A Way Out23.03.2018, Jörg Luibl
A Way Out

Im Test: Ein ungleiches Duo

Mit Brothers: A Tale of Two Sons konnte das Hazelight Studio schon 2013 auf Xbox 360 und PC beweisen, dass sie Geschichten mit viel Geduld erzählen und kooperative Abenteuer kreativ inszenieren können. Diesmal schlüpft ihr nicht in die Rolle zweier Brüder, sondern zweier verurteilter Verbrecher, die sich im Jahr 1972 im Gefängnis treffen. Dabei kann A Way Out (ab 5,99€ bei kaufen) nur zu zweit gespielt werden, entweder online oder im Splitscreen auf der Couch. Cool: Man braucht dafür nur ein Spiel! Ob sich der sechsstündige Trip mit Leo und Vincent lohnt, verrät der Test.

Schlag auf Schlag

Zu Beginn hat man kaum Zeit, sich mit seiner Situation im Knast, den dortigen Strippenziehern oder gar seinem Charakter zu beschäftigen -  denn man wird fast umgebracht. Es kommt zu heftigen Schlägereien mit recht einfachen Reaktionstests für Hiebe, Tritte, Ausweichen oder Wurfgegenstände. Und nur weil Vincent diesem Leo hilft, wird er nicht Opfer einer scheinbar geplanten Messerattacke. Bevor man recht schnell bemerkt, dass A Way Out kein Prison Break mit Machtkämpfen zwischen Gangs hinter Gittern inszeniert, fragt man sich: Okay, hier sitzen Schwerverbrecher, aber warum sollte jemand sofort zum Killer werden? Es sei denn, er wurde angeheuert...

Auch wenn der Einstieg vielleicht etwas unlogisch oder hektisch anmutet, wird alles bald nachvollziehbar. Und kaum hat man

A Way Out beginnt im Knast - und da geht es sofort heftig zur Sache.
den Knast verlassen, streift durch Wälder und Hinterhöfe, führt das Drehbuch alle Fäden geschickt zusammen - zumindest bis zum letzten Drittel. Die Regie wechselt dabei souverän zwischen kooperativen Aktionen und Erzählphasen sowie Rückblicken, in denen man mehr über die Vergangenheit dieser beiden unterschiedlichen Charaktere erfährt. Während der eher ruhige Vincent vom Banker zum Mörder wurde, verfolgt der hitzige Leo schon länger eine kleinkriminelle Karriere. Beide vereint zunächst nur der Hass auf einen Gangster, der ihnen verdammt übel mitgespielt hat - deshalb wollen sie zusammen fliehen und ihn töten.

Popcorn-Action mit Ruhephasen

Früher hätten es viele Spiele bei diesem Rachemotiv belassen und den Vorhang für die Action geöffnet. Zwar wird später auch spektakulär mit Autos oder Bikes gerast und reichlich aus der Deckung geschossen, aber man erlebt immer wieder angenehm

Leo und Vincent sind zwei unterschiedliche Kerle, die ein Ziel verfolgen: Fliehen und einen Gangster töten.
ruhige Momente, die fast ein wenig an die beschaulichen Situationen in Life Is Strange erinnern. In diesen wird stückweise und überaus gekonnt eine Freundschaft als verbindendes emotionales Element aufgebaut. Dazu gehören nicht nur familiäre Hintergründe, die die Identifikation mit den beiden erhöhen, sondern auch Erkundungsphasen, in denen man à la Heavy Rain oder Beyond: Two Souls diverse Haushaltsgeräte bedienen oder zusammen Vier gewinnt und Darts spielen kann.

Warum sollten Vince und Leo das auf der Flucht tun? Ihr könnt die Minispiele natürlich ignorieren. Aber auch Ausbrecher brauchen mal eine Pause, außerdem stärken diese Wettbewerbe, wie auch Armdrücken oder Hufeisenwerfen, vielleicht die Zusammengehörigkeit. Zunächst nähern sich die beiden nur an der Oberfläche, denn sie ticken nicht nur anders, sondern kommen aus unterschiedlichen sozialen Schichten und müssen erstmal einen Draht zueinander finden. Natürlich ziehen sie sich gegenseitig auf, was zu einigen köstlichen Situationen führt. Weil die Dialoge sehr gut geschrieben und gesprochen, allerdings nur Deutsch untertitelt sind, wirkt die Beziehung der beiden glaubwürdig - und bis hierher wie in einem guten Film.

Kooperativ, synchron und asynchron

Aber im Zentrum des Abenteuers stehen natürlich die kooperativen Aktionen. Und da hat sich das Hazelight Studio einiges einfallen lassen: Man kann nicht nur bekannte Manöver wie etwa eine Räuberleiter, das gemeinsame Ziehen an Hindernissen oder das Einbrechen einer Tür über einfache Knopfdrücke einleiten, sondern auch einige kreative asynchrone Taktiken erleben. Schon im Gefängnis steht der eine Schmiere, beobachtet den Gang und muss rechtzeitig warnen, während der andere die Schrauben aufbohrt, um einen Fluchtweg frei zu machen.

Zwar kann man damit nicht experimentieren, weil alles vorgegeben ist, außerdem ist meist alles auf simples Gedrückthalten,

Auch Stealth-Action light steht auf dem Programm.
Analogstickdrehen oder Buttonmashing beschränkt. Aber dennoch geht es auch um Timing, so dass einige brenzlige Situationen und vor allem genug Spannung entsteht - nicht nur, wenn der eine Fahrer und der andere Schütze ist. Auch wenn Leo z.B. von A nach B schleichen muss, inklusive Deckungssuche, während Vince rechtzeitig für Ablenkung sorgt, indem er an eine Scheibe klopft oder die Krankenschwester in ein Gespräch verwickelt.

Es kommen Schleich-Abschnitte hinzu, in denen man von Busch zu Busch huschen und Wachen ausknocken kann; allerdings ebenfalls ohne die letzte Konsequenz, denn man muss sich nicht um ihre Körper kümmern und kann keinerlei Ablenkung über Pfiffe etc. inszenieren; auch Munition oder Heilung spielen keine Rolle. Egal was man tut, fühlt sich alles spielmechanisch "light" an, zumal es selbst in den offeneren Arealen lediglich um kleine Abweichungen einer Route geht - aber das ist gar nicht so schlimm.

Elegante Bildregie

Diese subtilen Manöver sorgen auch so für kleine stimmungsvolle Highlights, zumal man dabei natürlich wunderbar quatschen kann. Dafür sorgen theoretisch auch einige Situationen, in denen man sich für A oder B, Leos oder Vince' Weg, entscheiden

Besonders gelungen sind die kooperativen Infiltrations- und Ablenkungsmanöver.
muss: Soll man das alte Ehepaar sofort fesseln und knebeln oder sie lieber aus dem Haus locken, indem man die Pferdeställe öffnet? Soll man die misstrauische Wache im Fahrstuhl sofort ausknocken oder sie rhetorisch ablenken? Subtile oder brutale Taktik? Die Entscheidung muss einstimmig sein. Aber leider hält sich das Debattieren darüber spätestens dann in Grenzen, wenn man erkennt, dass das keinerlei Auswirkungen auf die Beziehung, den Erfolg oder gar das Ende hat - schade, denn so ist es relativ egal, wie man agiert. Und aus einem argumentativen "Was soll wir bloß tun?" wird schnell ein "Ich entscheide jetzt, nächstes mal du und ist ja auch egal."

Es ist übrigens nicht so, dass man ständig vor einem gleich geteilten Bildschirm sitzt. Der Regie gelingen sehr elegante Wechsel vom Teil- zum Vollbild; mal ist das Bild vertikal, mal horizontal geteilt - es gibt sogar à la Fahrenheit mal drei Abschnitte oder gar an Beat'em Ups erinnernde Links-Rechts- oder Topdown-Perspektiven. Ohne spürbare Hektik sorgen diese sanften Überleitungen ebenso für Abwechslung wie die vielen unterschiedlichen Interaktionen. Allerdings zeigen sich vor allem in der Popcorn-Action mit Verfolgungsjagden und Schusswechseln auch die Defizite hinsichtlich Inszenierung, KI sowie Trefferfeedback, denn das sieht teilweise sehr statisch und fade aus. Hinzu kommen kleinere Bugs wie etwa beim Basketball oder auch mal hüftsteife Animationen. Aber selbst wenn man hier keine Triple-A-Kulissen auffährt gibt es doch einige stimmungsvolle Ausblicke in der Landschaft.

Unfassbar schlechtes Finale

Getrennte Wege, gemeinsame Ziele: Werden Leo und Vince erfolgreich sein?
Vor allem im letzten Drittel übertreibt man es dann ein wenig mit den Gegnerwellen, aber selbst dieser Shooter-Fokus wäre in einem dramatischen Schluss verschmerzbar und eine gute Wertung denkbar gewesen. Doch was sich die Autoren dann im Finale leisten, konterkariert die bis dahin spürbare erzählerische Stärke. Obwohl man noch einmal wunderbar überrascht wird, agieren die beiden Helden, die man bis dahin so behutsam als Freunde und Väter aufgebaut hat, nach der Wendung vollkommen irrational in einem extrem kitschigen, theatralischen und vor allem unlogischen Showdown. Wäre das ein Kinofilm, würde man aufstehen und buhen. Dieser Bruch ist schade, zumal das Drehbuch in Brothers: A Tale of Two Sons noch von Anfang bis Ende überzeugen konnte.

Trotzdem wünsche ich diesem puren kooperativen Konzept und dem Hazelight Studio eine Zukunft, denn da schlummern noch viele Potenziale: Wenn man z.B. überlegt, dass man das Rollenspiel weiter öffnen und fördern würde, dass man mehr spürbare Konsequenzen einbauen (je brutaler die Vorgehensweise desto größer wird der Fahndungsdruck oder auch das Streitpotenzial innerhalb des Duos) oder sogar, ähnlich wie in Hidden Agenda oder Risiko, für jeden Spieler geheime Aufträge anbietet. All das könnte die Spannung bis zum Ende nochmal steigern.

Fazit

Schade, dass man das Drehbuch auf den letzten Seiten so versaut hat - ich habe selten so ein unlogisches Ende erlebt! Micha und ich konnten nur den Kopf schütteln. Die Enttäuschung über dieses hanbüchene sowie abstrus konstruierte Finale ist umso größer, weil dieses kurzweilige Gangster-Abenteuer davor erzählerisch so überzeugen und in einem Tusch zunächst noch mit einer klasse Wendung überraschen kann, dass eine gute Wertung in Reichweite war. Dem Hazelight Studio gelingt es bis dahin über natürliche Dialoge sowie biographische Ruhephasen, eine glaubwürdige Beziehung zwischen den so unterschiedlichen Charakteren aufzubauen. Während man diverse Reaktionstests meistert, sich gegenseitig in kooperativen Schleichsituationen hilft und angenehm abwechslungsreiche Popcorn-Action von der Verfolgungsjagd bis zum Deckungsshooter light erlebt, entfaltet sich eine Geschichte, in der es um Rache und Freundschaft geht. Und weil das Ganze recht simpel zu meistern sowie mit sehr fairen Speicherpunkten versehen ist, kann man A Way Out auch mit Freunden spielen, die vielleicht nicht so oft ein Gamepad in der Hand haben. Zwar zeigt die Kulisse einige fade Stellen und die Gegnerwellen nerven im letzten Drittel. Zudem kann man lediglich einige Herangehensweisen, aber leider nichts Relevantes oder gar das Ende mit seinen Entscheidungen beeinflussen - auch da war dramaturgisch sowie spielerisch mehr drin! Aber unterm Strich wird man hier über sechs Stunden ordentlich unterhalten.

Zweites Fazit von Michael Krosta:

Ich hatte richtig viel Spaß, zusammen mit Jörg A Way Out zu erleben! Das Koop-Prinzip wurde trotz gelegentlicher Redundanz klasse und abwechslungsreich umgesetzt. Man bekommt häufig das angenehme Gefühl, sich als chaotisches und mitunter gegensätzliches Gangster-Team effektiv zusammenzuraufen, wobei die Situationen auch gezielt die Kommunikation untereinander fördert. Dass man dabei trotz Aufgabenteilung meist linearen Pfaden folgt und sowohl bei Rätsel- als auch Schleich-, Fahr- und Shootermechaniken nur leichte Kost serviert wird, stört mich hier weniger. Denn durch die hohe Zugänglichkeit dürfte es sicher leichter fallen, auch solche Leute als Koop-Partner einzuspannen, die vielleicht nur sporadisch zum Controller greifen. Positiv überrascht haben mich außerdem die großartige Regie, die gut geschriebenen Dialoge und die angenehmen Tempowechsel im Spielverlauf. Doch genau wie Jörg bin auch ich maßlos enttäuscht davon, wie Josef Fares und sein Team beim Hazelight Studio das Ende gestaltet haben. Während ich die Intentionen hinter der Entscheidung zumindest hinsichtlich des Spieldesigns nachvollziehen kann, fehlt mir in Bezug auf die unglaubwürdige und sinnbefreite Handlung jedes Verständnis dafür, warum man die an sich gelungene Geschichte mit diesem unbefriedigenden Abschluss so massiv entwertet. So bleiben trotz der vielen tollen gemeinsamen Momente am Ende enttäuschte Gesichter zurück.

Pro

kreatives kooperatives Konzept nur für zwei Spieler
kleine Entscheidungen mit temporären Folgen
kurzweilige Gangster-Story
meist logische gemeinsame Aktionen
einige gelungene kooperative Schleich-Ansätze
Schussgefechte mit Deckung & Waffenwechsel
glaubwürdige Hauptcharaktere mit Beziehungen
nicht nur Action, auch alltägliche Situationen
zwischendurch Bike & Auto fahren, Boot steuern
Minsipiele wie Darts, Armdrücken etc.
meist elegante Übergänge vom Teil- zum Vollbild
gute englische Sprecher und deutsche Untertitel
sehr fair gesetzte Speicherpunkte; kaum Frust
einzelne Kapitel nach Ende anwählbar
Helden jederzeit nach Kapiteln wechselbar
online im Internet oder offline auf der Couch spielbar
lobenswert: nur ein gekauftes Spiel für zwei nötig

Kontra

erzählerisch komplett unlogisches und hanebüchenes Finale
sehr lineare Abläufe
Entscheidungen wirken sich nicht aufs Ende aus
nur offensichtliche Lösungswege, kaum Rätsel
viele Aktionen sind einfache Reaktionstests (QTE)
am Ende zu viele Gegnerwellen
recht hüftsteife Animationen, kein Trefferfeedback
parallele Anzeige mit Dialogen kann verwirren
kleinere Bugs z.B. beim Basketball
teilweise fade Kulissen und Hintergründe
keine deutschen Sprecher
kaum Wiederspielwert

Wertung

PC

A Way Out inszeniert für sechs Stunden kooperative Popcorn-Action mit guter Regie und viel Abwechslung, aber wenig Anspruch und einem überraschenden, aber schwach inszenierten sowie komplett unlogischen Finale.

PlayStation4

A Way Out inszeniert für sechs Stunden kooperative Popcorn-Action mit guter Regie und viel Abwechslung, aber wenig Anspruch und einem überraschenden, aber schwach inszenierten sowie komplett unlogischen Finale.

XboxOne

A Way Out inszeniert für sechs Stunden kooperative Popcorn-Action mit guter Regie und viel Abwechslung, aber wenig Anspruch und einem überraschenden, aber schwach inszenierten sowie komplett unlogischen Finale.

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Kommentare

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Speerhart

"Falscher Test" :lol:

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren