Im Test:
Opium fürs Volk
Wie hält man Fans bei der Stange? Indem man ein bewährtes Konzept nimmt, es dem aktuellen Stand der Dinge anpasst, etwas ausschmückt und den begierigen Massen in die wartenden Hände gibt. Noch immer spielt ihr drei Soldaten dreier Völker an drei verschiedenen Fronten. Noch immer seid ihr Teil eines großen Teams,
ihr seid nie allein unterwegs. Noch immer legt ihr euch mit Hundertschaften bösartiger Deutscher an. Noch immer steigt ihr über kurz oder lang unweigerlich hinters Steuer eines rumpelnden Panzers. Und noch immer sind die Gefechte atmosphärisch ungeschlagen.Wochenend und Sonnenschein, und dann im Panzer ganz allein…
Euch erwarten vier lange Kriegsjahre von 1941 bis 1945, in denen ihr Teil der wichtigsten Schlachten werdet: Als junger russischer Private Vasili Ivanovich Koslov erobert ihr Block für Block Stalingrad zurück. Danach geht es mit dem britischen Sergeant John Davis nach El-Alamein, Libyen (wo ihr euch einige ebenso kurze wie heftige Panzerschlachten mit den Deutschen liefert) und Caen. Das große amerikanische Finale bestreitet ihr mit Corporal Bill Taylor zum D-Day – allerdings stürmt ihr zur Abwechslung mal nicht die mittlerweile wohlbekannte, von den Deutschen heftig verteidigte Küste von Omaha Beach, sondern klettert an den Klippen von Pointe Du Hoc herum, nehmt die dahinter liegenden deutschen Bunker ein und ballert euch durch das malerische Beaumont-Hague. Das Missionsdesign beschränkt sich zwar im Grunde auf diverse Variationen von »Erledige die Deutschen!«, ist aber abwechslungsreich genug, um
nicht zu langweilen. So müsst ihr Telefonkabel reparieren, ein Bahngelände einnehmen, Scharfschützen mit gleichen Mitteln ausschalten, nach feindlichen Dokumenten suchen, eine Stadt per Artillerieanweisungen verteidigen, Mörserteams ausschalten oder Verteidigungslinien eine Zeit lang halten. Nach dem furiosen Start in der russischen Kampagne flacht das Game mit den Briten etwas ab, fängt sich mit den Einsätzen auf amerikanischer Seite aber wieder etwas. Leider haben die Entwickler nicht Wort gehalten, was die Spiellänge angeht: Auf dem einfachsten der vier jederzeit änderbaren Schwierigkeitsgrade, dürftet ihr euch in gut acht Stunden durch die Feindreihen geballert haben. Aber auch ausgebuffte Profis dürften nicht viel länger als zehn Stunden brauchen – damit entspricht die Spiellänge ziemlich genau der des Vorgängers. Ein Grund dafür ist erneut die strikte Linearität von Call of Duty 2 (ab 17,99€ bei kaufen): Zwar werdet ihr dieses Mal nicht durch einen sehr offensichtlichen Design-Tunnel geschleust, auch gibt es hier nicht ganz so auffällige künstliche Levelbeschränkungen. Aber noch immer führt nur genau ein Weg zum Levelende.Die neuen Raucheffekte sind klasse - speziell in der Wüste sieht man schnell kaum noch etwas.
Pracht zum prächtigen Preis
Was braucht der CoD-Fan zum Glücklichsein? Zuallererst ein wirklich gutes Soundsystem oder zumindest brauchbare Kopfhörer. Denn die Soundkulisse ist wieder mal phänomenal, die bombastischen Effekte, das Jaulen der Bomben, die krachenden Explosionen, das Zischen der Kugeln, das Rattern der MGs, das Rasseln der Panzer –
spitze! Aber noch viel mehr als das braucht der zukünftige Deutschland-Befreier eine Hardware jenseits aller Portemonnaie-Schmerzgrenzen, wenn er die volle Grafikpracht enthüllen will. Denn CoD 2 besteht im Grunde aus zwei 3D-Engines: einer DirectX 9- und einer DirectX 7-kompatiblen. Letztere entspricht in etwa dem Stand des Vorgängers, wenn auch natürlich technisch aufgebohrt und detaillierter – aber eben nicht spektakulär. Dafür läuft diese Variante (die ihr übrigens jederzeit wechseln könnt) auch auf Systemen, bei denen weder Prozessor noch Grafikkarte 500 Euro gekostet haben, sehr anständig. Falls es trotzdem noch ruckeln sollte, könnt ihr Texturauflösung, Schatten, Anti-Aliasing und weitere Details bis auf Medal of Honor-Niveau herunterregeln. Die Unterschiede zwischen DX7- und DX9-Grafik sind gigantisch - speziell in den Hardwareanforderungen.
Die wahre Pracht verbirgt sich allerdings unter der etwas unscheinbaren Option »DirectX 9«. Aktiviert ihr diesen, solltet ihr euch auf zwei Dinge gefasst machen: Erstens wird sich die Framerate mindestens vierteln. Zweitens
werdet ihr verdammt große Augen machen und das Spiel nie mehr auf DX7 zurückschalten wollen! Denn auf wundersame Weise sind die Figuren und Waffen auf einmal um einiges detaillierter, zeigen Oberflächenstrukturen, die Effekte weitaus reichhaltiger, alle Objekte und Charaktere korrekt schattiert, die Texturen weitaus prächtiger und detailreicher, ist das Wasser realistisch animiert, der Blick in die Ferne glaubwürdig ausgeleuchtet. All das schluckt Performance wie der Spieler, wenn er es auf einmal mit gefühlten fünf Frames pro Sekunde zu tun hat. Sind alle Grafikoptionen auf Maximum, bietet CoD 2 WW2-Schlachtfelder, wie es sie noch nie zu sehen gab. Dicke Explosionen verursachen gigantische, richtig dicht und dick wirkende Rauchwolken, aus denen unheimlich die Gegner herausquellen. Ein Schneesturm bedeutet hier nicht einfach einen Batzen Flocken, die es sich auf dem Bildschirm gemütlich machen, sondern eine weiß vorbeirauschende Front, bei der man unweigerlich die Augen zusammenkneift. Die beeindruckend zerfallene Levelarchitektur bringt eine Ruinenfülle auf den Bildschirm, bei denen man schon das Seufzen der Trümmerfrauen hören kann. Und natürlich wäre es kein CoD, wenn kein Skript-Overkill vorherrschen würde: ob vorder- oder hintergründig, hier passiert dermaßen viel auf einmal, dass die Schlachtfelder tatsächlich lebendig wirken. Egal ob es sich dabei um vorbeiziehende Flugzeuge oder Soldaten handelt, die eine Tür eintreten – man hat zwar keinen Einfluss darauf, aber es fügt sich harmonisch in das Gesamtbild. Die Xbox 360-Fassung muss sich mit all den Problemen nicht herumschlagen, hier ist das Bild von vornherein mit vollen Details und über weite Strecken auch ruckelfrei - allerdings lassen sich gelegentliche Slowdowns auch auf der High-End-Konsole nicht vermeiden.Das Landschaftsdesign lädt zum Verweilen ein - wenn da nur die Gegner nicht wären.
Aber wo Artilleriefeuer ist, da ist auch der Nebel des Krieges: All die schönen Levels sind praktisch kaum interaktiv – eine zerballerbare Weinflasche ist da schon der Gipfel des Machbaren, alles andere ist entweder völlig statisch oder zerfällt nur auf Skript-Befehl. Und wie so oft begegnet man hier nur wenigen unterschiedlichen Gegnern, die dafür umso öfter eingesetzt werden – innerhalb einer Mission legt ihr einige Siebzehnlinge um. Wie gehabt sollten sich Freunde von möglichst viel Blut besser ein anderes Spiel suchen, denn zwar pladdert es bei einem Treffer ein wenig, aber das war’s auch schon. Dafür gibt es realistische Ragdoll-Physik, die die Körper bei einer Granatenexplosion wuchtig durch die Gegend wirbelt. In Sachen Ladezeit solltet ihr besser mindestens ein Gigabyte RAM im System schlummern haben. Mit weniger erreicht die Wartezeit zwar keine Battlefield 2-Klasse, aber kommt nah genug ran.In der klirrenden Kälte Russlands beginnt euer Abenteuer.
Explodierende Kartoffeln
Eine der größten Schwächen von CoD war, dass es keine echte Story gab. Die schlechte Nachricht: Das ist immer noch so. Zwar gibt es zwischen den Einsätzen Tagebuchnotizen der jeweiligen Soldaten zu lesen, vor wichtigen Einsätzen bekommt ihr außerdem Original-Videos bzw. kommentierte Bilder der Schlachten zu Gesicht. Aber es gibt keinen roten Faden, der die Einsätze verbindet, schon gar nicht zwischen den verschiedenen Fraktionen. Seid ihr mit den Russen fertig, geht es kommentarlos zu den Briten – und von da ohne
nennenswerten Übergang zu den Amerikanern. Es gibt keine Zwischensequenzen, keine Charakteridentifizierung, gar nichts – die Brothers in Arms-Spiele machen das wesentlich besser. Für einige Lacher sorgt immerhin das Tutorial, welches euch in Russland das Granaten-Werfen anhand Kartoffeln beibringt – weil echte Granaten zu teuer sind.Das neue Gesundheitssystem verzichtet auf Heilpäckchen und Energieanzeigen.
Zwei Dinge sind völlig neu im CoD-Universum: Zum einen wäre da das eingeschränkte Speichersystem, das Quicksave-Fanatikern den Schlaf rauben wird! Ihr dürft jetzt nicht mehr frei speichern, stattdessen übernimmt das Programm das für euch. Das geschieht zwar sehr oft, allerdings gelegentlich etwas willkürlich – z.B. mitten in einem Feuergefecht, was natürlich für Probleme sorgen kann, wenn dieser Spielstand wieder geladen wird. Neuerung zwei betrifft Lebensenergie-Anzeige sowie die Medipacks – beides gibt es nicht mehr! Stattdessen merkt ihr mitten im Gefecht erst, dass ihr kurz vor dem Exitus steht, wenn sich der Bildschirm knallrot färbt. Spätestens dann ist es an der zeit, sich ein ruhiges Fleckchen zum Luftholen zu suchen, dann schon kurz darauf steht ihr wieder gesund und gebügelt wie Rambo ballernd vor dem Feind – etwas arcadig für einen WW2-Shooter.
Nicht ganz neu, aber immerhin verbessert ist die gegnerische KI. Zwar können sich die Hunde des Krieges nicht mit den Gehirnakrobaten aus Far Cry oder F.E.A.R. messen, aber sie machen ihre Arbeit sehr anständig:
Sie ziehen sich bei Beschuss schnell zurück, benutzen gern und oft Granaten und feuern noch halbtot im Liegen weiter. Lästig (bzw. gut für den Spieler) ist ihr Habitus, sehr berechenbar zu agieren: Beim Nachladen wechseln sie kaum die Position und tauchen fast immer an derselben Stelle wieder auf, an der sie abgetaucht sind – Bumm, Treffer! Sie machen sich weder die Mühe, die Umgebung für adaptierten Schutz zu nutzen noch wechseln sie unverhofft die Laufrichtung beim Sturm – man muss einfach nur vorhalten und abdrücken. Generell solltet ihr mit der Munition haushalten, denn ihr dürft nur zwei Waffen (plus einige Granaten) mit euch herumschleppen. Gehen euch die Kugeln aus, bleibt euch nichts anderes übrig, als die Knarren Gefallener aufzuklauben. Ganz der Serientradition entsprechend bedient ihr außerdem stationäre Geschütze oder befindet euch gelegentlich auf der Ladefläche eines LKW, bewaffnet mit MG und Panzerfaust, um von hinten anrollende Feinde zu erledigen – same old, same old.Die gegnerische KI reißt keine Bäume aus, ist aber solide programmiert.
Mein Hauptquartier, mein Panzer, meine Sturmtruppen
Die brachialen Soundeffekte wurden bereits erwähnt, der Rest der Akustik soll nicht vergessen werden: Die Sprachausgabe ist größtenteils hervorragend gelungen, die teilweise mit Akzent sprechenden Kameraden und Feinde melden sich
Kein WW2-Shooter ohne Nach-hinten-ballern-Mission! |
In Sachen Multiplayer macht CoD 2 genauso viel oder wenig Spaß wie der Vorgänger – der Modus ist quasi derselbe. Es gibt die üblichen Modi für bis zu 32 Spieler: DM, TDM, CTF sowie den spaßigen »Search and Destroy«, bei dem ein Team eine Bombe legen sowie einige Missionsziele erfüllen muss, während das andere all das verhindern sollte. Die fünfte Variante »Headquarters« ist die spannendste: Jedes Team muss an einem bestimmten Punkt ein Hauptquartier kontrollieren, was mit längerer Besetzungszeit mehr Punkte bringt – ähnlich wie das Ticket-System bei Battlefield 2.
Das andere Team muss natürlich all das verhindern und hat zudem den Vorteil, dass die Mitglieder des verteidigenden Teams nicht wiederbelebt werden können, solange das Hauptquartier steht – dieses chaotische Element macht den Spielmodus aufregend und abwechslungsreich. In Sachen Waffenbalance kommt speziell den Rauchgranaten eine bedeutendere Rolle zu – damit kann man ein Schlachtfeld in einen trüben Tümpel verwandeln, in dem blind nach Schemen gefeuert wird. Ansonsten warten die üblichen verdächtigen MGs, Schrot- und Scharfschützengewehre, die auf den 13 Karten (teilweise Remakes) unterschiedlich stark zum Einsatz kommen. Leider dürft ihr keine Fahrzeuge verwenden, obwohl die Levels teilweise ziemlich ausufernd sind – schade. Die Xbox 360-Fassung bietet online immerhin noch acht Spielern Platz, via System Link sind es maximal 16 und am Splitscreen haben noch vier Soldaten Platz. Manche Aufträge spielen auch nachts - da ist ein besonders waches Auge gefragt.
Fazit
Ich bin ein Kriegsheld. Im Alleingang habe ich geschätzte tausend Nazis getötet. Hätte ich nur eine einzige Waffe gehabt, bestände sie mittlerweile von der Mündung bis zum Kolben nur noch aus Kerben. Natürlich war nicht alles so einfach: Mein geradezu vorsintflutlicher Rechner (der immerhin ein ganzes Jahr auf dem Buckel hat) hat alles versucht, um mir ruckelige Stöcke in meine heldenhaften Speichen zu schieben. Aber da lache ich doch nur: DX7 an, kurz einen Grafikschlucker hinter mich gebracht und schon geht die Post richtig ab! Atmosphärisch ist CoD 2 genau wie der Vorgänger ein Musterspiel, auf den hiesigen Schlachtfeldern rummst und kracht es unentwegt, fette Explosionen, noch dickere Rauchwolken und Tonnen von heißem Blei verleihen den Gefechten einen ungewohnt beklemmenden Touch – der durch das arcadige Lebensenergie-System zwar leicht gerade gerückt wird, aber man kann Infinity Ward zumindest nicht vorwerfen, nichts Neues versucht zu haben. Denn der Rest des Spiels ist in seiner Basis noch genau das Gleiche wie vor zwei Jahren: Mission an, viele Gegner tot, ein paar Objekte gesprengt, Mission aus. Beeindruckend in Szene gesetzt, noch beeindruckender akustisch untermalt, aufregend designt. Der beste WW2-Shooter unserer Zeit.
Pro
Kontra
Wertung
360
PC
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