The Crew: Wild Run24.11.2015, Mathias Oertel

Im Test: Wilde Jagd nach Adrenalin

Vor etwa einem Jahr hat Ubisofts The Crew versucht, den Spieler mit Arcade-Rennen in den USA an die Pads zu locken. Das Ergebnis war ambitioniert und konnte punktuell immer wieder Spaß machen, hakte aber in vielen kleinen Details. Mit The Crew: Wild Run (ab 9,99€ bei kaufen) soll alles besser werden. Ob das Vorhaben gelingt, klärt der Test.

Alles alt?

Als The Crew letztes Jahr erschien, hatte ich durchaus Spaß mit dem ungewöhnlichen Rennspiel. Mit 5000 Quadratkilometern komprimierter USA als Spielplatz für ansehnliche Boliden, einer Kampagne, die im Stile von The Fast & The Furious inszeniert wurde sowie haufenweise großer und kleiner Nebenaufgaben war das Team von Ivory Tower auf einem guten Weg. Allerdings gab es neben der anfangs gewöhnungsbedürftigen Fahrphysik, die jedoch mit jedem weiteren freigespielten Upgrade besser wurde, ein großes Problem für mich: Als MMOCaRPG (sprich: Multiplayer-Auto-Rollenspiel) angepriesen musste man zwar wie für Online-Rollenspiele üblich ständig "on" sein. Doch eigentlich gab es abseits von ein paar Erleichterungen in wenigen Missionen, wenn man mit einer kleinen Gruppe unterwegs war, keinen triftigen Grund, sich anderen anzuschließen und eine Crew aufzubauen - das Online-Erlebnis wirkte aufgezwungen, die Koop-Spielerfahrung nicht ausgewogen. Zudem war die Kulisse auf Konsolen höchst wankelmütig: Der Gesamteindruck war zwar u.a. dank schicker Lichteffekte stimmig und das Geschwindigkeitsgefühl hoch. Doch Bereiche, in denen das Kantenflimmern überhandnahm und mitunter stark schwankende Texturqualität sorgten für Sorgenfalten. Mehr zur Urversion von The Crew findet ihr im entsprechenden Test, der auch auf viele der nach wie vor vorhandenen KI-Mankos oder Schwierigkeiten mit Trial&Error-Sequenzen eingeht.

Motorräder und Pfützen als Folgen dynamischen Wetters: Zwei der Elemente, mit denen "Wild Run" das Original verbessern möchte.
Ein Jahr, zahlreiche (auch inhaltliche) Updates und ein ständiger Austausch mit der Crew-Community später steht The Crew: Wild Run in den Startlöchern und soll nicht nur einige der alten Probleme beseitigen, sondern auch mit erweiterten Inhalten dafür sorgen, dass der Arcade Racer in eine rosige Zukunft blicken kann. Sehr schön: Das umfangreiche grafische Update, das man zusammen mit Wild Run bekommt, steht auch alten Crew-Spielern zur Verfügung - und es hat sich viel getan. Es gibt keine großen Diskrepanzen bei der Texturqualität mehr, die Kulisse wirkt in sich geschlossener und stimmungsvoller. Auch die Kantenbildung wurde deutlich reduziert, wenngleich nicht komplett ausradiert. Doch unter dem Strich muss man sagen, dass The Crew in dieser Form endlich zeitgemäß aussieht, auch wenn man nicht an Forza Horizon 2 oder das letzte Need for Speed herankommt. Und mit Rückspiegeln, die nicht von stumpfer Alufolie abgedeckt sind und tatsächlich ein Bild zeigen sowie einem dynamischen Wettersystem hat man sogar weitere Kritikpunkte der Ursprungsversion ausgemerzt, sorgt damit aber auch für zwei neue kleine Probleme. Denn in dieser Form sind die Rückspiegel zwar schöner anzuschauen, aber immer noch nicht wirklich funktionstüchtig. Wieso? Weil die Details, die beim Blick in den Spiegel angezeigt werden, massiv reduziert wurden. Autos, die hinter einem fahren, sind z.B. gar nicht zu sehen - wenn man Glück hat, wird wenigstens der blockige Schatten des anderen Fahrzeugs angezeigt. Besser als vorher? Ja! Optimal? Nein.

Alles neu

Monster Trucks, Dragster und Driftkarren ergänzen den Fuhrpark.
Der Regen, der Teil des frischen dynamischen Wettersystems ist, sorgt aber auch nicht nur für eine gesteigerte Atmosphäre. Zwar ist es durchweg ansehnlich, wenn man in eine Schlechtwetterfront fährt und es erst zu nieseln beginnt, bevor die schweren Tropfen auf Windschutzscheibe und Asphalt prasseln – und es wirkt sich auch auf das Fahrverhalten aus. Doch spätestens beim dritten Wetterwechsel fällt auf, dass der Zustand der Straße eigentlich nur zwei Varianten kennt: Nass und Trocken. Es gibt weder stufenweise noch nahtlose kleine Veränderungen. Nass oder Trocken. Zudem gibt es für die Pfützen auf der Straße auch nur sehr wenige Varianten, so dass man auf einer regnerischen Spritztour über die Fifth Aventue nicht viel Variation auf dem nassen Asphalt entdeckt. Doch dies sind nur kleine Macken einer ansonsten gelungen Schönheits-OP. Doch viel wichtiger sind ohnehin die spielerischen Erweiterungen, die mit Wild Run Einzug in The Crew halten und auf die man bereits nach den ersten Tutorial-Abschnitten Zugriff hat. Natürlich können Veteranen, die die Kampagne bereits beendet und einen entsprechenden Fuhrpark sowie Bucks (die Crew-Währung) angesammelt haben, sich auch sofort auf die neuen Fahrzeugtypen und die neuen Wettbewerbe stürzen, von denen der monatliche „Summit“ im Mittelpunkt steht.

Bei diesen Gipfeltreffen kommen die besten Fahrer und die besten Teams zusammen, um den Champion zu ermitteln sowie besondere Belohnungen zu erhalten. Doch bevor man hier antreten darf, muss man sich in einem der Vorab-Wettbewerbe qualifizieren, wobei teilweise auch für diese besondere Leistungen erfüllt sein müssen. So kann z.B. ein bestimmter Stunt-Level erforderlich sein. Und den erhält man nur, wenn man im entsprechenden (ebenfalls frischen) Modus die zufällig generierten Aufgaben erfüllt, die mitunter nur mit einer bestimmten Fahrzeugklasse erreichbar sind. Fahren im Gegenverkehr, akkumulierte Sprungweite, Driften, Wheelies oder Stoppies mit Motorrädern, Zerstörung von Gegenständen, knappe Zeitlimits und vieles mehr wartet hier. Während man anfangs auch solo schnell Erfolgserlebnisse feiert, wird einem ab etwa Stufe 8 das Leben sehr schwer gemacht. Abhilfe schafft hier das gemeinsame Erreichen der Ziele mit einer Crew, so dass die Online-Komponente endlich Sinn ergibt. Denn dann muss nicht jeder z.B. vier Kilometer mit einer Mindestgeschwindigkeit von 275 km/h im Gegenverkehr fahren, sondern die Ergebnisse der Gruppe wurden zusammengezählt, so das man den ständig knapper werdenden Zeitvorgaben entgegenwirken kann.

Mehr Klassen, mehr Spaß

Die Kulisse wurde verbessert. Das Grafikupdate steht auch für Spieler zur Verfügung, die "Wild Run" nicht besitzen.
Auch bei den Vorabwettbewerben und dem Summit findet man immer wieder Aufgaben, die man nur in einer Gruppe erledigen kann, so dass die Onlinepflicht vielleicht nicht zwangsläufig mehr Sinn ergibt, aber legitimiert wird. Um sich hier in der Rangliste nach vorne zu schieben, sollte man nicht nur das gesamte Dutzend an Missionen erledigen, man muss sich dabei auch als Meister aller Klassen zeigen. Zwar kann man auch einen der ausgeschütteten Preise bzw. die Qualikation für das monatliche Gipfeltreffen gewinnen, wenn man nicht alles erledigt, doch je mehr man schafft, umso mehr Punkte in der Gesamtwertung bekommt man. Dementsprechend muss man nicht nur in den Standard-Wettbewerben, die auf den Skillprüfungen (z.B. Slalom, Weitsprung, Hill Climb) beruhen, zeigen, aus welchem Holz man geschnitzt ist. Man sieht sich auch Ausdaueraufgaben gegenüber und muss mit den neuen Fahrzeugspezialisierungen Drift, Monster Truck und Dragster klar kommen, die mit besonderen Aufgaben bedacht werden. Auch die neuen Motorräder können hier gefordert werden. Sprich: Es wird für ordentliche Abwechslung gesorgt. Schade ist zwar, dass es bei Monster-Truck-Veranstaltung keine Crash-Derbys gibt. Doch dies dürfte der immer noch nicht überzeugenden Unfalldarstellung geschuldet sein, die nach wie vor weit von den Standards entfernt ist, die bereits in der letzten Konsolengeneration von der Burnout-Serie gesetzt wurden.

Mit dem Motorrad bekommen die Fahrten durch die USA ebenso wie einige Fähigkeitsprüfungen (z.B.  Slalom oder Präzision) eine neue Dynamik.
Nicht nur, dass mit den wöchentlichen Wettbewerben, die schließlich auf den monatlichen Summit hinauslaufen, ein Anreiz geboten wird, sich zumindest mittelfristig immer wieder mit Wild Run zu beschäftigen. Auch die im Hauptspiel irgendwann belanglos gewordenen Skill-Prüfungen mit ihren als Belohnung ausgeschütteten Bauteilen, um die Boliden nach und nach leistungsfähiger zu machen, bekommen wieder einen Sinn. Sie sind essenziell wichtig, um seine spezialisierten Vehikel noch leistungsfähiger zu machen. Sicher: Dies ist nur ein kleiner Kniff. Und auch keiner, der aus einem ordentlichen Racer einen außergewöhnlichen macht. Dennoch hat es Ivory Tower u.a. auf diesem Weg geschafft, mich wieder für Stunden in die Welt von The Crew zu ziehen. Denn mit einem intelligenten Loot-System, das bei Erreichen der Platin-Vorgaben eingesetzt wird, bekommt man nicht nur elektronische oder mechanische Bauteile für sein Vehikel, sondern auch neue Karosserieteile, Aufkleber und vieles mehr. Mitunter ärgert man sich zwar, wenn man bei Gold ein nützliches Perfomance-Upgrade erhält, während bei Platin nur ein „blöder“ Aufkleber für die Karre herausspringt. Doch das hat mich als Jäger und Sammler nicht lange davon abgehalten, immer öfter einen neuen Anlauf zu unternehmen, um noch andere Preise abzugreifen.

Fazit

Macht Wild Run aus The Crew den neuen König der Arcade-Racer? Nein, diese Kronen bleiben Forza Horizon 2 und der aktuellen Version von DriveClub vorbehalten. Doch mit den wöchentlichen bzw. monatlichen Aufgaben sowie der "intelligenten" Beuteausschüttung bekommt man hier abseits der bekannten und hinsichtlich KI bzw. Trial&Error kaum optimierten Kampagne einen ordentlichen Anreiz, um sich immer mal wieder in die offene Rennspiel-Welt zu begeben. Die neuen Fahrzeugspezialisierungen Drift, Dragster und Monster Truck sind gelungen, die ebenfalls frischen Motorräder passen ebenfalls gut. Auch wenn sie wie der Rest ein schwaches Unfallverhalten zeigen, das immer noch weit von den Burnouts der letzten Generation entfernt ist. Nicht zu vergessen das visuelle Update, das auch unabhängig von Wild Run für alle "alten" Crew-Fahrer ausgerollt wurde. Die Rückspiegel sind zwar immer noch nicht wirklich benutzbar, sehen aber immerhin besser aus, während das dynamische Wetter die Lichtstimmungen in den 5000 Quadratkilometern USA wunderbar ergänzt. Zudem gibt es in der überarbeiteten Kulisse keine großen Qualitätsunterschiede mehr bei Texturen noch regt man sich über die Flimmerkanten auf, die in einigen Gebieten das Zuschauen verleideten. Im direkten Vergleich bleibt man hier zwar hinter Need for Speed zurück, das sich auf die Qualität der Dice'schen Frostbite-Engine verlassen kann. Dafür jedoch ist The Crew: Wild Run abwechslungsreicher und unterhaltsamer als die Arcade-Raserei aus dem Hause EA.

Pro

neue Klassen: Drift, Monster Truck, Drag, Motorrad
wöchentliche und monatliche Wettbewerbe mit Sonderbelohnungen
dynamisches Wetter
Wild-Run-Inhalte stehen nach dem Tutorial zur Verfügung
riesige Spielwelt
runderneuerte Kulisse
Grafikupdate auch für Spieler ohne "Wild Run" verfügbar
Tag-/Nachtwechsel
Karrieremissionen sowohl solo als auch kooperativ spielbar
passable, wenngleich stereotype Story auf Fast-and-Furious-Niveau
abseits der Story Unmengen an Aufgaben
ordentliche Physik, die vom Fahrzeugtyp, Bauteilen und Untergrund abhängt
Schnellreise zu entdeckten bzw. bereits befahrenen Straßen
Gefühl für Weite der Landschaft wird gut transportiert
diverse Kameraperspektiven, u.a. Cockpitsicht
ordentliche Lokalisierung
Sprachausauswahl aus dem Spiel heraus verfügbar
Mikrotransaktionen nur "Pay-to-Shortcut"

Kontra

schwammige Kontrolle in der Anfangsphase
Außenspiegel verbessert, aber immer noch nicht voll funktionsfähig
Balance hängt bei Koop-Spielen mitunter in den Seilen
Jagd und Flucht zu sehr von Zufall bzw. Trial-and-Error abhängig
schwach inszenierte Unfälle
Kampagnen-Inhalte immer noch mit Schwächen

Wertung

PlayStation4

Einige inhaltliche Probleme von The Crew bleiben bestehen, doch die neuen Klassen und Wettbewerbe sorgen mit der runderneuerten Kulisse für ungezwungene Arcade-Unterhaltung.

XboxOne

Einige inhaltliche Probleme von The Crew bleiben bestehen, doch die neuen Klassen und Wettbewerbe sorgen mit der runderneuerten Kulisse für ungezwungene Arcade-Unterhaltung.

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