Im Test:
Spannend? Nö!
Mal ehrlich: Sonys Ziegelstein-aufs-Gaspedal-Serie war immer eine Art Vorzeigeprojekt. Zu sehen gab's umwerfende Optik, zu hören gab's satte Elektro-Beats. Das Konzept wurde zwar Nachfolger für Nachfolger nie neu erfunden, aber zumindest stand jeder neue Startschuss für irgendetwas Neues. Und genau damit ist jetzt erst mal Schluss! Tat das Not? Ist ja nett, sechs Strecken aus Pure und zwei aus Pulse auch mal in exorbitanter Auflösung, zu dreidimensionaler Akustik, online und mit Ranglistenwettstreit zu erleben. Aber ist das heute noch so spannend, Rennen auf längst bekannten Kursen in längst bekannten Gleitern zu gewinnen, um andere, ebenso lang bekannte Kurse und Gleiter freizuschalten? Nö. Und deshalb gibt's einen dicken Rüffel für das ansonsten großartige Spiel.
Mir wäre es nämlich lieber gewesen, wenn man die vergangenen zwei Jahre in ein komplett neues WipEout gesteckt hätte, anstatt kalten Kaffee aufzubrühen. Selbst das Quasi-Remake WipEout 64 fühlte sich frischer an. Bekannte Ausblicke - neue Brillanz.
Immerhin: Das mit dem Aufbrühen beherrscht man in Sonys Liverpool-Studio ganz hervorragend. Jedenfalls haben die (technisch) ollen PSP-Kamellen nie besser ausgesehen und geklungen. Sie sehen sogar umwerfend gut aus und rattern mit erdbebensicheren 60 Bildern pro Sekunde über die hochauflösende Mattscheibe. Kein Wunder: Das Geschwindigkeitsgefühl könnte gerne einen Zacken rasanter sein und ich kann mir nicht vorstellen, dass die im aktuellen Vergleich etwas detailarmen Kulissen die PS3 voll ausreizen. Vielleicht fehlt es der stylischen Sci-Fi-Welt deshalb ein wenig an Leben, aber unterkühlte Zukunftsmusik gehört bei WipEout ja seit jeher zum guten Ton - vom eiskalten Menü bis hin zum blitzsauberen Gegenentwurf zum Blade Runner-Moloch. Apropos: Wenn eine leise Computerstimme vor dem Start einen System-Check macht, wenn sich die Vehikel mit einem satten Ratsch in die elektromagnetischen Streckenteile einhaken und wenn das Einschalten des Schutzschildes sämtliche Umgebungsgeräusche dämpft, dann klang das alles auch nie besser!
Sony eliminiert den Eliminator
Visueller Höhepunkt sind die Zone-Rennen, bei denen das eigene Schiff unaufhaltsam immer schneller wird. Da brettert das Geschoss nicht nur wie in Pulse mit Überlichtgeschwindigkeit über zweifarbige Variationen der acht Kurse; der leuchtende Neon-Anstrich baut sich auch in regelmäßigen Abständen komplett neu auf. Der Boden sieht zudem so aus, als hätte man einen grafischen Equalizer darin eingelassen - besser kann man Geschwindigkeit, Musik und Stil nicht verbinden! Wer solche Momente für die Ewigkeit festhalten will - und das sollte man - dreht und kippt die Kamera um seinen Gleiter, schaltet diverse Filter zur Bildbearbeitung an und knipst so beeindruckende Aufnahmen seines Zukunftsausflugs.
Quasi im Gegenzug sind die Entwickler so freundlich und ersparen uns den Eliminator - einen Hier-geht's-nur-um-Abschüsse-Modus, den sie mit Pulse ja erst reanimiert hatten. Doof! Die Kopf-an-Kopf-Duelle fehlen mir ebenso, ansonsten ist alles Grundlegende dabei: Normale Wettläufe, Turniere, Zeitrennen und Schnelle Runden. Wer gerade nicht in der Kampagne schwitzt, kann die Schnelle Runde übrigens wieder 99 mal hintereinander angehen, anstatt nach jeweils sieben Umdrehungen von vorne zu beginnen. Während der Kampagne ist HD hingegen erstmals so
freundlich, den Wettlauf gegen die Zeit automatisch zu beenden, sobald man die für eine Goldmedaille notwendige Zeit unterboten hat. Außerdem brummt eine männliche Technostimme schon während der Umläufe, für welche Medaille ein abgeschlossener Umlauf gut war. Das praktische Entgegenkommen hat allerdings einen happigen Preis: Denn Sony lässt zwar jeden Halbwegs-Könner Bronze- oder Silberzeiten einfahren, für Goldmedaillen sind aber echte Rekordläufe nötig - endlich! Und auch die Gegner haben dazugelernt: Selbst wer in Pulse der härtesten Konkurrenz noch von dannen gezogen ist, schaut deren Nachfolgern erst mal verdutzt in den Abgasstrahl - wenn überhaupt. Der Lohn der Mühe? Na, dieses beruhigende Gefühl, etwas Knackiges entknackt zu haben! Ach, und natürlich weitere Rennen, die ebenfalls wie bei Pulse in einem wabenförmigen Menü Stück für Stück geöffnet werden. Mitunter schwankt die Herausforderung zwischen zwei aufeinander folgenden Rennen allerdings zu sehr und die "Elite"-Konkurrenz ist nur deshalb ein harter Brocken, weil sie von unnatürlicher KI-Hand gelenkt frustrierend schnell rasen kann. Manchmal muss man deshalb ungewohnt hart beißen, obwohl die Kontrahenten sonst nichts außer Geradeaus-Fliegen gelernt haben. Das darf bitte trotz Spielhallen-Flair cleverer gelöst werden. Dieser Piranha übersteht die Quake-Waffe.
Die Fanboy-Seele
Wer's weniger aufregend mag, kann die Schwierigkeit freilich in drei Stufen regeln. Blutige Anfänger schalten außerdem eine Flughilfe dazu, die den Gleiter automatisch von der Bande fernhält. Keine Angst: WipEout tut nicht so, als wäre ihm ein Herz für Sonntagsfahrer gewachsen. Dank Flughilfe dürfen sich Einsteiger aber zumindest auf "Neuling" an eine Bronzemedaille wagen. "HA! Und diese Banausen versauen uns 'ehrlichen' Spielern dann die Online-Ranglisten, weil sie vor Kurven nicht abbremsen müssen, richtig?" Falsch! Während sich der angebliche Banause nämlich über frustfreies Fliegen freut, darf der Gleiter des vermeintlichen Experten deutlich schneller fliegen. Außerdem zuckt selbst die Flughilfe nur mit den Schultern, wenn man im rechten Winkel gen Begrenzungsmauer schlittert. Ist doch fair!
Nicht zuletzt haben die Liverpooler in den vergangenen Jahren auch so an der Flugphysik gedreht, dass inzwischen selbst Frischlinge zumindest mit der Steuerung zurechtkommen sollten. Der Kniff: Die ursprünglich mal furchtbar trägen Luftschlitten (cool!) drehen sich jetzt ohne großartiges Murren in die Kurven. Meine Fanboy-Seele fühlt sich zwar ein wenig im Stich gelassen, nickt den gelungenen Kompromiss aber anerkennend ab. Nur die obligatorische optionale Sixaxis-Unterstützung hätte Sony stecken lassen können: Ich halte es für so gut wie unmöglich, in der höchsten von vier Geschwindigkeitsklassen Rekordzeiten mit dem Pseudolenker einzufliegen. Immerhin darf man wahlweise auch nur den Neigungswinkel der Nase per Sixaxis steuern, ansonsten aber mit Analogstick oder Digipad lenken - und das kann mit etwas Übung wiederum eine hervorragende Hilfe sein.
Das Online-Zeitalter
Zurück zum Umfang, der wie schon bei Pulse auch mit Internet- sowie endlich wieder mit Splitscreen-Rennen gefüttert wird. Nach Pulse kommt WipEout damit endgültig im Zeitzalter des weltweiten Konkurrenzkampfes an, der entweder in einzelnen Rennen oder frei einstellbaren Turnieren ausgetragen wird. Mehr als das plus ewige Onlinelisten heldenhafter Bestzeiten ist jedoch nicht drin. Der Eliminator-Modus wurde ja ohnehin gefeuert, ebenso erging es der Möglichkeit, eigene Kampagnen zu erstellen und auszutauschen. Freunde in einen frisch kreierten Online-Lauf einzuladen, dürfen wir uns ebenfalls abschminken. Man sieht auch nicht, in welchem Rennen ein Kumpel momentan schwitzt. Stimmt schon; wer ist denn so blöd, den Nachbarn aus der
Dank verschiedener Effekte dürft ihr eure Screenshots vor dem Speichern noch bearbeiten. |
Und bei all der Meckerei muss ich ja eingestehen, dass diese Sucht mit HD sogar eine neue Qualität gewinnt. Schuld sind die etlichen kleinen Verbesserungen, an denen man sieht, dass den Leuten in Liverpool ihr Baby wohl doch am Herzen liegen muss. Da geht's nicht um die herausragende visuelle Brillanz oder in 5.1 abgemischtes Elektro-Hämmern. Da geht's darum, dass die Wettläufe knackiger werden, weil jetzt wesentlich häufiger ein "Contender Eliminated" von einer Totalverschrottung zeugt - die dann zum ersten Mal den Rest des Rennes den Rand der Flugbahn ziert. Oder darum, dass die Musik zu Beginn eines Rennens endlich dort weiter macht, wo sie zum vergangenen Rennende gestoppt wurde - das funktioniert sogar nach einem Neustart des Spiels. Es geht auch darum, dass jeder seine eigene Musik einbinden darf - dabei werden sogar die unterschiedlichen Lautstärkepegel solcher Dateien auf das Spielniveau angeglichen. Es geht darum, dass der erst in Pulse vorgestellte "Elektrokäfig", der die Flieger nicht über den Streckenrand fallen ließ, wieder "abgeschraubt" wurde - viel Spaß beim Aufspüren von Abkürzungen! Und es geht darum, dass jeder Online-Raser vor dem Start eines Turnierlaufs entsprechend seiner Platzierung an den Start gestellt wird - die Schnellsten kommen so nach hinten; die Langsamen dürfen nicht mehr über Benachteiligung meckern.
Natürlich sind das nur Details. Weil es ein ganzes Bataillon solcher kleiner Verbesserungen gibt, sieht man allerdings, wie viele Gedanken sich die Entwickler gemacht haben, um eben nicht nur ein "Textur-Update" abzuliefern.
Aber.
Aber!
Wieso machen sie's dann doch? Warum gibt's nur acht Strecken in einer Konsolen-Umsetzung von gleich zwei vollwertigen Vorläufern? Weshalb wurde der Soundtrack nicht nur eins zu eins aus Pulse übernommen, sondern von satten 16 auf handliche neun Stücke gestutzt? Wie kommen Sound-Aussetzer ins Spiel, wenn man ohne eigene Musik startet? Wo sind eigentlich Wiederholungen, die auf PS3 doch endlich machbar sein müssten? Weswegen pfeift Sony diesmal auf eine alternative und erst dadurch interessante Streckenführung auf den auch rückwärts befahrbaren
Änderungen im Kleinen machen WipEout besser - im Großen bleibt allerdings alles beim "PSP-Alten". |
Natürlich kann man davon ausgehen, dass für WipEout HD weitere Strecken und Gleiter im PlayStation Netzwerk auftauchen. Vielleicht dürfen wir ja sogar für mehr Spielmodi oder Musikstücke zahlen; ich werde Zähne knirschend einer der Ersten sein! Dann wird aus dem mickrigen, aber günstigen Remake eben ein umfangreiches, aber teures Remake. Eine Frischzellenkur für zwei grandiose PSP-Vorgänger - die grafisch und akustisch fast alles richtig macht. Die aber die partout nichts Eigenes bieten will.
Fazit
Manche Fans beklagen ja immer noch die Trennung von der Künstlertruppe "Designer's Republic" - das können sie sich spätestens jetzt sparen. Denn WipEout HD erstrahlt nicht nur in voller Hochauflösung, es sieht vor allem umwerfend edel aus. Vom blau-weißen Menü-Minimalismus zur Nahaufnahme der grazilen Flugmonster: Ich kann mich an der futuristischen Brillanz gar nicht satt sehen. Abgerundet wird die Eleganz von wohlig surrenden Motorgeräuschen, wummernden Explosionen und kraftvollen Surround-Beats - WipEout klang auch nie besser! Leider hat Sony nur irgendwo zwischen HD und 5.1.glatt vergessen, dem lechzenden Technikantrieb auch Treibstoff einzuflößen. Muss meine PS3 denn wirklich beweisen, dass Schnee von gestern heute viel besser aussieht als... gestern eben? Und wenn man schon nur ein Oberflächen-Update liefert, wieso fehlt dann mehr als die Hälfte? Acht Strecken aus mehr als 30 möglichen kann nicht alles sein, martialische Eliminator-Rennen hätten auch mit 1920*1080 Pixeln für viel Schadenfreude gesorgt und online geht heute ebenfalls mehr als einzelne oder gestaffelte Wettläufe. Großer Vorteil der Frischhalte-Taktik: Die elegante Rasanz der Zukunftsrennen hatte mich auch diesmal umgehend gepackt und bis jetzt nicht losgelassen. Alleine im grandiosen Zone-Modus verliere ich regelmäßig das Gefühl für Raum und Zeit. Doch trotz des gerade mal 18 Euro teuren Downloads zieht mich dieser unangenehm saure Nachgeschmack immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück - ein maues Déjà-vu-Gefühl, das einfach nicht zu WipEout passen will.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation3
Zwei großartige PSP-Titel als PS3-Remake - das inhaltlich beiden hinterher hinkt.
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