Metal Gear Rising: Revengeance07.02.2013, Mathias Oertel
Metal Gear Rising: Revengeance

Vorschau:

Die Odyssee des Metal Gear Solid-Ablegers Rising nähert sich nach Namens- und Teamänderung ihrem Ende. In wenigen Wochen muss sich Cyborg Raiden und das auf Action fokussierte Abenteuer den Argusaugen skeptischer Metal Gear-Fans stellen. Wir haben einen ausgedehnten Blick auf eine fast fertige Version geworfen.

Lang ist's her

Und auch wir waren lange skeptisch, ob es gelingen würde, brachiale Nonstop-Gefechte (immerhin konnte man immer noch die Gegner fein säuberlich mit einem Katana filetieren, das auch Helikopter mühelos zerteilt) in Einklang mit Metal Gear-Tugenden wie starke Charakterzeichnung und emotional mitreißende Story zu inszenieren. Ganz abgesehen davon, dass sich Raiden gewaltig anstrengen muss, um mit den Platzhirschen wie Kratos, zwei Mal Dante (Devil May Cry und Dante`s Inferno) und nicht zuletzt Bayonetta mithalten zu können. Doch nachdem wir einige Stunden mit einer annähernd fertigen Version verbringen durften, haben sich viele Zweifel zerstreut.

Fast wie Metal Gear

Vor allem erzählerisch zeigt Rising, dass Platinum Games sich der Verantwortung des großen Namens bewusst ist - und natürlich den Einfluss von Hideo Kojima als ausführender Produzent. Vier Jahre nach den Ereignissen von MGS 4: Guns of the Patriots angesiedelt, arbeitet der Cyborg Raiden für eine private Sicherheitsfirma und wird Zeuge, wie ein ihm Schutz befohlenes Landesoberhaupt von kybernetischen Söldnern entführt und getötet wird. Und ehe er sich versieht, findet er sich inmitten eines ereignisreichen sowie häufig emotional geladenen erzählerischen Wirbelsturms wieder. Und der konfrontiert Raiden nicht nur mit seiner Vergangenheit als Kindersoldat, die ihm den Spitznamen "Jack the Ripper" eingebracht hat, sondern versucht auch heikle Themen wie Armut in Schwellenländern, Selbstbestimmung oder Genozid zu verarbeiten - selbstverständlich steht auch Schuld, Sühne und Rache auf dem Programm.

Die eingängige Action wird wuchtig inszeniert und fließt locker aus den Fingern.
Die eingängige Action wird wuchtig inszeniert und fließt locker aus den Fingern.
Dabei hilft es ungemein, wenn man die Metal Gear-Teile 2 und 4 gespielt hat: Man entdeckt immer wieder kleine Anspielungen und mit der Kenntnis, was damals passiert ist, werden einige Dialoge nachvollziehbarer. Doch auch ohne dieses Wissen (zu meiner Schande muss ich eingestehen, dass ich Teil 4 noch nicht zu Ende gespielt habe und meinen Wissensdurst beim Metal Gear-Spezialisten der Redaktion stillen musste), kann man die Story genießen und sich an den Dialogsequenzen oder der Inszenierung erfreuen. Dabei erreicht Platinum zwar nicht ganz die emotionale Wucht, wie sie unter der direkten Regie von Hideo Kojima auf den Bildschirm gezaubert wird. Doch im Rahmen eines auf Action fokussierten Schwertkampf-Spektakels bekommen die Figuren in den Erzählabschnitten, die meist am Ende einer leer geräumten Arena warten, eine erstaunliche Tiefe. Mitunter überschreitet man zwar die Pathos-Grenze oder versucht sich an Humor, der meine Wellenlänge allerdings nicht immer trifft. Doch unter dem Strich sind die Erzählung und die Neugier, wie es mit dem Helden wider Willen weitergeht, für mich fast schon alleine Grund genug, das Pad nicht aus der Hand zu legen.

Platinum kann Action

Doch damit wird ja nur eine Seite der Revengeance-Medaille beleuchtet. Wie sieht es denn mit der Action aus? Immerhin hat Platinum mit seinen bisherigen Titeln von MadWorld auf Wii über Bayonetta bis hin zu Vanquish und Anarchy Reigns unter Beweis gestellt, dass man sich sowohl im klassischen Brawler à la Final Fight als auch im Bereich der stylischen Action wie Devil May Cry sehr wohl fühlt. Und hier?

Die Bosse werden nicht nur gut inszeniert, sondern fordern sowohl Fingerfertigkeit als auch Konzentration.
Die Bosse werden nicht nur gut inszeniert, sondern fordern sowohl Fingerfertigkeit als auch Konzentration.
Hier liegt man ziemlich genau dazwischen. Im Wesentlich hält man an vielen der Eigenschaften fest, die man mit einem 3D-Brawler assoziiert: Man findet überschaubare Areale, die erst geleert werden müssen, bevor es nach einer Zwischensequenz in den nächsten Abschnitt geht. Die meisten Standard-Cyborgs machen keine Probleme, da sie über ein eher begrenztes Angriffspotenzial verfügen. Doch sobald Metal Gears auftauchen, ist Gefahr im Verzug. Diese Mechs verfügen über mächtige Angriffe und tauchen meist in Gruppen auf, die kein Pardon kennen. Und die paar Bosse, denen ich bislang begegnet bin, haben mich mitunter zur Weißglut getrieben. Immer wieder musste ich einen neuen Anlauf unternehmen, nicht etwa, weil die Auseinandersetzung unfair war, sondern viel mehr, weil ich zu ambitioniert oder zu selbstsicher an das Duell herangegangen bin. Bereits auf "Normal" fordern die Endgegner alle Konzentration und sind eine zeitgemäße Interpretation des Bosskampf-Wahnes, den man mit japanischer Action assoziiert.

Und spätestens hier sollte man sich vom Knopfhämmer-Prinzip verabschieden. Wer nicht den leicht gewöhnungsbedürftigen Block/Konter,  die Ausweichmanöver, Zielaufschaltung oder neue Waffen nutzt (die man an bestimmten Stellen als Belohnung bekommt), wird schneller als einem lieb ist, die Metal Gear-typischen Funksprüche wie "Raiden? Raiden! Raaaaaaaiiiiiiiiiideeeeeen!" hören. Doch trotz des gehobenen Schwierigkeitsgrades bleibt eine gewisse Redundanz:

Ein Abstecher ins Metal Gear-Universum ohne Metal Gears? Undenkbar!
Ein Abstecher ins Metal Gear-Universum ohne Metal Gears? Undenkbar!
Für die meisten Gegner hat man schnell eine Strategie und ab diesem Punkt entwickelt sich die Action nur noch selten weiter. Und daran können weder die rudimentären Charakter- bzw. Waffen-Upgrades, die Extras wie EMP-Granaten oder zielsuchende Raketen noch die erstaunlich intuitive Umsetzung des "freien Schneidens" etwas ändern: Über die linke Schultertaste kann man quasi den Fokus aktivieren, so dass nun die Zeit langsamer läuft, bis man entweder getroffen wird, die Schultertaste wieder los lässt oder die Fokusleiste geleert wurde. In diesem Zeitraum kann man mit dem rechten Stick die Schnitte ziehen. Zwar darf man prinzipiell jederzeit in den Fokus schalten, doch Sinn ergibt dies nur, wenn einige Teile der Gegner schon geschwächt sind. Dann nämlich richten die Katana-Bewegungen nicht nur nominellen Schaden an, sondern zerlegen die Feinde in Einzelteile - mitunter sehr dünne Scheiben. Schafft man es zudem, die Schnitte über ein bestimmtes Ziel zu setzen, bekommt man nicht nur Bonuspunkte, sondern kann auf Knopfdruck die Cyborg-Stromzufuhr aus dem gegnerischen Körper entfernen und damit seine eigene Lebens- und Fokusenergie wieder aufladen.

Die andere Seite der Action

Die Zwischensequenzen schaffen immer wieder einen angenehm ruhigen, häufig emotional packenden Gegensatz zur hektischen Action.
Die Zwischensequenzen schaffen immer wieder einen angenehm ruhigen, häufig emotional packenden Gegensatz zur hektischen Action.
Doch Raiden ist nicht nur Katana schwingend unterwegs. Mitunter ist es ratsam (oder wird sogar gefordert), unentdeckt zu bleiben. Serienkenner werden den Karton zum Verstecken zu schätzen wissen, der hier jedoch keine situations- bzw. umgebungsabhängige Auswahl fordert. Ein anderes Mal landet man  in stockfinsteren Gebieten, in denen man zwar mit einer Art Sichtverstärkung seinen Weg finden kann und die Positionen der Gegner sieht. Doch sobald man eine andere Aktion startet, geht im wahrsten Sinne des Wortes das Licht wieder aus, so dass man nur noch die rötlichen Scanobjektive der Feinde als Bedrohung wahrnimmt. Den Gegnern geschickt ausweichen oder aus dem Hinterhalt mit nur einem Streich töten, heißt die Devise. Oder man ist mit einem minderbemittelten Cyborg unterwegs, der keinen Frontalangriff überleben würde, aber aus dem Hinterhalt fiese Stromschläge loslassen kann. Wenn Platinum noch mehr Variation abseits der gut inszenierten Action einbaut, kann dies Revengeance nur gut tun.

Ausblick

Ich hatte in den ersten Missionen eine Menge Spaß mit Raiden und seiner Klinge. Und das, obwohl (oder vielleicht gerade weil) ich Metal Gear Solid 4 noch nicht beendet hatte und mir einige Zusammenhänge von den Solid Snake-Experten in der Redaktion erklären lassen musste. Aber:  Immerhin konnte ich die Katana-Action auf diese Weise auch losgelöst vom erzählerischen Unterbau betrachten. Dabei wird deutlich, dass Platinum Games für und mit Kojima Productions die Tradition von leicht zu lernenden, aber schwer zu meisternden Arenakämpfen sowie gut inszenierten und knüppelharten Bossen wieder aufleben lässt. Doch hat Raiden die Mittel, um Kratos & Co in Gefahr zu bringen? Nur eingeschränkt, wobei sich schon ganz andere an dem Kriegsgott die Zähne ausgebissen haben! Die Action ist eingängig, kompromisslos und läuft wie bei Platinums Flaggschiff-Hexe auf mehr als einfaches Knopfhämmern hinaus - cleveres Blocken, Ausweichen und der taktische Einsatz der "freien Schnittsteuerung" sind ein Muss. Doch obwohl es Gegnerabwechslung und Aufrüstungsmöglichkeiten gibt, stellt sich nach wenigen Stunden eine Redundanz auf hohem Niveau ein, die es in dieser Form weder bei Bayonetta noch bei God of War 3 oder dem letzten Devil May Cry gab. Dennoch kann ich es kaum noch erwarten, die finale Version in Händen zu halten, bei der das sporadisch zickige Kamera-Verhalten hoffentlich minimiert wird. Platinum erreicht hinsichtlich der Inszenierung nicht ganz den Coolness-Faktor, den Hideo Kojima als Regisseur in den Metal Gear-Spielen bislang definierte. Die Zwischensequenzen überzeugen dennoch und sind für mich neben der Neugier, wie es mit den Figuren weitergeht, eine der Triebfedern, das Katana durch die Cyborgs zu treiben.

Einschätzung: gut

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.