Driver: Parallel Lines26.04.2006, Michael Krosta
Driver: Parallel Lines

Im Test:

New York im Jahre 1978: Was für eine Stadt, was für unendlich viele Möglichkeiten! Das denkt sich auch das Landei TK (The Kid) und versucht in Big Apple den amerikanischen Traum zu leben. Doch anstatt sich als Tellerwäscher den Weg nach oben zu schuften, verdient der Jungspund seine Brötchen als Fahrer für Kleinkriminelle und die großen Bosse der Unterwelt. Kommt Driver:Parallel Lines mit dem neuen Konzept qualitativ endlich wieder an den erfolgreichen Erstling heran?

Bye bye, Tanner!

Ich höre manche von euch regelrecht aufatmen, dass die Tage von Undercover-Cop Tanner endlich gezählt sind. Zu enttäuscht waren viele Driver-Fans vom dritten Teil der Serie, so dass eine Rückkehr Tanners sicher nicht viele Freunde gefunden hätte. Mit TK wagen die Entwickler von Reflections jetzt einen Neuanfang und es tut gleich zu Beginn richtig gut, als

Auch wenn er sich manchmal eine Spur zu cool vorkommt, ist TK ein gelungener Tanner-Ersatz.
Kleinganove erste fiese Aufträge zu erfüllen und sich einen Namen in der New Yorker Verbrecherszene zu machen: Da werden Autos gestohlen, Gefängnis-Wächter bei der Probefahrt eingeschüchtert, ein kompletter Gefängnisausbruch organisiert, Erpressungsgelder eingetrieben oder Rennen manipuliert, in denen ihr mit fiesen Rempelattacken dafür sorgen müsst, dass ein bestimmtes Fahrzeug gewinnt. An Missionen herrscht also kein Mangel, allerdings kann der anfängliche Abwechslungsreichtum nicht über die gesamte Spielzeit aufrechterhalten werden. Für kleine Auflockerungen und schnelles Bargeld sorgen allerdings viele kleine Rennveranstaltungen und Minispiele, von denen ihr viele sogar zufällig bei euren Streifzügen durch die Stadt entdeckt, die übrigens komplett gestreamt wird, so dass ihr nicht mit Ladezeiten konfrontiert werdet.

Harte Nuss

Ein gravierendes Problem von Driver: Parallel Lines (ab 6,95€ bei kaufen) ist der zu hoch angesetzte Schwierigkeitsgrad, der für viele Frustmomente sorgt: So müsst ihr z.B. Aufträge mehrmals in Angriff nehmen, bis ihr Erfolg habt. Dabei gibt es viele Faktoren, die dazu beitragen: Zum einen sind Zeitlimits in der Regel äußerst knapp gesetzt und ihr müsst schon fehlerfrei durch den Verkehr kommen, wenn ihr rechtzeitig am Ziel ankommen wollt. Doch genau da haben wir das nächste Problem: Der Verkehr ist mit parkenden Fahrzeugen am Streckenrand und voll befahrenen Straßen dermaßen dicht, dass man selbst mit einem Motorrad seine Probleme hat, sich ohne Unfall durch die lahmen Blechlawinen zu schlängeln. Da kommen Parkanlagen gerade recht, denn hier könnt ihr richtig auf die Tube drücken und fahrt höchstens die ahnungslosen Spaziergänger über den Haufen, die fast schon Slapstick-like durch die Luft gewirbelt werden und selbst im Flug noch auf den Raser schimpfen – dies jedoch nur in englischer Sprache, da man es versäumt hat, die Passanten zu synchronisieren. Nachteilig wirkt sich auch die Mini-Karte aus, die unten rechts auf dem Bildschirm platziert ist und auf der man mit den kleinen Richtungspfeilen und dem knappen Ausschnitt praktisch gar nichts erkennt. Und wenn ihr es doch versucht, kracht es nach dieser kleinen Unaufmerksamkeit auch schon wieder… Folglich schaltet ihr während

Bei den vielen Unfällen bleibt viel Schrott auf dem Asphalt.
der Fahrt ständig auf die große Karte um oder wünscht euch einen großen Navigationspfeil auf dem Spielbildschirm, wie man ihn bei ähnlichen Titeln wie L.A. Rush findet und der auch hier sicher von Vorteil gewesen wäre. Zu der enormen Anzahl an Unfällen trägt außerdem die etwas schwammige Steuerung bei, die nicht voll auf Arcade ausgelegt ist, sondern euch einiges an Können hinter dem Steuer abverlangt. Lenkt ihr zu stark in eine Kurve, brechen die Boliden sofort aus, weshalb Ausweichmanöver durch den Verkehr meist in einem Crash enden. Da die Vehikel über ein mehrstufiges Schadensmodell verfügen, bleiben nach zu vielen Kollisionen nur noch fahruntüchtige Wracks übrig, in denen ihr besser nicht mehr sitzen solltet, wenn der Motor explodiert. Schnappt euch dann einfach ein neues Fahrzeug, indem ihr frech einen beliebigen Flitzer vom Straßenrand klaut oder sogar Fahrer aus ihren eigenen Autos schmeißt, um euch mit den Boliden aus dem Staub zu machen. Egal ob Müllwagen, Bus, Sportwagen, Motorrad oder Cabriolet: in Parallel Lines könnt ihr alles klauen und steuern, was irgendwie fährt – und jede Vehikel-Klasse vermittelt ein individuelles Fahrgefühl. Lasst euch beim Fahrzeugklau allerdings nicht von den aufmerksamen Cops erwischen, die schnell die Verfolgung aufnehmen, sich aber auch ebenso schnell wieder in Seitengassen abschütteln lassen. So lange sie euer Gesicht nicht sehen, jagen sie zudem nur den Wagen, so dass ihr diesen schnell irgendwo abstellen und danach in aller Ruhe an den herannahenden Cops vorbeigehen könnt.

    

     

Die Werkstatt als Ruheort

Sollte eurer Gesicht trotzdem mal ganz oben auf der Fahndungsliste der Gesetzeshüter stehen, lohnt sich ein Abstecher in eine der Werkstätten eures Kumpels Ray, denn hier füllt ihr nicht nur eure Lebensenergie wieder auf, sondern werdet –

Neuerdings könnt ihr auch während der Fahrt aus dem Auto heraus ballern.
warum auch immer – von all euren Delikten freigesprochen. Daneben dienen die Werkstätten auch als Tuning-Shops, in denen ihr mit dem passenden Kleingeld eure Boliden kräftig aufmotzen lasst. Dabei habt ihr nicht eine so breite Auswahl wie in Gran Turismo, sondern kauft Tuning-Pakete im Stil von Need for Speed Underground, was aber auch vollkommen ausreicht. Seid ihr zufrieden, speichert ihr den Wagen einfach ab und könnt ihn anschließend jederzeit bei einem Besuch in einer von Rays Werkstätten anwählen, zwischen denen ihr einfach auf Knopfdruck hin und her springen könnt. Dies erspart euch zwar lange Fahrwege durch das virtuelle New York, allerdings seid ihr dennoch oft sehr lange unterwegs, bis ihr die Missionspunkte erreicht. Zumindest habt ihr in der Regel aber die Freiheit zu entscheiden, in welcher Reihenfolge ihr die Missionen in Angriff nehmen wollt.

Studio 54 – ich komme!

Gerade die coolen Lizenztracks aus den 70ern mit Hits von Blondie, David Bowie & Co versüßen die Fahrten durch die Metropole, die zwar stellenweise etwas schwach texturiert ist und mit vielen Pop-Ups sowie einigen Rucklern in Szene gesetzt wird, aber New York sowohl in den 70ern als auch 2006 glaubhaft und mit ansehnlichen Tag-/Nachtwechseln darstellt. Auf einem normalen 4:3-TV wird der Spielspaß allerdings schnell dadurch getrübt, dass Parallel Lines vollkommen für das 16:9-Format optimiert wurde. Die Folge: Auf alten 4:3-Glotzen wird das Bild oben und unten mit extrem dicken Balken umrandet, die in dieser Form eigentlich nicht sein müssten, wenn sich Reflections die Mühe gemacht hätte, dem Titel auch eine ordentliche 4:3-Anpassung zu spendieren.

Grausame Spaziergänge

Ob Balken oder nicht: Die Missionen, in denen ihr auch zu Fuß unterwegs seid, sind verglichen mit den Fahraufträgen erneut furchtbar ausgefallen und ich frage mich, warum die Entwickler nicht einfach ganz auf dieses Mittel verzichtet haben. Das Zielsystem wirkt mit der unzuverlässigen Autolock-Funktion einfach zu unausgereift, um für Spielspaß zu sorgen. Zudem

Die Umgebung ist teilweise zerstörbar.
sind die Schießereien öde inszeniert, wenn nur mäßig animierte Schergen nach eurem Leben trachten und ihr mehr mit dem Zielsystem zu kämpfen habt als mit euren Gegnern. Dummerweise rückt gerade der zweite Teil der Story, der in der Gegenwart spielt, die bleihaltigen Auseinandersetzungen in den Vordergrund, da es hier primär um eine blutige Rachegeschichte im Stil von Kill Bill geht. Auch musikalisch hinkt 2006 den guten, alten Seventies deutlich hinterher, weshalb die zweite Hälfte des Spiels insgesamt weniger gelungen erscheint. Durchweg schwach präsentiert sich die deutsche Synchronisierung, bei der die Sprecher ihre Texte nur gelangweilt herunter lallen und merklich auf die Atmosphäre drücken. Die englische Spur ist zwar nicht viel besser, doch da ihr die Wahl habt, solltet ihr diese dennoch der deutschen Fassung vorziehen. Nichts geworden ist aus dem Multiplayer-Modus, den Reflections ursprünglich noch für das Spiel angedacht hatte. In dieser Hinsicht bietet Midways L.A. Rush mehr.   

Fazit

Im direkten Vergleich zum Vorgänger erkennt man bei Driver: Parallel Lines gute Ansätze, mit denen sich der Titel wieder deutlich dem ersten und bis dato besten Teil der Serie annähert. Die Fahrmissionen stehen wieder im Vordergrund, die FMV-Sequenzen sind hervorragend und der neue Held tut der Serie ebenfalls gut. Seid ihr per pedes unterwegs, ist das Spielgeschehen mit unspektakulären Feuergefechten und dem nervigen Zielsystem allerdings ein Graus, den ihr besonders in der zweiten Hälfte vermehrt über euch ergehen lassen müsst. Größter Kritikpunkt ist jedoch der viel zu hoch angesetzte Schwierigkeitsgrad, der ständig zum Neustart der Missionen zwingt sowie zu enormen Frustattacken führt. Ich hätte nach so manchem Versuch im zweistelligen Bereich die Driver-DVD am liebsten aus dem Laufwerk gerissen und anschließend durch das offene Fenster hinaus befördert. Der kleine aber feine Tuning-Aspekt sowie die vollkommen frei erkundbare Spielwelt mit ihren überraschenden Minispielen und die hervorragenden Zwischensequenzen konnten mich jedoch noch beschwichtigen. Wer solche Gefühls-Kicks und hammerharte Herausforderungen braucht, liegt bei Driver: Parallel Lines richtig. Alle anderen sind mit GTA vielleicht besser beraten…

Pro

riesige, frei befahrbare Stadt(teile)
coole Mucke in den 70ern
über 80 Vehikel
zwei Storylines zu verschiedenen Zeiten
viele Minispiele
gelungene FMV-Sequenzen
keine Ladezeiten
Tuning-Optionen
dynamische Tag-/Nachtwechsel

Kontra

sauschwer
mieses Zielsystem
dicke Balken auf 4:3-TV
öde Schießereien mit mieser Kameraführung
Pop-Ups und Tearing
leichte Ruckler
gelangweilte Synchronsprecher
Missionen wiederholen sich
schlechtes Navigationssystem
zu dichter Verkehr
Passanten nicht synchronisiert
kein Multiplayer-Modus
dezent schwammige Steuerung
zu viele Schießereien im Rache-Part

Wertung

XBox

PlayStation2

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