Lightfield28.09.2017, Jan Wöbbeking

Im Test: Mit Bodenhaftung in die Zukunft

Trotz nicht allzu großer Verkaufszahlen erleben Future-Racer ein kleines Comeback. Das vermutlich eigenwilligste Exemplar kommt aus Wien: Lightfield sorgte mit seiner freien Streckenführung schon in der Indie Arena der Gamescom für überraschte Blicke, es bietet schließlich eine ganz eigene Art der Beschleunigung.

Jetzt nur nicht abheben!

Prinzipiell bleibt es komplett dem Spieler überlassen, auf welchem Weg er zum nächsten Checkpoint schwebt. Die visuell an Zone of the Enders erinnernden Gleiter können nämlich frei durch den Raum schwirren, schnelle Wenden und kleine Tricks starten. Die wichtigste Mechanik ist aber das „Anheften“ an Oberflächen. Per Knopfdruck dreht sich die Unterseite des Fliegers zur nächstgelegenen Ebene und schwebt wie ein Luftkissenboot über ihr entlang. Dadurch gewinnt man beträchtlich an Geschwindigkeit. Wer schneller vorankommen möchte, sollte also immer nach ausreichend langen Oberflächen Ausschau halten. Lässt man den Knopf los, geht es erneut „in die Luft“, so dass man wieder auf dem kürzesten Weg durch den offenen Raum schweben kann. Das junge Team Lost in the Garden hat eine interessante Mischung ausgetüftelt, in der man immer wieder zwischen fahren und schweben wechselt und ständig abwägen muss, welche der beiden Fortbewegungsraten einen schneller ans Ziel bringt.

Per Knopfdruck haftet sich der Gleiter windschnittig auf glatte Oberflächen und gewinnt an Geschwindigkeit - kleine Kugeln wie diese sind dabei natürlich lange nicht so effektiv wie z.B. Röhren.
Das Design der im Neonlicht glimmenden Industriekomplexe bleibt zwar immer ähnlich und bietet aus der Nähe bei Weitem nicht so viele Details wie ein WipEout. Es versetzt den Piloten aber effektiv in eine techno-futuristische Traumwelt, voller schräger Wolkenkratzer, surrender Laser und gigantischer Kühltürme. Schön auch, dass man inmitten der verschachtelten Raumstationen immer wieder kleine Abzweigungen entdeckt oder mit Hilfe von Schaltern Tore zu weiteren Abkürzungen öffnet. Trotz eher gemächlicher Geschwindigkeit (man kann sie übrigens im Menü stark erhöhen oder senken) gelangt man regelrecht in einen Zen-artigen Rausch. Irgendwann übernimmt das Unterbewusstsein die Kontrolle. Währenddessen wird der Trip passend von den teils verträumten, teils zerhackten IDM-Tracks des Musikers Zenshin begleitet.

Konservatives Angebot

Das Modi-Angebot präsentiert sich ähnlich altbacken wie in Mario Kart 8: Zur Wahl stehen lediglich gewöhnliche Positionsrennen sowie ein Zeitfahren, und zwar auf nur sieben Strecken mit Design-Varianten wie einem „Night Rider“-Nachtmodus. Schade auch, dass sich die weltweiten Bestenlisten nicht einmal nach Freunden sortieren lassen. Im Gegenzug liegen die Entwickler aber bei der Balance goldrichtig: Nach und nach bezwingt man KI und Geister in immer höheren Schwierigkeitsstufen und tüftelt immer effektivere Ideallinien aus. Auch das Fahrerfeld mit sechs Gleitern wirkt sinnvoll, damit es inmitten der verzweigten Architektur nicht zu unübersichtlich wird. Aus diesem Grund haben sich die Entwickler vermutlich auch Kollisionen gespart, so dass man ähnlich wie in Trackmania ohne Unfälle durch seine Gegner hindurch zischt. Wer möchte, kann zudem auf die Suche nach simplen Sammelobjekten gehen, die Erfahrungspunkte einbringen – ein netter Weg, die offenen Areale besser kennenzulernen, mehr aber auch nicht. Trotz fleißig aufs Konto tickernder XP gibt es übrigens nur wenig freizuschalten, darunter nicht einmal alternative Schiffchen oder Tuning-Optionen. Im Gegenzug ist dadurch aber immerhin jederzeit Chancengleichheit gewährleistet.

An großen Öffnungen bewegt man sich entweder elegant und behutsam zur nächsten großen Fahrbahn oder vollführt per Drift-Knopf abrupte Drehungen zu kleinen Abzweigungen.
Die grundlegende Steuerung ist sehr simpel und direkt gehalten, so dass sich auch Einsteiger schnell zurechtfinden. Das macht das Spiel vor allem für Parties mit Techno-affinen Gelegenheitsspielern interessant. Das Tricksystem richtet sich allerdings nur an fortgeschrittene Spieler. Nur wer die kleinen Rollen und Überschläge mit idealem Timing in seine Ideallinie und zwischen Sprüngen einbaut und sauber landet, kommt dank kleiner Boosts schneller voran, statt ins nächste Gerüst zu krachen. Die kleinen Stunts wirken daher ähnlich aufgesetzt wie die „Hypersnap“-Leiste, die Drehungen um die eigene Achse mit etwas mehr Agilität zu belohnen scheint. Ich erzielte meine besten Zeiten allerdings, wenn ich die Tricks größtenteils ignorierte und nur manchmal eine kleine Rolle oder einen Boost-Sprung einbaute.

Tricks für Fortgeschrittene

Das flotte Driften und abrupte Drehungen in der Luft lassen sich aber auch abseits der Tricks nutzen: Schnell noch ein Schlenker nach rechts unten in eine leuchtende Pfurche, um dann mit einer abrupten Linkskurve in einen grün pulsierenden Tunnel abzubiegen. In solchen Passagen sollte man aufpassen, dass man nicht in riesige Laser oder fiese kleine Querstreben kracht – ein ebenso kniffliger wie motivierender Zickzack-Kurs. Manchmal landet man allerdings ohne Eigenverschulden vor einem Hindernis, weil die Technik nicht mitspielt: Auf der PS4 fror bei uns mehrmals pro Minute das Bild ein (wir haben übrigens auf der Pro getestet).

Lust auf eine Runde Achterbahn?
Es handelt sich zwar nur um einen Sekundenbruchteil, während dem auch die Musik sich in einen „Drrr“-Loop verwandelt, doch selbst solch ein kleiner Schluckauf kann einem in kniffligen Momenten die Tour versauen. Die Xbox-One-Umsetzung ist noch deutlich schlechter gelungen, so dass man dort mit einem störenden Dauerruckeln leben muss. Dort wird das Bild außerdem deutlich häufiger vom Tearing zerrissen als auf der PlayStation 4. Es bleibt auch auf der One noch spielbar, trotzdem strapaziert die schwache Technik natürlich Augen und Nerven. Ein weiterer Schwachpunkt ist das Online-Sparprogramm, bei dem man lediglich privat gegen Freunde fahren darf. Gut gelungen ist dagegen der sauber laufenden Splitscreen-Modus, in dem bis zu vier Spieler unkompliziert ein- oder aussteigen.

Fazit

Lightfield ist der typische Fall einer tollen Spielidee, die allerdings etwas zu minimalistisch und mit technischen Fehlern umgesetzt wurde. Leichtes Bildstottern (PS4) oder sogar Dauerruckeln (Xbox One) sind nicht gerade das, was man in einem Future-Racer sehen möchte. Zudem fehlt es an einer Karriere und an Tutorials für die aufgesetzt wirkenden Tricks. Trotzdem entfaltet sich ein faszinierender, ganz eigener Flow, wenn man sich durch die verwinkelten, offenen Strecken schlängelt. Das frische Steuerungskonzept hat mich immer wieder dazu angespornt, den besten Weg auszutüfteln und mich an geeignete Oberflächen zu heften, um Geschwindigkeit aufzubauen. Auch das glühend-futuristische Design und der feinteilig zerstückelte Soundtrack tragen viel zur Atmosphäre bei. Wer mit der halbgaren Umsetzung leben kann und Spaß an alternativen Spielmechaniken hat, kommt also durchaus auf seine Kosten.

Pro

angenehm eigenwillige Beschleunigungsmechanik
sehr freier Kursverlauf mit interessanten Verzweigungen
cool verdrehte Streckenteile und Konstruktionen
sehr entspannend und trotzdem fordernd
faszinierend gleißendes SciFi-Design
gut umgesetzter Splitscreen-Modus für bis zu vier Spieler

Kontra

Bauwerke aus der Nähe detailarm
regelmäßig kurzes Bild
und Soundstottern (PS4)
nerviges Dauerruckeln (One)
gelegentliches Tearing zerreißt unschön das Bild (vor allem auf One)
Feinheiten wie Tricks spielen nur eine untergeordnete Rolle und werden kaum erklärt
online nur mit Freunden spielbar
keine alternativen Gleiter oder Tuning
simple Bestenlisten nicht nach Freunden sortierbar

Wertung

PlayStation4

Glühender Future-Racer mit faszinierend eigenwiliger Steuerung und etwas holpriger technischer Umsetzung.

XboxOne

Auf der Xbox One strapaziert das Dauerruckeln die Augen und Nerven.

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