Im Test: Zen wird erwachsen
Vier Klassiker, auch ohne richtige Geschwindigkeit
Bei vier realen Tischen wird es ja nicht bleiben. Zen Studio hat nämlich die Rechte an sämtlichen von Williams und Bally gebauten Automaten übernommen und so heißt das aktuelle Paket auch Williams Pinball: Volume 1. Und eins kann man schon mal festhalten: Zen hat für seinen Einstieg eine durchdachte Auswahl getroffen. Thematisch sagen mir drei der vier Tische zwar gar nicht zu und so sehr ich die Verfolgungsjagden in The Getaway auch mag, so viel lieber hätte ich dessen Vorgänger High Speed gespielt.
Das sind aber Vorlieben, die mit der Qualität der Tische nichts zu tun haben und wie immer merke ich auch diesmal, wie fesselnd selbst thematisch uninteressante Automaten sind, wenn das inhaltliche Design so famos ist wie hier. Von der Abrissbirne bei Junk Yard bis zur manuellen Gangschaltung bei The Getaway rollt die Kugel auf jedem Tisch anders und bietet jeder Automat mit kniffligen oder einfach nur spektakulären Herausforderungen zudem viel Abwechslung. Spätestens Medieval Madness gehört nicht umsonst zu den ganz Großen seiner Art!
Bezahlen muss man dabei für lediglich drei der vier Tische, während Fish Tales nach dem Download des Pakets kostenlos spielbar ist. Dessen elegante Einfachheit ist nicht der Höhepunkt des Pakets, aber selbst dann noch jedem der exklusiv für Pinball FX erstellten Flipper haushoch überlegen. Ich hatte vor kurzem erst über das langweilige Design der Zen-Tische lamentiert – umso begeisterter bin ich jetzt, zum ersten Mal auch mit dieser Sammlung erstklassig designte Maschinen zu spielen.
Heavy Metal
Die Entwickler haben ja nicht nur mit bereits vorhandener Technik real existierende Tische digitalisiert. Sie haben auch ihre Physik auf Vordermann gebracht, die schon immer richtig gut war, in wichtigen Teilen aber weit von der Wirklichkeit entfernt. Mit dem Williams-Paket ist die Physik jedenfalls endlich so überzeugend, dass man über weite Strecken tatsächlich meint einer realen Silberkugel zuzuschauen. Und damit zieht Zen sogar an der bisher besten physikalischen Simulation in Pro Pinball Ultra vorbei.
Während Live Catches bei den Spielen von FarSight viel zu leichtfallen, gelingen sie hier zwar zu schwer, die Kugel wird immer noch zu fest vom Gummi der Flipperarme festgehalten und springt in manchen
Klassisch oder strahlend bunt?
Und Zen nutzt diese physikalischen Möglichkeiten voll aus; bietet nämlich vor jeder Partie die Wahl zwischen einem normalen und einem Turniermodus. Bei Letzterem ändern sich nicht nur einige der Regeln, die Automaten werden auch mit größerer Schräglage aufgestellt, sodass Timing und Zielsicherheit noch genauer stimmen müssen.
Man hat außerdem die Wahl ganz klassisch zu spielen oder mit für Zen typischen Visualisierungen, die Hologrammen gleichkommen und in Wirklichkeit nicht möglich wären. So fliegt bei Medieval Madness ein riesiger Drache über den Tisch, die Farbgebung mancher Elemente wird verändert und die Darstellung ganz allgemein so überzeichnet, als würde jedes Bauteil aus sich selbst heraus strahlen. Mein Fall ist das nicht – aber für die eine oder andere Runde ist das ein gelungener Spaß, da man jederzeit zum Original umschalten kann, wie man es aus der Spielhalle kennt. Besonders zu den Herausforderungen, in denen man z.B. vor Ablauf eines Zeitlimits vorgegebene Punktzahlen erzielen muss, passen die grafischen Ergänzungen.
Was immer man spielen will...
Typisch für Pinball FX3 auch, dass man sich in einigen der Modi Upgrades wie Ergebnis-Modifikatoren sowie Möglichkeiten zum Verzieren des Profils verdienen kann. Die zahlreichen Online-Ranglisten werden dabei zum Glück nach Spielarten getrennt und es gibt sogar einen Liga-Modus, in dem man gegen die Ergebnisse anderer Spieler antritt: Steht man bei Ablauf der Saison in der oberen Hälfte, steigt man auf und umgekehrt.
Ja, sogar an ein Training haben die Entwickler gedacht, in dem die Kugel nach Verlust sofort wieder auf den Tisch gekickt wird. Klasse: Das ist perfekt dafür geeignet die eigene Technik zu verbessern. Dass es all das gibt, liegt zu einem großen Teil natürlich an Pinball FX3, in das die Williams-Sammlung wie jedes andere Paket integriert ist. Einiges davon gibt es aber nur hier und gerade Fans guter Simulationen, die bisher fast ausschließlich FarSights Pinball Arcade, Stern Pinball Arcade oder das erwähnte Pro Pinball Ultra von Adrian Barritt gespielt haben, bemerken die eine Verbesserung gegenüber den bekannten Spielen.
Klasse auch, dass man eine Partie jederzeit abbrechen und später fortführen kann, dass die Steuerung einstellbar ist und dass das Programm automatisch die richtige Auflösung wählt, wenn man den Monitor hochkant dreht! Auf Switch kann man
Der rechte Winkel
... aber eben nur an fast alle – denn es gibt zwei Kleinigkeiten, die mir fehlen. Zum einen ist da nämlich kein Kabinett-Modus, mit dem man direkt von oben ausschließlich auf das Innere des Automaten blickt, sodass man das Gefühl hat direkt auf den Tisch zu schauen. Das wird vor allem Enthusiasten ärgern, die ihren Monitor in den Nachbau eines Automaten eingelassen haben oder eine solche Maschine gekauft haben.
Zum anderen gibt es keine Perspektive, die im Breitbildmodus fast direkt von oben auf das Spielfeld zeigt. Auf einem normal großen Monitor stört mich das nicht – auf einem 50-Zoll-Fernseher wirkt es aber seltsam falsch, dass man das obere Spielfeld relativ schlecht einsehen und die Wege der Kugel vergleichsweise schlecht abschätzen kann. Bei großen Bildschirmen bietet es sich einfach an, fast von direkt oben auf den Tisch zu schauen. Der wäre bei solchen Fernsehern ja immer noch groß genug im Blick.
Zu guter Letzt wünschte ich, auch Zen würde Spielern die Wahl geben, ob die Kamera in ihrer gewählten Perspektive der Kugel folgt oder nicht.
Was Kinder nicht sehen dürfen
Nun hatten die Entwickler vielleicht nicht den Schutz der Jugend im Blick, wohl aber die Richtlinien der amerikanischen Altersfreigabe, die Pinball FX3 zuteilwurde. Das antwortete ein Sprecher des Studios jedenfalls auf Steam, wo die Änderungen im Detail aufgeführt werden . Doch vielleicht hätte man anderen Ländern ja die für Erwachsene gedachten Artworks spendieren können. Und vielleicht hätte man die Williams-Tische statt im Rahmen von Pinball FX3 auf einer separaten Plattform veröffentlichen sollen. Immerhin sollen weitere Umsetzungen folgen.
Nun sucht Zen laut eigener Aussage gerade nach einer Lösung – vielleicht kommen wir also später noch in den Genuss der „kompletten“ Sprache und Grafiken. Ärgerlich ist deren Fehlen aber allemal.
Fazit
Das ungeschickte Hantieren mit den für erwachsene Spieler gedachten Artworks hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack – allerdings ist das der einzige echte Wermutstropfen dieser hervorragenden Simulation. Denn mit der Williams-Collection stellt Zen Studios sein bisher reifstes Spiel vor! Zum ersten Mal verbinden die Entwickler nämlich ihre videospielnahe Präsentation einschließlich motivierender On- und Offline-Herausforderungen mit spielerisch hochwertigen Flippertischen. Dabei sind die vier Williams-Automaten nicht nur für sich allesamt erstklassig, Zen hat auch eine gute Auswahl relativ unterschiedlicher Tische getroffen. Zusätzlich macht die Physik in dem aktuellen Paket einen großen Schritt in Richtung Realismus und ist damit trotz kleiner Abstriche die insgesamt beste aller kommerziellen Flipper-Simulationen. Wer die Silberkugel auch nur halbwegs gerne über Rampen und Bahnen kickt, sollte sich diese Sammlung nicht entgehen lassen!
Pro
Kontra
Wertung
Switch
Auch auf Switch ist die feine Simulation - sowohl hochkant als auch im Breitbild, wahlweise mit Controllern oder Touch - hervorragend spielbar.
PlayStation4Pro
Originalgetreue Simulation abwechslungreicher, motivierender Klassiker mit hervorragender Physik.
XboxOneX
Originalgetreue Simulation abwechslungreicher, motivierender Klassiker mit hervorragender Physik.
PC
Originalgetreue Simulation abwechslungreicher, motivierender Klassiker mit hervorragender Physik.
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