Juiced22.06.2005, Mathias Oertel
Juiced

Im Test:

Das Genre an Tuning-Racern boomt wie lange nicht mehr. Doch kann es überhaupt gelingen, der Dominanz von Midnight Club 3 und NfS Underground 2 Einhalt zu gebieten? THQ unternimmt mit Juiced (ab 26,89€ bei kaufen) einen ernst zu nehmenden Versuch. Reicht es, um die Pole Position einzunehmen?

Es war einmal&

&eine Software-Schmiede namens Acclaim, die auf der E3 2004 ein viel versprechendes Rennspiel präsentierte, das allerdings trotz eines interessanten Konzeptes u.a. mit einer total vermurksten Steuerung zu kämpfen hatte. Der Name dieses Spieles? Juiced!

So sah Juiced im Jahr 2004 aus. Unter THQ-Führung hat sich allerdings einiges getan - und nur positiv!
Was aus Acclaim geworden ist, dürfte jedem bekannt sein. Aber das Rennspiel des britischen Teams von Juice Games hat als eines der ersten Titel aus dem Bankrott-Portfolio ein neues Zuhause bei THQ gefunden, wurde dort genährt, gepflegt, behütet und auf Hochglanz poliert. Hat die schützende Hand aus dem kalifornischen Calabasas ähnlich viel Glück in den Fingerspitzen wie seinerzeit EA, als man Burnout 3 übernommen und auf Vordermann gebracht hat?

Zurück zu den Wurzeln

Eines vorweg: Wer bei Juiced ähnlich den Genre-Vorreitern Midnight Club und NfS Underground 2 eine frei befahrbare Stadt erwartet, sollte die Handbremse lieber ziehen, den Sicherheitsgurt lösen, aussteigen und die Disc aus dem Laufwerksschacht entfernen.

Doch dann würde euch ein durchaus unterhaltsamer, schneller und spaßiger Tuning-Raser durch die Finger schlüpfen. Denn trotz seiner im Endeffekt etwas minimalistischen Präsentation sowie der puren Konzentration auf festgelegte Rennstrecken sowie dem obligatorischen Abstecher in den Tuning-Shop entwickelt Juiced seinen Reiz.

Dafür sorgen allerdings nicht die lizenzierten Fahrzeuge und Tuningteile - das bietet die Konkurrenz auch.

Respekt, Mann!

Aber wie sieht es mit einem durchdachten Respekt-System aus? Könnte das euer Interesse wecken? Oder vielleicht die Aussicht, auch in der Einzelspieler-Karriere mit einer eigenen Crew durch Angel City zu brettern und im Zweifelsfall sogar in bester B-Spec-Manier nur Anweisungen zu geben? Na? Pocht das Rennspiel-Herz etwas schneller?

Das sollte es auch, denn diese beiden Features geben Juiced genau das innovative Fleisch auf die altbekannten Knochen, um es konkurrenzfähig zu machen.

Freut euch auf rassige Straßenrennen.
Zur Erklärung: In Angel City gibt es acht Fraktionen in Form von Auto-Clubs, deren Respekt ihr euch verdienen müsst. Das Problem: jede Crew hat etwas anderes im Sinn. Die einen wollen gemoddete Karren bis zum Abwinken, die anderen fahren auf euer Gespür für Wetten ab und wiederum andere müsst ihr mit eurem Fahrstil beeindrucken.

Bevor ihr jetzt die Hände über dem Kopf zusammen schlagt und abwinkend Son Blödsinn! Das ist mir zu kompliziert! ruft, können wir Entwarnung geben: Das Respekt-Prinzip ist genau so schnell verinnerlicht wie die eingängige Steuerung, die einen gekonnten Spagat zwischen direktem Arcade-Fahrverhalten und Simulationsansätzen meistert, bei dem ihr euch auch mal mit durchdrehenden Reifen am Ende des Pulks wieder finden könnt.

Doch zurück zum Respekt: Nahezu jede Aktion, die ihr in der Werkstatt, beim Autohändler als auch vor allem im Rennbetrieb durchführt, hat Auswirkungen. Wenn ihr z.B. vor dem Rennen mit einem anderen Fahrer eine Wette eingeht, könnt ihr den Respekt pushen, wenn ihr ein hohes Risiko geht. Dass der Schuss natürlich auch nach hinten losgehen kann, wenn ihr verliert, ist selbstverständlich.

Wenn ihr es schafft, mit einem großen Vorsprung zu gewinnen, steigt euer Ansehen ebenfalls. Im Gegenzug müsst ihr allerdings aufpassen, dass dies nicht zu Lasten der anderen Fahrzeuge geht: Beschädigt ihr bei gewagten Überholmanövern die Karren der anderen Fahrer, nehmen diese euch das übel und euer Respekt sinkt - ganz zu schweigen von den teilweise horrenden Reparaturkosten für euer Fahrzeug!    

Der Clou: Bei bestimmten Respekt-Werten werden Privilegien freigeschaltet. Anfangs könnt ihr euch als Zuschauer bei den Rennen anderer Clubs herum drücken, dann könnt ihr selber mitfahren und sogar die anderen Auto-Fanatiker zu einem Duell um ihren Schlitten fordern. Aber hier ist ebenfalls Vorsicht angesagt: Verliert ihr, ist euer hoch gezüchteter PS-Protz für immer verloren und der Respekt geht in den Keller.

Im Tuning-Shop könnt ihr euren Wagen mit lizenzierten Teilen aufmotzen und die Performance steigern.
Allerdings haben die Entwickler trotz allen Risikos auch dafür gesorgt, dass monetäre Sackgassen so gut wie gar nicht vorkommen. Wenn ihr knapp bei Kasse seid, könnt ihr entweder bei "Zuschauer-Rennen" auf andere Fahrer wetten, ein Auto aus eurem Fuhrpark verkaufen oder an einem freien Tag im Kalender ein eigenes Rennen durchführen.

So werden die Gebiete, in denen ihr euch auf dem Asphalt beweisen könnt, nach und nach immer zahlreicher und der Autohändler hat immer mehr Karossen zur Auswahl (neu und gebraucht). Vor allem der erste Punkt ist auch bitter nötig, denn in punkto Streckenvielfalt ist Juiced nur noch gerade mal so auf dem Podiumstreppchen zu finden. Viel zu schnell hat man die Kurse eines Stadtteils gesehen und auch das gespiegelte Fahren ist keine ausreichende Hilfe, um die Strecken aufzustocken. Doch nimmt man alle Gebiete zusammen, kommt man auf eine ansprechende Auswahl, so dass sich der anfängliche Frust schnell relativiert.

Deine Crew, deine Regeln

Im Laufe des Spieles bieten sich euch andere Fahrer über Mobil-Telefon an, die ihr in eure Crew aufnehmen könnt. Und damit bekommt Juiced einen ganz neuen Motivationsschub: Da jeder Fahrer seine eigenen Statistikwerte hat und diese durch Fahrpraxis gefördert werden, ist bei den Rennen eine leichte strategische Planung angesagt. Gehe ich selber an den Start oder lass ich einen meiner Schergen fahren? Wenn ich alle Rennen egoistisch für mich beanspruche, stehe ich spätestens dann blöd da, wenn in Zweierteams gefahren wird und mein Co-Fahrer in etwa so verkehrssicher ist wie Stevie Wonder…

Heiße Verfolgungsjagden sind dank der guten, auch Fehler machenden KI garantiert.
Andererseits seid ihr zum Zuschauen verdammt, wenn ihr ihn (oder sie) fahren lasst und von seinen (oder ihren) Fähigkeiten abhängig seid. Ihr könnt zwar eine gewisse Marschroute in drei Stufen vorgeben, doch letztlich hängt alles von der KI ab. Diese reagiert aber im Normalfall richtig gut, so dass auch diese "Zuschauer"-Wettbewerbe sehr schnell sowohl an Spannung gewinnen als auch das Konto auffrischen.

Die verschiedenen Wettbewerbe (Rundkurs, Von-A-Nach-B, Sprint (entspricht dem Drag aus NfSU2) und Angeben) sind in einem übersichtlichen Kalender aufgeführt und zusätzlich nur für eine der acht PS-abhängigen Fahrzeugklassen zugelassen. Dabei enttäuscht eigentlich nur der Angeber-Wettbewerb, bei dem ihr innerhalb eines Zeitlimits so spektakuläre Fahrmanöver wie möglich auf den Asphalt zaubern müsst. Die ersten zwei, drei Wettbewerbe hat man zwar tierischen Spaß an 360s, Bootleg-Turns und anderen Kunststücken, die sich aus den Boliden herauskitzeln lassen, doch danach geht die Motivation im Show Off-Bereich deutlich zurück.

Wenn ihr alle Möglichkeiten zur Respekt- und Geldvermehrung nutzen wollt, heißt es, einen Fuhrpark aufzubauen, der für alle Rennklassen geeignet ist. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg, der durch das eine oder andere im Duell verlorene Auto schmerzhaft mit Stolpersteinen versehen wird. Andererseits gibt es kaum eine größere Genugtuung, als einem Rivalen in der Karriere den Schlitten abzunehmen und ihn umgehend zu verscherbeln, um das letzte Quentchen Kleingeld für eine neue Sportkarosse im Sparschwein zu haben.   

Tuning? Ehrensache!

Wie es sich für einen Tuning-Raser gehört, kann man auch in Juiced seinen fahrbaren Untersatz mit allerlei Performance steigernden Teilen ausrüsten oder die Karosserie mit diversen neuen Teilen versehen. Hierbei haben die Feinschrauber unter euch die Möglichkeit, haarklein ins Detail zu gehen, während die "Ich mach das Tuning nebenbei"-Front auch eine Liste der derzeit verfügbaren Performance-Upgrades abrufen und automatisch installieren kann – ein guter Service!

Die Rennen finden auf abgegrenzten Kursen statt.
In diesem Zusammenhang bemerkenswert sind auch die spürbaren Unterschiede der Upgrades, die wiederum deutlich machen, dass tatsächlich eine ausgefeilte Physik in der Engine schlummert. Das lässt sich auch daran fest machen, dass sowohl auf Konsolen als auch auf PC die Steuerung per Lenkrad ein sehr gutes Gefühl vermittelt. Zwar reicht das Realismusgefühl der Physik nicht an Titel wie GT4 oder Forza heran, doch für einen Arcade-Raser ist das Team von Juice Games einen ungewöhnlich weiten Weg gegangen, der sich positiv auf den Spielspaß auswirkt.

Grafik-Feuerwerk?

Zugegeben: Juiced verströmt nicht den Hochgeschwindigkeits-Adrenalinrausch, den Midnight Club 3 entfachen kann. Und in punkto Umgebungsdetails kommt man auch nicht an NfS Underground 2 heran. Doch trotzdem kann sich die Kulisse sehen lassen: Das Geschwindigkeitsgefühl stimmt, die Fahrzeuge sehen durch die Bank sehr gut aus und dass die abgegrenzten Areale nicht immer die überzeugendsten Texturen haben, kann man verschmerzen. Denn letzten Endes geht es bei Juiced nur um den Spielspaß – und der passt einfach!

Standesgemäß kann die PC-Fassung auf Anhieb mit ihren hohen Auflösungen den besten Eindruck machen. Allerdings nur auf der Strecke, denn die Videos sind vergleichsweise gering aufgelöst und wirken im Vergleich zu den optimierten Konsolen-Versionen grobkörnig. Doch so ganz ohne Makel kann sich auch der Rechenknecht-Raser nicht präsentieren: Selbst auf einem 3GHz-PC mit 1 GB RAM und Radeon 9800 wird man auf einer verregneten Strecke mit vollem Gegnerfeld und hohen Details das Gefühl nicht los, dass die Engine im nächsten Moment in die Knie geht. Ähnliche Eindrücke gehen einem auch bei der PS2-Fassung durch den Kopf, doch nur in den seltensten Fällen bestätigen sich diese Vermutungen.

Mit dem Nitro-Einsatz kann man das Feld von hinten aufrollen.
Daher präsentiert die Xbox-Fassung insgesamt den besten Auftritt, da hier flüssiges Gameplay, Geschwindigkeit und visuelle Pracht ein harmonisches Ganzes darstellen. Doch egal für welche Fassung ihr euch entscheidet, könnt ihr sicher sein, dass die Entwickler die Engine optimal auf das jeweilige System portiert haben.

Was die Akustik betrifft, setzt man musikalisch auf einen lizenzierten Mix, der von Rock bis Techno alles abgreift und der die ab und an etwas schwächlichen Motorengeräusche gut zu kaschieren versteht. Die Sprachausgabe der anderen Fahrer und Gang-Anführer schließlich ist ebenfalls gelungen, ohne jedoch markante Highlights setzen zu können. 

Wagen weg online

Auf allen Systemen könnt ihr natürlich auch online antreten, wobei alle Rennvarianten möglich sind. Einen besonderen Reiz dürfte hier allerdings wieder das Duell ausüben, denn wenn ihr das Risiko eingeht, euren Wagen aufs Spiel zu setzen und gewinnt, könnt ihr das erbeutete Auto auch offline in der Karriere einsetzen – oder natürlich zu Geld machen, um neue Tuning-Teile für euren Fuhrpark zu ergattern.  

Fazit

Ist neben Midnight Club 3 und NfS Undergound 2 noch Platz für einen weiteren Raser? Im Falle von Juiced lautet die Antwort "Ja"! Zwar kann man nicht mit einer frei befahrbaren Stadt protzen, die Lizenzen und das Tuning bietet auch nahezu jeder Konkurrent und die Präsentation ist bei weitem nicht so durchgestylt wie bei den Mitbewerbern. Dafür hat Juiced jedoch andere Stärken: Mit der Konzentration auf Tuning und Rennen begibt man sich auf einen wohltuenden "Old School"-Weg und ergänzt dieses nostalgische Gefühl mit einem interessanten Respekt-System und der Möglichkeit, seine Crew zu managen und sich auch mal gemütlich zurücklehnen zu können. Vor allem die letzten beiden Punkte sind es, die Juiced neben der Konkurrenz so interessant machen. Optisch auf allen Systemen durchaus ansehnlich und mit einem guten Geschwindigkeitsgefühl ausgestattet, dürfte es Juiced zwar nicht gelingen, die Schwergewichte zu überholen, doch als Alternative in der Tuning-Bibliothek ist THQs Raser sowohl off- als auch online eine eindeutige Empfehlung wert.

Pro

lizenzierte Fahrzeuge
haufenweise Original Tuning-Teile
Schadensmodell
ansprechende KI
"Pink Slip"-Rennen
interessantes Respekt-System
Crew-Fahrer und –Management
gutes Geschwindigkeitsgefühl
online spielbar

Kontra

eingeschränkte Streckenauswahl
keine frei befahrbare Stadt
Angeber-Wettbewerbe vergleichsweise öde
leichte Ruckel-Probleme (PC)
grob aufgelöste Videos (PC)

Wertung

PC

PlayStation2

XBox

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