Tiger Woods PGA Tour 0719.11.2006, Benjamin Schmädig
Tiger Woods PGA Tour 07

Im Test:

Tiger Woods passt zu EA wie die Faust aufs Auge, denn so konstant wie sich der Profi auf Platz eins der Weltrangliste hält, so sehr tut es ihm sein virtuelles Alter Ego gleich. Auch auf Konsolen und PSP gilt deshalb in diesem Jahr wieder: True-Swing, etliche Spielvarianten, ein Schuss Arcade-Feeling – alles beim Alten. Und so wissen Golf-Profis am Analogstick, was sie anno 2006 erwartet. Oder?

Schönheitschirurgen bei der Arbeit

Hoppla! Wieso krame ich eigentlich die Blaupause aus den vergangenen Jahren hervor? Abgesehen davon, dass sie wie der ideenlose Einstieg eines Verlierer-Interviews beim Fußball klingt ("Wie fühlen sie sich jetzt?"), passt sie nur oberflächlich zu dem, was euch mit EAs Golfern erwartet. Denn im Grunde führt nur die PS2-Variante (deutsche Xbox-Besitzer werden vom Publisher einfach ignoriert) die Formel "never change a winning team" konsequent fort. Die PSP-Umsetzung gleicht ihr zwar spielerisch, schreitet inhaltlich aber auf abgespeckten Pfaden und auf Xbox 360 hat EA Sports sowohl die Präsentation aufgepeppt als auch die Schlagtechnik leicht verändert.

Dabei wirkt vor allem das erste Anschalten des 360-Tigers wie der Blick in eine andere Welt. Ihr klickt euch nämlich nicht durch die stylischen, aber trockenen Tafeln der Vorgänger, sondern steht sofort auf dem Platz. Kein gewöhnlicher Golfplatz, wohl gemerkt, sondern ein Übungsareal, auf dem ihr eure Fähigkeiten nach Lust und Laune trainieren könnt. Entweder ihr schwingt euch so (wieder) in Form oder macht sofort Karriere. Anfänger

Zwei Bunker hinter dem Loch, ein Teich direkt davor: Mit dem neuen Zielkreis wird das ohnehin knifflige Green noch schwieriger.
bekommen zudem endlich eine Einführung spendiert, die sie in Wort, Bild, Ton und Übungsstunde mit der Praxis vertraut macht. Jeder Erfolg spült dabei Geld in die Kassen und steigert je nach Art des Trainings bestimmte Werte eures Profis, den ihr wie gehabt im umfangreichen Game Face erstellt. Kinnbreite, Augenhöhe, Größe, Brustumfang, Altersflecken, Haarfarbe - Gerüchten zufolge sind Schönheitschirurgien neidisch auf Tiger Woods-Spieler.

Platzmangel

Wie gehabt sehen die Golfer klasse aus. Auf der Next-Gen-Konsole fallen außerdem die Zuschauer auf, da sie zusammenzucken, wenn euer Ball in ihrer Magengrube landet. Auf den Kursen beherrschen hingegen auch diesmal eckige Häuser, kantige Zuschauer, fehlende Zuschauer auf PSP sowie blasse Farben und auf PS2 gelegentliches Ruckeln das Bild. Nur mit der 360 steht ihr auf farbenfrohen Plätzen. Der Atmosphäre kann das alles aber erstaunlich wenig anhaben, denn die Bewegungen der Profis, Eichhörnchen im Hintergrund, begeisterter Applaus oder emphatisches Seufzen sowie die wunderbar zynischen Kommentare von David Feherty und Gary McCord erzeugen eine unglaublich dichte Stimmung. Dabei ist es immer noch schade, dass deutsche Moderatoren aufgrund der enormen Popularität des Golfsports horrende Summen für Aufnahmen am Mikrofon verlangen. Oder warum müssen nicht Englisch sprechende Spieler nach wie vor rätseln, was gesagt wird? Zynismus beiseite und Lob an EA: Schon mal zu Beethoven eingelocht? Auf PSP dürft ihr jedenfalls eure eigene Musik ins Spiel einbinden. Nicht, dass der entspannte elektronische Soundtrack das nötig hätte! Und wenn euch auf Xbox 360 langweilig ist, dann schaltet doch das Radio ein: ESPN liefert alle 20 Minuten aktuelle Berichte vom US-Sport. Wahlweise versorgt euch auch ein Live-Ticker am unteren Bildschirmrand mit wichtigen Ergebnissen.

Aber tolle Atmosphäre, schicke Menüs und praktische Trainingseinheiten beiseite - was hat sich sonst auf dem Platz getan? Welche Plätze gibt es

Auf PS2 findet ihr die meisten Kurse, aber die wenigsten spielerischen Änderungen. 
überhaupt? Was könnt ihr dort tun? Zunächst einmal kann sich der Tiger nur auf PS2 wirklich frei bewegen, denn dort schlägt er auf 21 Kursen ab. Seine Handheld- und 360-Pendants müssen mit zwölf Plätzen Vorlieb nehmen - auf PSP sind das so viele wie im Vorjahr, auf 360 immerhin doppelt so viele wie zuletzt. Einen Editor findet ihr allerdings immer noch nicht. Ihr könnt lediglich euren Wunsch-Parcours aus den bereits enthaltenen Löchern erstellen.

Blutiges Spiel im Team?

Dafür gibt es viel zu tun, denn neben der PGA Tour, in der ihr euch von den Amateurrängen bis zur Weltspitze vorkämpft (auf 360 erstmals auch mit Tiger Woods ohne bereits erhöhte Werte!), warten etliche Varianten auf euch, in der ihr euch an verschiedenen Abwandlungen einer normalen Partie versucht. Neu ist z.B. Greensome, wo euer Team gegen das eines Kontrahenten antritt. Nachdem alle Teilnehmer abgeschlagen haben, entscheidet ihr hier, welchen eurer Bälle ihr abwechselnd ans Loch spielen wollt. Eine nette Idee, aber eigentlich nur etwas für Feiglinge, denn aufregend wird es erst bei Bloodsome: Hier entscheidet das gegnerische Team, welchen eurer Bälle ihr schlagen müsst...          

Elimination kann ebenfalls spannend sein, denn hier fliegt der Verlierer eines Lochs aus dem Team. Es geht also darum, wer am Ende noch auf dem Green steht. Die PS2-Fassung fügt dem noch eine Team-Tour hinzu, während der ihr ähnlich wie im Gegenstück auf PC unterschiedliche Teams mit eurer eigenen Mannschaft besiegen müsst, um zum Schluss gegen Woods' Truppe zu bestehen. Im Grunde könnt ihr also genau das Golf spielen, das euch am meisten liegt. Bedenkt aber, dass die meisten Varianten für gesellige Runden mit zwei bis vier Leuten gedacht sind, so dass ihr als Einzelspieler abseits der Karriere hauptsächlich im Internet oder nur zur Übung auf euren

Auf PSP wirkt Tiger Woods 07 weniger angestaubt als auf PS2. Schade, dass die Zuschauer fehlen.
Lieblingslöchern aktiv seid. PSP-Besitzer blicken online allerdings in die Röhre - ich bin jedenfalls nie einem Mitspieler auf EA Nation begegnet.

Der einzige "echte Schwung"

Dass Internet-Partien wegen fehlender Teilnehmer ausfallen, hätte ich verkraften können, allerdings dürft ihr auch ohne angeknipsten WiFi-Schalter lediglich die Karriere, zwei Minispiele sowie vier Versionen des Zählspiels bestreiten. Das ist zwar mehr als im vergangenen Jahr, kann dem Umfang auf Konsolen aber nicht das Wasser reichen. Immerhin: Es gibt endlich eine vollständige PGA Tour, bei der ihr euch drei Jahre lang in gewöhnlichen Austragungen sowie Putt- oder Minispiel-Herausforderungen (der bekannte Putt-Rausch sowie  eine Zielscheibe, auf der verschiedene Trefferzonen unterschiedlich viele Punkte bringen) beweisen müsst. Und auch im Internet bieten PS2 und vor allem 360 wesentlich mehr, da ihr dort ganze Turniere austragen könnt und auf Microsofts Konsole täglich eine neue Herausforderung findet. Schade übrigens, dass EA den Legendenmodus des Vorjahres nicht weiter entwickelt. Die Partien gegen Golfgrößen vergangener Tage waren stimmungsvoll - ich hätte gerne eine komplette Karriere in der Vergangenheit erlebt.

Aber wie fühlt sich Tiger Woods überhaupt an? Schlägt der Meistergolfer gewohnt gut ab oder halten die Entwickler weiterhin am bewährten True Swing fest? Ja, tun sie. Mit Abstrichen. True Swing sagt euch nichts? Für Neulinge in Kurzform: Der linke Analogstick simuliert euren Schläger, so dass ihr mit einer Bewegung nach hinten ausholt und mit einem Schwung in entgegen gesetzte Richtung abschlagt. Das System ist auf allen Systemen gleich, wobei ihr dem Ball einen Drall verpasst, indem ihr den Stick zusätzlich von links unten nach rechts oben oder umgekehrt führt. Für Handheld-Golfer ist das Thema Steuerung damit erledigt, doch PS2-Profis legen die Stärke des Dralls wahlweise über den rechten Stick fest. Damit bestimmt ihr, an welcher Stelle der Schläger auf den Ball trifft: Treffer auf der linken oder rechten Seite bestimmen seine Flugrichtung, während ihr mit der vertikalen Ausrichtung zusätzlich hohe oder flache Bälle über den Fairway donnert. Genauso funktioniert das System auch auf der Next-Gen-Konsole, nur dass ihr dort lediglich Back- und Topspin über den rechten Analogstick regelt. Die Schussrichtung bestimmt ihr mit dem linken Stick.

Zufälliges Zielwasser

Die Unterschiede sind marginal, das Spielgefühl ist im Grunde stets das gleiche. Dafür wagt EA Sports an anderer Stelle einen Schritt nach vorn - allerdings nur auf Xbox 360. Denn wo ihr sowohl auf dem Handheld als auch auf PS2 genau festlegt, wohin ihr zielt, bewegt ihr in der neuen Variante einen Zielkreis.

Sieht gut aus, ist vom Wow-Effekt allerdings noch weit entfernt: Der Tiger auf Xbox 360.
Irgendwo in diesem Bereich wird der Ball nach einem präzisen Schuss landen, d.h. selbst geübte Golfer werden mehr gefordert als bisher. Besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn Abweichungen der Flugbahn in dem alten System einfach geringer ausfielen als es bisher der Fall war. Dann würden weniger Fehler mit einer Landung im Wasser bestraft werden, aber trotzdem nicht am anvisierten Fleck ankommen. Sprich: Meine eigene Leistung hätte mehr Gewicht als ein ominöser Zufallsgenerator.

Auf der anderen Seite kommt dafür eine taktische Komponente ins Spiel, da kürzere Schüsse einen kleineren Zielkreis haben als weiter entfernte. Schießt ihr also lieber mit dem Holz näher ans Loch oder bleibt ihr mit dem 2er Eisen auf der sicheren Seite? Das ist wiederum eine klasse Erweiterung des bisher starren Ballverhaltens! Schwierig wird Tiger Woods 07 dabei übrigens nie. Denn egal ob Profi, Anfänger oder Gelegenheits-Profi: Ihr spielt immer so, wie es euer Können zulässt. Etliche Regler legen fest, ob und wie stark verzogene Schüsse trotzdem geradeaus fliegen, ob ihr beim Putten die ideale Schussrichtung abrufen oder den Drall noch in der Luft beeinflussen könnt. Damit finden Simulations-Puristen ebenso ihre Herausforderung wie Arcade-Liebhaber.        

Fazit

Zaghafte Veränderungen auf Xbox 360, eine immer noch beschnittene Version für PSP und das kaum veränderte Spiel auf PlayStation 2 – Tiger Woods PGA Tour 07 zeigt viele Farben. Dass sich die Handheld-Umsetzung so gut anfühlt wie ihre Konsolen-Brüder, ist klasse, aber mit mehr Liebe zum Detail hätte sie so gut sein können wie das PS2-Pendant. Dieses bietet bis auf einige Spielmodi wiederum so wenig Neues, dass Kenner des Vorgängers getrost darauf verzichten können. Bleibt die zweite Auflage der Next-Gen-Fassung, in der ihr zwar auf nur halb so vielen Kursen wie PS2-Golfer antretet, dafür aber eine weiter entwickelte Schlagtechnik erlebt. Alles in allem locht der Tiger damit auf Xbox 360 als Erster ein, zumal es mit seiner frischen Benutzerführung und schönen Kulisse auch das Auge bedient. Der Schritt in die nächste Generation lässt allerdings immer noch auf sich warten. Dazu sind Umgebung und Zuschauer zu detailarm gestaltet und letzten Endes haben es die Entwickler auch auf PSP und PS2 schon immer verstanden, euch auf atmosphärisch dichte Golfplätze zu entführen. Dafür sorgen die entspannte Musik, die großartigen Kommentatoren sowie viele Geräusche wie Flugzeuge oder zwitschernde Vögel. Es mag nicht schwer sein, eine unbewegliche Kulisse in Szene zu setzen – doch wie gut EA das schafft, haben vor kurzem die leblosen Kurse in ProStroke Golf bewiesen. Auch wenn der Zufall beim Spiel mit der 360-Version einigen Spielern ein Dorn im Auge sein kann: Tiger Woods ist auf allen Systemen die gewohnt lupenreine Simulation, mit der sogar Arcade-Fans glücklich werden. Fürs nächste Jahr wünsche ich mir allerdings mehr Kurse, ein vollständiges Handheld-Paket, eine deutsche Xbox-Veröffentlichung sowie spielerischen Fortschritt auch auf PS2 und PSP. Dass die Kulisse die verschiedenen Systeme ausreizt, wage ich hingegen nicht mehr zu hoffen. Oder?

Pro

<P>
realistische Ballphysik
hervorragende Steuerung
umfangreiche Spieler-Erstellung
Karriere mit Rookie-Tiger Woods auf 360
perfekte Mischung aus Arcade und Simulation
Anpassen an eigenes Können (PS2, 360)
tolle Einführung auf 360
entspannter Soundtrack
bekannte, großartige englische Kommentare
schöne Animationen
Zuschauer stehen nicht regungslos am Fleck
Online-Turniere und tägliche Herausforderungen (PS2, 360)</P>

Kontra

<P>
nur zwölf Kurse auf PSP und Xbox 360
lasche Team-Tour statt Legenden-Modus
PS2 und 360 optisch zwei über Par
kaum Spielvarianten auf PSP
keine Schwierigkeitseinstellungen auf PSP</P>

Wertung

360

Auf Xbox 360 wirkt der Tiger frischer als in den letzten vier Jahren.

PlayStation2

Kaum Neues zum Vorjahr. Leider wurde der Legenden-Modus gestrichen.

PSP

Besser als im Vorjahr! Das erste "vollständige" Tiger Woods auf PSP.

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