierigkeitsgrade

Die Räume wurden stimmungsvoll gestaltet - es gibt viel zu entdecken.
Interessant für Puristen ist nicht nur, dass man in den Optionen nahezu alle nervigen Hinweismarker abschalten kann, sondern dass man recht früh die Wahl hat, ob man die übersinnlichen Aktionen wie die Teleports oder die Tierübernahme überhaupt nutzen will. Man kann also auch komplett konventionell loslegen! Aber dann beraubt man sich natürlich mächtiger Aktionen und macht das Abenteuer noch schwerer. Apropos: Wer Dishonored kennt oder öfter Stealth-Action spielt, sollte nicht auf dem „normalen“ zweiten, sondern auf dem „schweren" dritten von vier Schwierigkeitsgraden loslegen, damit man richtig gefordert wird.

Ein ganz großes Lob verdient die KI: Das Verhalten der Wachen gehört zum Besten, was ich in den letzten Jahren erlebt habe. Sie reagieren aufmerksam auf Sicht und Geräusche, sie schauen durch Fenster und entdecken mich dort kauernd, sie rufen Verstärkung und suchen die Gegend angenehm weitläufig ab, sie treiben einen mit Würfen oder Schüssen aus der Deckung oder von erhöhten Positionen, so dass man auch über Teleports nicht so sicher in der Vertikalen ist. Man muss schon ein ordentliches Stück weit flüchten, was angesichts der angenehm großen Schauplätze auch meist möglich ist.

KI & Figurenverhalten

Zwar gibt es kleine Aussetzer, einige Patrouillenwege sind leicht durchschaut, aber das Katz-und-Mausspiel macht richtig Laune, zumal die Offiziere auch aufmerksamer sind als gewöhnliche Soldaten. Man kann durch Schlüssellöcher spicken, mit dem Fernglas aus der Distanz ihre Gespräche belauschen und nützliche Informationen erhalten oder ganz nah ran, um ihnen Geld, Waffen oder Schlüssel zu stibitzen. Es lohnt sich auch, Flaschen & Co zur Ablenkung zu werfen oder einen Alarm an einer Uhr zu aktivieren, bevor man sich in einer Nische versteckt. Vor allem Leichen oder Bewusstlose sollte man verstecken, damit sie nicht entdeckt bzw. aufgeweckt werden. Das läuft per Huckepack übrigens sehr intuitiv, man muss also keine Ragdoll-Körper hinter sich herzerren.

Die Bewohner haben manchmal Aufträge, reagieren an der Oberfläche gut, aber nicht immer konsequent.
Weniger konsequent ist das allgemeine Figurenverhalten: Obwohl einen die Leute darauf aufmerksam machen, dass man eine Maske trägt oder seine Waffen nicht so offen tragen sollte, was löblich ist, reagieren die Wachen letztlich immer gleich. Und die Zivilisten lassen einiges an glaubwürdigen Reaktionen vermissen: In einer Taverne oder anderswo kann man vor den Augen der Anwesenden als voll bewaffneter Maskierter z.B. alles an Münzen und Wertsachen stehlen - schade. Dafür entschädigt, dass normale Bürger manchmal verängstigt innehalten und damit drohen, die Wachen zu rufen, falls man nicht verschwindet.

BioShock und Skyrim lassen grüßen

Der Einstieg in dieses Dishonored 2 ist zwar turbulent, aber für die Identifikation nicht

Auch die Architektur von Karnaca kann sich sehen lassen.
besonders hilfreich. Man hat kaum Zeit, sich mit den beiden Charakteren zu beschäftigen und vor allem die unbekannte Emily näher kennen zu lernen. Immerhin werden alle Fragen um die auf den ersten Blick viel zu leichte Machtübernahme über neun Kapitel ausführlich beantwortet. Man recherchiert quasi aus dem Exil der entlegenen Hafenstadt Karnaca heraus, dem Geburtsort Corvos, was es mit dieser Tante und ihrer Gefolgschaft auf sich hat. Wie kann man sie wieder entmachten?

Die  Arkane Studios bemühen sich mit einer Flut an Notizen, Audiologs, Biografien sowie innenpolitischen Reibereien darum, eine in sich plausible und interessante Spielwelt aufzubauen. Man fühlt sich in manchen Situationen an BioShock und angesichts der vielen Texte fast an ein Rollenspiel wie Skyrim erinnert – hier ist viel Arbeit in die Hintergründe geflossen. Und die verbreiten mit  edel gezeichneten Karten, tollen Ölgemälden und skurrilen Apparate sehr viel gediegenes Flair, so dass man das liebevoll arrangierte Interieur immer wieder gerne auf sich wirken lässt. Vor allem Freunde von naturhistorischen Museen werden auf ihre Kosten kommen. Man fühlt sich dank des ausgezeichneten Artdesign sofort wohl in dieser Steampunkwelt.

Automatische Hinweise entwerten Rätsel

Die deutsche Lokalisierung ist übrigens sehr gut, sowohl was die Sprecher als auch die Texte betrifft. Gerade die Kombination aus Dasha und Manfred Lehmann, die auch im Spiel Vater und Tochter sprechen, ist natürlich ein Glücksgriff. Umso ärgerlicher ist, dass sich das Lesen der gut geschriebenen Briefe, Lieder und Anekdoten spielerisch oftmals nicht lohnt, weil jeder noch so kleine Hinweis oder mögliche Code sofort als Hilfestichwort in Kurzform auftaucht – so entwertet man natürlich den Rätselanspruch. Dieser unsägliche Archivautomatismus plagt ja viele moderne Spiele und ich frage mich immer wieder, warum man da nicht mal gegenwirkt. Denn das macht das selbstständige Recherchieren und Notieren überflüssig, so dass man alles Gesammelte schnell wegklickt, weil die aktive Lektüre nicht nötig ist. Schade ist übrigens auch, dass man z.B. Zeitungsartikel nicht wirklich in deren Layout darstellt, sondern sofort in moderne Schrift überträgt.

Sehr schön: Statt automatischer Minikarte gibt es nur ganze Areale in der Übersicht.
Trotzdem entsteht eine in sich stimmungsvolle Spielwelt. Man wird hinsichtlich der sozialen Realität zwar nicht so hineingezogen wie etwa im letzten Deus Ex: Mankind Divided mit seiner Diskriminierung und zwielichtigen Beschattung. Zum einen wird der Alltag in den Straßen und Gassen nicht ganz so dicht inszeniert, dass Karnaca wirklich lebendig wirkt. Zum anderen hangelt man sich in der Story recht vorhersehbar von Indiz zu Indiz und einige Konflikte wirken künstlich konstruiert. Das wird allerdings durch einige angenehm charismatische Antagonisten und das übersinnliche Element in Form des „Outsiders“ wieder ausgeglichen, der aus der düsteren Parallelwelt des „Nichts“ mit einem spricht und für erzählerische Neugier sorgt.

Und schließlich ist die Zusammenfassung der Ereignisse auf dem Schiff, das als eine Art Hauptquartier fungiert, lobenswert, denn so kann man trotz der vielen Details immer dem roten Faden folgen. Allerdings vermisse ich auf diesem Schiff mehr Entwicklung und Möglichkeiten: Es passiert an Bord zu wenig, es gibt kaum Geheimnisse und man kann dort nichts herstellen - man muss jeweils den Schwarzmarkt eines Viertels aufsuchen, um Waffen, Munition & Co zu kaufen oder aufzurüsten.

Spieldesign deluxe

Das Maschinenhaus gehört zu den großen Highlights des Abenteuers.
Aber den großen Star dieses Abenteuers habe ich noch gar nicht erwähnt: das offene Leveldesign. Zu Beginn wirken die Abschnitte sehr ansehnlich, angenehm weitläufig, wenn auch recht konventionell in ihrem Aufbau. Was ich Dishonored 2 hoch anrechne: Es gibt keine Minikarten! Man muss irgendwo die Pläne eines ganzen Areals finden und kann diese dann im Inventar aufrufen.  Schon das Ausklamüsern der Route macht Laune: Meist führen mehrere Wege zum Ziel, nicht nur was das subtile oder brachiale Vorgehen, sondern auch die Taktik betrifft. Man kann vielleicht irgendwo abkürzen, die miesen Blitzbarrieren über die Strom erzeugenden Windmühlen ausschalten, falls man Kabelwerkzeug hat, Wachen belauschen oder weglocken, Schlüssel stibitzen und Tore öffnen oder als Fisch oder Ratte durch Kanäle oder Schächte infiltrieren – es gibt viele Möglichkeiten, seine Waffen und Fähigkeiten einzusetzen. Gerade diese spielerische Freiheit und der fließende Wechsel von subtil bis brachial ist unheimlich befriedigend.

Außerdem kommt am Ende eines Kapitels meist eine politische Komponente hinzu, denn man hat meist die Wahl, ob man bestimmte Antagonisten tötet oder im weitesten Sinne heilt  bzw. verschont. Das geht so weit, dass man der einen oder anderen Fraktion den Kopf des Anführers überbringen kann, um ihre Gunst zu gewinnen – man kann auch eine neutrale Lösung suchen. Je nach Wahl, ändert sich die Machtsituation in dem Viertel und man schafft sich später Freunde oder Feinde.

Der begehbare Zauberwürfel

Dass man sich dabei gerne umschaut, weil dieses Dishonored so malerisch inszeniert wird, kennt man aus dem Vorgänger – besonders gut gefallen hat mir das Konservatorium mit seinen ausgestopften Rieseneulen an der Decke. Aber diesmal versetzen einen die Leveldesigner in mindestens zwei von neun Kapitel regelrecht in Staunen. Zum einen ist da das faszinierende Maschinenhaus. Man fühlt sich wie in einem architektonischen Zauberwürfel, wenn sich Flure plötzlich aufrollen oder sich ganze Boden- und Wandkonstruktionen verschieben, um den Blick auf untere Etagen oder ganz neue Zimmer zu richten – das wird unheimlich gut inszeniert!

Die Wachen verhalten sich angenehm clever.
Während man diese labyrinthische Anlage mit all ihren prall gefüllten Vitrinen und skurrilen Exponaten erkundet, wird man nicht nur von cool designten Robotwächtern verfolgt, sondern von ihrem Schöpfer immer wieder angesprochen. Er kommentiert das eigene Verhalten sarkastisch und treibt einen wie eine Maus durch seinen tödlichen Käfig – da entstehen einige köstliche und überaus gefährliche Situationen, obwohl es ruhig noch anspruchsvoller hätte sein dürfen. Das Gehirn wird hier trotz der räumlichen Drehungen nicht so verzwirbelt wie etwa in Portal. Trotzdem: Nur wenn man die Umgebung genau studiert und für seine Zwecke einsetzt, wird man das Maschinenhaus meistern.

Der Fall des Hauses Stinter

Das ist schon ein außergewöhnliches Erlebnis, aber später gibt es in einem

Im verfluchten Herrenhaus kann man per Chronowandler zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechseln - links schaut man über einen kleinen Schirm in die jeweils andere Zeit.
verfluchten Anwesen ein weiteres Highlight, das den übersinnlichen Aspekt des Abenteuers sowie das Rätselflair nochmal intensiviert. Dort wird man zwar seiner Kräfte beraubt, kann also auch keine Teleports nutzen, darf aber im Gegenzug den so genannten „Chronowandler“ einsetzen, um die Zeit zu manipulieren. Auf Knopfdruck wechselt man von der traurigen Gegenwart des verfallenen Herrenhauses mit seinem irren Besitzer Stinter in die prächtige Vergangenheit, als noch alles in vollem Glanz erstrahlte und ein hoch brisanter Besuch stattfand.

Dieser Wechsel zwischen den Zeiten wird taktisch umso interessanter, weil man über dem Chronowandler auch ein Fenster in die jeweils andere Zeit öffnen kann, so dass man parallel sieht, was in der anderen Zone geschieht: Will ich eine Wache in der Vergangenheit ausknocken, kann ich mich gefahrlos und punktgenau in der Gegenwart an sie heranschleichen, weil ich sie ja links sehe – bin ich nah genug dran, wechsle ich die Zeit und schlage zu. So kann ich natürlich auch wunderbar nach einem Alarm fliehen, außerdem ist der Wechsel für die Route wichtig, denn manchmal gibt es in der Vergangenheit geschlossene Türen, aber heute einen offenen Korridor oder umgekehrt. Hinzu kommen kleine physikalische Manipulationen, die Wege frei machen. Und wo es im Maschinenhaus die bissigen Kommentare gibt, sorgt hier ein böses Flüstern in der düsteren Gegenwart für etwas Horrorflair: „Sie wollen dein Blut, also hol ich es.“

Fazit

Dishonored 2 ist ein Genuss für Schleicher. Die Arkane Studios entführen über 20 Stunden in eine malerische Steampunkwelt, in der man sich mit subtiler Raffinesse oder brachialer Gewalt austoben kann – was zu spürbaren Konsequenzen sowie einem anderen Ende führt. Nach dem etwas zu hektischen Einstieg war ich noch skeptisch, außerdem spielen sich Corvo und seine Tochter zu ähnlich, aber die spielerische Freiheit ist enorm. Von der Wahl der Route über die Taktik der Infiltration bis hin zur Frage von Gnade oder Rache hat man viele Möglichkeiten. Es macht richtig Spaß, die übersinnlichen Fähigkeiten zu kombinieren und die überraschend cleveren Wachen in ein Katz-und-Maus-Spiel zu verwickeln. Der große Star ist das Leveldesign, das mit dem Maschinenhaus samt seiner architektonischen Verwandlungen sowie dem verfluchten Anwesen mit seiner Zeitreise zwei der besten Schauplätze der letzten Jahre anbietet. Die Geschichte um die Rückeroberung des Throns kann trotz charismatischer Antagonisten und einer Flut an Texten allerdings nicht so fesseln wie die Spielmechanik. Ärgerlich ist neben den Performance-Problemen auf dem PC, dass die Lektüre sowie der Rätselanspruch durch die automatischen Hinweise entwertet werden und dass die Bewohner trotz guter Ansätze inkonsequent reagieren. Aber dieses Dishonored 2 ist ein überaus stimmungsvolles, höchst ansehnliches und spielerisch vielfältiges Abenteuer, das hinsichtlich der Stealth-Action sowohl Thief, Styx als auch Deus Ex schlägt.

Pro

epische Stealth-Action in Steampunkwelt
zwei unterschiedliche Charaktere spielbar
subtiles Schleichen und brachiale Action möglich
Bewusstlose/Leichen verstecken oder auflösen
Spielstil wirkt sich auf Spielwelt aus
ausgezeichnetes Artdesign
klasse Architektur & Interieur, tolle Gemälde & Karten
gute Mischung aus Übersinnlichem & Technik
meist sehr gutes Leveldesign; viele Wege zum Ziel
kreative Szenarien inkl. Maschinen- und Zeitmanipulation
überraschend aufmerksame KI
interessante Fähigkeiten fördern Experimentierfreude
Bewohner reagieren auf gezückte Waffen und Maske
Waffen, Gadgets & Fähigkeiten entwickeln & kombinieren
viel Sammelbares von Artefakten über Gemälde bis Notizen
interessante Statistiken nach Missionsende
keine Minikarten, nur Arealübersichten
sehr gute deutsche Lokalisierung
stimmungsvolle Musikuntermalung
fast alle Hilfsanzeigen sind abschaltbar
angenehmes automatisches Speichern
optional Tutorial spielen, hilfreiche Steuerungstipps
vier Schwierigkeitsgrade
gutes oder düsteres Ende

Kontra

erzählerisch überhasteter Einstieg
etwas zu bemühte Story
viele Rätsel sind zu einfach, Hinweise zu offensichtlich
Schwertnahkampf zu hektisch; keine Zielfixierung
Bewohner reagieren nicht auf Diebstahl
spielbare Charaktere unterscheiden sich nicht stark genug
Hauptquartier ist etwas fade, passiert zu wenig
kleine Grafikbugs (Pop-ups, Clippings, Flackern etc.)
kleine nicht reproduzierbare Bugs (Figuren verschwinden, Antagonist stirbt)
ärgerliche Performance-Probleme (PC)

Wertung

PC

Dishonored 2 ist ein Genuss für Schleicher. Die Arkane Studios entführen in eine malerische Steampunkwelt, in der man sich mit subtiler Raffinesse oder brachialer Gewalt austoben kann - technisch ärgern die Performance-Probleme am PC.

PlayStation4

Dishonored 2 ist ein Genuss für Schleicher. Die Arkane Studios entführen in eine malerische Steampunkwelt, in der man sich mit subtiler Raffinesse oder brachialer Gewalt austoben kann - was zu spürbaren Konsequenzen sowie einem anderen Ende führt.

XboxOne

Dishonored 2 ist ein Genuss für Schleicher. Die Arkane Studios entführen in eine malerische Steampunkwelt, in der man sich mit subtiler Raffinesse oder brachialer Gewalt austoben kann - was zu spürbaren Konsequenzen sowie einem anderen Ende führt.

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Kommentare

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oppenheimer

Seit System Shock 2 nie wieder auf diesem Niveau erlebt.
Falls noch nicht geschehen, solltest du Prey von Arkane dringendst eine Chance geben. Das hat zwar u.a. einige Balancing- und Pacingprobleme, aber dafür gibt es dort so heftige System Shock 2-Vibes, dass man meint, die UNN Rickenbacker dockt jeden Moment an.

Ja, und ich kann mir auch nicht vorstellen, Dishonored 2 nochmal abzuschließen. Ließ mich komplett kalt. Hier hätte der Antagonist auch einfach Skeletor sein können. Die 2 "Gimmick"-Level waren zwar voll toller Ideen, unterbrachen für mich aber den Spielfluss zu sehr. Da war die stand alone-Erweiterung schon eher nach meinem Geschmack.

Teil 1 hingegen ist irgendwie ähnlich zeitlos wie etwa Doom. Das kann ich auch jedes Jahr durchnudeln und es wirkt immer noch einzigartig und halbwegs frisch.

vor 4 Jahren
mr archer

So, meinen gog.com - Schandberg mal wieder angegangen und den Nachfolger meines Spiels des Jahrzehnts nachgeholt. Technische Probleme gibt es jetzt ja keine mehr, lief bei mir auf einem mittlerweile etwas betagten System wie geschnitten Brot. Trotzdem ist Dishonored 2 für mich nach einmaligem Durchspielen (Emily, Hard, Low Chaos) aktuell der Inbegriff von "Enttäuschung auf hohem Niveau".

Der Grund: Welt und Story

Ich habe Dunwall in Teil 1 und seinen DLC´s geliebt. Ich mochte die bittersüße Tragik dieser Welt mit ihrer Industrialisierung, die auf Naturausbeutung beruht. Das viktorianische Design. Ich fand es absolut großartig und beklemmend, wie im Spielverlauf das Fortschreiten der Seuche im Stadtraum zu erleben war. Das war wirklich wirklich meisterhaft. Ich fand selbst den Spielplot einigermaßen ansprechend, vor allem wegen der Vater-Tochter-Beziehung und auch der politischen Fraktionen. Dishonored 1 ist für mich der Inbegriff von geglückter, kluger Verschmelzung von Weltdesign, Story, Lore, Atmosphäre und Gameplay. Seit System Shock 2 nie wieder auf diesem Niveau erlebt.

Nichts davon bietet mir Teil 2. Ich könnte hier jetzt ausufernd ins Detail gehen. Spare ich mir. Ich finde die neue Stadt uninteressant, auch optisch. Das Figurentableaut des Spiels interessiert mich nicht. Die Gegenspieler sind uninteressant. Die erzählerischen Konsequenzen des Spielerverhaltens am Ende sind lächerlich. Die Spielgeschichte ist banal. Was sie aus der Outsider-Mystik gemacht haben, kotzt mich an. Was bleibt ist das teils grandiose Leveldesign mit seinem Spielwiesen-Konzept. Ich bin mir ziemlich sicher, diese Level wurden eher fertig, als die sie verbindende Geschichte und Welt. Gameplay vor Story und Immersion. Interessanterweise wiederholt sich hier damit genau das gleiche wie beim großen Vorbild Looking Glass mit Thief 1 und Thief 2. Auch dort waren für den Nachfolger erst die Level fertig, bevor man eine Geschichte drum herum bastelte.

Nun ja. Ich mache jetzt noch einen Durchlauf mit Corvo und ein bisschen mehr Gemeuchel. Und dann fliegt es von der Platte. Teil 1 spiele ich so ca. einmal jährlich. Beim Nachfolger wird mir das leider nicht passieren.

vor 4 Jahren