Damaged Core14.09.2016, Jan Wöbbeking

Im Test: Springlebendige Action für Oculus Rift

High Voltage Software löst das VR-Problem der Simulationskrankheit auf eigenwillige Weise: Im Shooter Damaged Core bewegt man sich schlicht und ergreifend überhaupt nicht, sondern springt als Virus von einem gehackten Gegner in den nächsten. Im Test überprüfen wir die Praxistauglichkeit des Konzepts – und natürlich, ob die ständigen Sprünge so motivieren können wie klassische Action.

Wo bin ich? Und wer bin ich?

Zu Beginn fühlt es sich reichlich seltsam an, sich quasi im Sekundentakt von einem Ort an den anderen zu beamen. Als Virus, das sich in fast jeden Gegner hacken kann, steckte ich eben noch in einem auf dem Dach postierten futuristischen Sniper-Geschütz und bearbeitete die Antennen eines feindlichen Sendemasten. Da meine Attacken natürlich die Aufmerksamkeit der Bodentruppen auf sich zogen, wurde ich etwas zu oft getroffen: Ein hektisches Piepsen und ein sich verkleinerndes Sichtfeld symbolisieren mir, dass ich schnellstens in einen anderen Wirt wechseln sollte. Der fette Mech vor mir hat leider noch eine aktive Firewall, also teleportiere ich mich in den kleinen „Standard-Terminator“ daneben und gebe der Antenne den Rest. Dass mein Wirt binnen zwei Sekunden schon wieder zu Klump geballert wurde, ist nicht weiter schlimm. Ich schnappe mir einfach den Blecheimer neben ihm, zerbrösle schnell die zwei Firewall-Module auf den Schultern des Mechs und schlüpfe schließlich in seinen Körper, um mit seinen Raketen erst eine weitere Antenne und dann einen schwebende Einheit zu zerlegen, die an einen Hunter-Killer aus Terminator erinnert.

Zeit für den nächsten Sprung...
Fehlt mir in der Hektik des „Sterbens“ die Übersicht, kann ich zur Not meist in eine der unbewaffneten Schwebe-Drohnen schlüpfen, die von meinen Verbündeten über dem Schlachtfeld platziert wurden. Ebenfalls eine gute Sicht bieten die bereits erwähnten Senkrechtstarter, deren fette Raketen ich noch auf dem Weg zum Feind mit Kopfbewegungen lenke. Da ich mich höchstens mal in einem gehackten Panzer (langsam) fortbewege, bleibt das Spiel die komplette Zeit über magenfreundlich und komfortabel.

Es ist schon wieder Doomsday

Die Geschichte klingt bekannt und ist laut Wissenschaftlern wie Stephen Hawking gar nicht so unrealistisch: Fortgeschrittene künstliche Intelligenzen haben offenbar genug von den egoistischen Kapriolen der Menschheit und wollen sie zu Gunsten der eigenen Evolution aus dem Weg räumen. Nur wenige KIs widersetzen sich dem Aufstand der Maschinen, darunter ich und meine Mentorin, die mir immer wieder in Tutorials meine Fähigkeiten erklärt. Zusammen helfen wir einer kleinen menschlichen Widerstandsgruppe, sich in strategisch wichtige Anlagen der Gegner zu hacken oder eigene Außenposten zu beschützen. Nicht alle Mitglieder der Truppe vertrauen uns, was in den Zwischensequenzen für hitzige Gemüter sorgt. Dialoge und Inszenierung der Lagebesprechungen wirken allerdings ziemlich kitschig und altbacken – inklusive klischeehaftem  Aufpumpen und gepresst grummelnden englischen Synchronstimmen. Eine deutsche Übersetzung gibt es nur bei Menü-Elementen – mit dem amüsanten Fehler, dass sämtlichen Texten ein „G“ vorangestellt wird: G-Loading, G-Controller, G-Sniper -  fehlt eigentlich nur noch der G-Funk.

Baum fällt!
Das Missionsdesign bringt ordentlich Abwechslung in die Dauer-Action: Auf meinen wilden Sprung-Touren durch die Levels schlüpfe ich in einen fetten Panzer, diverse Geschütze vor den Toren des Außenpostens und arbeite mich quer durch die feindlichen Wolkenkratzer, in denen ich die wabenförmigen Produktionsanlagen der aggressiven Blecheimer zerlege. Am spannendsten sind die mehrstufigen Bosskämpfe, z.B. gegen einen fetten Mechano-Käfer, der mich in verschiedenen Angriffsphasen mit krabbelnden Minen und diversen Raketen eindeckt. Ebenfalls cool sind die Scharfschützen-Sequenzen, in denen sich das Kopftracking als derart präzise erweist, dass ich quasi höchstpersönlich die Luft anhalten und selbst kleinstes muskuläres Zucken meines Halses vermeiden muss. Dabei beschütze ich etwa eine verbündete KI-Einheit, welche sich an allerlei Wachen durch Tunnels und Hochhäuser schleicht. Auch im Rest des Spiels funktioniert die einfach gehaltene Kopf-Steuerung gut, da man sich auf dem Gamepad meist nur auf zwei Feuermodi oder ein Zielfernrohr konzentrieren muss. Statt die Waffe zu wechseln, springt man ja einfach in entsprechende Gegner.

Dynamik und Monotonie

An anderen Stellen des Spiels wird es aber leider richtig fade – und zwar immer dann, wenn ich massenhaft blecherne Fußsoldaten aufs Korn nehmen muss. Sie sind nicht nur hässlich abgehackt animiert (ja, auch für Roboter-Verhältnisse), sondern agieren meist auch ziemlich dämlich. Geschickte KI-Routinen gibt es in dieser Zukunftsvision offenbar nicht: Statt die Deckung zu umtänzeln, mich zu flankieren oder anderweitig zu überrumpeln, werden sie nur durch ihre Masse gefährlich. Ein weiteres Problem ist, dass die sehr offensive Spielweise nicht immer gut ausbalanciert wurde. Manchmal war ich am erfolgreichsten, wenn ich einfach nur stumpf auf die Missionsziele wie Produktionsstätten (so genannte Tunnel) schoss und in die ewig nachströmenden Billig-Roboter wechselte. Alternative Strategien wie das Erobern schwerer Mechs oder Flugdrohnen zum Beschützen meiner menschlichen Partner wird zu selten mit Erfolg belohnt.

Zwischendurch landet man in ansehnlichen Zwischensequenzen mit der künstlichen Mentorin und dem menschlichen Widerstand.
Die postapokalyptische Kulisse bewegt sich im oberen Mittelfeld: Das finstere Design und der unauffällige Orchester- und Industrial-Soundtrack schaffen eine gelungene Terminator-Atmosphäre. Hier und da sorgen hübsche Siegeleffekte und die Einrichtungen alter Wohnungen sowie neuer technischer Stützpunkte für Immersion. Schlichte Explosionen, Effekte und vor allem die bereits erwähnten holprigen Animationen sorgen ab und zu aber für das Gefühl, nur einen Smartphone-Shooter wie N.O.V.A. vor Augen zu haben. Auf einer GeForce 980 lief die Action auf der zweithöchsten Einstellung „high“ immer flüssig; nur in Ladesequenzen kam  es zu kurzen Rucklern. Dazu kamen eine Hand voll Abstürze oder Situationen, in denen das Bild hängen blieb. Glücklicherweise gibt es in den langen Levels einige Speicherpunkte, welche die Entwickler in der rund neun Stunden langen Kampagne aber ruhig noch etwas großzügiger hätten verteilen können. Anstelle von Mehrspieler-Modi werden lediglich einige Bestenlisten geboten.

Fazit

Damaged Core ist nicht nur ein schönes Beispiel dafür, dass magenfreundliche Steuerungskonzepte auch spielerisch für neue Impulse sorgen können. Es handelt sich außerdem endlich mal um einen vollwertigen Shooter für VR. Es fehlt zwar der typische Flow durch die Fortbewegung, das Ausweichen und andere klassische Aktionen – im Gegenzug sorgt die offensive Spielweise zusammen mit der präzisen Kopfsteuerung aber für frischen Wind im Genre. Die Choreographie der Action besitzt ebenfalls ihre Höhen und Tiefen: Stupide, billig animierte Gegnermassen wecken gelegentlich Erinnerungen an den schrecklich monotonen Wii-Shooter The Conduit, der ebenfalls von High Voltage entwickelt wurde. Anderswo wird es aber bei der Verteidigung von Festungen, beim Scharfschießen und im Kampf gegen fette Bosse richtig spannend. Wer intensive Dauer-Action für seine Oculus Rift sucht, sollte dem Spiel also ruhig eine Chance geben, zumal es noch nicht allzu viel ernst zu nehmende Konkurrenz gibt.

Pro

innovatives Steuerungskonzept
austauschbare Wirte sorgen für frische, offensivere Taktiken
coole Sniper-Sequenzen erfordern ruhige Kopfbewegungen
spannende Bosskämpfe gegen wuchtige Metallmonstren
gelungene Terminator-Stimmung
stylisch aufs VR-Sichtfeld abgestimmte Bildschirmanzeigen
ordentlicher Umfang von rund neun Stunden
sehr magenfreundlich und komfortabel

Kontra

ermüdendes Dauergeballer gegen stumpfe kleinere Einheiten
abgehackte Animationen
platt und klischeereich präsentierte Story
gelegentliche Hänger und Abstürze
dem ständigen Springen in andere Gegner fehlen der Flow und die Dynamik von Roomscale-Action oder Ego-Shootern

Wertung

VirtualReality

Actionreicher VR-Shooter mit cleverem Steuerungsschema und schwankender Qualität beim Leveldesign.

OculusRift

Actionreicher VR-Shooter mit cleverem Steuerungsschema und schwankender Qualität beim Leveldesign.

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