Vorschau: Dishonored + BioShock im Weltraum
Ein fehlgeschlagenes Experiment
Prey spielt in einer alternativen Zeitlinie, in der US-Präsident Kennedy das Attentat überlebt hat. In dieser Welt forcierte der Präsident die Raumfahrt, übernahm die Kontrolle über ein Gemeinschaftsprogramm von USA und UdSSR und verwandelte einen russischen Satelliten in eine Forschungsanlage, die Außerirdische untersuchen sollte. Diese Anlage entwickelte sich weiter zur Talos 1, einer großen Raumstation, die nun im Besitz der TranStar Corporation ist. Die Jahre vergingen und mit der Zeit wurden moralisch fragwürdige Experimente an Bord der Station durchgeführt, bei denen Menschen als Versuchspersonen dienten. Wissenschaftler versuchten die Fähigkeiten einer außerirdischen Lebensform namens Typhon zu extrahieren und diese auf Menschen zu übertragen. Doch bei diesen Experimenten lief etwas schief. Die Typhon entkamen und schalteten fast alle Menschen auf der Raumstation aus. Eine der überlebenden Personen war Morgan Yu - eine der Testpersonen dieser Experimente. Und als Morgan Yu darf man - entweder männlich oder weiblich - die Geheimnisse auf der Raumstation aufdecken und muss irgendwie verhindern, dass die Außerirdischen ihre Tentakeln in Richtung Erde ausstrecken.
Nicht allein auf der Raumstation
Auf dem Boden krabbeln immer wieder schwarze, sich verzerrt bewegende Kreaturen herum, die mit einem verlängerten, spitzen Tentakelarm attackieren. Mehreren Hieben mit einem Stahlrohr können diese aggressiven Wesen aber nichts entgegensetzen, wobei eine begrenzte Stamina-Leiste verhindert, dass pausenlos drauflos geprügelt oder lange gesprintet werden kann.
Dann fällt Morgan die GLOO-Kanone in die Hände - einerseits eine klebrige Waffe, andererseits ein praktische Hilfsmittel, um Orte zu erreichen, die sonst unzugänglich sind. So können Feinde mit der Klebekanone verlangsamt bzw. festgeklebt und dann mit anderen Waffen ausgeschaltet werden. Alternativ kann man Klebebrocken an Böden oder Wände schießen und sich eine Treppe bauen, um zum Beispiel eine höhere Etage zu erreichen. Allerdings haften die Klebebrocken nicht aneinander, sondern benötigen eine Umgebung, die "beklebt" werden kann.
Talos 1 im BioShock-Stil
Eine Ladepause später betritt Morgan die zentrale Lobby der Raumstation. Eine Glasfassade erlaubt den Blick auf das Weltall, während auf der anderen Seite diverse weitläufige Untersektionen warten. Der erste Raum ist zwar verschlossen, aber in der TranStar-Ausstellung lauert das erste Phantom, das jedoch nicht sofort auf die Besucherin aufmerksam geworden ist. Eine halbkreisförmige Leiste über dem Gegner signalisiert, ob der Feind den Spieler entdeckt hat oder nicht - ähnlich wie bei Dishonored 2.
Paranoia greift um sich
Die kleinen "vierbeinigen" Biester heißen Mimics und haben eine besondere Eigenschaft: Sie können ihr Aussehen verändern und sich womöglich als ganz normale Umgebungsobjekte tarnen. Nachdem Morgan zum Beispiel die Tür des Telekonferenzraums aufmacht, sieht der Raum eigentlich leer aus. Geht man weiter, verwandelt sich urplötzlich das Blumenarrangement in einen Mimic, der sofort mit einem Sprung attackiert - versehen mit einem Soundeffekt der Marke Jumpscare. Überraschend! Prinzipiell könnte jeder Gegenstand ein Gegner sein. Das fördert die Paraonia und lässt jeden Raum interessant wirken. Zum Glück wurden solche Grusel- oder Schockeffekte in den ersten zwei Stunden nur selten eingesetzt und nutzten sich daher nicht ab.
Mit dem Erreichen der Lobby öffnen sich Spielgeschehen und Spielwelt immer weiter. Wie bei Dishonored darf man sich in den Levels weitgehend frei bewegen und sich dort ausführlich umsehen, was oft mit hilfreichen Gegenständen, Zugangskarten, Geschichtsschnipseln oder interessanten Aussichten belohnt wird. Und nein, Prey ist kein klassischer Shooter. Es gibt sehr viele Passagen, in denen gar nicht geschossen oder gekämpft wird. Es wird gesucht, erkundet, gelaufen, gerätselt oder gestaunt. Dynamik und Ablauf erinnern eher an Dishonored 2, das vom gleichen Entwickler (Arkane) stammt, sowie an BioShock. Okay, etwas actionreicher als Dishonored ist es schon, aber die Kämpfe nehmen nicht überhand wie in anderen Shootern.
Mimics, Phantome und Munition im Eigenbau
Obgleich einzelne Mimics nicht wirklich fordernd sind, sollte man die Kämpfe nicht unterschätzen. Im IT-Sicherheitsraum, dessen Zugangsschloss mit einem Minispiel gehackt werden kann, sind mehrere Phantoms zugegen. Und die sind schon ein härterer Brocken, da sie sich mit dem Stahlrohr nicht so einfach besiegen lassen. Es hilft hier, in den Raum zu schleichen, die Lage zu sondieren, die Gasflasche (unbemerkt) anzuschießen und danach die Server-Anlagen als Deckung zu nutzen. Blöd nur, das die Phantome ihre Position schnell verändern können und
Neuromods und "Spiel wie Du willst"
Dann sind da noch die Neuromods, mit denen man die Charakter-Fähigkeiten durch Injektionen (ins Auge) ausbauen und anpassen kann. Im Skilltree "Wissenschaftler" lässt sich die Effektivität des Hackens oder die Heilung der Medkits steigern. Im "Ingenieursbereich" kann man die körperliche Kraft stärken, die Herstellungsfähigkeiten verbessern, den Inventar-Stauraum vergrößern oder mehr Mikrochips in den Anzug einsetzen. Im Bereich "Sicherheit" lässt sich die Effektivität mit Schusswaffen sowie die körperliche Leistungsfähigkeit (Gesundheit, Stamina, höher Springen und schneller Laufen) steigern. Auch das Schleichen kann verbessert werden. Zu guter Letzt wartet ein Kampffokus, der zehn Sekunden lang die Zeit verlangsamt und den Staminaverbrauch reduziert. Waffen lassen sich ebenfalls mit Upgrade-Kits verbessern.
Bisher sieht es so aus, dass die Neuromods eher klassische und weniger überraschende Talente des Charakters verbessern können - wobei der "Wissenschaftler-Fähigkeitsbaum" sehr überschaubar ausfällt. Da in der Demo-Version leider sämtliche fortgeschrittenen bzw. außerirdischen Fähigkeiten deaktiviert waren, konnte man sich nur einen Bruchteil der Möglichkeiten machen, die Prey letztendlich bietet.
CryEngine ist der Motor
Prey basiert auf der CryEngine und nicht auf der Void Engine, die bei Dishonored 2 zum Einsatz kam. Die Entwickler erwarten, dass die Performance der PC-Version besser ausfällt und die Bildwiederholrate nicht so häufig einbricht. Die Testversion, die auf einem (potenten) PC gespielt werden konnte, machte einen ziemlich ausgereiften und performanten Eindruck - und stürzte nur einmal beim Levelwechsel ab.
Ausblick
Der Einstieg von Prey hat mir sehr gefallen. Die düstere Atmosphäre, der stimmige retrofuturistische Stil, die gelungene Mischung aus Action sowie ruhigen Momenten und endlich mal überraschende Gegner ließen die zweieinhalb Stunden auf der Raumstation Talos 1 wie im Flug vergehen. Es fühlte sich wie eine Mischung aus BioShock und Dishonored an - mit einer Spur Horror und Paranoia. Die typische Spielformel der Arkane Studios greift auch hier: Man kann erneut entscheiden, wie man vorgehen möchte und den eigenen Spielstil zwischen Action und Schleichen festmachen, obwohl ich derzeit noch das Gefühl habe, dass Dishonored 2 bei der Spielstilvarianz die Nase vorn haben könnte. Aber weder Weltraumausflüge noch Alienfähigkeiten konnte ich bisher testen. Außerdem sieht es so aus, als würde es in der Welt - abseits der Hauptgeschichte - mehr zu entdecken geben. Wenn jetzt noch das Leveldesign im späteren Bereich ähnlich kreative Qualitäten wie Dishonored 2 aufweist und sich die Typhon anderweitig manifestieren können, steht mit Prey ein echtes Highlight bevor.
Einschätzung: sehr gut
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