Thief04.04.2013, Benjamin Schmädig
Thief

Vorschau:

Ich spreche nicht gerne über Thief (ab 14,99€ bei kaufen). Nicht, weil ich die Serie nicht mag. Sondern weil sie mir so am Herzen  liegt, dass es mir schwer fällt sie "herzugeben". Das langsame Versteckspiel in einer zum Reißen gespannten Atmosphäre, das clevere Austricksen gefährlicher Wachen – Stealth-Action par excellence! Ob der für 2014 geplante Neustart dem gerecht werden kann? Auch dazu kann ich wenig sagen. Das hat jedoch ganz andere Gründe...

How not to be seen

Mit Monty Python hat es nichts zu tun, wenn Eidos Montreal sagt: "Thief is a game about never being seen." Es soll also darum gehen, nie gesehen zu werden. Das Studio firmiert tatsächlich noch unter dem Namen seines alten Publishers – und es hält tatsächlich die Werte der Serientradition hoch. Das neue Thief will zwar "ein modernes Spiel" sein, das leise Infiltrieren soll allerdings nach wie vor im Mittelpunkt stehen. Das Team ist sich des Erbes bewusst; "Thief-Puristen werden zufrieden sein", heißt es. Marketing-Gerede, keine Frage. Was steckt dahinter?

Der Meisterdieb

Was bleibt ist die zentrale Figur, Garrett, und ihre Berufung: Garrett ist ein Dieb und hat mit der Rettung der Welt eigentlich nichts am Hut. So denkt er jedenfalls, wenn es ihm zunächst nur um die Besitztümer reicher Mitmenschen geht. Denn seine Vergangenheit hat ihn gelehrt, vom Wohlstand anderer zu leben. "Was dir gehört, wird mein sein", soll seine Schlagzeile sein. Wer genau dieser neue Garrett ist, was seine Geschichte ist und was ihn in den Mittelpunkt der Ereignisse zieht, die das Ende seiner Welt bedeuten könnten, das lassen die Entwickler noch offen.

Sie beschreiben ausführlich, wie sie ihren Antihelden als agilen Vermummten gestalten, weil sich Spiele mit einer markanten Titelfigur besser verkaufen. Und sie weisen darauf hin, dass

Schulterblick oder Egoperspektive?

Ursprünglich sollte der Neustart ein 3rd-Person-Spiel werden - es gibt sogar einen Prototypen, der auf diesem Prinzip fußt. Die Entwickler stellten allerdings fest, dass dieses Spiel kein echtes Thief sei und änderten die Ausrichtung.

Einige Elemente sind allerdings geblieben - beim Klettern blickt man Garrett etwa auch in der aktuellen Version über die Schulter. Das restliche Spiel sieht man aus den Augen des Diebs. Seine Hände sind dabei häufig im Bild. Sie sollen die Umgebung greifbar machen. sein Zuhause, die namenlose "Stadt", einen eigenen Charakter haben soll – ich blicke auf Konzeptzeichnungen und sehe dreckige Straßen, knorrige Fachwerkbauten, steinerne Befestigungsanlagen, einen Gehängten und einen brennenden Turm. Reizvoll! Aber noch ohne erzählerisches Fundament. Bekannt ist nur, dass die Geschichte eine komplett neue ist. Es wird verschiedene Fraktionen geben und Kenner sollen sich über kleine Anspielungen freuen. Doch damit erschöpfen sich die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zur bisherigen Serie.

Stadtkind

Die Stadt wird erneut der spielerische Mittelpunkt sein: Dort kauft Garrett nicht nur Ausrüstung, sondern erhält auch Aufträge, die er im Rahmen der zentralen Handlung nicht ausführen müsste. Sie soll größer sein als die des letzten Teils, Einzelheiten behält Eidos aber noch für sich. Einen sympathischen Seitenhieb erlauben sich die Entwickler , wenn sie die lesbare Übersichtskarte erwähnen und das Wort "lesbar" deutlich betonen.

Auch welche Ausrüstung Garrett kauft, verschweigen sie noch. Auf Nachfrage deuten sie lediglich an, dass es bedeutend mehr sein wird als sie im Rahmen der ersten Präsentation vorführen. Überhaupt höre ich erstaunlich oft Sätze wie "Das stellen wir zu einem späteren

Anders als Dishonored spielt Thief in einem finsteren und schmutzigen Mittelalter.
Anders als Dishonored spielt Thief in einem finsteren und schmutzigen Mittelalter.
Zeitpunkt vor." Als Square Enix zum ersten Mal Deus Ex: Human Revolution zeigte, offenbarten zahlreiche Interviews und zwei ausführliche Spielszenen nahezu alle Spielelemente. Mit Thief machen sie es einem verdammt schwer, einen aussagekräftigen Eindruck zu erhalten. Fast alle Informationen liegen in einem 20-minütigen Spielabschnitt, der einige Neuerungen und viel Bekanntes zeigt.

Assassin's Thief

Die größte Änderung sind Garretts Assassinen-Anwandl... Verzeihung: ist seine Begabung zum Fassadenkletterer. Immerhin zieht er sich flink an Balken und Vorsprüngen entlang, um etwa über hohe Fenster einzusteigen. Dass während der Präsentation ein morscher Balken auch mal bricht, dürfte lediglich darauf hindeuten, dass das Gebäude – ein Freudenhaus zwischen alten, steinernen Gemäuern – seine besten Jahre hinter sich hat.

Wie überhaupt die ganze Stadt, durch deren modrige Straßen feuchter Nebel zieht.

Mit einem kurzen visuellen Effekt wird angezeigt, dass Garrett für den Bruchteil einer Sekunde nicht gesehen werden kann.
Mit einem kurzen visuellen Effekt wird angezeigt, dass Garrett für den Bruchteil einer Sekunde nicht gesehen werden kann.
Holzkisten werden von dicken Stricken zusammengehalten, fahles Mondlicht erhellt dunkle Mauern, verwinkelte Gassen überschatten finstere Geheimnisse. Thief ist das dreckige Gegenstück des farbenfrohen Dishonored. Technisch dürfte es trotz seines Erscheinens in der kommenden Hardwaregeneration keine Bäume ausreißen – künstlerisch sieht es fantastisch aus.

Ein Kommentar des Art Directors erdet mich allerdings im Handumdrehen: "Würde Garrett ständig kriechen, wäre das Spiel zu langsam." Moment, wie bitte? Hat er gerade meine größte Befürchtung offen ausgesprochen? Das bedächtige Vorgehen gehörte zu den großen Stärken der Serie und ausgerechnet damit räumt der Neustart auf?

Lauf, Dieb, lauf!

Ich fürchte, das tut er. Denn ich sehe, wie Garrett flink an ein paar Wachen vorbei schleicht. Dabei muss er nach wie vor auf die Lautstärke seiner Schritte achten. So weit, so

Das Spiel mit Licht und Schatten wurde leider vereinfacht: In Thief gibt es nur noch helles Licht oder komplette Dunkelheit.
Das Spiel mit Licht und Schatten wurde leider vereinfacht: In Thief gibt es nur noch helles Licht oder komplette Dunkelheit.
gut. Er huscht allerdings mit einem flotten Ruck von einem Schatten in den nächsten und auf Nachfrage erklärt Eidos tatsächlich, dass er per Knopfdruck kurze Distanzen überwinden kann, ohne dabei gesehen zu werden! Verschwindet durch diese Hilfe nicht die Spannung um das Entdecktwerden, die früher beim Schleichen durch helle Flecken knisterte?

Nicht zuletzt haben die Entwickler auch das System um Licht und Dunkelheit vereinfacht: Ähnlich wie in Splinter Cell: Conviction befindet sich Garrett entweder vollständig im Licht oder in kompletter Finsternis, wo er sich nahezu sicher fühlen kann. Erst wenn eine Wache praktisch über ihn stolpert, wird sie ihn auch im Schatten entdecken. Lediglich in einem Grenzbereich zwischen Hell und Dunkel gibt es jetzt noch die Ungewissheit, ob Garrett gesehen werden kann oder nicht. Schade, gerade beim Einbeziehen der Umgebung wünsche ich mir in der kommenden Generation eine größere Dynamik.

Katz und Maus

Ein Arcade-Kämpfer wird der Dieb natürlich nicht! Er bewegt sich nach wie vor mit Bedacht, spioniert durch Schlüssellöcher hindurch und knackt Schlösser, indem er ihre Bolzen anhebt. Er belauscht außerdem Statisten und wartet auf den richtigen Augenblick, um ihre

Der agile Garrett erklimmt Mauern und Gerüste.
Der agile Garrett erklimmt Mauern.
Taschen zu leeren. Und er kann seine Gegner ablenken, indem er Fackeln löscht oder mit Pfeilen Mechanismen betätigt. In der gezeigten Demo schließt Garrett z.B. ein Gitter, nachdem er eine Wache in den dahinter liegenden Raum gelockt hatte. Eine zweite schlägt er kurzerhand bewusstlos. Schön zu sehen auch, wie ein anderer Posten eine erloschene Fackel wieder anzündet.

Die Figuren sind sich ihrer Umwelt also bewusst. Sie sollen sinnvoll und unterschiedlich auf Störungen reagieren – das zentrale Katz-und-Maus-Spiel ist Eidos den eigenen Aussagen nach wichtig. Gespannt bin ich, wie Wachen auf geöffnete Türen oder verschwundene Kameraden reagieren. Immerhin beschwören die Entwickler mir gegenüber die unbeschränkten Möglichkeiten der heutigen Technik, erwähnen die KI während der Vorführung aber mit keinem Wort. Auf Nachfrage versichern sie, dass die Wachen auch nach oben und unten schauen – während eines Alarms deutlich aufmerksamer als im Ruhezustand. Das ist wichtig, weil Garrett viele Wege gehen kann, einige davon in der Höhe oder Tiefe.

Das Auge

Mir gefällt auch, wie seine Hände ein Bücherregal aufmerksam nach einem Hebel absuchen und wie er im Keller des Bordells versteckte Symbole aufspüren muss. Die Kulisse gewinnt in diesen Augenblicken eine zusätzliche Dimension und Garrett an Handlungsspielraum – genau wie in jenem Moment, in dem er plötzlich entdeckt wird. Denn die Flucht ist diesmal

Mit oder ohne Fokus?

Nutzt Garrett das "Auge", werden alle interaktiven Objekte farblich hervorgehoben - Veteranen werden auf diese Hilfe verzichten wollen. Tatsächlich muss man das Fokussystem nicht nutzen: Laut Eidos soll man jedes Objekt, auch Verstecke und geheime Markierungen ohne das Auge entdecken können. So wie sich die Entwickler ausdrücken, lässt sich der Fokus momentan allerdings nicht abschalten.

Auch die auf den höchsten Schwierigkeitsgraden der Vorgänger verlangte Bedingung "Töte keine Menschen" wird es nicht geben. Eidos unterstreicht allerdings, dass jede Spielweise - ob gewalttätig oder heimlich - jederzeit unterstützt wird und dass spielerische Erfolge auf jedem Weg belohnt werden.

Selbstverständlich kann Garrett zudem das komplette Abenteuer ohne einen einzigen Mord bestehen. ein zentrales Element. Zur Hilfe kommt ihm dabei eine besondere Fähigkeit, genannt "Das Auge". Ähnlich wie in Hitman: Absolution erkennt er damit auf Anhieb sämtliche Objekte, die er in irgendeiner Form nutzen kann. Als Wachen auf ihn zu stürmen, entdeckt er so eine Schwachstelle über ihnen, schießt darauf und löst dadurch schwere Steine, die die Gegner unter sich begraben.

Mit Hilfe des Auges knackt er außerdem Schlösser schneller, macht beim Taschendiebstahl schneller fette Beute und verschafft sich Vorteile im Kampf, denn es markiert verwundbare Punkte auf den Körpern der Wächter. Bringt man Fadenkreuz und Ziel schnell genug zueinander, verwundet Garrett die entsprechende Stelle und löst eventuell besondere Todesszenen oder sogar einen starken Folgeangriff auf den nächsten Gegner aus. Man muss den Fokus übrigens nicht nutzen; den normalen Schwertkampf zeigte Eidos allerdings noch nicht.

Nach der erfolgreichen Flucht schleust Garrett schließlich noch eine große Menge Opium in das Belüftungssystem des Bordells, woraufhin sämtliche Wachen geruhsamen Schlaf finden. Er wusste um diese Möglichkeit, weil er beim Eindringen in das Gebäude aufmerksam eine Unterhaltung verfolgt hatte – ein klassischer Thief-Moment! Und selbstverständlich hätte er auch auf einem anderen Weg fliehen können, sämtliche Wachen töten oder sich klammheimlich hinaus schleichen.

Ausblick

Ja, in diesem Serienneustart steckt ein Thief wie es mir am Herzen liegt: Garrett ist ein zynisches Schlitzohr, das mit ruhiger Stimme das Geschehen kommentiert, während es sich an fremden Habseligkeiten vergreift. Im Schatten ist der Meisterdieb auch diesmal am stärksten; er bedient sich in Taschen, Truhen, Geheimverstecken, schlägt Ahnungslose bewusstlos und lockt Wachen auf falsche Fährten. Wie er dabei vorgeht, steht ihm frei – die offenen Areale sowie Grafik und Ton erwecken ein inhaltlich und äußerlich faszinierendes finsteres Mittelalter zum Leben. Genau diese Routine macht mich aber auch skeptisch, denn bislang präsentierte Eidos nichts, was das zentrale Katz-und-Maus zwischen Garrett und den Wachen auf eine neue Stufe hebt. Stattdessen zeigen sie ein vereinfachtes Spiel mit Licht und Schatten sowie einen beschleunigten Bewegungsablauf, den ausgerechnet diese Serie nie gebraucht hatte. Und sie zeigen ein Fokussystem, das dem eigenständigen Entdecken und Experimentieren in die Quere kommen könnte – in Hitman: Absolution entfaltete das Versteckspiel nur dann seine volle Dynamik, wenn man eine ähnliche Hilfe nutzte. Es fällt mir schwer, etwas Konkretes über das neue Thief zu sagen. Denn obwohl ich Eidos Montreal nach Deus Ex: Human Revolution viel zutraue: Gezeigt haben sie davon nur, was in der Vergangenheit schon gut war.

Ersteindruck: gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.