Madden NFL 0724.09.2006, Jens Bischoff
Madden NFL 07

Im Test:

Football-Fans haben es von Jahr zu Jahr schwerer: Vor zwei Jahren wies EA sämtliche Mitbewerber mit einem exklusiven Lizenz-Deal vom Platz, letztes Jahr schloss man die GameCube-Besitzer von der NFL aus und ab diesem Jahr schauen auch Xbox-User in die Röhre. Zudem verweigert man PS2-Spielern nach wie vor den Online-Zugang, während PC-User mit veralteter Grafik-Engine abgespeist werden und 360-Besitzer über vorenthaltene Inhalte klagen. Quo vadis Madden?

Beunruhigende Entwicklung

Dem virtuellen Football würde ohne die traditionsreiche Madden-Serie definitiv etwas fehlen. Allerdings scheint der Serie an sich seit EAs exklusivem NFL-Lizenzdeal ebenfalls etwas zu fehlen - nämlich der Ansporn, besser als die Konkurrenz zu sein.

Grafisch macht Madden auf der Xbox bis auf wenige Kinderkrankheiten eine sehr gute Figur. (360)
Egal, was EA Sports den Fans vorsetzt, es ist sowohl das best- als auch schlechtmöglichste NFL-Erlebnis, weil es schlicht das einzige ist... Bereits im letzten Jahr hatte man das Gefühl, dass die Entwickler den Fuß spürbar vom Gas genommen und die NextGen-Premiere völlig überhastet in ein viel zu enges 360-Korsett gezwängt haben.

Sorgenkind Xbox 360

Auch diese Mal startet man offenbar nur mit halber Kraft in die digitale Football-Saison: Grundlegende Neuerungen sucht man vergebens und 360-Spieler werden erneut mit einem halbgaren Süppchen aus unvollständigen Spielmodi und fehlenden Features abgespeist. Zwar haben es nun endlich auch auf der Microsoft-Konsole der Superstar-Modus und das Mini-Camp ins Spiel geschafft, zahlreiche Einschränkungen lassen aber nur bedingt Freude darüber aufkommen. So ist das Trainingscamp nur ein schwacher Abklatsch des Originals mit schnell langweilig werdenden Extras wie Kraft- und Sprinttraining, während man im Franchise-Modus ohne Fantasy Draft, Owner Modus und andere Motivationssäulen auskommen muss. Man kann nicht einmal eigene Playbooks erstellen oder Turniere veranstalten.

Darüber hinaus gibt es auf der 360 nur eine vorgegebene Kameraperspektive und keine Kommentare von John Madden und Al Michaels. Stattdessen lauscht ihr lediglich den zweifelhaften Analysen eines Unbekannten. Ansonsten ist die Soundkulisse aber erneut systemübergreifend topp. Im Offline-Multiplayer hat man auf der Microsoft-Konsole jedoch noch einen ganz besonderen Bock geschossen: Es gibt dort nämlich keine verdeckte Spielzugwahl, wodurch der Gegner stets genau weiß, was ihr vor habt... Als Ausgleich bekommt man auf der Xbox aber zumindest die Möglichkeit, durchaus ansehnliche NextGen-Optik mit 3D-Publikum, beeindruckenden Close-Ups und exklusiven Einmärschen zu erleben -

Der Rasen ist gestochen scharf, Bitmap-Publikum und Spielermodelle wirken jedoch unzeitgemäß. (PC)
 regelmäßige Ruckler, massive Clippingfehler und Animationsaussetzer allerdings inklusive. Letztere plagen zwar auch PC- und PS2-Spieler gelegentlich, aber insgesamt präsentiert sich Madden auf den alten Plattformen nicht nur spielerisch, sondern auch technisch wesentlich runder und ausgewogener.

Individuelle Extras

Eine Generalüberholung der sichtbar alternden CurrentGen-Engine ist jedoch längst überreif - gerade auf dem PC wäre deutlich mehr drin gewesen als PS2-Grafik in hoher Auflösung... Trotzdem verzichte ich lieber auf optische als auf spielerische Feinkost, weshalb ich selbst der hierzulande erneut nur offline spielbaren PS2-Fassung gegenüber der 360-Umsetzung jederzeit den Vorzug geben würde. Multiplayer-Fans werden aber ohnehin mit der PC-Version am glücklichsten, da es nur hier Online-Ligen und -Turniere gibt - wahlweise auch über LAN. Offline-Turniere auf nur einem System sind hingegen nur auf der Sony-Konsole möglich, während sich 360-User komplett mit Einzel-Partien zufrieden geben müssen. Zumindest habt ihr dabei die Möglichkeit, andere Xbox Live-Spieler als Spontangegner in Franchise-Matchs einzuladen oder mit Freunden um Gamer Level-Punkte zu spielen.              

"Gamer Level - was ist das denn?", werden sich jetzt sicher einige fragen. Im Prinzip nichts anderes als ein Pendant zur Madden Challenge auf der PS2. Nur während ihr auf der Sony-Konsole durch besondere Leistungen Zugang zu Football-Sammelkarten erhaltet, bekommt ihr auf der Xbox dafür einfach Punkte gut geschrieben, die Schritt für Schritt euren Gamer Level, quasi ein virtueller Leistungsspiegel, ansteigen lassen - mit den ebenfalls vorhandenen Gamerscore-Erfolgen hat dies jedoch nichts zu tun. Auf dem PC muss man sich hingegen mit simplen Online-Ranglisten begnügen, die es auf der 360 natürlich ebenfalls gibt.

Noch ist die Übersicht gut, das kann sich auf der Xbox mangels Perspektivenwahl aber schnell ändern... (360)
 Dafür dürfen PC-User persönliche Team-Logos erstellen und, wenn sie nicht auf den offiziellen Rock-/HipHop-Soundtrack stehen, wie ihre 360-Kollegen für eigene Musikuntermalung sorgen. PS2-Spieler haben hingegen keinerlei internationale Vergleichs- oder audiovisuelle Gestaltungsmöglichkeiten, dürfen dafür aber ihre Franchise-Daten auf die PSP übertragen und umgekehrt, um auch unterwegs anstehende Begegnungen bestreiten zu können.

Nichts für Einsteiger

Zudem haben Sony-Spieler die Möglichkeit, sich einführende Gameplay-Tutorials zu Gemüte zu führen oder sich von NFL-Analyst Sterling Sharpe teamspezifische Spielzüge erklären zu lassen und anschließend selbst einzustudieren, wodurch die PS2-Version sowohl für Anfänger als auch Profis zusätzliche Kaufanreize bietet. Interessierte Neulinge werden aber mit keiner Fassung wirklich Freude haben. Umfassende Spiel- und Regelverständnisse werden auf allen Plattformen stillschweigend vorausgesetzt und das mickrige Handbuch schafft es nicht einmal, alle vorhandenen Spielmodi aufzulisten - geschweige denn diese zu erläutern oder gar irgendwelche Hintergrundinformationen anzubieten. Wer mit Englisch auf dem Kriegsfuß steht, wird ebenfalls keine Freude an Madden haben, das sich EA wie üblich eine Lokalisierung komplett gespart hat - echte NFL-Freaks wird dies aber kaum stören. Multilinguale Bildschirmtexte wären aber sicher kein Luxus gewesen.

Zu viel des Guten: Mit den neuen Block & Running-Moves kann die Defense kaum Schritt halten. (PS2)
 Aber scheinbar erleichtert man lieber die PS2-Version um den 60Hz-Modus sowie sämtliche Online-Features, spart sich die Lokalisierungskosten und verlangt am Ende sogar noch mehr als für die deutlich umfangreichere US-Version - ganz schön dreist...

Kaum Neuerungen

Aber egal, jammern hilft nichts, als NFL-Fan muss man da durch. Genauso wie durch die vorgegebene Spielansicht im Superstar-Modus, die zwar meist für ein authentisches Mitten-drin-Gefühl sorgt, da ihr ja stets auf derselben Position spielt, oft habt ihr jedoch einfach null Übersicht und seid zu unnötigen Blindflügen verurteilt. Zudem nervt es, dass man immer wieder für die Fehler seiner Mitspieler bestraft wird und nicht einmal als Quarterback ein Mitspracherecht bei der Spielzugauswahl hat. Ansonsten ist der Superstar-Modus aber eine genauso fordernde wie originelle Angelegenheit, die mit zusätzlichen Spielerrollen und Teambeeinflussungen sinnvoll erweitert wurde. Im Franchise-Modus habt ihr neuerdings nun auch die Möglichkeit, euch durch das College All-Star-Spiel und kombinierte Workouts auf die Suche nach passenden Rookies zu machen und Toppspielern bestimmte Rollen zuzuweisen. Ansonsten gibt es kaum nennenswerte Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr.

Auch spielerisch sind eigentlich nur wenige Neuerungen zu verzeichnen:

Trainingslager für Arme: Gegen das PC- & PS2-Mini-Camp stinkt das Xbox-Training gewaltig ab. (360)
So wurde aus dem Truck-Stick der so genannte Highlight-Stick, der jetzt noch facettenreichere und individuellere Offense-Moves erlaubt. Zudem habt ihr die Möglichkeit mit dem neuen Leadblock-Feature manuell einen Block zu setzen, um gezielt Lücken in die Verteidigung zu reißen. Böse Zungen behaupten allerdings, dass dieses Feature nur eingeführt wurde, um die ansonsten eher bescheidene Block-KI zu kaschieren - aber entscheidet selbst. Was auf jeden Fall stimmt, ist, dass die Offense durch die zusätzlichen Möglichkeiten des Laufspiels deutlich bevorteilt wurde, da die Defense außer einer neuerdings anweisbaren Richtungsauslegung nicht viel entgegen zu setzen hat. Tackles im freien Raum klappen nur noch äußerst selten. Das sorgt zwar teils für spektakuläre Runs und Touchdowns, ist aber irgendwie unrealistisch und führt zudem zu völlig abgehobenen Yarderfolge in den Läuferstatistiken... Ansonsten wurde noch die Kicksteuerung verfeinert - komischerweise allerdings nur in den Konsolenfassungen. Davon abgesehen ist das Handling - einen Dual Stick-Controller vorausgesetzt - auf allen Plattformen gleich gut. PC-User, die lieber mit Maus und Tastatur antreten, erwarten hingegen üble Fingerverrenkungen und konfuses Icon-Passing.           

Fazit

Die gute Nachricht gleich vorweg: Die 360-Fassung von Madden NFL 07 ist nicht mehr so stark kastriert wie im letzten Jahr. Trotzdem müssen sich Xbox-User immer noch mit deutlich weniger Inhalt als PS2- und PC-Besitzer zufrieden geben - und das obwohl sie für ihr Footballglück am tiefsten in die Tasche greifen. Mangels grundlegender Neuerungen werden sich aber wohl auch PS2- und PC-User fragen, warum das neuste Madden nicht als kostengünstiges Add-On, sondern als Vollpreistitel in die Läden kommt. Na ja, die Konkurrenz wurde erfolgreich eliminiert, Preiskämpfe sind nicht mehr nötig und der Druck von außen, sich ständig zu verbessern, gehört der Vergangenheit an. Schade für die Fans, schade für den Football. Versteht mich nicht falsch, Madden ist nach wie vor eine grundsolide Simulation, mit der Fans und Neueinsteiger nicht viel falsch machen. Wer die Vorjahresversion für PC, Xbox oder PS2 besitzt, sollte sich jedoch zweimal überlegen, ob er für eine Hand voll Extras gewillt ist, nochmals den vollen Preis zu zahlen und dafür auf der PS2 nicht einmal den in der US-Version noch vorhandenen Online-Modus bekommt. 360-User sollten sich hingegen fragen, ob die durchaus ansehnliche, exklusive NextGen-Optik es tatsächlich wert ist, nach wie vor auf wesentliche Spielinhalte zu verzichten. Den sonst fast schon obligatorischen Award hat sich EA mit Madden NFL 07 jedenfalls erstmals verspielt...

Pro

offizielle Lizenz
keine Alternativen...
umfangreiche Statistiken
grundsolide Spielmechanik
hervorragende Soundkulisse
exklusive NextGen-Optik (360)
erweiterte Spielmodi (PC & PS2)
neue Block- & Running-Features
umfangreicher Online-Modus (PC)
Spielzugerklärungen & Tutorials (PS2)
verbesserte Kicksteuerung (PS2 & 360)
Gamer Level (360) & Madden Cards (PS2)

Kontra

nicht lokalisiert
instabile Bildrate
kaum Neuerungen
durchwachsene KI
mickriges Handbuch
übervorteilte Offense
stockende Animationen
kein Online-Modus (PS2)
kein Playbook-Editor (360)
massive Clippingfehler (360)
keine eigenen Turniere (360)
halbherziges Mini-Camp (360)
nur eine Kameraperspektive (360)
veraltete Grafik-Engine (PC & PS2)
keine verdeckte Spielzugwahl (360)
eingeschränkter Franchise-Modus (360)
nur mäßiger NoName-Kommentator (360)
unhandliche Maus-/Tastatursteuerung (PC)

Wertung

360

PC

PlayStation2

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