Dakar 1816.10.2018, Michael Krosta

Im Test: Verloren in der Wüste

Die Rally Dakar zählt zu den größten Motorsportereignissen im Offroad-Bereich: Über eine Strecke von fast 10.000 Kilometern bahnen sich die Vehikel ihren Weg durch karge Wüsten und anderes schroffes Gelände, wobei die anstrengende Reise 2018 von Peru über Bolivien bis nach Argentinien führte. Ob Bigmoon Entertainment im offiziellen Spiel die Herausforderung für Mensch und Maschine überzeugend einfängt, klären wir im Test.

Fahren nach Zahlen

Rally Dakar ist kein klassisches Rennspiel, bei dem die Teilnehmer nach einem Massenstart in direkten Rad-an-Rad-Duellen um Positionen kämpfen. Stattdessen klappert man bei diesem klassischen Rally-Raid auf dem mitunter langen und beschwerlichen Weg bis zum Ziel möglichst flott die vorgegebenen Checkpunkte ab.

Wie bei einer klassischen Rallye sind der Ko-Pilot auf dem Beifahrersitz und seine Richtungsangaben aus dem „Roadbook“ von enormer Bedeutung, um nicht vom Kurs abzukommen. Das gilt für Dakar mit seinen weitläufigen Steppen, riesigen Sanddünen und ausgetrockneten Flussbetten umso mehr, denn im Gegensatz zu den schmalen Pisten und der festen

Auch die Trucks haben bei den Dünenfahrten mächtig zu kämpfen.
Streckenführung bei WRC-Etappen ist das Risiko hier enorm hoch, sich zu verfahren und komplett die Orientierung zu verlieren, wenn man den Anweisungen nicht genau folgt.

Kein zuverlässiger Partner

Leider präsentiert sich der Navigator nicht gerade zuverlässig: Oft kommen die Anweisungen zu spät oder sind ungenau, wobei man das Timing der Ansagen in den Optionen leider nicht anpassen darf – ärgerlich, denn ist man erstmal vom Kurs abgekommen, hilft oft nur das manuelle Zurücksetzen an den letzten Checkpunkt inklusive einer saftigen Zeitstrafe. Besonders irritierend ist dabei die Tatsache, dass er oft noch weiter aus seinen Aufzeichnungen zitiert, obwohl man sich bereits auf einem falschen Pfad befindet. Erst viel zu spät merkt er an, dass man falsch ist und wieder zurückfahren soll. Damit enttäuscht Dakar 18 (ab 14,90€ bei kaufen) ausgerechnet in einem zentralen Punkt der Spielerfahrung. Hinzu kommt: Er spricht nur Englisch! Zwar werden deutsche Untertitel angeboten, aber sie überhaupt wahrzunehmen und rechtzeitig zu entziffern, fällt schwer.

Auf Motorrädern und Quads muss man sich alleine mit den Aufzeichnungen im Roadbook durchschlagen.
Stellt man sich dagegen auf einem Sattel eines Quads oder Motorrads der Herausforderung, fällt der Beifahrer im Gegensatz zu Fahrten im Auto, Buggy oder Truck weg. Hier muss man selbst ein Auge auf die Hinweise im Roadbook werfen, die mit Kilometerangaben und kleinen Skizzen für Orientierungspunkte sowie mögliche Gefahren zwar recht detailliert ausfallen, aber vom eigentlichen Fahren ablenken. Entsprechend schwieriger ist es, sich als Pilot von Zweirädern und Quads auf das gleichzeitige Fahren und die Navigation zu konzentrieren. Zumal ausgerechnet diese beiden Vehikel mit einem extrem zickigen Fahrverhalten daher kommen und bei Kurvenfahrten gerne mit dem Heck ausbrechen. Deutlich einfacher lassen sich die anderen Fahrzeuge beherrschen, denn trotz des etwas inkonsequenzen Schadensmodells und nötiger Reparaturen an Reifen, Kühler, Getriebe & Co sowie Setup-Anpassungen hinsichtlich Reifendruck, Federhärte und Spurwinkel ist man weit von einer echten Simulation entfernt. Dafür reagieren die Vehikel insgesamt zu gutmütig, leiden gleichzeitig aber unter einer recht schwammigen Steuerung und verhalten sich gerade bei Sprüngen oder Kollisionen ziemlich unrealistisch. Das gilt übrigens auch für die KI-Fahrer – wenn man sie denn mal zu Gesicht bekommt. Sie bremsen häufig unerwartet ab, vollziehen unlogische Richtungswechsel und leiden unter massiven Orientierungsproblemen, wenn man als Spieler z.B. eine Spurlinie blockiert. Obwohl Platz genug ist, schaffen sie es teilweise nicht, um das Hindernis herum zu fahren. Trotzdem sind sie durchaus nützlich, wenn man sich mit etwas Abstand an ihr Heck klemmt und ihnen quasi die Aufgabe der Navigation überträgt, denn zumindest eine gute Orientierung kann man den KI-Piloten nicht absprechen.

Gut versteckte Checkpunkte

Denn das Abklappern der Checkpunkte erinnert teilweise an die Suche nach einer Nadel im Sandhaufen. Selbst mit einem zusätzlichen Hilfs-Icon im Anfänger-Schwierigkeitsgrad und weiteren Richtungsanzeigen ist es nicht immer einfach, die Stelle zu finden und man fährt teilweise verzweifelt im Kreis. Ist man in den beiden höheren Stufen nur auf die Angaben im Roadbook oder des Beifahrers angewiesen, macht es die Suche nicht leichter. Zwar soll genau darin der Reiz der Dakar Rally liegen, aber im Spiel endet die Kombination aus schlechter Navigation und den folgenden Irrfahrten häufig im Frust. Zumal es die Etappen in sich haben: Zwar hat man den Streckenverlauf der Veranstaltung nicht 1:1 ins Spiel übertragen, ist stellenweise aber immer noch eine ganze Stunde in den riesigen Abschnitten unterwegs. Diesbezüglich war es eine gute Entscheidung, dass der Spielstand an jedem Checkpunkt automatisch gespeichert wird, falls man gerne mal eine Pause einlegen würde. Darüber hinaus wird für jede Fahrzeugklasse ein separater Spielstand angelegt – prima, auch wenn es bedeutet, dass man sämtliche Etappen für jede Klasse einzeln freischalten muss und das Vehikel nicht zwischendurch wechseln kann.   

Bevor man sich aber überhaupt auf den langen Weg macht, muss man vor allem auf den Konsolen extrem heftige Ladezeiten über sich ergehen lassen. Auch hat die Unreal Engine auf Xbox One und PS4 sichtlich mit der Größe der Spielwelt zu kämpfen, obwohl die kargen Landschaften grafisch nicht viel Abwechslung zu bieten haben, sich damit aber recht nah an den Vorbildern bewegen dürfte. Jedenfalls leidet die Bildrate hin und wieder an einem leichten Schluckauf, dem man am PC mit entsprechenden Grafikeinstellungen entgegenwirken kann, dafür aber unter Umständen noch stärkere Pop-ups als ohnehin schon in Kauf nehmen muss. Durchaus sehen lassen können sich dagegen die Wettereffekte, wenn man durch Sturm, Regen

Im Notfall kann man aussteigen und Pannenhilfe leisten.
und Gewitter brettert. Weniger gelungen wirken dagegen die mageren Soundeffekte und enttäuschenden Motorenklänge aus der Audio-Konservendose.  

Langweilige Nebenaufgaben

Abseits des zentralen Abenteuer-Modus, in dem man die komplette Rally Dakar absolviert, darf man im Rahmen von Erkundungen das Tutorial absolvieren, Abschnitte trainieren oder auf Schatzjagd gehen. Gerade Letztere treibt die nervige Suche nach Artefakten wie Panflöten, Cocktails, Statuen und Gerichten auf die Spitze – wirklich Spaß macht das Ganze leider nicht. Mehr Potenzial haben die Mehrspieler-Modi, in denen man online, im LAN (PC!) oder sogar am geteilten Bildschirm neben der Schatzjagd auch die Dakar Rally gemeinsam in Angriff nehmen kann. Hier ergibt dann auch das Pannen-Feature mehr Sinn, sofern man ein kooperatives Erlebnis anstrebt. Aber auch der KI kann man unter die Arme greifen, indem man festgefahrene Boliden mit Hilfe der Seilwinde aus tiefem Sand oder einer Matschgrube befreit. Dafür kann man jederzeit aussteigen und mit seinem Fahrer durch die Gegend rennen, was aufgrund der schlechten Animationen zwar ziemlich bescheuert aussieht, aber immerhin auch dann funktioniert, wenn man sich selbst aus der Patsche helfen will. Steckt man z.B. mit einem Truck fest, kann man die Schaufel auspacken und Unterleg-Scheiben unter die Reifen packen, um wieder festen Boden unter den Pneus zu bekommen. Auch kann man aussteigen und andere Fahrer mit wilden SOS-Gesten aktiv vor Gefahrenstellen warnen. Bei gemeinsamen Fahrten am geteilten Bildschirm muss man allerdings hinter dem Steuer von allen Fahrzeugen auf einen Beifahrer verzichten, weil die Anweisungen in diesem Fall ohnehin in einem Stimmen-Wirrwarr untergehen würden.

Fazit

Dakar 18 ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass ein einzigartiges Spielerlebnis nicht unbedingt auch ein gutes sein muss. Man mag dem realen Vorbild inhaltlich zwar sehr nahe kommen, wenn neben den fahrerischen auch die navigatorischen Fähigkeiten auf eine harte Probe gestellt werden. Aber die Abstecher durch die kargen Landschaften mit ihren Dauer-Pop-ups sorgen in Kombination mit den mitunter elendig langen Etappen, der schwammigen Steuerung und unzuverlässigen Beifahrer-Ansagen schnell für eine Mischung aus Frust und Langeweile. Spätestens wenn das Abklappern der Checkpunkte aufgrund der ungenauen Navigationshinweise selbst mit Hilfen zu einer müßigen Suche nach der Nadel im Sandhaufen verkommt und jedes Zurücksetzen mit einer deftigen Zeitstrafe quittiert wird, verliert man schnell die Motivation, sich noch länger hinter dem Steuer zu quälen - zumal auch die Fahrphysik mit dem oft fragwürdigen Verhalten der Vehikel nicht gerade überzeugen kann und auch die KI einige seltsame Manöver fabriziert. Zwar gewinnen die Irrfahrten dank des Schadensmodells und anfallender Reparaturen bzw. Pannen an Reiz, doch trotz löblicher Mehrspieler-Optionen vom Online-Rennen bis hin zur LAN- und Splitscreen-Unterstützung dürften höchstens eingefleischte Hardcore-Fans dieser erschreckend öden Rally-Raid-Odyssee durch Südamerika etwas abgewinnen.

Pro

offizielle Lizenz
fünf verschiedene Vehikelklassen
mitunter sehr lange Etappen (inkl. automatischem Zwischenspeichern)...
anspruchsvolle Orientierung
Schadensmodell mit mechanischen Auswirkungen...
separate Speicherstände für jede Fahrzeugklasse
verschiedene Witterungsbedingungen
Online-, LAN- und Splitscreen-Unterstützung

Kontra

häufig extrem späte sowie ungenaue Ansagen des Beifahrers
Checkpoint-Suche erinnert selbst mit Hilfen teilweise an Nadel im Heuhaufen
...die auf Dauer einfach nur öde sind
mitunter fragwürdige Fahrphysik
...die etwas inkonsequent umgesetzt wurden
z.T. dämliche KI-Manöver
sehr karge Landschaften mit geringer Zeichentiefe (Pop-ups)
gähnend langweilige Erkundungs-Modi (Schatzjagd)
schwacher Sound
vereinzelte Einbrüche der Bildrate (vor allem Konsolen)
sehr lange Ladezeiten (vor allem Konsolen)
nur englische Sprachausgabe beim Beifahrer (mit deutschen Untertiteln)

Wertung

PC

Leider sorgt neben der tristen Kulisse und enttäuschenden Fahrphysik ausgerechnet der unzuverlässige Beifahrer dafür, dass Dakar 18 weder als Rennspiel noch als Navigationssimulator überzeugen kann.

PlayStation4

Leider sorgt neben der tristen Kulisse und enttäuschenden Fahrphysik ausgerechnet der unzuverlässige Beifahrer dafür, dass Dakar 18 weder als Rennspiel noch als Navigationssimulator überzeugen kann.

XboxOne

Leider sorgt neben der tristen Kulisse und enttäuschenden Fahrphysik ausgerechnet der unzuverlässige Beifahrer dafür, dass Dakar 18 weder als Rennspiel noch als Navigationssimulator überzeugen kann.

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