Medal of Honor15.07.2010, Paul Kautz
Medal of Honor

Vorschau:

Das Thema Zweiter Weltkrieg scheint offiziell ad acta gelegt zu sein: Vor einiger Zeit kehrte Call of Duty Stalingrad und Co. den Rücken, schon bald marschiert auch Balleropa Medal of Honor (ab 4,74€ bei kaufen) in eine andere Richtung - jetzt geht es in die Gegenwart nach Afghanistan. Um den Neustart zu unterstreichen, bleibt der Name ganz simpel und schlicht, aber unter der Haube brodelt es mächtig.

Die Schweden mal wieder

Die Multiplayer-Beta bietet zwei Spielmodi: klassisches Team-Deathmatch sowie das Rush-ähnliche »Combat Mission«.
Digital Illusions hat wahrlich eine beachtliche Karriere hinter sich: Aus der Amiga-Demogruppe "The Silents" entstanden, waren sie in den 90ern vor allem für ihre großartigen Flipper-Spiele (allen voran Pinball Fantasies) berühmt. Später wurde der eine oder andere Ausflug zu den Rennspielen gewagt (Motorhead, Rallisport Challenge, Midtown Madness 3), bevor der Goldesel Battlefield die Bühne betrat - seit 2004 produziert die mittlerweile unter dem Namen »DICE« (Digital Illusions CE) operierende EA-Tochter ein Ballerfest nach dem anderen. Okay, zwischendurch hatten sie noch Zeit für das großartige Mirror's Edge , aber dem Schlachtfeld bleiben sie dennoch treu. Sogar außerhalb ihrer eigenen Marke, denn unter der Aufsicht der Mutterfirma entwickeln die Schweden gerade den Mehrspielermodus zum Afghanistan-Reboot der Medal of Honor-Serie (MoH).

Der Betatest enthält zwei Karten mit ebenso vielen Spielmodi. »Combat Mission« ist das hiesige Pendant zu den bekannten Assault-Modi anderer Shooter (oder Rush aus Bad Company 2 ): Zwei Teams kämpfen um drei Punkte - das eine muss sie verteidigen, das andere sie zerstören. Schaffen Letztere das mit einem Punkt, wird zum nächsten weitergerückt, bis alle hinüber sind und das Spiel gewonnen ist - wird das Ganze nicht innerhalb einer bestimmten Zeit geschafft, triumphieren die Verteidiger. Kennt man. Genau wie »Team Assault«, das ganz normales Team-Deathmatch ist. Die beiden Karten sind angenehm abwechslungsreich: »Helmand Valley« spielt in einem zerfallenen Dorf, das in einer Hügelkette liegt - das bietet den Angreifern sehr viele Routen und den Verteidigern ebenso viele Lauerstellungen. »Kabul City Ruins« dagegen präsentierte einen halb zerstörten Teil der afghanischen Hauptstadt, der gerade Nahkämpfern sehr viele heimtückische Möglichkeiten bereiten dürfte, hat

Bislang darf man nur mit einem Panzer seine Runden drehen - und der hat auf den engen Pfaden kaum einen Nutzen.
er doch viele enge Gänge, Treppen und Autowracks zum Verstecken. Außerdem sind die hohen Dächer ein gefundenes Fressen für geduldige Scharfschützen. Das ist eine von drei Klassen, die im Betatest auf Seiten der amerikanischen Streitkräfte und der Bartträger zur Verfügung standen - die anderen beiden wären »Rifleman« (also die klassische Infanterie) sowie »Special Ops«. Auffällig ist, dass es im Gegensatz zu anderen Shootern keinerlei Unterstützer-Klassen wie Sanitäter gibt - entweder pfeift DICE dieses Mal darauf und schiebt den schnellen Frag à la Modern Warfare 2  in den Vordergrund oder sie sind im Betatest einfach noch nicht enthalten.

Mach mal Platz da!

Das Spiel selbst ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr konservativ: Durch die Betonung von Offensiv-Klassen entfernt sich DICE von seinen Team-Wurzeln und geht mehr in den actionreichen Unreal Tournament- bzw. Call of Duty-Bereich. Anfangs hat man pro Klasse nur eine Waffe mit Standardausrüstung zur Verfügung; mit fortschreitender Fragzahl und dem damit verbundenen Levelaufstieg werden weitere Wummen und Erweiterungen freigeschaltet - anfangs muss man sich mit Klassikern wie der AK-47, der M16 oder ungelenkten Raketen zufrieden geben. Und damit sollte man besser sehr zielgenau sein, denn das Spielprinzip setzt auf Geschwindigkeit: Spawn-Kill-Spawn-Kill-Spawn-Kill ist Alltag.

Im Gegensatz zu Battlefield gibt es in Medal of Honor zur Zeit kaum Fahrzeuge - genau genommen nur eines: den Panzer. Und der ist im Betatest de facto unnötig, denn Helmand Valley ist viel zu klein und die Wege viel zu eng, um mit dem Tank wirklich Spaß zu haben. Außerdem fällt sowohl mit dem Panzer als auch mit Raketen auf,

Die engen Straßen von Kabul bieten nicht nur Scharfschützen ein Betätigungsfeld - hier sind vor allem Nahkämpfer gefragt.
dass die Waffen kaum Bereichs- und Streuschaden machen - aber für genau solche Erkenntnisse ist ja ein Betatest da. Eine andere ist, dass DICE trotz seiner destruktiven Wurzeln die Umgebung in Ruhe lässt: Konnte man in Bad Company 2 noch einen Großteil der Welt mit entsprechender Feuerkraft in ihre Einzelteile zerlegen, bietet selbst eine bröselige Kieselmauer in Afghanistan zuverlässigen Schutz vor allem Beschuss - lediglich Bäume lassen sich abknicken.

Medal of Honor dürfte der erste Shooter sein, der für Einzel- und Mehrspielermodus unterschiedliche Grafiksysteme nutzt: Während in der Kampagne die neuste Unreal-Technologie schnauft, kommt im Multiplayer das Frostbite-System von DICE zum Einsatz, das zuletzt für das prächtige BC2-Kleid zuständig war. Das sieht man MoH gegenwärtig aber nicht an: Die Kulisse ist okay und schnell, aber noch nicht besonders beeindruckend - und zumindest auf dem PC sehr absturzfreudig. Die Todesanimationen sind extrem simpel, außerdem gibt es keine Killcam, so dass Camper mit Scharfschützengewehr eine sehr angenehme Zeit vor sich haben.  

Ausblick

DICE kann Multiplayer, das wissen wir. Die Battlefield-Reihe hat mehr als jeder andere Shooter das Teamplay in den Vordergrund gestellt, was man zuletzt nahezu perfekt in Bad Company 2 genießen durfte. Mit diesem Wissen im Hinterkopf sollte man eigentlich annehmen, dass spielbares Ambrosia dabei rauskommt, wenn die Schweden den Mehrspielerpart des neuen Medal of Honor entwickeln. Und die beiden Karten bieten auf den ersten Blick ein ebenso vertrautes wie gutes Spielgefühl: Deutlich unterschiedliche Waffen und Klassen, sorgfältig designte Karten mit Vor- und Nachteilen für jede Fraktion. Aber wo ist das Besondere? Deshalb war mein beherrschender Gedanke beim Betatest: Warum soll ich gerade das im Multiplayer und nicht Bad Company 2, Modern Warfare 2, Halo 3 oder MAG spielen? So schön und schnell sich die Beta auch spielt, muss sie sich doch die Frage gefallen lassen, was es an coolen neuen Ideen in den reichlich vollen Shooter-Topf bringt? Antwort nach vielen Stunden Betatest: keine. Gerade von DICE erwarte ich mehr als explosiven Standard!

Ersteindruck: befriedigend

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