Homefront11.06.2010, Michael Krosta
Homefront

Vorschau:

Hilfe, die Nordkoreaner kommen und verwandeln die USA in einen Kriegsschauplatz! Was man sich heute nur schwer vorstellen kann, soll in THQs Homefront (ab 9,99€ bei kaufen) fiktive Wirklichkeit werden. Dabei versteht es sich von selbst, dass sich die Amerikaner nicht so einfach geschlagen geben und alles daran setzen, den unwillkommenen Besatzern gehörig in den Hintern zu treten...

Alltags-Kämpfer

Im Gegensatz zu vielen anderen Shootern schlüpft der Spieler hier nicht in die Haut eines Superagenten oder Soldaten. Stattdessen findet man sich als Pilot in einer Gruppe von Widerstandskämpfern wieder, von denen niemand eine Spezialausbildung im Umgang mit Waffen und Nahkampf genießen konnte. Für die Entwickler der Kaos Studios steht im Vordergrund, dass hier Menschen wie du und ich notgedrungen zu Freiheitskämpfern gemacht werden. Überhaupt sollen

Video: Wie kann Nordkorea so mächtig werden, dass es die USA angreifen kann? Hier findet man die etwas weit hergeholten Antworten...

die Charaktere und die Geschichte eine große Rolle bei Homefront spielen. Aus diesem Grund hat man niemand Geringeren als John Milius verpflichtet, der u.a. für die Drehbücher von Apocalypse Now und Red Dawn verantwortlich zeichnet.

Unwahrscheinliches Szenario

Trotzdem sorgt die Zukunftsvision des Autors mehr für Kopfschütteln als Begeisterung, obwohl die Entwickler während einer Präsentation in New York alles versucht haben, das Szenario zumindest halbwegs plausibel zu erklären. Demnach übernimmt 2012 der junge Kim Jong-un nach dem Tod seines Vaters die Macht im kommunistischen Nordkorea, was 2013 zu einer Wiedervereinigung mit Südkorea führt. 2018 wird kurzerhand Japan erobert, wodurch sich die Koreaner vor allem technisches Wissen sowie nukleare Ausrüstung beschaffen. Weitere asiatische Nationen treten dem wirtschaftlich und militärisch aufstrebenden Land 2021 quasi ohne Gegenwehr bei und machen das vormals kleine Nordkorea endgültig zu einer Großmacht, die 2025 mit der Invasion der Vereinigten Staaten durch eine Kombination aus EMP-Angriff und Trojanischem Pferd beginnt. Als Spieler steigt man dagegen erst zwei Jahre später in die Geschichte ein.

Während es für das aufstrebende Nordkorea ab 2012 steil bergauf geht, befinden sich die USA in einem unaufhaltsamen Abwärtstrend: Ständige Krisen führen zur Schwächung der Wirtschaft und des Militärs. Dazu gesellt sich eine neue Grippewelle, die 2021 in Amerika wütet und Millionen tötet. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, wird das Land auch noch zwangsweise geteilt, indem die Koreaner den Mississipi verseuchen und dadurch eine Quarantänezone zwischen West und Ost entsteht. Aus der einstigen Supermacht wird also eine gebeultete Nation mit düsteren Zukunftsaussichten, die nicht mehr länger als "Weltpolizei" agieren kann. Zwar werden der Aufstieg Nordkoreas und der gleichzeitige Abstieg der USA bildgewaltig in einer Videosequenz mit real gefilmten Sequenzen veranschaulicht, doch bleibt es dabei, dass die Geschichte schon sehr weit hergeholt scheint. Vor allem die schwache Ausrede, dass China mit eigenen innenpolitischen Problemen beschäftigt und auch Russland sowie Europa aufgrund eines Konflikts im Nahen Osten den Amerikanern nicht beistehen können, wirkt schwach. Je länger man über die

Bei der Erkundung der Camps wirkt der Schauplatz fast idyllisch und lässt den Krieg für eine kurze Zeit vergessen.
Hintergrundgeschichte nachdenkt, desto mehr ist man davon überzeugt, dass eine Invasion von Außerirdischen nicht wesentlich unwahrscheinlicher erscheint als die der Nordkoreaner.

Starke Atmosphäre

Aber legt man erst diesen gewissen Hebel im Gehirn um, der auch dafür sorgt, dass man die inhaltlich meist platten Roland Emmerich-Filme doch noch genießen kann, zeigt Homefront sein Potenzial: Vor allem atmosphärisch setzen die Kaos Studios Zeichen, wenn man sich etwa seinen Weg durch das Widerstandscamp bahnt und dabei sieht, wie sich die Menschen der Situation angepasst haben. Da werden z.B. Heimtrainer zu Wasserpumpen umfunktioniert oder Ziegen gemolken, während Kinder, eingehüllt in Schlafsäcken, unruhig am Feueer einer Ruine schlafen. Die Entwickler wollen in diesen Momenten vor allem die menschliche Seite zeigen und was es bedeutet, in diesem Szenario zu überleben. Trotzdem wirkt es fast schon idyllisch, wenn man durch das Camp geführt und dabei von ruhigen Streicher- und Klavierklängen begleitet wird. 

         

Intensive Gefechte

Dass man auch anders kann, bewies die anschließende Präsentation eines Angriffs auf ein nordkoreanisches Lager: Hier befindet man sich zunächst noch in sicherer Entfernung und beobachtet via Fernglas, wie ein mit Sprengstoff beladener Van die Absperrung durchbricht und für eine erste markerschütternde Detonation sorgt. Anschließend sind die Fähigkeiten als Scharfschütze gefordert, wenn

Die Nordkoreaner haben u.a. Einkaufszentren besetzt.
man u.a. die brennenden Wachen ins Visier nimmt und so die eigene Truppe im Lager vor den Angreifern beschützt. Danach begibt man sich selbst in den Hexenkessel, in dem scheinbar ständig irgendwo etwas explodiert und der koreanische Nachschub scheinbar ununterbrochen das Feuer aus allen Richtungen eröffnet. Schon allein durch die gewaltige Tonabmischung fallen die Gefechte gegen die nordkoreanischen Truppen enorm intensiv aus, auch wenn die KI noch einige Schwächen offenbart und nicht immer clever agiert. Dazu gesellen sich geskriptete Sequenzen, bei denen z.B. der Wachturm einstürzt, auf dem man sich gerade befindet. In solchen Momenten steigt der ohnehin schon hohe Puls noch etwas weiter an.

"Mehr Drama, Baby!"

Die so genannte Drama-Engine soll dafür sorgen, dass der Spieler keine coolen Momente verpasst. Gewaltige Explosionen, einstürzende Gebäude und andere geskriptete Ereignisse sollen immer automatisch in seinem Blickfeld abgespult werden. Ob man dieses Vorhaben aber tatsächlich umsetzen kann, bleibt noch abzuwarten. Bisher entsteht der Eindruck, dass man es ordentlich krachen lassen wird: Fahrzeuge schleudern durch die Luft, Raketen schlagen im Sekundentakt ein und Kampfhubschrauber donnern über die Köpfe hinweg, während aufgeregte Funksprüche und Dialoge die Panik unterstreichen. Besonders haben mir auch die Sequenzen gefallen, in denen man z.B. von einer Druckwelle erfasst wird und sich kurzzeitig ohne Waffe durchschlagen oder langsam durch Feuerwände gehen muss, während der Protagonist schützend die Hände vor sein Gesicht hält. Gerade in solchen Momenten ist die cineastische Inszenierung famos,

Schüsse, Explosionen, Drama: In den Action-Sequenzen geht es zur Sache!
obwohl die unspektakulären Explosionseffekte sowie starke Kantenbildung den positiven Eindruck noch etwas schmälern. Auch die Figuren sollten bezüglich der Modellierung und Mimik noch optimiert werden.

Auf der Flucht

Die direkte Konfrontation mit dem Gegner wird allerdings nicht immer zum Erfolg führen. "Man wird in diesem Spiel oft gejagt", heißt es seitens der Entwickler, die abwechslungsreiche Missionen und Schauplätze versprechen. Immerhin führt die Reise der Widerstandskämpfer vom mittleren Westen der USA bis zum Finale nach San Francisco, wo die Invasion ursprünglich begonnen hatte. Dabei wird das Waffenarsenal die üblichen Verdächtigen wie Sturm- und Scharfschützengewehre, Shotguns, Pistolen sowie Granaten umfassen. Wird die Munition knapp, schnappt man sich einfach das Equipment getöteter Gegner. Über Heilpakete braucht man sich ebenfalls keine Sorgen zu machen, da im Gegensatz zu Titeln wie Battlefield: Bad Company ein regeneratives System zum Einsatz kommt, bei dem man automatisch wieder zu Kräften kommt, wenn man den Attacken zeitweise aus dem Weg geht.     

Dronen - die Freunde und Helfer

Eines der coolsten Spielelemente des inoffiziellen Vorgängers Frontlines: Fuel of War waren die Dronen. Kein Wunder, dass die unbemannten Vehikel auch an der Heimatfront zum Einsatz kommen. Wir durften bereits den Goliath in Aktion bewundern, bei dem es sich um ein Fahrzeug mit drei Achsen und Geschützen handelt, mit dem man auch im unwegsamen Gelände gut zurecht kommt. Der Goliath eignet sich deshalb einerseits hervorragend zur Erkundung, aber schaltet andererseits die Gegner effektiv aus, sobald man sie manuell markiert. Über weitere Dronen schweigt sich Kaos momentan noch aus, doch gilt der Mini-Helikopter aufgrund der gezeigten Artworks während des Events schon als so gut wie sicher. Neben den Dronen sollen auch bemannte Vehikel eine große Rolle spielen und sogar über ein Schadensmodell verfügen. Doch auch hier hält man sich mit konkreten Informationen noch zurück. Fest steht nur, dass man auch mit einem Helikopter fliegen darf, was darauf schließen lässt, dass die Spielwelt zumindest teilweise geöffnet wird und es nicht nur Levelschläuche gibt. Ein Open World-Shooter bzw. Sandbox-Spiel soll Homefront laut Aussagen der Entwickler aber nicht werden.

Die große Unbekannte

Zum Thema Mehrspielermodus hüllen man sich dagegen noch in Schweigen - erst auf der GamesCom in Köln will man Details zu den Online- und LAN-Gefechten enthüllen. Da gerade dieser Teil aber zu den Stärken von Frontlines zählte, kann man davon ausgehen, dass die Kaos Studios ihren Wurzeln treu bleiben und eine entsprechend hohe Qualität abliefern. Ein Koop-Modus scheint aber zumindest für die Kampagne unwahrscheinlich, denn dafür konzentriert man sich zu sehr auf die Charaktere und ist in manchen Abschnitten auch alleine unterwegs. Dafür ist bereits durchgesickert, dass sich die bisher noch nicht offiziell angekündigte PC-Version von den Konsolenfassungen unterscheiden und auf die Bedürfnisse von PC-Spielern zugeschnitten werden soll. Nähere Informationen zu dem Thema gab es zwar noch nicht, doch wären z.B. größere Karten sowie mehr Spieler am PC denkbar. Auch hier wird die GamesCom vermutlich Antworten liefern...   

Ausblick

Im Vergleich zur ersten Präsentation vor einem Jahr gab es in New York nicht viel Neues zu sehen. Aber das, was gezeigt wurde, weiß zumindest zu gefallen: Schon in den ruhigen Momenten wie der Wanderung durch das Camp überzeugt Homefront mit einer lebendigen Spielwelt sowie dichten Atmosphäre. In den Auseinandersetzungen steigt dann der Adrenalinspiegel und das Mittendrin-Gefühl ist hervorragend! Vor allem die geskripteten Sequenzen sorgen zusammen mit der bombastischen Soundabmischung sowie cineastischen Inszenierung für ein packendes Erlebnis mit hohem Rumms-Faktor. Trotzdem bleiben aufgrund der knappen Präsentation noch viele Fragen offen: Schaffen die Kaos Studios sinnvolle Tempowechsel zwischen Action und Ruhephasen? Kann man die immer noch arg unglaubwürdige Story spannend genug erzählen und Charaktere aufbauen? Hält die Drama-Engine, was sie verspricht? Wie abwechslungsreich sind Schauplätze und Gegner? Welche Rolle spielen Vehikel und Dronen im Spielverlauf? Was haben die Online-Gefechte zu bieten? Ja, Homefront muss sich noch an vielen "Fronten" beweisen. Doch sollte man das Niveau der gezeigten Szenen noch toppen, könnte die nordkoreanische Invasion die Shooterwelt vielleicht noch überraschen.

Ersteindruck: gut

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