Rock Band 326.08.2010, Paul Kautz
Rock Band 3

Vorschau:

Der noch vor ein paar Jahren unaufhaltsam an Fahrt gewinnende Rockzug der Musikspiele hat deutlich an Schwung verloren: Zu viele zu ähnliche Spiele fluteten den Markt, irgendwann hatte man alle seine Lieblingssongs geschrammelt, unnötig viel zusätzliches Plastik stapelte sich im Wohnzimmer. Aber es ist trotzdem noch nicht vorbei - wird die Situation mit Rock Band 3 (ab 3,80€ bei kaufen) wieder interessanter?

Endlich ein Profi!

Video: Spielerisch bleibt wohl alles beim Alten, jedenfalls von dem ausgehend, was wir bislang selbst erlebt haben. Den frischen Reiz bezieht Rock Band 3 in erster Linie aus den neuen Instrumenten.Nein, in Sachen »Zusätzliche Hardware, für die ich erstmal Platz schaffen muss« wird Rock Band 3 (RB3) die Sache nicht erleichtern, ganz im Gegenteil: Für das neue Spiel gibt es nicht ein, nicht zwei, nein gleich vier neue Instrumente! Zwei frische Gitarren, ein Schlagzeug und, ganz neu im Sortiment, ein Keyboard warten nur darauf, das Portemonnaie des künftigen Besitzers zu plündern. Wenig wird's nicht werden, wenn man alles haben will: Der Spaß geht bei knapp 80 Euro für das Keyboard los und endet bei annähernd 300 Tacken für die bessere der beiden neuen Gitarren. Lohnt sich dieser Aufwand?

Wenn man RB3 einfach nur spielen möchte, dann ist die Antwort einfach: nein. Will man allerdings in die Tiefen der Software absteigen, den Tellerrand des reinen Spiels verlassen und darüber hinaus blicken, dann wird kaum ein Weg daran vorbei führen. Denn RB3 hat den neuen Pro-Modus, und der versteht sich sowohl als unterhaltsamer Zeitvertreib als auch Musikschule. Ein gutes Beispiel dafür ist das Keyboard. Oder vielmehr das Keybördchen, denn auf den ersten Blick könnte man eine Bontempi-Kinderorgel dahinter vermuten: Das kompakte Gerät bietet gerade mal zwei Oktaven. Im normalen Modus reicht eine Hand völlig aus, um zu spielen, schließlich muss man nur fünf zusammen liegende Tasten (ergo: fünf Farben) erreichen. Im Pro-Modus hingegen wird die gesamte

Aus The Beatles: Rock Band stammt die Möglichkeit, mehrstimmig zu singen.
Tastenvielfalt genutzt - die komplette Klaviatur ist nach Farben geordnet, je nach Schwierigkeitsgrad muss man mehr oder weniger Tasten erreichen. Legt man im Pro-Modus auf »Expert« los, spielt man den tatsächlichen Keyboard-Verlauf.  Macht man das konsequent genug, lernt man so wirklich das Spielen. Beim Schlagzeug verhält es sich ähnlich: Man kommt in der normalen Variante mit dem Standard-RB-Gerät (vier Drums, ein Pedal) problemlos durchs ganze Spiel. Aber hat man das neue Set (das wunderbar weiche Anschläge hat, kein Plastikrummsen mehr wie noch beim ersten Gerät) mit vier Drums, einem Pedal und drei Becken, wird richtig gerockt: Trommeln und Becken haben neuerdings nicht nur unterschiedliche Farben, sondern auch unterschiedliche Symbole. Diese zu differenzieren dauert ein bisschen, aber das Gefühl dabei ist eines wahren Drummers würdig!

Die Wunderwelt der Plastiksaiten

Meine Highlights im neuen Kader waren aber die beiden Gitarren. Es gibt zwei: Ein Plastikinstrument in Form einer Fender Mustang sowie eine echte E-Gitarre, die einer Squier Stratocaster nachempfunden ist (beide laufen unter offizieller Fender-Lizenz). Beginnen wir mit der ersten, die eine Art MegaMan-Version der normalen Plastikklampfe ist: Normale Spiel-Instrumente haben fünf Bund-Tasten sowie einen Anschlagshebel. Die Squier verfügt über das Nylon-Pendant von sechs Saiten mit ebenso vielen Knöpfen an 17 Bünden - macht 102

Die simplere der beiden neuen Gitarren ist einer Fender Mustang nachempfunden und bietet eine Mischung aus Knöpfchendrücken und Saitenzupfen.
Knöpfe. Die Idee dahinter ist folgende: Man zupft (oder spielt mit dem Plektrum) die gewünschte Saite und greift im richtigen Bund den gewünschten Knopf - man spielt es quasi wie eine richtige Gitarre, hat aber immer noch Plastik an den Fingern. Das Resultat ist gewöhnungsbedürftig, selbst wenn man schon einige Gitarren-Erfahrung mitbringt - die Haptik von vielen Druckknöpfen ist doch eine andere als die von Saiten. Nichtsdestotrotz fühlt sich diese Klampfe weitaus »gitarriger« an als jedes Instrument davor - was nicht zuletzt daran liegt, dass Harmonix im Gegensatz zu Neversoft erkannt hat, dass die Länge des Halses nicht unwichtig ist. Ich sehe allerdings die Gefahr, dass bei den Massen an Knöpfen Verschleiß-Katastrophen unvermeidlich sein werden. Die Plastikgitarren waren bislang nie als Stabilitätswunder bekannt, wenn gut 100 potenzielle neue Ausfallkandidaten ins Spiel kommen, ist Ärger programmiert.           

Das neue Keyboard ist irgendwie putzig, bietet aber nur zwei Oktaven Spielbreite - fürs Spiel wird's reichen, für mehr aber wohl nicht.
Das dürfte bei der zweiten Gitarre kein Problem sein - denn die ist eine echte E-Gitarre! Hat man keinen Bock mehr auf RB3, stöpselt man sie einfach ab, an einen Verstärker ran und kann da direkt weiterschrammeln. Klingt sehr interessant, doch leider konnten wir diese Gitarre in Köln nicht ausprobieren. Was schade ist, denn für den richtigen Gitarristen stellt sich natürlich die Frage nach der Verarbeitungsqualität: Für ein Spiel mag eine simple Abfrage reichen (wobei sich noch die Frage stellt, wie das Problem der sich verstellenden Saiten gelöst wird - ist ein Stimmgerät eingebaut?), aber wie viel Klangvielfalt kann man bei einem eigentlich für ein Spiel gedachten Instrument erwarten, wenn man es an einen erwartungsvoll brummenden Marshall-Verstärker anschließt? Vermutlich sollte man die Gitarre einfach als preiswertes Einsteigermodell betrachten, denn kaum ein Gitarrist dürfte seine bewährte Axt gegen das neue Modell eintauschen wollen.

Was spiele ich da eigentlich?

Von den Instrumenten abgesehen verspricht RB3 nicht viel Neues: Es soll einen frischen Karriere-Modus geben, der mehr als 600 Aufgaben enthält, aber in welcher Form diese eingebunden sind und ob man eine Art Geschichte drumherum strickt (wie in Guitar Hero: Warriors of Rock ), ist bislang nicht bekannt. Allerdings hat man sich in einer Hinsicht deutlich an Guitar Hero 5 orientiert - dem Partyspiel. Während man dort allerdings nur im Party-Modus ein- und aussteigen durfte, wie man lustig war, soll man das hier überall tun dürfen: Instrument schnappen, Schwierigkeitsgrad wählen, los geht's - überall.

Und so sieht das Ganze dann im Spiel aus. Wie auch die neuen Gitarren und Schlagzeuge lassen sich auch die Keyboards im anspruchsvolleren »Pro-Modus« spielen.
Bis zu sieben Spieler dürfen gleichzeitig die virtuelle Bühne stürmen, denn der aus The Beatles: Rock Band bekannte Harmoniegesang für drei Stimmen ist wieder vorhanden, wenngleich er außerhalb von Queen eher selten genutzt werden dürfte.

Standardmäßig gibt es in RB3 83 brandneue Songs, aus den 60ern (von The Doors bis Jimi Hendrix) bis heute (freut sich irgendjemand auf Juanes oder The Vines?). Hat man vorher schon bei Spielen der Serie inkl. des Online-Shops zugeschlagen, hat man im teuersten Fall knapp 2.000 Songs vor sich, die alle nutzbar sind! Diese Masse unter Kontrolle zu bringen ist natürlich eine herkuleske Aufgabe - gut, dass auch Harmonix an einer stark aufgebohrten Such- und Sortierfunktion schraubt. Man darf nicht nur eigene Setlisten anlegen (sowie speichern und auch weitergeben), sondern alle Songs auch nach allen möglichen Kategorien sortieren, wobei man dabei sogar mehrere Filter kombinieren darf. Falls jemand einfach mal drauflos schrammeln, dabei aber ungefähr in seinem Geschmacksumfeld bleiben möchte, darf auch eine Empfehlungs-Automatik anschmeißen, die aus ausgewählten Songs eine Liste potenzieller »Könnte dir gefallen!«-Kandidaten schnitzt.     

Ausblick

Plastikgitarrenspieler bekommen ja oft einen Spruch à la »Warum zum Henker verplemperst du hier deine Jugend, während du doch lieber ein richtiges Instrument lernen könntest?« zu hören - nach Rock Band 3 im Pro-Modus dürfte der sich erledigt haben. Schon die normale neue Mustang ermöglicht ein komplett neues Musikspiel-Erlebnis, mit der Squier verwischen die Grenzen zwischen Spiel und Realität komplett. Auch das neue Schlagzeug ist spitze, nur bei dem Keyboard bin ich noch skeptisch - zwei Oktaven mögen für die enthaltenen Songs sowie erste Schritte an den Tasten reichen, dürften aber für jeden ambitionierten Jungmusiker schnell zu wenig sein. Außerdem steht noch die große Frage im Raum, wie interessant Rock Band 3 für all jene sein wird, die keinen mittleren dreistelligen Betrag in neue Instrumente investieren wollen - während Guitar Hero: Warriors of Rock auf einen brandneuen Solo-Modus setzt, war davon bei Harmonix' Konkurrenz bislang nichts zu sehen. Und ohne die glitzernden neuen Spielsachen besteht die Gefahr, dass RB3 einfach nur ein besseres Add-On wird.

Ersteindruck: sehr gut

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