Sleeping Dogs16.03.2012, Benjamin Schmädig
Sleeping Dogs

Vorschau:

Namen sind doch Schall und Rauch. Ob nun "True Crime" davor steht oder nicht: Sleeping Dogs (ab 14,90€ bei kaufen) hatte mir schon vor zwei Jahren den Mund wässrig gemacht. Die exotische Stadt, Bleivergiftung in John Woo-Zeitlupe, brutale Prügeleien sowie etliche Minispiele klingen nach einem coolen Trip zwischen GTA und Segas Yakuza. Zum Glück sprang Square Enix in die Presche, nachdem Activision das Spiel eiskalt abservierte. Zum Glück?

Die innere Sicherheit

Es ist kein Kinderspiel, einen Undercover-Mann in eine von Hongkongs Triaden einzuschleusen: Die Organisationen werden von verschwiegenen Banden zusammen gehalten, jeder kennt jeden. Ein Amerikaner in einer solchen Vereinigung? Niemals!

Es sei denn, er wurde in Hong Kong geboren, wuchs mit einem der Clanmitglieder auf und kehrt als vermeintlicher Gefangener in seine Heimat zurück. Für Wei Shen öffnet sich so die Tür in die Sun Yee On genannte Organisation - eine tatsächlich existierende Triade, die seit fast hundert Jahren mit Glücksspiel, Prostitution und Drogenhandel Geld verdienen soll. Und in der, wie in allen Triaden, Loyalität alles ist. So begibt sich Shen auf eine Gratwanderung zwischen Gesetz und Verbrechen.

Recht und Moral

Dass Shen auf diesem Weg die Weiße Weste jener Helden anzieht, die aus moralisch rechten Gründen Gewalt anwenden, schmeckt mir nicht. Ich will endlich echte

Übrigens

Es kommt nicht von ungefähr, dass die offene Welt von Sleeping Dogs in vielerlei Hinsicht an die GTA-Serie erinnert: True Crime, dessen dritte Episode Sleeping Dogs ursprünglich werden sollte, war einer der ersten Nachahmer, nachdem Rockstar mit Grand Theft Auto III den Sprung in die dreidimensionale Großstadt wagte. Dreckskerle, deren dunkle Seite moralische Fragen aufwerfen, ohne sie schon im Voraus zu beantworten. Immerhin passt die Inszenierung zum Schauplatz, denn jeder knallende Fausthieb, jeder blutige Kopftreffer weckt die Erinnerung an Hong Kongs Actionfilme.

Schließt man aus dem, was Square Enix bisher zeigt, wird die Geschichte mit recht herkömmlichen Dialogen erzählt. Allerdings: Auch in den Filmszenen zitiert Entwickler United Front Games kompromisslos das harte Actionkino. Als ich zum ersten Mal in der grellen Hafenstadt ankam, erlebte ich eine Folter, die es in sich hatte. Grausamer Höhepunkt war die Kreissäge, auch wenn Sägeblatt und Körper verdeckt waren.

Mehr als Peng-Puff

Für drei kurze Abschnitte durfte ich in der Hafenstadt abtauchen: eine Verfolgung zu Fuß samt zünftiger Prügelei, die motorisierte Hatz in einem illegalen Rennen sowie die Flucht aus eben jener Folterkammer. Es begann damit, dass ich Shen über den Boden schleifen muss, um seine Fesseln an der erwähnten Handsäge zu lösen. Daraufhin schleppe ich ihn behäbig in eine Toilette, vor der eine Wache Wasser lässt. Ein Knopfdruck und Shen knallt den Kopf

John Woo trifft auf GTA: In Zeitlupe schießt und prügelt sich Wei Shen den Weg frei.
John Woo trifft auf GTA: In Zeitlupe schießt und prügelt sich Wei Shen den Weg frei.
seines Peinigers in die Kloschüssel - Film und Spiel gehen nahtlos ineinander über.

Doch dann betrete ich den nächsten Raum und plötzlich rennt, rutscht und springt (!) der Undercover-Polizist wie ein junges Reh durch den Kugelhagel. Klar soll ich aus Informationsgründen das normale Feuergefecht erleben. Aber wie viel intensiver könnten solche Szenen sein, wenn ich den Schmerz des Protagonisten spielerisch fühlen könnte! Das ist große Kritik an einer kleinen Vorschau, ja. Weil Spiele so viel mehr könnten als Peng-Puff.

Dabei zündet der Knalleffekt gar nicht schlecht: Ich renne von Deckung zu Deckung, halte Gegner mit blind ausgeteiltem Kugelhagel in Schach oder springe über die Deckung mitten in einen John Woo-Film. Denn sobald ich dabei den Abzug drücke, ballert Shen in Zeitlupe. Das sieht gut aus und erleichtert das Zielen. Treffe ich schnell einen, zwei, drei Feinde, bleibe ich länger im praktischen Zeitloch hängen. Die Präzision eines Shooters erreicht Sleeping Dogs in den Schussgefechten nicht, unterhaltsame Action erlebt Shen aber allemal.

Need for Violence

Auch der Wettlauf durch das nächtliche Hongkong ist spannend, weil ich im richtigen Augenblick eine Taste drücken muss, damit Shen über einen Zaun, ein Geländer oder auf eine Mülltonne springt. Seine Hatz fand ein Ende, als er von den Handlangern des Gejagten

Shen bewegt sich auf zwei oder vier Rädern fort.
Shen bewegt sich auf zwei oder vier Rädern fort.
gestellt wurde. Auch beim Prügeln heißt es: Die richtige Taste zum richtigen Zeitpunkt - man denke an Batmans Arkham-Serie. So gibt es eine Taste zum Schlagen, eine zum Kontern und eine für besondere Ereignisse. Shen beherrschte in dem gezeigten Abschnitt zwar keine nennenswerten Angriffs-Kombinationen, weshalb ich stets ein und dieselbe Taste kurz-kurz-kurz oder kurz-kurz-lang drücke. Das richtige Timing zum Ausweichen ist aber ebenso wichtig wie die fiesen Abschlussaktionen brutal sind.

Tatsächlich ist die Parallele laut Square Enix kein Zufall, denn das Team besteht aus Entwicklern, die u.a. am Dunklen Ritter oder Need for Speed  beteiligt waren. Und natürlich kokettieren Publisher und Entwickler mit den Misshandlungen: Oh-so-Bösewichte werden von Dächern geschubst, ihre Köpfe in Ventilatoren geschreddert, von Türen zerquetscht, am Gasherd verbrannt. Die Faustkämpfe erinnern mich an das brachiale Yakuza, auch wenn ich den Ablauf der Szenen anders als in Tokio nicht beeinflussen kann.

Ein Engel für Shen

Apropos: Es sind ehemalige Black Box-Macher an Bord? Ist es da wirklich ratsam, nach Need for Speed: The Run oder Undercover die Fahrphysik als die beste aller Open World-Spiele anzupreisen? Ich hatte jedenfalls Autos erwartet, die wie unrealistische Bretter auf der Straße liegen, um in Kurven urplötzlich ins Rutschen zu geraten und genau so unvermittelt wieder Grip zu fassen - und genau so fühlt es sich auch an.

Das Rennen, das ich fahren durfte, war durchaus spannend. Physikalisch gefällt mir die glaubwürdige Behäbigkeit des Liberty City-Verkehrs allerdings besser. Pluspunkte

Gibt's denn so was?

Lucy Liu spricht übrigens nicht nur in "Sleeping Dogs" - jenem Spiel, das einst "True Crime: Hong Kong" heißen sollte. Sie spielte auch eine kleine Rolle in dem Clint Eastwood-Film "True Crime". Zufall? sammelte die adrette Dame auf dem Beifahrersitz - gesprochen von Lucy "was macht die jetzt eigentlich?" Liu. Andere Damen sollen von weiteren Berühmtheiten vertont werden, ihre Namen bleiben aber vorerst hinter Schloss und Riegel.

Mini, Neben und Außerdem

Von anderen Missionen, Aufträgen abseits der Handlung und Minispielen konnte ich mir bislang kein Bild machen. Square Enix verspricht aber zahlreiche solcher Kurzgeschichten. Ich durfte immerhin zusehen, wie Shen einen Rennfahrer aufsucht, der seinen Kumpel um den Sieg gebracht hat: Erst vermöbelt er seinen Luxusschlitten, dann den Kerl selbst, fertig.

Wer Shen Aufträge zusteckt, hängt davon ab, ob bei der Polizei oder den Triaden Punkte sammelt oder sich ganz allgemein "Respekt" verdient. Oft gelingt ihm dabei ohnehin der

Für europäische Augen ist Hong Kong ist eine exotische Metropole. Was kann Undercover-Mann Wei Shen dort alles anstellen?
Für europäische Augen ist Hongkong eine exotische Metropole. Was der Undercover-Mann dort anstellen kann, ist noch nicht genau bekannt.
Hattrick, weil das Ausschalten eines feindlichen Gang-Mitglieds gleichzeitig einen Verbrecher aus dem Verkehr zieht. Ob ich später auch moralische Entscheidungen treffen kann?

Ein wenig Yakuza schwingt übrigens mit, wenn United Front Games von Minispielen wie Hahnenkampf oder Karaoke spricht - wie umfangreich der Zeitvertreib sein wird, ist dabei noch nicht abzusehen. Kauft Shen eine Suppe, kann er außerdem für kurze Zeit mehr einstecken und selbstverständlich erweitert er im Feinstich-Fachhandel seinen modischen Horizont. Nicht zuletzt verlässt er ähnlich wie Niko Bellic oder Vito Scaletta seinen anfänglichen Kleinganoven-Unterschlupf, um in das Luxusappartement eines Großkriminellen zu ziehen. Auf seinen Fuhrpark greift er am Eingang einer Tiefgarage zu, falls er sich auf dem Weg dorthin nicht für ein vorbei fahrendes Vehikel entscheidet...

Ausblick

Fahren, Schießen, Prügeln? Willkommen in Rockstars Offener Welt. Zumal sich der Undercover-Thriller dem ersten Eindruck nach über Gewalt und Zeitlupe definiert, anstatt erzählerisch zu brillieren. Am Detail kann man nörgeln - weil die starre Fahrphysik nicht überzeugend scheint und die Faustkämpfe taktische Finessen missen lassen. Trotzdem habe ich mich in Hong Kong wohl gefühlt. Zum einen mag ich farbenfrohen Neonglitzer und zum anderen die Art und Weise, mit der so viele Elemente einer offenen Welt zusammenkommen: spektakuläre Bleiwechsel, Verfolgungsjagden auf Fuß und Reifengummi, brachialer Nahkampf sowie Minispiele. Sleeping Dogs wird die Großstadt-Action nicht im Kern erweitern. Es gewinnt ihr aber eine neue Facette ab, weil es Segas Ost mit Rockstars West zusammenbringt. Zum Glück hat Square Enix diese Brücke gerettet!

Ersteindruck: gut

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