Im Test: Moto GP trifft Fahrerlegende
Neuer Name, altes Spiel
So langsam fehlen mir die Worte, was Spiele von Milestone angeht. Nein, wirklich: Ich habe schon in den letzten Jahren über den Großteil von dem geschrieben, was euch hier erwartet und könnte wahrscheinlich einfach aus kopierten Textblöcke meiner alten Berichte ratzfatz einen neuen Test zusammenschustern. Aber das wäre dann ähnlich schäbig wie das, was das italienische Studio seit geraumer Zeit abliefert – ein unverschämtes Copy & Paste. Also lobe ich einmal mehr den großen Umfang, der auch hier wieder geboten wird: Dank zusätzlicher Klassen wie 125er- bis 500er-Zweitaktmotoren, ein Hauch von Offroad-Action auf dem Flat-Track und dem neuen Modus The Rossi Experience wird inhaltlich im Vergleich zum Vorgänger sogar noch ordentlich etwas oben drauf gepackt. Nicht zu vergessen, dass neben der aktuellen Moto-GP-Saison mit ihren drei Klassen auch das letztjährige Strecken- und Fahreraufgebot enthalten ist, auch wenn für 2015 „nur“ die Königsklasse ohne Moto2 und Moto3 geboten wird. Da der rasante Italiener als Racing-Naturtalent nicht nur auf den Bikes flott unterwegs ist, darf man sich sogar hinter das Steuer von Rallye-Boliden klemmen und entsprechende Veranstaltungen auf vier Rädern absolvieren, darunter die Monza Rally Show oder Driftrennen in einem Ford Mustang GT. Zusammen mit der gelungenen Auswahl an Modi, die
Herr Rossi sucht das Glück
Die Rossi Experience greift das Konzept auf, das sich bereits bei Sebastien Loeb Rally als Bereicherung erwies: Vor der Kamera wirft der Champion, unterstützt von realen Rennszenen, zunächst einen Blick zurück auf vergangene Stationen seiner Karriere. Anschließend darf man als Spieler die Momente aktiv Revue passieren lassen...oder verändern. Da gilt es z.B. innerhalb von zwei Runden den ärgsten Rivalen hinter sich zu lassen, den Führenden innerhalb eines Zeitlimits zu überholen oder einen gewaltigen Vorsprung vor dem Überfahren der Ziellinie herauszuholen. Das ist ähnlich nett gemacht wie beim Rallye-Pendant, auch weil Rossi ein ähnlich sympathischer Kerl ist wie Loeb. Allerdings fallen viele Herausforderungen innerhalb der nicht gerade üppigen Auswahl an historischen Events sehr kurz aus und sind entsprechend schnell abgeschlossen. Etwas mehr Zeit benötigt man, um die Rundenzeiten von Rossi, dessen Spitzname The Doctor lautet, auf allen Pisten zu unterbieten. Die Online-Herausforderungen, die regelmäßig aktualisiert werden sollen und Strecke sowie Motorrad ebenfalls vorgeben, fallen sogar noch etwas knackiger aus.
Vertrautes Gefühl
Hinsichtlich der Fahrphysik bleibt alles beim Alten: Erneut hat man die Wahl zwischen drei Stufen und darf abseits der Profi-Einstellungen optional auf Hilfen wie gekoppelte oder automatische Bremsen sowie eine Lenkunterstützung zurückgreifen. Automatisches Ducken, die Einblendung der Ideallinie in Kurven oder über die gesamte Strecke und die Automatik-Schaltung lässt sich dagegen genauso für alle drei Stufen aktivieren wie die bewährte Rückspulfunktion, um Fehler rückgängig zu machen. Während die Standard-Einstellung stark in Richtung Arcade tendiert, hat man bei der Profi-Physik alle Hände voll zu tun, die Zweiräder halbwegs auf der Strecke zu halten. Die Steuerung ist hier extrem sensibel und erfordert spätestens in der Moto-GP-Klasse enorm viel Gefühl am Gaszug und bei der Lenkung. Die Einstellung Semi-Pro markiert den idealen Mittelweg zwischen beiden Extremen – hier fühlte ich mich am wohlsten und war auch konkurrenzfähig unterwegs.
Große Unterschiede beim Fahrgefühl sind mir im Vergleich zu Vorjahr nicht aufgefallen – was nicht unbedingt schlecht ist, denn zumindest die Motorräder fahren sich ganz ordentlich, was man von den Boliden auf vier Rädern nicht unbedingt behaupten kann. Hier fällt es mir trotz oder wegen Milstones WRC-DNA schwer, ein Gefühl für die Wagen zu entwickeln. Auch mit den zickigen Geländemotorrädern kam ich nicht auf Anhieb zurecht, doch nach einer kleinen Eingewöhnungszeit rutschte ich trotz der leicht schwammigen Steuerung halbwegs souverän durch die Kurven und lernte den angenehmen Kontrast zu den Asphalt-Rennen durchaus zu schätzen. Schön auch, dass man komplette Rennwochenenden inklusive Training und Qualifikationsläufen absolvieren und beim Setup wieder an den Bikes herumschrauben darf.
Immer schön zusammen bleiben
Nur bei Regen hat die KI offenkundig Probleme, denn selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kriechen die übervorsichtigen Piloten im Schneckentempo über die nasse Strecke. Ich sehe bei dieser Stufe auf trockenen Pisten eigentlich kein Land, kann mich unter dieser Bedingungen aber selbst in der flotten sowie anspruchsvollen Moto GP innerhalb von drei Runden vom letzten Startplatz zum Sieg vorkämpfen und mich dabei sogar noch ordentlich von den Verfolgern absetzen. Verkehrte Welt! In niedrigeren Klassen fällt außerdem auf, dass sich die Auswirkungen der Nässe auf die Fahrphysik in Grenzen halten und kaum von den trockenen Bedingungen unterscheiden, was das Grip-Niveau angeht.
Fahrer aus Stahl
Auffällig ist zudem ein „Feature“, das zuletzt bei anderen Milstone-Titeln wie Ride oder vor allem MXGP aufgetreten ist: Die KI-Piloten scheinen nicht nur fest an den Sattel getackert worden zu sein, sondern auch ihre Maschinen wirken bei Kollisionen wie ein unerschütterlicher Fels in der Brandung. Als Folge dessen zieht man als Spieler nach Berührungen fast immer den Kürzeren, während die KI, darunter auch viele Unfallverursacher, ungehindert weiterfahren kann. Auch das Schadensmodell, das optional aktiviert werden kann, zeigt kaum Auswirkungen. Ein weiteres Ärgernis ist das Strafsystem: Zwar bekommt man als Spieler kleine Zeitstrafen aufgebrummt, die am Rennende addiert werden, doch zum einen werden Abkürzungen extrem inkonsequent als solche registriert und zum anderen lässt sich das Strafmaß ebenfalls nicht immer nachvollziehen. Bei der KI, die sich vor allem auf dem Flat Track mitunter fleißig Vorteile durch Abkürzungen verschafft, scheint das System gar nicht erst zu greifen, während in Online-Rennen die Lücken gnadenlos ausgenutzt werden – sehr zum Frust von allen Spielern, die sich weiter regelkonform innerhalb der Streckenbegrenzungen bewegen.
Technik von vorgestern
Noch ernüchternder geht es auf den
Fazit
Wie lange soll das mit Milestone eigentlich noch so weitergehen? Gegen den ständig aufgewärmten Mittelmaß-Brei, mit dem das italienische Studio immer wieder seinen Stillstand unter Beweis stellt, wirken selbst die jährlichen Updates von FIFA, Formel Eins & Co wie kleine Fortschrittswunder. Auch Valentino Rossi: The Game präsentiert sich auf PC und vor allem den Konsolen technisch wieder hoffnungslos veraltet: Die Kulisse wirkt angestaubt, die Gummiband-KI ist bis zur mittleren Stufe deutlich spürbar und agiert bei Nässe viel zu vorsichtig. Dazu kommt die enttäuschende Präsentation und das fragwürdige Kollisions- sowie Strafsystem, das trotz der soliden Physik den Fahrspaß trübt – sowohl offline als auch online. Ich finde es zudem immer noch unfassbar, dass die Engine auf PS4 und Xbox One angesichts der detailarmen Grafik nicht mehr als 30fps zustande bringt, doch zumindest läuft das Geschehen nach der Installation des Updates auch auf den Konsolen rund, wenn auch nicht so geschmeidig wie am PC. Ja, die Rossi Experience ist ein netter Zusatz, dessen Konzept sich schon bei Sebastien Loeb Rally als Bereicherung erwiesen hat. Am Umfang gibt es mit zig Klassen und Modi ohnehin nichts zu meckern, auch wenn ein Großteil davon durch den Recycling-Wolf gedreht und nicht sonderlich attraktiv verpackt wurde. Immerhin liefert man in diesem Jahr nicht nur ein Lizenz-Update zum Vollpreis ab, wie man es bei der letzten Edition getan hat. So lassen sich mit neuen Modi und dem Ausbau der Fahrerfähigkeiten zumindest auf inhaltlicher Seite kleine Fortschritte erkennen. Wer die Moto GP von Milestone bisher ignoriert hat, wird es mangels Alternativen schwer haben, seine Leidenschaft für schnelle Motorräder woanders auszuleben. Mit Valentino Rossi: The Game bekommt man hier aber immerhin das beste Gesamt- und Lizenzpaket innerhalb der Reihe und immer noch ein solides Rennspiel. Trotzdem hoffe ich, dass sich Milestone irgendwann dazu aufrappelt, um endlich die Technik und Aufmachung zu modernisieren, anstatt weiter ein mittelmäßiges Rennspiel nach dem anderen rauszuhauen. Mit dieser Fließband-Mentalität kann es auf Dauer nicht mehr weitergehen...
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Milestone bleibt sich treu: Viel Recycling, wenig Fortschritt und eine enttäuschende Technik auf den Konsolen, die den Fahrspaß weiter ausbremst.
XboxOne
Milestone bleibt sich treu: Viel Recycling, wenig Fortschritt und eine enttäuschende Technik auf den Konsolen, die den Fahrspaß weiter ausbremst.
PC
Milestone bleibt sich treu: Viel Recycling, wenig Fortschritt. Immerhin sorgt die Technik am PC für ein solides Rennerlebnis auf zwei Rädern.
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