Battlezone (VR)11.11.2016, Michael Krosta

Im Test: Der Vater des VR kehrt zurück

Spielhallen-Veteranen dürften nostalgisch werden, denn mit der Neuauflage von Battlezone wecken die britischen Entwickler von Rebellion den Geist des Automaten aus den frühen Achtzigern, der als Vorreiter für 3D-Spiele gilt und schon damals einen ersten Vorstoß in die Virtual Reality gewagt hat. Jetzt soll der aufgebohrte Arcade-Klassiker mit seinen Panzerschlachten endgültig zum VR-Erlebnis werden – wenn auch zunächst nur für Besitzer von Sonys VR-Brille. Geht die Mischung aus Retro und Moderne auf? Feuer frei!

Simple Arcade-Action, beeindruckendes Gefühl

Es ist nicht nur das Mittendrin-Gefühl, das den Reiz von VR ausmacht. Viel mehr faszinieren auch die gewaltigen Größendimensionen und die beeindruckende räumliche Tiefe der Spielwelten, die sich erst in der virtuellen Realität entfalten und für diesen gewissen Wow-Faktor sorgen. Man hat nicht länger den Eindruck, in einem kleinen Zimmer zu sitzen, sondern glaubt sich in weitläufigen Landschaften, auf einem Tauchgang im riesigen Meer oder futuristischen Stadien. BattleZone bildet da keine Ausnahme: Schon das Hauptmenü versetzt ins Staunen, weil es in das mächtige Panzer-Cockpit mit all seinen Schaltern, Monitoren, Hebeln, Anzeigen und einer zunächst noch verschlossenen XL-Windschutzscheibe eingebettet ist. Öffnen sich nach der Wahl auf einen der zunächst drei verfügbaren Panzer die Abdeckungen und man wird langsam durch riesige Montagehallen zur ersten Kampfarena an die Oberfläche befördert, ist er wieder da, der besagte Wow-Faktor. Daran ändert sich zunächst auch nichts, wenn man endlich selbst die Kontrolle über das schwer bewaffnete Vehikel übernehmen darf: Selbst wenn man sich für das schwerste der drei Modelle entschieden hat, ist es weit von der trägen Steuerung entfernt, die man üblicherweise mit einem typischen Panzer verbindet. Stattdessen präsentiert sich die futuristische Variante erfreulich agil und fügt sich damit

Das Gefühl im Cockpit ist fantastisch - wenn man es verträgt.
hervorragend in die flotte, aber simpel gestaltete Arcade-Action ein. Es fühlt sich gerade angesichts der schnellen Drehungen und Ausweichmanöver eher so an, als würde man im Cockpit eines Luftkissenboots sitzen. Oder in einem der Pods aus Ball Blazer bzw. Master Blazer auf dem Amiga.

Wie dem auch sei: Es ist nicht nur die minimalistische Kulisse mit ihren knalligen Farben und leichten Tron-Anleihen, die in VR deutlich beeindruckender rüberkommt als für Zuschauer auf der Mattscheibe. Vor allem das Gefühl hinter dem Steuer der wendigen Panzer mit ihren mächtigen Cockpits und der glaubhaften Präsenz haben es mir angetan, zumal nach einer kleinen Eingewöhnungsphase keine Probleme mit Übelkeit oder Benommenheit auftraten. Aber das ist wie immer ein individueller Aspekt: Kollege Jan musste schon nach wenigen Minuten abbrechen und wird Battlezone nicht mehr anrühren.

Prozedurale Balanceprobleme

Aber hey, dadurch bleiben ihm auch einige Ärgernisse erspart. Da wäre z.B. die mitunter katastrophale Balance hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades, die innerhalb der prozedural generierten Kampagne entsteht. Deren Aufmachung weckt zunächst Erinnerungen an klassische 4X-Strategiespiele, wenn man seine Einheit auf den Hex-Feldern kontinuierlich in Richtung des KI-Kerns verschiebt, wo die finale und knallharte Schlacht wartet. Auf dem Weg dorthin warten zahlreiche Missionen, die von einem simplen „Vernichte alle feindlichen Einheiten“ über das Beschützen von Konvois bis hin zur Verteidigung verbündeter Basen oder dem Hacken von Gebäuden führen. Leider wird man dabei oft ins kalte Wasser geworfen, weil es die Entwickler versäumt haben, die Missionstypen zumindest ansatzweise zu erklären. Meine erste Basisverteidigung sah entsprechend so aus: Bevor ich überhaupt wusste, was zu tun ist oder wo ich hin soll, kam bereits die Meldung, dass mein Hauptquartier zerstört wurde – toll! Auch wird schlecht kommuniziert, dass man die zunehmende Stärke gegnerischer Einheiten durch die Einnahme oder Zerstörung bestimmter Punkte auch wieder senken kann. Gleiches gilt, wenn man die Kampagnen im Mehrspielermodus kooperativ in Angriff nimmt: Nirgends wird man darauf hingewiesen, dass man die zerstörten

Gegner tauchen häufig aus dem Nichts auf und sorgen damit auch für unangenehme Überraschungen.
Mitstreiter durch ein einfaches Überfahren wiederbeleben und so in die Partie zurückholen kann. Ich bin eigentlich kein Fan davon, wenn man zu sehr an die Hand genommen und ständig mit Tutorial-Hinweisen zugeschüttet wird. Hier hätten mehr Erläuterungen allerdings nicht geschadet.   

Neben diesem Mangel an Erklärungen stoßen aber auch Spielelemente rund um die KI sauer auf: Dass die Widersacher am Boden oder in der Luft nur mit einer extrem rudimentären Intelligenz ausgestattet sind, lässt sich durch die Arcade-Vergangenheit und den gewählten Ansatz noch verschmerzen. Ärgerlich dagegen, dass die feindlichen Einheiten oft aus dem Nichts in der Arena erscheinen und den Spieler spätestens dann ganz schön in die Bredouille bringen, wenn in dessen Rücken plötzlich zwei schwere Geschütztürme und ein weiterer Panzerverband auftauchen. Denn steckt man zu viele Treffer ein, verliert man hier nach bewährter Oldschool-Spielhallenmanier eines von anfänglich drei Leben. Sind alle futsch, ist der Feldzug beendet und man muss wieder eine neue Kampagne starten, wobei man die Wahl zwischen einer kurzen, mittleren oder großen Variante hat.

Alles umsonst

Ärgerlich: Man verliert dabei nicht nur den Fortschritt auf der Karte, sondern auch sämtliche Upgrades, die man zuvor mühevoll durch das Sammeln von Datenfragmenten und Belohnungen freigeschaltet hat. Dazu zählen z.B. Verbesserungen der Panzerung oder der Ausbau des Waffenarsenals, zu dem u.a. zielsuchende Raketen oder diverse Typen von Geschützen zählen. Auch Funktionen wie das Radar lassen sich ausbauen und selbst das Nachladesystem darf man durch entsprechende Investitionen zu einer Mechanik erweitern, wie man sie aus Gears of War kennt. Dabei gibt es aber zwei weitere Probleme: Zum einen sind die Verbesserungen eine kostspielige Angelegenheit, denn auch für den Kauf von Extraleben wird man ordentlich zur Kasse gebeten. Selbst wenn man ein Aufklärungsteam zu den Hexfeldern in der Nachbarschaft schickt, um Daten zu Gegnern oder dem Missionstyp zu sammeln, muss man zahlen. Hier schwinden die Datenreserven als spielinterne Währung schneller dahin, als man sie verdienen kann.

Die Arenen sehen stylisch aus und die Kampagnen werden prozedural generiert. Trotzdem werden die Missionen nicht nur schnell beinhart, sondern auch zunehmend eintönig.
Zum anderen ist es nervig, dass man für das Ändern der Ausrüstung immer wieder Umwege gehen und zu den Hexfeldern mit Versorgungsdepots zurückkehren muss. Damit könnte man sich vielleicht arrangieren, wenn nicht mit jedem Zug auf der Karte gleichzeitig die Stärke aller gegnerischen Einheiten nach oben geschraubt werden würde. Nett sind dagegen die... ich nenne sie jetzt einfach mal „Risikofelder“, hinter denen sich keine Kampfeinsätze, sondern lediglich Entscheidungen verbergen, mit denen man viel gewinnen, aber auch verlieren kann. Ganz anders die Felder mit Schildgeneratoren, bei denen man die besagten Einrichtungen zerstören kann, um sich das Leben im finalen Endkampf gegen den KI-Kern etwas leichter zu machen. Neben den normalen Schwankungen zwischen den Missionen zieht der Schwierigkeitsgrad bei diesen Einsätzen plötzlich massiv an und es wird frustrierend – auch deshalb, weil der Munitionsnachschub bei vernichteten Feinden reine Glückssache zu sein scheint. Hinzu kommt, dass sich die Variationen beim Missionsdesign und auch den Schauplätzen in Grenzen halten, auch wenn die prozeduralen Elemente dafür sorgen, dass es zumindest bei der Architektur der Arenen immer wieder kleine Veränderungen gibt und sich damit die Kampagnen tatsächlich immer voneinander unterscheiden. Bei den etwas uninspirierten Gegnertypen hat man ebenfalls schnell das Gefühl, alles gesehen zu haben.

Kollektive Feuerkraft

Und wieder ist eine Rakete unterwegs zu ihrem Ziel.
Eigentlich ist es positiv, dass sich die drei anfänglichen Panzer nicht nur hinsichtlich der Bewaffnung, sondern auch beim Handling recht deutlich voneinander unterscheiden. Seltsamerweise kam ich mit dem mittleren Modell, das sich mit einem Kompromiss aus Agilität und Panzerung eigentlich als idealer Kandidat für Einsteiger präsentieren sollte, überhaupt nicht klar. Hat man eine Kampagne erfolgreich abgeschlossen, gesellen sich übrigens weitere Panzertypen hinzu, die vor allem das Teamplay bei gemeinsamen Feldzügen fördern. So schön es auch ist, dass man mit bis zu drei Begleitern kooperativ losziehen und sich das (Über-)Leben dadurch etwas einfacher machen darf, dürften kompetitive Naturen aber die Gefechte gegeneinander vermissen und deren Fehlen zurecht bemängeln.

Fazit

Battlezone präsentiert sich für PlayStation VR als würdiger Erbe des Spielhallen-Klassikers: Die ballerfreudige Retro-Action fängt Rebellion nicht nur spielerisch, sondern auch visuell richtig gut ein. Sie ist zwar simpel, durch die zahlreichen Upgrades und einem Hauch strategischer Entscheidungen aber auch komplexer, als man es am Anfang vielleicht vermutet. Vor allem aber ist Battlezone ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie VR wirkt: Betrachtet man die Arena-Schlachten nur als Zuschauer, mag die Kulisse genauso unspektakulär wirken wie die angestaubten Kämpfe gegen eine leider nur sehr rudimentäre KI. Doch sitzt man selbst im VR-Cockpit, verwandelt sich die Skepsis zunächst in pure Begeisterung, denn die futuristischen Panzer steuern sich angenehm flott und man versinkt zu treibenden Elektroklängen sowie hämmernden Soundeffekten in den Gefechten, völlig beeindruckt von den gewaltigen Dimensionen und den knalligen Kontrastfarben. Doch mit der Zeit werden die stimmungsvolle Techno-Kulisse und das großartige Spielgefühl zunehmend von Ärgernissen wie starken Schwankungen des Schwierigkeitsgrades, mangelnden Erklärungen, repetitiven Missionen und dem ständigen Zurücksetzen des mühsam erarbeiteten Fortschritts überschattet. Dem kann man durch gemeinsames Losziehen in unterhaltsamen Koop-Kampagnen zwar etwas entgegenwirken, aber vielleicht hätte es nicht geschadet, sich doch etwas weiter von frustrierenden Spielhallen-Traditionen zu entfernen, als man es letztendlich getan hat.

Pro

stylische Retro-Präsentation
großartige Immersion
detailliertes XL-Cockpit
simple, aber durchaus fordernde Arcade-Action...
zahlreiche freischaltbare Upgrades...
prozedural generierte Kampagne
strategisches Vorgehen möglich
optionaler Koop-Modus (online)
treibender Elektro-Soundtrack

Kontra

mangelhafte Erklärungen zu Aufgaben
umständliches Aufrüsten über Umwege
nerviges Auftauchen von Gegnern aus dem Nichts
...mit starken Schwankungen beim Schwierigkeitsgrad
...die sehr teurer ausfallen
sehr rudimentäre KI
freigeschaltete Ausrüstung geht bei neuer Kampagne verloren
Munitionsnachschub ist reines Glücksspiel
keine kompetitiven Versus-Spielmodi
repetitive Missionen

Wertung

VirtualReality

Simple, aber stylische Arcade-Action mit einem großartigen Mittendrin-Gefühl, bei der Retro und Moderne verschmelzen. Fehlende Hinweise zum Spielverlauf und die schwankende Balance sind aber ärgerlich.

PlayStationVR

Simple, aber stylische Arcade-Action mit einem großartigen Mittendrin-Gefühl, bei der Retro und Moderne verschmelzen. Fehlende Hinweise zum Spielverlauf und die schwankende Balance sind aber ärgerlich.

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