Prey15.02.2017, Marcel Kleffmann
Prey

Vorschau: Dishonored + BioShock im Weltraum

Nein, das neue Prey (ab 5,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) hat mit dem taffen Indianer aus dem Jahr 2006 und dem eingestellten zweiten Teil von Human Head nichts zu tun. Es ist ein kompletter Neustart, der sich als Shooter mit viel Handlungsfreiheit und Raum für Erkundung in einem Science-Funktion-Szenario mit Artdeko-Flair präsentiert. Das von Arkane und Bethesda entwickelte Actionspiel erinnert an Dishonored 2 und BioShock mit leichten Horror-Anleihen, da fiese Formwandler-Aliens überall und zugleich alles auf der Raumstation sein können. Und seit unserer zweistündigen Anspielrunde trauen wir keiner Kaffeetasse und keinem Blumenarrangement mehr ...

Ein fehlgeschlagenes Experiment

Prey spielt in einer alternativen Zeitlinie, in der US-Präsident Kennedy das Attentat überlebt hat. In dieser Welt forcierte der Präsident die Raumfahrt, übernahm die Kontrolle über ein Gemeinschaftsprogramm von USA und UdSSR und verwandelte einen russischen Satelliten in eine Forschungsanlage, die Außerirdische untersuchen sollte. Diese Anlage entwickelte sich weiter zur Talos 1, einer großen Raumstation, die nun im Besitz der TranStar Corporation ist. Die Jahre vergingen und mit der Zeit wurden moralisch fragwürdige Experimente an Bord der Station durchgeführt, bei denen Menschen als Versuchspersonen dienten. Wissenschaftler versuchten die Fähigkeiten einer außerirdischen Lebensform namens Typhon zu extrahieren und diese auf Menschen zu übertragen. Doch bei diesen Experimenten lief etwas schief. Die Typhon entkamen und schalteten fast alle Menschen auf der Raumstation aus. Eine der überlebenden Personen war Morgan Yu - eine der Testpersonen dieser Experimente. Und als Morgan Yu darf man - entweder männlich oder weiblich - die Geheimnisse auf der Raumstation aufdecken und muss irgendwie verhindern, dass die Außerirdischen ihre Tentakeln in Richtung Erde ausstrecken.

Nicht allein auf der Raumstation

Welche Schlüsselrolle spielt Alex Yu, der Bruder von Morgan Yu, in Prey? Vor den ersten Experimenten verspricht er zumindest den baldigen Aufenthalt im Erdorbit.
Nach den ersten ebenso verwirrenden wie erleuchtenden Minuten auf der Talos 1 bewegt man sich zunächst durch die engen Gänge der Raumstation. Die Stimme einer unbekannten Person im internen Kommunikationssystem gibt den Weg vor und dennoch ist keine Menschenseele zu sehen oder zu hören - und irgendwie scheint die Station auch beschädigt zu sein.

Auf dem Boden krabbeln immer wieder schwarze, sich verzerrt bewegende Kreaturen herum, die mit einem verlängerten, spitzen Tentakelarm attackieren. Mehreren Hieben mit einem Stahlrohr können diese aggressiven Wesen aber nichts entgegensetzen, wobei eine begrenzte Stamina-Leiste verhindert, dass pausenlos drauflos geprügelt oder lange gesprintet werden kann.

Dann fällt Morgan die GLOO-Kanone in die Hände - einerseits eine klebrige Waffe, andererseits ein praktische Hilfsmittel, um Orte zu erreichen, die sonst unzugänglich sind. So können Feinde mit der Klebekanone verlangsamt bzw. festgeklebt und dann mit anderen Waffen ausgeschaltet werden. Alternativ kann man Klebebrocken an Böden oder Wände schießen und sich eine Treppe bauen, um zum Beispiel eine höhere Etage zu erreichen. Allerdings haften die Klebebrocken nicht aneinander, sondern benötigen eine Umgebung, die "beklebt" werden kann.

Talos 1 im BioShock-Stil

Eine Ladepause später betritt Morgan die zentrale Lobby der Raumstation. Eine Glasfassade erlaubt den Blick auf das Weltall, während auf der anderen Seite diverse weitläufige Untersektionen warten. Der erste Raum ist zwar verschlossen, aber in der TranStar-Ausstellung lauert das erste Phantom, das jedoch nicht sofort auf die Besucherin aufmerksam geworden ist. Eine halbkreisförmige Leiste über dem Gegner signalisiert, ob der Feind den Spieler entdeckt hat oder nicht - ähnlich wie bei Dishonored 2.

In der Lobby der Raumstation Talos 1 öffnen sich Spielwelt und Möglichkeiten.
Es ist also möglich, sich unbemerkt an Feinde "heranzuschleichen" und sie auszuschalten. Diesmal wird der laute Weg gewählt und nach ersten Schüssen aus der Schrotflinte verschwindet das Phantom rasant. Der Blick wird frei auf eine interaktive Museumsinstallation, die beim Betreten der Bodenplatten eine Audio-Aufzeichnung zur alternativen Zeitlinie abspielt. Alles ist in einem feinen Artdeko-Stil mit viel Holz und vergoldeten Elementen gehalten, das bisher nur in wenigen Science-Fiction-Raumstationen zu sehen war. Selbst die Toiletten sehen gülden aus und natürlich verstecken sich hier fiese Aliens sowie Informationen oder Gegenstände.

Paranoia greift um sich

Die kleinen "vierbeinigen" Biester heißen Mimics und haben eine besondere Eigenschaft: Sie können ihr Aussehen verändern und sich womöglich als ganz normale Umgebungsobjekte tarnen. Nachdem Morgan zum Beispiel die Tür des Telekonferenzraums aufmacht, sieht der Raum eigentlich leer aus. Geht man weiter, verwandelt sich urplötzlich das Blumenarrangement in einen Mimic, der sofort mit einem Sprung attackiert - versehen mit einem Soundeffekt der Marke Jumpscare. Überraschend! Prinzipiell könnte jeder Gegenstand ein Gegner sein. Das fördert die Paraonia und lässt jeden Raum interessant wirken. Zum Glück wurden solche Grusel- oder Schockeffekte in den ersten zwei Stunden nur selten eingesetzt und nutzten sich daher nicht ab.

Mit dem Erreichen der Lobby öffnen sich Spielgeschehen und Spielwelt immer weiter. Wie bei Dishonored darf man sich in den Levels weitgehend frei bewegen und sich dort ausführlich umsehen, was oft mit hilfreichen Gegenständen, Zugangskarten, Geschichtsschnipseln oder interessanten Aussichten belohnt wird. Und nein, Prey ist kein klassischer Shooter. Es gibt sehr viele Passagen, in denen gar nicht geschossen oder gekämpft wird. Es wird gesucht, erkundet, gelaufen, gerätselt oder gestaunt. Dynamik und Ablauf erinnern eher an Dishonored 2, das vom gleichen Entwickler (Arkane) stammt, sowie an BioShock. Okay, etwas actionreicher als Dishonored ist es schon, aber die Kämpfe nehmen nicht überhand wie in anderen Shootern.

Mimics, Phantome und Munition im Eigenbau

Obgleich einzelne Mimics nicht wirklich fordernd sind, sollte man die Kämpfe nicht unterschätzen. Im IT-Sicherheitsraum, dessen Zugangsschloss mit einem Minispiel gehackt werden kann, sind mehrere Phantoms zugegen. Und die sind schon ein härterer Brocken, da sie sich mit dem Stahlrohr nicht so einfach besiegen lassen. Es hilft hier, in den Raum zu schleichen, die Lage zu sondieren, die Gasflasche (unbemerkt) anzuschießen und danach die Server-Anlagen als Deckung zu nutzen. Blöd nur, das die Phantome ihre Position schnell verändern können und

Solch ein Phantom kann einige Schrotflinten-Schüsse einstecken und sich über eine kurze Strecke teleportieren.
über eine Fernkampfattacke verfügen. Gleichermaßen sollte man auf seine Munition achten, da der Vorrat für Schrotflinte, Pistole und Co. eher rar ist. Nachschub lässt sich praktischerweise selbst herstellen. All die Gegenstände, die Morgan auf der Raumstation mitnehmen kann, lassen sich mithilfe des Recyclers in ihre Grundmaterialien zerlegen. Gesammelte Pflanzen können in organische Brocken und eine Schrotflinte in metallische Bestandteile verwandelt werden. Diese Grundmaterialen lassen sich im "Fabricator" zu neuen Sachen zusammensetzen - zum Beispiel zu GLOO-Patronen für die Klebekanone, für die man zwei Metallwürfel und einen biologischen Würfel braucht, sofern man das notwendige Rezept kennt.

Neuromods und "Spiel wie Du willst"

Dann sind da noch die Neuromods, mit denen man die Charakter-Fähigkeiten durch Injektionen (ins Auge) ausbauen und anpassen kann. Im Skilltree "Wissenschaftler" lässt sich die Effektivität des Hackens oder die Heilung der Medkits steigern. Im "Ingenieursbereich" kann man die körperliche Kraft stärken, die Herstellungsfähigkeiten verbessern, den Inventar-Stauraum vergrößern oder mehr Mikrochips in den Anzug einsetzen. Im Bereich "Sicherheit" lässt sich die Effektivität mit Schusswaffen sowie die körperliche Leistungsfähigkeit (Gesundheit, Stamina, höher Springen und schneller Laufen) steigern. Auch das Schleichen kann verbessert werden. Zu guter Letzt wartet ein Kampffokus, der zehn Sekunden lang die Zeit verlangsamt und den Staminaverbrauch reduziert. Waffen lassen sich ebenfalls mit Upgrade-Kits verbessern.

Im späteren Verlauf der Story wird man die Raumstation auch verlassen können.
Mit den Neuromods kommen unterschiedliche Vorgehensweisen ins Spiel. So konnte man manche Areale erreichen, indem man schwere Sachen wegtrug, andere Areale erforderten die Hacking-Skills, eine Schlüsselkarte, Jump-&-Run-Fertigkeiten oder die grauen Zellen. Die herausragende Klasse des Leveldesigns von Dishonored 2 erreichte Prey in der Anfangsphase nicht ganz, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Mit Weltraum-Spaziergängen und anderen Stationsabschnitten können die Entwickler im späteren Spielverlauf hoffentlich noch eine Schippe drauflegen.

Bisher sieht es so aus, dass die Neuromods eher klassische und weniger überraschende Talente des Charakters verbessern können - wobei der "Wissenschaftler-Fähigkeitsbaum" sehr überschaubar ausfällt. Da in der Demo-Version leider sämtliche fortgeschrittenen bzw. außerirdischen Fähigkeiten deaktiviert waren, konnte man sich nur einen Bruchteil der Möglichkeiten machen, die Prey letztendlich bietet.

CryEngine ist der Motor

Prey basiert auf der CryEngine und nicht auf der Void Engine, die bei Dishonored 2 zum Einsatz kam. Die Entwickler erwarten, dass die Performance der PC-Version besser ausfällt und die Bildwiederholrate nicht so häufig einbricht. Die Testversion, die auf einem (potenten) PC gespielt werden konnte, machte einen ziemlich ausgereiften und performanten Eindruck - und stürzte nur einmal beim Levelwechsel ab.

Ausblick

Der Einstieg von Prey hat mir sehr gefallen. Die düstere Atmosphäre, der stimmige retrofuturistische Stil, die gelungene Mischung aus Action sowie ruhigen Momenten und endlich mal überraschende Gegner ließen die zweieinhalb Stunden auf der Raumstation Talos 1 wie im Flug vergehen. Es fühlte sich wie eine Mischung aus BioShock und Dishonored an - mit einer Spur Horror und Paranoia. Die typische Spielformel der Arkane Studios greift auch hier: Man kann erneut entscheiden, wie man vorgehen möchte und den eigenen Spielstil zwischen Action und Schleichen festmachen, obwohl ich derzeit noch das Gefühl habe, dass Dishonored 2 bei der Spielstilvarianz die Nase vorn haben könnte. Aber weder Weltraumausflüge noch Alienfähigkeiten konnte ich bisher testen. Außerdem sieht es so aus, als würde es in der Welt - abseits der Hauptgeschichte - mehr zu entdecken geben. Wenn jetzt noch das Leveldesign im späteren Bereich ähnlich kreative Qualitäten wie Dishonored 2 aufweist und sich die Typhon anderweitig manifestieren können, steht mit Prey ein echtes Highlight bevor.

Einschätzung: sehr gut

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