Nightmare before Christmas: Oogies Rache21.10.2005, Benjamin Schmädig
Nightmare before Christmas: Oogies Rache

Im Test:

Jack Skellington, das Skelett aus Halloween Town ist zurück: Tim Burtons Stop-Motion-Musical aus dem Jahre 1993 erfährt dieser Tage eine späte Fortsetzung und will mit dem Charme der Vorlage punkten. Macht das so spät noch Sinn? Und wie sieht es mit den spielerischen Qualitäten aus? Auf nach Halloween Town!

Zauberhafte Magie

Es gibt sie noch: Filme, die mit magischen Bildern begeistern und deren Figuren zutiefst menschliche Wesenzüge tragen. "The Nightmare before Christmas" ist so ein Film und Tim Burton einer der wenigen Regisseure, deren Handschrift mit traumwandlerischer Sicherheit jene Magie erwecken kann, die der Leinwand ein Leben abseits des kalten Mainstream einhauchen. Ohne Pathos begeistern "Edward mit den Scherenhänden" oder eben Jack Skellington als Außenseiter mit einem großem Herz.

Ihr merkt schon, bei Tim Burton werde ich zum Fanboy - und genau das müsst ihr auch sein, solltet ihr Interesse an "Oogie’s Rache" hegen. Die Versoftung des Stop-Motion-Abenteuers ist so nah am Film wie man es sich nur wünschen kann, hat aber einen großen Haken: Spielerisch hinkt Nightmare before Christmas den aktuellen Genrevertretern zeitlich in etwa so weit hinterher wie die vorliegende Umsetzung dem Leinwand-Original. Wo liegt der Hund begraben?

Heimkino

In den ersten Minuten gibt es zunächst einmal

Einige Szenen wurden direkt dem Leinwandoriginal entnommen.
nichts zu meckern, denn ihr erfreut euch an kurzen Ladezeiten und den liebevoll in Szene gesetzten Zwischensequenzen, die allesamt mit der Ingame-Grafik dargestellt werden. Erstaunlich, wie gut die Animationen trotz flüssiger Bewegungen das Flair des Stop-Motion-Trickfilms zum Leben erwecken. Neben den Bewegungen von Titelheld Jack überzeugen vor allem die düsteren, skurrilen Kulissen, welche mit Leichtigkeit den Charme der ursprünglichen Miniaturhäuser und Hintergründe einfangen: Keine Mauer ist gerade, am Horizont ragen dunkel die markanten, zweidimensional wirkenden Objekte hervor und die Mimik und Gestik sämtlicher Figuren hätten auch Burtons Animateure nicht besser einfangen können. Lediglich etwas unscharfe Texturen, auch auf Xbox, und ein mitunter fragwürdiger Schattenwurf, der Jacks Abbild dorthin projiziert, wo es nicht hin gehört, geben Anlass zu Kritik.

Ein ganz dickes Plus heimst auch die Sprachausgabe ein: Zum einen glänzen bis auf wenige Ausnahmen sämtliche Szenen mit schönem, wenn auch englischem Voice Acting und zum anderen hat Disney-Ableger und Publisher Buena Vista Games die komplette Schauspielercrew des Zelluloidwerkes zusammen getrommelt. Nur wer kein Englisch versteht, hört in die Röhre, da deutsche Sprache ausschließlich in Untertiteln präsentiert wird. Und zugegeben: Lippensynchron kommen die Akteure nicht zu Wort, aber diesem Anspruch wollte schon die Vorlage nicht gerecht werden. Ansonsten haben die Designer aber keine Mühen gescheut und Halloween Town originalgetreu aufgebaut: Ihr besucht fast alle bekannten Lokalitäten und macht die Bekanntschaft der meisten im Film vorkommenden Charaktere. Sogar nach Christmas Town verschlägt es Jack im späteren Verlauf.

Gruselweihnacht

OK, Auszeit! Halloween Town, Christmas Town und ein Skelett? Worum zum Teufel geht es hier überhaupt? Ganz einfach: In Tim Burtons Vision wird jeder große (amerikanische) Feiertag von denen gemacht, die davon Ahnung haben, sprich für Weihnachten ist der Weihnachtsmann zuständig, um Ostern kümmert sich der Osterhase usw. Und für Halloween? Auftritt: Jack Skellington. Der sorgt für den reibungslosen Ablauf des "Kürbisfestes" und hatte in seinem Leinwandabenteuer den Weihnachtsmann geklaut, um das christliche Fest (in bester Absicht!) selbst zu organisieren – inklusive Menschen jagender Geschenke und bösem "Ho, ho, ho!"

In Oogie's Rache war der Protagonist ein Jahr lang unterwegs, um ein noch besseres Halloween auf die Beine

Oh nein! Jacks Geliebte Sally wurde gemopst und muss befreit werden.
zu stellen. Als er zurück kommt, findet er seine Stadt aber verlassen vor und der fiese Oogie Boogie erklärt die Übernahme von Halloween und aller restlichen Feiertage. Nun sind die Einwohner zwar allesamt gruselige Gestalten, Burton macht sie allerdings zu den oben erwähnten liebenswerten Außenseitern. Nur Oogie und die Bösewichter unter seiner Kontrolle nehmen es mit dem friedlichen Miteinander nicht ganz so ernst. An diesem Punkt erreicht die Story auch schon ihren Höhepunkt, denn leider hat man bei Capcom nicht einmal versucht, die abgedrehte Herzlichkeit der Vorgeschichte von Tim Burton einzufangen. Ein Held, ein Miesepeter, ein paar Nebenrollen, fertig. Da wäre mehr drin gewesen!

Kombinierter Seelenklau

Um dem Übel Herr zu werden trägt Jack im Gegensatz zum Original eine Peitsche namens Seelenräuber am Handgelenk und um die dreht sich das ganze Geschehen. In klassischer 3D-Actionmanier klappert ihr Szenarios und Charaktere ab und schlagt euch mit untoten Feinden herum. Die Peitsche erlaubt wie erwartet diverse Kombo-Hiebe – je mehr Treffer ihr in kurzer Zeit schafft, desto stärker haut die irgendwie glibberig wirkende Waffe zu. Per zweitem Angriffs-Button könnt ihr die meisten Gegner sogar festhalten und mit mehreren Hieben auf den Boden oder in ihre bösen Kumpel donnern. Haltet ihr den Button länger gedrückt, greift ihr euch die Monster und wirbelt sie schwungvoll durch die Luft, was sich als Waffe mit Kombogarantie geradezu anbietet.

Bewegen solltet ihr euch bei alledem nicht allzu viel, denn dann wird die Schlagfolge zu schnell unterbrochen. Das Problem ist, dass ihr beim Stehenbleiben gegen Geschosse und Jack auf die Pelle rückende Widersacher fast wehrlos ist. Ab und an hilft dagegen ein spezieller Move, während dem ihr nahezu alle Angriffe abwehrt. Nervig ist es trotzdem: Die Wahl zwischen Weglaufen und coolen Kombos mit den daraus resultierenden mächtigen Peitschenhieben gipfelt öfter im Verlust eines Lebens als der Motivation gut tut. Springen kann Jack zwar auch, ich bin aber im gesamten Spiel gerade mal in eine Hand voll Situationen geraten, wo das nötig gewesen wäre. Der Sprung ist zu kurz und lässt sich zu unpräzise steuern, um in der Hitze des Gefechts von Nutzen zu sein. Geschicklichkeitseinlagen fehlen bis auf winzige Ausnahmen.           

Frustrierendes Leben nach dem Tod

Richtig nervig werden die Kämpfe, falls ihr mal nicht weiter wisst: Wiederkehrende Gegner an den immer gleichen Flecken stellen eure Geduld auf die Probe. Dabei könntet ihr eigentlich schnurstracks durch die Handlung marschieren, wäre nicht hin und wieder das Ziel so unklar. Manchmal wisst ihr trotz der sonst sehr praktischen Hilfe von Jacks Hund Zero einfach nicht, wo ihr hin sollt. Und das, obwohl eskeine nennenswerten Rätsel gibt. Das zeigt sich auch im mageren Inventar, welches mit Heiltränken und Schlüsseln kaum den Rucksack sprengt.

Ansichtssache?

Es gilt fast ausschließlich, den richtigen Weg zu finden; Sämtliche wichtigen Objekte erhaltet ihr nach dem Erledigen von Zwischengegnern, Extras gibt's in Bonuskämpfen. Letztere warten hinter mehr oder weniger gut versteckten Eingängen und machen sogar mehr Spaß als der Rest der Auseinandersetzungen, denn hier wartet meist eine große Schar der schwächeren Feinde auf euch. Stellt euch

Diese drei kleinen Biester arbeiten für Oogie Boogie und machen euch das Leben schwer.
nah an sie ran und lasst die Peitsche sprechen – die folgenden Komborekorde sprechen eine klare Sprache.

Leider geht die allgemeine Orientierung dermaßen oft flöten, dass ich mich frage, wo die Entwickler ihre Zeit seit dem Erwachsenwerden der intelligenten Kameraführung oder dem manuellen Einstellen selbiger verbracht haben. Ab und an rennt Jack nach einem Wechsel der Perspektive in die falsche Richtung, viel zu oft läuft er wegen einer schönen aber spielerisch wertlosen Perspektive an einem Extra vorbei und ständig schlägt seine Peitsche ins Leere, weil sich nicht erkennen lässt, wie weit Monster und Jack voneinander entfernt stehen. Ganz zu schweigen davon, dass ihr in viele Fallen und Monster einfach rein rennt, weil ihr Jack im Close-Up betrachten dürft, während er euch entgegen läuft. Selbst positionieren dürft ihr die Kamera übrigens nicht – spätestens hier haben die Designer schlicht vergessen, an den Spieler zu denken.

Weihnachtsskelett und Kürbiskönig

Noch mehr Stirnrunzeln löst die Steuerung aus, denn ich kann mich des Gefühls nicht wehren, dass der Programmcode schon vor den Zeiten des Analogsticks fertig gestellt wurde: Jack läuft zwar hakelig in alle acht Richtungen, ein präzises Lenken seiner Bewegungen ist aber kaum möglich. Auch sind die Bewegungen des sympathischsten aller Skelette schön in Szene gesetzt, wirken allerdings trotzdem so, als wenn sie ohne Übergang aneinander anschließen. Abgesehen davon legt euch das Spiel aber keine Hürden in den Weg: Selbst im höchsten Schwierigkeitsgrad sind die Gegner allzu leicht überwunden und strecken meist nur die Zeit, die ihr in eine Level verbringt. Nach 15 bis 20 Stunden werdet ihr auf jeden Fall am Ende des Abenteuers angelangt sein.

Wahrscheinlich um dem Spiel mehr Tiefe zu verleihen, wurde dem Protagonisten die Fähigkeit zum Formwandeln verliehen. So kann er als Santa Jack mit Geschenken um sich werfen, die per zweitem Knopfdruck z.B. Monster betäuben oder euch mit einem Schild schützen. Als Pumpkin King könnt ihr hingegen Feuer speien und mit einer Art Spezialwaffe alle Gegner in der nahen Umgebung loswerden. Beide Verwandlungen sind leider überflüssig und im Kampf deutlich wirkungsloser als es die Beschreibung glauben macht. Es bleibt ein aufgesetztes Extra, das gerade mal dann hilfreich ist, wenn Absperrungen aus Holz verbrannt werden müssen.

Santa Jacks Geschenke, eine bessere Peitsche und Hilfsmittel, die Jack stärker machen, erhaltet ihr im Hexenladen. In den dürft ihr jederzeit einkehren und es steht euch sogar frei, einen Level zu unterbrechen und ins Zentrum von Halloween Town zurückzukehren. Für aufgesammelte Seelen (das Äquivalent zum Zaster) kauft ihr im Shop ein und geht anschließend frisch ans Werk. Ein Brunnen im Zentrum der Stadt versorgt euch sogar kostenlos mit Wasser, das euren Energiebalken komplett auffüllt. Und auch zu Jacks Haus habt ihr jederzeit Zutritt. Hier könnt ihr speichern, bestaunt eingesammelte Figuren (die ansonsten keinen Zweck erfüllen),

Die Musicaleinlagen sind wie im Fim die Höhepunkte der Geschichte.
wiederholt Videosequenzen oder lauscht den freigeschalteten Musikstücken.

Ohrenschmaus

Wieso ihr die Musik erst freischalten müsst? Weil die Auseinandersetzungen gegen Bosse das Sahnestückchen der Torte sind. Da wird nämlich nicht einfach der Lautsprecher aufgedreht und polternd zum Kampf geblasen, stattdessen seid ihr auf einmal der Star in dem Musical, welches die Vorlage so herausragend macht. Ihr singt aber nicht drauf los, sondern lasst erst einmal wie gewohnt die Peitsche schwingen. Neben Seelen lässt das, was ihr hier treffen müsst, Noten fallen. Eine Leiste zeigt an, wieviel ihr davon aufgesammelt habt und ist die voll geht es los: Während Jack und sein Gegner ins Duett einstimmen, müsst ihr in der bekannten Manier eines Rhythmusspiels Richtungstasten und Buttons im Takt drücken. Je länger ihr durchhaltet, desto mehr Energie verliert der Feind – die schnellste Methode, um den Bossen Saures zu geben. Falls ihr das albern findet, dürft ihr die Untoten aber gerne auch auf dem herkömmlichen Weg platt machen.

Dass die Musik dabei das Fair von Danny Elfmans Vorlage verströmt liegt ganz einfach daran, dass sein kompletter Soundtrack neu arrangiert und mit zum Spiel passenden Texten unterlegt wurde. Das schmälert zwar die Freude über die fantastische Akustik, sorgt aber für eine hollywoodreife Inszenierung. Seid ihr in den Levels unterwegs, erklingen ebenfalls abgewandelte Klänge aus der Vorlage. Neben den einzelnen Tracks dürft ihr euch übrigens auch die Bosskämpfe selbst jederzeit als Video noch einmal reinziehen.             

Fazit

Da lacht mein Herz: The Nightmare before Christmas gehört für mich zu den filmischen Höhepunkten der letzten Jahre und Oogie's Rache fängt den herrlich skurrilen Stil samt wunderschöner musikalischer Begleitung fast ohne Verluste ein. Besonders die Musical-Einlagen haben es mir angetan – manche habe ich gleich mehrmals wiederholt. Blickt man allerdings hinter die Kulisse, zeigt sich ein stinknormales Actionspiel, das einfach zu spät kommt. Denn so sehr die Kombos mit der Peitsche auch ihren Reiz haben, so sehr verhindern eine hakelige Steuerung und das repetitive Kampfgeschehen eine Kaufempfehlung. Oogie’s Rache ist ein zweischneidiges Schwert, denn wer Nightmare before Christmas liebt, könnte die Fortsetzung ins Herz schließen. Alle anderen dürfen gut und gerne zehn Prozent von der Wertung abziehen.

Pro

erstklassige Präsentation
Ohrwurm-verdächtiger Soundtrack
Originalsprecher aller Figuren
schöne Animationen
kurze Ladezeiten
filmreife Bosskämpfe als Musical
Peitsche mit coolen Hieben und Kombos

Kontra

unscharfe Texturen
veraltetes Gameplay
hakelige, ungenaue Steuerung
ewig gleiche Kämpfe
nicht immer klare Aufgaben
Recycling der Filmmusik

Wertung

XBox

Wunderschöne Umsetzung von Tim Burtons Musical, die im spielerischen Mittelmaß versandet.

PlayStation2

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