Darksiders22.11.2016, Mathias Oertel
Darksiders

Im Test: Krieg ist zurück

Vor gut sechs Jahren zog Krieg als erster Apokalyptischer Reiter durch Darksiders (ab 9,99€ bei kaufen), damals noch in Diensten von THQ. Sein Bruder Tod folgte zwei Jahre später in der Fortsetzung, bevor wiederum nur etwa ein halbes Jahr danach der Publisher aus Kalifornien die Segel streichen musste. Die Rechte liegen mittlerweile bei THQ Nordic, die mit der Warmastered Edition von Darksiders das Action-Adventure für eine neue Generation aufbereitet haben.

Die Welt am Abgrund

Wenn es nach der Fantasie von Comic-Zeichner Joe Madureira geht (u.a. X-Men), der seinerzeit für Darksiders verantwortlich zeichnete und nach der Demission von THQ und damit auch seiner Firma Vigil Games mittlerweile an einer Umsetzung von Battle Chasers arbeitet, können wir uns von der Welt, wie wir sie kennen, verabschieden. In Darksiders ist sie nur noch der Schauplatz eines Kampfes zwischen den Dämonen der Hölle auf der einen sowie bis an die Zähne bewaffneten Engeln auf der anderen Seite. Und mittendrin steht Krieg, einer der vier apokalyptischen Reiter, die eigentlich nur dann gerufen werden, wenn das ominöse "Siebte Siegel" gebrochen wurde. Oder aber, wenn beim Kampf von Dämonen und Engeln der seit Äonen währende Pakt nicht beachtet wird und der "Feurige Rat" als Wachorgan seine Reiter als Exekutive los schickt.

Dank des Comic-Designs wirkt die Kulisse fast noch zeitgemäß, während man allerlei Effekte und Texturverbesserungen hinzugefügt hat.
Doch offensichtlich ist weder das eine noch das andere passiert: Dementsprechend verwirrt ist Krieg, als er sich alleine -ohne Pferd oder seine apokalyptischen Reitkumpane- in einer amerikanischen Metropole der Gegenwart inmitten des vermeintlichen Weltuntergangs wiederfindet. Er vernichtet Engel wie Dämonen gleichermaßen mit seinem Schwert Chaosfresser oder dezimiert in seiner feurigen Chaosform die Gegner, während um ihn herum die menschliche Bevölkerung panisch durch die Häuserschluchten läuft. Was ist da bloß los?

Apokalyptische Rache

Noch überraschter ist er allerdings, als er feststellen muss, dass ihm nahezu alle Fähigkeiten fehlen, als er schließlich dem Erzdämon Straga gegenübertritt. Was wiederum nichts gegen die Überraschung ist, dass er diese Auseinandersetzung nicht überlebt und der Feurige Rat ihn nach 100 Jahren wiederbelebt, um ihn seiner Strafe zuzuführen. Dafür, dass er die Apokalypse mit herbeigeführt habe, anstatt sie zu verhindern. Und dafür, dass er den Ehrenkodex verletzt habe. Das kann Krieg nicht auf sich sitzen lassen. Er macht dem Rat einen Vorschlag: Er wird die wahren Schuldigen finden und sie bestrafen. Oder er wird bei dem Versuch sterben und der Rat kann sich darüber freuen, dass die Dämonen ihm die Arbeit abgenommen haben.

Auch die Kämpfe profitieren von der aufgepeppten Kulisse, sind aber immer noch zu leicht...
Und damit beginnt eine Reise, die Krieg in den Kampf gegen Dämonen- und Engel gleichermaßen schickt, bei der keine Seite eine weiße Weste und jeder etwas zu verbergen hat oder ohnehin seine eigenen Ziele verfolgt. Ähnlich wie Bayonetta spielt Darksiders mit religiösen Themen, baut auf die dadurch entstehenden Assoziationen (z.B. Engel = Gut) und wirft sie dann über den Haufen. Egal ob Erzengel oder ein Stellvertreter von Belzebub höchstpersönlich: Man weiß nie, wem man trauen kann oder nicht. Und das macht neugierig!

Kleiner Kriegsgott

Doch gerade in der Anfangsphase ist vom gleichermaßen offenen wie klassischen Spielkonzept wenig zu sehen. Die ersten ein bis zwei Stunden kann man mit gutem Willen als ausführliches Kampftutorial bezeichnen, denn hier gibt es zu viel geradlinige Action. Action, die sich nicht nur durch einen sehr anspruchslosen Schwierigkeitsgrad anzubiedern versucht („Haben wir auch ja alle Einsteiger an Bord?“), sondern bei mir damals wie heute unwillkürlich Gedanken an einen gewissen Kriegsgott der Santa Monica Studios hervorruft.

Auf PS4 Pro und PC wird eine 4K-Auflösung angeboten.
Und das ist ein Vergleich, der Krieg nicht gut tut und dem er nach wie vor nicht standhalten kann. Sicher: Das Kampfsystem geht leicht von der Hand und die Finisher, die allesamt über einen simplen Knopfdruck auf die Kreis- bzw. B-Taste zu erreichen sind, machen einiges her. Doch alles wirkt zu mager, zu anspruchslos: Wieso gibt es z.B. nur eine Taste für die Schwertangriffe und eine, um schwächere Gegner zu greifen oder die Finisher einzuleiten, die zwar brachial sind, an denen man sich aber irgendwann satt gesehen hat? Anstatt nur die Technik aufzuwerten und an moderne Systeme anzupassen, hätte man vielleicht sogar die Mühen auf sich nehmen und einige mechanische Ergänzungen wie z.B. eine Erweiterung des Kampfsystems einbauen können.

Großes Action-Adventure

Doch letztlich hat natürlich auch weiterhin Bestand, dass der apokalyptische Reiter spielmechanisch tatsächlich die Kurve kriegt und sich vom billigen God of War-Klon zu einem interessanten Action-Adventure klassischer Natur mausert. Denn nach der Anfangsphase, die gerade mal das Nötigste tut, um einen einzufangen und mitzunehmen, geht es langsam zum ersten Höhepunkt, dem ersten großen Boss - und auf einmal nimmt Darksiders Fahrt auf und steigert sich bis zum Finale. Es kommen im richtigen Rhythmus neue Elemente hinzu, wie z.B. Sekundärwaffen, die das Kampfsystem zwar nicht wesentlich anspruchsvoller, aber doch deutlich abwechslungsreicher gestalten - vor allem auch, weil die drei Primärwaffen Schwert, Sense und Nahkampfhandschuh über ein eigenes Erfahrungssystem verfügen.

Je nachdem, wie häufig man die jeweilige Waffe einsetzt, um die Gegner zu plätten, wird sie mit zunehmenden Stufen nicht nur mächtiger, sondern kann auch mit neuen Angriffen erweitert werden. Diese bekommt man beim

Nach dem schwachen Einstieg öffnet sich die Welt zu einem spannenden Action-Adventure, das an späte Abenteuer eines gewissen Link erinnert.
dämonischen Händler Vulgrim, der im späteren Verlauf nicht nur als Kaufladen, sondern auch als Teleportstation zwischen den großräumigen Abschnitten fungiert. Doch natürlich ist auch für einen Reiter der Apokalypse nichts kostenlos. Und wenn Krieg mehr als nur kluge Sprüche von Vulgrim möchte, muss er für Waffenerweiterungen, Gesundheitskristalle usw. mit den Seelen bezahlen, die er von getöteten Gegnern erhält, bevor sie sich auflösen und wieder in die Hölle (oder den Himmel) verschwinden.

Liebe auf den zweiten Blick

Natürlich kann man bis hierhin sagen, dass Darksiders das Rad nicht neu erfand und nach modernen Maßstäben angenehm klassisch aufgebaut wurde. Das gilt auch für die weiteren Elemente, die nach und nach Einzug halten: Der Klingenbumerang ist aus verschiedenen Spielen bekannt. Der Wurfhaken, der wahlweise zum Schwingen über Abgründe oder zum Ranziehen an bestimmte Markierungen genutzt werden kann, kann auch nicht das Wort Innovation für sich beanspruchen. Magische Fähigkeiten, die gegen die Gegner eingesetzt werden können, kennt man ebenfalls. Und natürlich gilt das auch für den aus Portal entliehenen „Leereläufer“, der an bestimmten Kirchenfenstern genutzt werden kann, um zwei Portale zu erschaffen, mit denen man schnell Entfernungen überbrücken kann.

Oder für Kriegs Pferd Ruin, das etwa zur Mitte des Spieles (und damit für meinen Geschmack zu spät) wieder zu ihm stößt und den apokalyptischen Reiter zu dem macht, was ihn auszeichnet. Schon Link und Kameo haben mit Reittieren ihre jeweiligen Abenteuer aufgewertet. Allerdings sind die Pferdeeinlagen mit leichten Haken und Ösen versehen, die zwar nicht für Frust, aber immer wieder für leichte Ärgernisse sorgen: Der Kampf vom Pferderücken ist etwas hakelig und da Ruin im Gegensatz zu Krieg nicht aktiv springen kann, muss man mitunter unnötig absteigen, eine kleine Stufe hinaufspringen und das Pferd wieder beschwören. Das hat schon vor sechs Jahren gestört und hätte mittlerweile entfernt werden können.

Es gibt zahlreiche Geheimnisse, die man in den sauber gestalteten Arealen finden kann.
Mit jedem neuen Gegenstand hat man in nahezu allen Abschnitten Zugriff auf neue Bereiche und Geheimnisse – wenn man gewillt ist, sich umzuschauen. Und spätestens wenn man den dritten Torwächter wachgerufen und damit ein weiteres Gebiet freigeschaltet hat, ist klar, dass die Rachemär so weit von God of War, Devil May Cry & Co entfernt ist wie ein Vegetarier vom Steakhouse. Bis auf wenige Ausnahmen ist man nicht auf festgelegten Wegen unterwegs, sondern kann frei umher schweifen und seinem Entdeckerdrang nachgehen, so dass Krieg eher als Nachfolger im Geiste für Raziel (Legacy of Kain) gesehen werden kann und sich eher an Link als an Bayonetta anschmiegt. Zwar verlässt man sich hin und wieder zu sehr auf Arenakämpfe, um ja auch die Kratosse und Dantes bei Laune zu halten. Aber dass der Reiter der Apokalypse sämtliche Fähigkeiten teils in Kombination sowohl für intelligente Umgebungsrätsel als auch für Bosskämpfe nutzen muss, wertet Darksiders auf und sorgt für Motivation bis zum Ende. Wie beispielsweise in der Endphase, wenn Krieg zuerst eine Zeitverlangsamung aktivieren, dann durch ein Portal schlüpfen und insgesamt drei Schalter mit seinem Klingenbumerang betätigen muss, um einen Lichtstrahl durch eine Tür zu leiten. Mit zunehmender Dauer nimmt der prozentuale Anteil der Action innerhalb der Gesamtspielzeit immer mehr ab, wie der integrierten Statistikübersicht  zu entnehmen ist – und das ist durchweg positiv zu sehen.

Stylisch mit Abstrichen

Egal, ob auf Deutsch oder Englisch: Die akustische Seite überzeugt mit satten Effekten, gelungener Sprachausgabe und stimmungsvollen Kompositionen.
Dass Joe Madueira sich seinerzeit für einen konsequent durchgezogenen, zeitlos wirkenden Comicstil entschieden hat, kommt der Warmastered Edition auch sechs Jahre nach der Premiere zugute. Die knalligen Farben sorgen zusammen mit den klaren Strukturen und stilisierten Fontänen an Dämonen- oder Engelsblut dafür, dass Kriegs Abenteuer dem Zahn der Zeit vor allem hinsichtlich des Figurendesigns wunderbar widerstanden hat. Und man hat sich bei THQ Nordic bzw. dem verantwortlichen deutschen Studio von Kaiko , das auch an der „Restaurierung“ der Deathinitive Edition von Darksiders 2 mitwirkte, nicht nur darauf verlassen, eine höchstmöglich aufgelöste Variante der damaligen PC-Version auf die modernen Konsolen zu bringen. Die Farben wirken hier kraftvoller als seinerzeit, während das Geschehen mit sauberen 60 Bildern pro Sekunde in nativen 1080p abläuft. Die Textur-Auflösung wurde im Vergleich zur Ur-Version verdoppelt. Die Effekte wurden überarbeitet. Und selbst im kleinen Detail wie deutlich feiner aufgelösten Schatten hat man Hand angelegt. Besonders wichtig: Das Tearing, das seinerzeit auf allen Systemen ins Auge stach, wurde komplett ausgemerzt. Auf der PlayStation 4 Pro ist sogar eine 4K-Auflösung möglich - ebenso in der bald erscheinenden PC-Variante, die im Gegensatz zum Original über zusätzliche Video-Optionen verfügen soll, um die Darstellung bestmöglich an die vorhandene Hardware anpassen zu können.

Lob muss man auch weiterhin der deutschen Lokalisierung zollen. Unter dem Strich ist die ebenfalls enthaltene englische Sprachvariante zwar einen Tick intensiver und mit namhaften Sprechern wie Mark Hamill besetzt, doch die lokale Variante enttäuscht keinesfalls. Gleiches gilt für den meist orchestralen Soundtrack, der vor allem in der Anfangsphase gewaltig dazu beiträgt, Assoziationen zu God of War zu wecken - was nicht verwunderlich ist, kommen die Kompositionen doch aus der Feder der Kratos-Komponisten Cris Velasco und Mike Reagan, die auch hier ihre akustische Magie wirken lassen.

Fazit

Natürlich würde ich jetzt lieber über eine weitere Fortsetzung der Serie schreiben als über die überarbeitete Wiederveröffentlichung von Darksiders 1. Doch ich habe sechs Jahre nach dem Original wieder eine Menge Spaß mit der Warmastered Edition. Kriegs Abenteuer wurde zwar nur visuell angepasst und auf moderne Standards gebracht, während spielerische Mankos wie die abseits der Bosse zu leichten Kämpfe oder die Abnutzung der Finisher nicht behoben wurden. Doch nach dem schwachen Einstieg läuft Krieg auch auf PS4 und One wieder zu Hochform auf und steigert sich kontinuierlich mit seinem stark an späte Zelda-Abenteuer oder Soul Reaver erinnernden offeneren Leveldesign bis zum Schluss. Da sich das Comicdesign zudem schadlos gehalten und keinen Staub in den letzten sechs Jahren angesetzt hat, ist Darksiders immer noch eine interessante Alternative im Action-Adventure. Klar ist aber auch: Wer das Original gespielt hat, wird außer einer frischen Lackierung nichts Neues entdecken.

Pro

viel zu entdecken
Mischung aus Kampf und Level-Erforschung
intuitive Steuerung
spannende Bosskämpfe
gute Lokalisierung
Waffen mit Erfahrungssystem
interessante Story
komfortables Kontrollpunkt-System
intelligente Umgebungs-Rätsel
gelungene Comic-Kulisse
nur selten Besuche bereits erledigter Abschnitte nötig
englische Sprachspur optional
Waffen können mit Verstärkungen ausgerüstet werden
überarbeitete Kulisse

Kontra

schwacher Einstieg
Finisher nutzen sich viel zu schnell ab
Kämpfe bis auf Bosse zu anspruchslos
Steuerungsprobleme im Kampf zu Pferd
mitunter unglücklich positionierte Kamera

Wertung

XboxOne

Spielerisch unverändert zum Original, sorgen zahlreiche visuelle Verfeinerungen zusammen mit dem zeitlos guten Comic-Design dafür, dass Kriegs Abenteuer in diesem Remaster den Sprung in die Gegenwart gut übersteht.

PlayStation4

Spielerisch unverändert zum Original, sorgen zahlreiche visuelle Verfeinerungen zusammen mit dem zeitlos guten Comic-Design dafür, dass Kriegs Abenteuer in diesem Remaster den Sprung in die Gegenwart gut übersteht.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.