A.O.T. 222.03.2018, Mathias Oertel
A.O.T. 2

Im Test: Titanen-Recycling deluxe

Tecmo Koeis Studio Omega Force hat sich in erster Linie durch den steten Strom an Musou-Spielen wie Dynasty Warriors oder Dragon Quest Heroes einen Namen gemacht. Dementsprechend überraschend war vor etwa eineinhalb Jahren die Veröffentlichung eines Spiels zum erfolgreichen Manga bzw. Anime Attack on Titan, das fernab jeglicher Massenprügeleien dramatische Gefechte gegen menschenfressende Titanen inszenierte. Kann die Fortsetzung A.o.T. 2 (ab 119,00€ bei kaufen) die intensive Action übertreffen? Der Test gibt die Antwort.

Bekannt düstere Endzeit

Die Zukunft der Menschheit im Alternativ-Universum von Attack on Titan ist in ernsthafter Gefahr. Riesige Titanen, die sich von Menschen ernähren, sind aufgetaucht und haben die Bevölkerung massiv dezimiert. Die wenigen Überlebenden haben sich in ein durch drei riesige Mauern geschütztes Stadtsystem zurückgezogen und versuchen dort, eine dauerhafte Lösung gegen das Titanenproblem zu finden, während sie um ihr Überleben kämpfen. Und das ist schon beschwerlich genug, denn ein riesiger Titan hat die äußerste Mauer teilweise zerstört und dadurch eine Öffnung geschaffen, durch die „kleinere“ Titanen auf Nahrungssuche gehen. Die Situation scheint aussichtlos. Doch eine Gruppe von Soldaten zieht immer wieder los, um die Störenfriede in brachialen Kämpfen auszuschalten – und als Spieler ist man mittendrin.

Das kennt man doch? Richtig: Erzählerisch entfernt man sich erst im letzten Drittel vom Vorgänger und nutzt teilweise frappierend ähnliche Zwischensequenzen.
Wem das alles bekannt vorkommt, kennt entweder die Vorlagen oder aber hat den Vorgänger gespielt, der recht akribisch das Geschehen der ersten Serienstaffel erzählte, während man im steten Wechsel mit ingesamt zehn spielbaren Figuren in die brachialen sowie dynamischen Kämpfe zog. Dementsprechend wird es auch hier einige Déjà-vu-Erlebnisse geben. Denn obwohl eine „2“ auf dem Cover prangt, erzählt die Fortsetzung zu A.o.T. – Wings of Freedom über die ersten etwa 70 Prozent der Spielzeit erneut die Geschehnisse aus Staffel 1, teils mit verteufelt ähnlichen Zwischenseqeuenzen. Erst im letzten Drittel schwenkt man auf die zweite Staffel – nicht zwangsläufig das, was man erzählerisch von einer Fortsetzung erwartet. Überhaupt scheint Omega Force hier eher den Vorsatz gefasst zu haben, aus A.o.T. 2 das Spiel zu machen, das der Vorgänger hätte sein sollen. Für komplette Neulinge gibt es übrigens eine umfangreiche Enzyklopädie im Spiel, die Geschichte, Figuren usw. beleuchtet.

Dynamisch & brachial

Die dynamischen Gefechte gegen die Titanen werden brachial inszeniert.
Die Höhepunkte sind nach wie vor die hochdynamischen Auseinandersetzungen mit den durch die Straßen und Gassen strömenden Titanen, wobei es dem Spielfluss zu Gute kommt, dass Omega Force an der Kulisse geschraubt hat. Sie ist zwar immer noch weit davon entfernt, Titel wie Horizon oder ähnlich gelagerte Action-Adventure herauszufordern. Doch der Stil der Animes bzw. Mangas wurde gut eingefangen, auch wenn manche Animationen der Titanen ungelenk sowie unrealistisch wirken – vor allem, wenn man ihnen bereits einige Extremitäten entfernt hat und sie mit der größtenteils zerstörbaren Umgebung kollidieren. Dafür jedoch stimmt die Geschwindigkeit bei der Akrobatik: Mit der so genannten „3D-Manöver-Ausrüstung“ können sich die Titanenjäger ähnlich behände wie Spider-Man durch die Stadt katapultieren, während sie mit ihren Klingen die Riesen angeifen. Doch die auf den Rücken geschnallten Hilfsmittel haben noch eine weitere Funktion: Man kann ihre Greifhaken auch auf die Titanen schießen, sie dann umkreisen und schließlich ihre verwundbaren Stellen attackieren. Auf Dauer laufen diese Gefechte zwar meist nach dem gleichen Schema ab. Doch mit immer stärkeren Titanen, die mitunter auch leichte taktische Variationen erfordern und der generell hohen Intensität der Kämpfe, die sich u.a. auch kurzzeitig in massiven Blutfontänen beim Durchtrennen von Gliedmaßen entlädt, macht die Jagd auf die Riesen auch nach zig Stunden so viel Spaß wie zu Beginn.

Mit frischen Elementen wie den Hinterhaltattacken wird die Mechanik aufgewertet.
Im Gegensatz zu Wings of Freedom schlüpft man in dieser Kampagne, für die man gut und gerne zehn bis zwölf Stunden veranschlagen kann, allerdings nicht mehr in verschiedene Rollen. Man erlebt die Geschehnisse aus Sicht eines einzelnen Kadetten, den man erstellt, dann durch Trainingsmissionen führt und schließlich in die alles entscheidenden Schlachten begleitet. Dadurch wird der erzählerische Fokus im Vergleich zum Vorgänger zwar leicht abgewandelt. Doch da die Figur, die man erstellt sowie spielt, bleibt trotz rudimentärer Dialog-Optionen in bestimmten Situationen eher blass. Zudem dreht sich die Geschichte natürlich weiterhin in erster Linie um die bekannten Helden wie Eren Jäger, Mikasa Ackermann oder Jean Kirschstein dreht. So lässt man hier die Chance auf eine höhere Identifikation mit dem Helden ungenutzt.

Neue Ideen

Neben dem eigenen Helden gibt es noch weitere inhaltliche bzw. mechanische Neuerungen. Wie z.B. die Hinterhaltangriffe: Schafft man es, einen Titanen aus der Distanz über ein Fernrohr ins Visier zu nehmen, ohne dass man all zu viel Aufmerksamkeit erregt, kann man versuchen, einen vernichtenden und den Riesen sofort niederstreckenden Spezialangriff zu starten. Gerade bei zeitkritischen Missionen sollte man überlegen, ob man dieses Hilfsmittel, das für den Coup de Grace gutes Timing verlangt, den sich gelegentlich hinziehenden Standardkämpfen vorzieht. Auch wenn man durch die verlorene Mobilität ein Risiko eingeht – man muss für das Fernrohr stehenbleiben. Denn in diesem Zusammenhang bekommt die neue Aufmerksamkeitsskala der Titanen ebenfalls einen erhöhten Stellenwert. Abhängig von den Aktionen des Helden und der Nähe zu den Gegnern füllt sich seine Wahrnehmungsanzeige in drei Stufen. Während „Weiß“ und „Gelb“ noch relativ unproblematisch sind, sorgt „Rot“ für höchste Gefahr. Dann nämlich wird man selbst zum auserkorenen Snack und der Titan stürzt in einem Wutanfall auf einen zu, der erst über Zeit oder mit empfindlichem Schaden abklingt. Doch selbst diese gefährlichen Situationen bergen eine Chance: Wicht man dem Sturmangriff im letzten Moment aus, kann man seinerseits einen schick inszenierten Finisher setzen, der dem Riesen den Garaus macht.

Man kann jetzt seinen eigenen Helden erstellen. Erzählerisch bleibt die Figur allerdings blass und wird dadurch zum Mitläufer degradiert.
Da sowohl der Treibstoff für die 3D-Manöver-Ausrüstung begrenzt ist als auch die Klingen unter steter Abnutzung leiden und immer wieder ausgetauscht werden müssen, ist sogar eine leichte strategische Planung notwendig, wenn es um die Routenfindung geht. In der Stadt sind überall Versorgungstürme aufgebaut, an denen man sich Nachschub holen kann. Und an bestimmten Positionen kann man in ein geschränktem Umfang sogar selber welche errichten lassen – oder bestehende von reinen Versorgunseinrichtungen in Kanonentürme verwandeln, die Titanen in der Nähe automatisch unter Beschuss nehmen. Später kommen noch weitere Optionen wie z.B. Geschütze hinzu, die man bemannen darf. Mit einem durchaus weitreichenden, aber zäh fort schreitenden Charakterfortschritt sowie Ausrüstungs-Upgrades bzw. – Neuentwicklungen bekommt man zusätzliche Anreize, sich entweder in der Geschichte oder in dem „Anderen Modus“ (kein Witz: der heißt tatsächlich so!) mit den gut 30 Charakteren den Titanen zu stellen. Die Entwicklung der selbst erstellten Figur wird allerdings von kleineren Problemen geplagt. Neue Fähigkeiten bekommt man nur, wenn man bestimmte Freundschaftslevel bei anderen Charakteren erreicht oder kleinere Missionen für sie erledigt. Ersteres jedoch lässt sich nur über die trockenen und auf Japanisch mit deutschen Untertiteln ablaufenden Gespräche oder über gemeinsame Kämpfe erreichen – was auf Dauer ein eher undurchschaubares System ist.  

Gleichförmig

Ein Problem des Vorgängers konnte Omega Force auch mit A.o.T. 2 nicht in den Griff bekommen: Auf Dauer gibt es schlicht zu wenig Abwechslung. Herausforderung und Dynamik sind zwar mehr als genug vorhanden und da man im „Anderen Modus“ sowohl sein Rohstofflager als auch seine Freundschaftslevel mit Nebenmissionen pflegen darf,  hat man sogar noch einen

Die Kampfdynamik sowie Akrobatik sind nach wie vor die stärksten Elemente von A.o.T.
weiteren Anreiz, um sich mit seiner Figur durch diese Mini-Aufgaben zu pflügen. Doch unter dem Strich gibt es zu wenig Variation innerhalb der Einsätze. Auch online dreht sich alles nur um das Erledigen der Titanen.

Allerdings darf man hier zumindest entweder kooperativ sein Vorgehen abstimmen, was den rudimentären Offline-Befehlen für die KI-Kameraden vorzuziehen ist. Und man darf alternativ in zwei Vierer-Teams gegeneinander antreten, um herauszufinden, wer die meisten Titanen vernichten kann. Besonders heikel dabei: Wer den entscheidenden Schlag setzt, bekommt den Punkt zugesprochen. Sprich: Man kann sich theoretisch auch darauf konzentrieren, dem gegnerischen Team die Tötungen zu klauen, indem man sich quasi als Leichenfledderer betätigt und den Finisher setzt, nachdem der Titan von den anderen zermürbt wurde. Findet man genug Spieler bzw. eine Sitzung für z.B. eine Rettungsmission, kann man sich auf weitgehend lagfreie Auseinandersetzungen freuen. Doch man sollte tunlichst einen gleichermaßen interessierten Freundeskreis oder aber viel Geduld mitbringen: All zu viele Spieler tummeln sich nicht online.

Fazit

A.o.T. 2 ist keine echte Fortsetzung. Zwar gibt es im Vergleich zu Wings of Freedom fortgeschrittene Angriffstechniken und mehr taktische Optionen, die die sehr dynamischen, stets brachialen und mitunter spektakulären sowie akrobatischen Kämpfe aufwerten. Auch die Kulisse hat einen Schritt nach vorne gemacht und spiegelt das Artdesign der Manga- bzw. Anime-Vorlage angemessen wider, ist aber weiterhin unter dem Strich nicht zeitgemäß. Das Problem ist jedoch in erster Linie, dass der erzählerische Fokus weiterhin auf der ersten Anime-Staffel liegt, die in etwa 70 Prozent der Kampagen-Spielzeit veranschlagt, aber auch schon Bestandteil des Vorgängers war und hier sogar teils erschreckend ähnliche Zwischensequenzen inszeniert. Selbst die Einbindung einer neuen individuellen Spielfigur hilft nicht, um dies aufzubrechen, da diese im Vergleich zu den etablierten Charakteren zu blass bleibt und damit nur zum Mitläufer wird. Zudem bleibt das Problem bestehen, das wie in Wings of Freedom schlichtweg zu wenig Missionsvariation angeboten wird. So fordernd und unterhaltsam die Angriffe auf die Titanen auch sind, bleibt es auf Dauer zu eintönig. Immerhin: Kann man entweder über den erweiterten Freundeskreis oder mit viel Geduld ein Online-Spiel auf die Beine stellen, sorgen die gemeinsamen Abenteuer für deutlich interessantere Unterhaltung als die Gefechte mit den zwar ordentlich agierenden, aber nur über rudimentäre Befehle beeinflussbaren KI-Kameraden. Man wird aber trotz aller Verbesserungen das Gefühl nicht los, dass A.o.T. 2 eigentlich nur das Spiel ist, das der Vorgänger hätte sein können. Und damit ist dieses Update zum Vollpreis eigentlich nur für diejenigen Interessant, die Wings of Freedom nicht kennen.

Pro

dynamische Kampf-Akrobatik
brachiale Darstellung
Artdesign der Vorlage wurde gut eingefangen
individuelle Spielfigur wurde gut in die Vorlage eingebettet
Herstellung und Aufrüstung der Ausrüstung
Freundschaftssystem zu anderen Figuren
gut 30 spielbare Charaktere (Anderer Modus)
leichte taktische Elemente
neue Angriffsoptionen (Hinterhaltattacken, Ausweichfinisher)
umfangreiche Enzyklopädie

Kontra

Spielverlauf auf Dauer eintönig
nur Japanisch mit deutschen Untertiteln
kein Splitscreen
zu großen Teilen werden die Ereignisse des Vorgängers nochmals erzählt
biedere Kulisse
oberflächliches Freundschaftssystem
erzählerisch blasse Hauptfigur

Wertung

PlayStation4

A.o.T. 2 zeigt sich in vielerlei Hinsicht gegenüber dem Vorgänger verbessert und glänzt vor allem in den dynamischen sowie brachialen Kämpfen. Dennoch ist es eher ein optimiertes Update als eine echte erzählerische Fortsetzung.

XboxOne

A.o.T. 2 zeigt sich in vielerlei Hinsicht gegenüber dem Vorgänger verbessert und glänzt vor allem in den dynamischen sowie brachialen Kämpfen. Dennoch ist es eher ein optimiertes Update als eine echte erzählerische Fortsetzung.

Echtgeldtransaktionen

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  • Man kann Kostüme im Store kaufen, die auch Bestandteil der Deluxe Edition sind.
  • Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
  • Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
  • Käufe haben keine Auswirkungen auf das Spieldesign.
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