Fulminante Kämpfe zum Einstieg
Bevor sich die Regie der unheimlichen Seite dieses 20 bis 30-stündigen Abenteuers widmet, begrüßt sie Geralt mit einigen cool inszenierten Kämpfen zum Aufwärmen: Einmal hat er es mit einem Riesen zu tun, der mal gleich eine Windmühle einstürzen lässt, bevor er einem mit weit ausholenden Hieben nochmal das Ausweichen lehrt. Kurz darauf begegnet man einer hexenhaften Bruxa, die unsichtbar fauchend von allen Seiten attackiert. Und schließlich muss man inmitten der herzöglichen Turnierarena mit einem schuppenbewehrten Glumaar fertig werden, der sich wie ein mutiertes Gürteltier einrollt und nach Gehör loswalzt. Ein tolles Gefecht, das auch noch von einem Troubadour für alle Zuschauer kommentiert wird - köstlich.
Gleich zu Beginn muss Geralt einige heikle Kämpfe bestehen: Dabei auch ein Arenaduell gegen einen Glumaar, der nach Gehör angreift und toll animiert wird.
Allerdings bemerkt man hier, dass das vielfältige und auf Ausdauer beruhende, aber etwas schwammige Kampfsystem hinsichtlich Fixierung, Taxierung und Angriff des Feindes nicht mit der Präzision eines
Dark Souls 3 mithalten kann. In diesen frühen Bossduellen muss man jedenfalls beweisen, dass man sowohl mit den Runen als auch Klingen und Tränken gut umgehen kann; wer angesichts der knackigen Duelle Probleme hat, kann den Schwierigkeitsgrad in den bekannten Stufen absenken.
Ritualmorde in der Ritterszene
Nicht umsonst braucht es einen Hexer ab etwa Level 34, um dieses womöglich letzte Abenteuer im Angesicht von Axii, Igni & Co zu bestehen. Wer keinen betreffenden Spielstand besitzt, kann wie schon in
Hearts of Stone einen Charakter erschaffen, indem er Fähigkeiten festlegt - nur hat man dann weder ein gefülltes Bestiarium oder Bücher noch seine exklusiven Rüstungen oder Waffen. Trotzdem wird man auch so gut mit Geld, Stahl, Mutagenen und Tränken versorgt. Eine optimale Ausrüstung ist deshalb wichtig, weil es neben all den kleineren und größeren Monstern, die hier einige fiese Angriffsmuster zeigen, natürlich um eine größere Bedrohung geht.
Wer zermalmt denn da eine ganze Windmühle wie einen Keks? Natürlich, ein Riese! Auch "Golyath" fordert den Hexer und seine Ritter heraus.
Ein mysteriöser Serienmörder geht um, der es auf ältere Ritter abgesehen hat - und die werden wie in Ritualen regelrecht hingerichtet. Nicht mit Dolch oder Bolzen, sondern mit mächtigen Klauen und übersinnlichen Fähigkeiten. Wer hat es hier auf die ehrenhaften Veteranen abgesehen? Was will der Täter mit diesen bizarren Demütigungen sagen? Um diese Frage zu klären, wurde Geralt von der Herzogin engagiert; nicht gerade zur Freude aller Beteiligten. So richtig ernst scheint der Lady und ihrer Entourage die Lage angesichts des blutigen Terrors nicht zu sein, wird doch trotzdem ein Turnier mit allem Pomp ausgetragen oder eine Schnitzeljagd mit dümmlichen Höflingen gespielt. Auch Geralt muss tatsächlich ein Einhorn einfangen - überhaupt beweist CD Projekt RED erneut viel Humor, auch in einigen Szenen, die mit ihrer Etikette und Bürokratie angesichts des Terrors wie Realsatire anmuten. Man kann fast hören, wie sich die Entwickler dabei vor Lachen kugelten...
Geralt ahnt bereits Ernsteres und wird sich noch wundern, mit wem er es in diesem Toussaint zu tun hat. Die Polen haben jedenfalls nicht zu wenig versprochen, als sie einen charismatischen Antagonisten ankündigten. Es ist schön zu sehen, wie das vermeintlich Böse hier langsam an Konturen gewinnt, seine hässliche Fratze zeigt und dennoch wichtige Fragen stellt, die auch Geralt ins Grübeln bringen. Ist er nicht auch ein Schlächter? Für wessen Tugend kämpft er? Was ist das überhaupt: Tugend? Die Kinder vor dem Turnier kann er noch mit einer Antwort abspeisen, sein finsterer Schatten mit diesen langen Krallen stellt ganz andere Fragen.