Driver: San Francisco01.06.2011, Michael Krosta
Driver: San Francisco

Vorschau:

John Tanner kehrt zurück: Der Undercover-Cop, der bereits beim ersten Driver-Spiel und zuletzt in Driv3r hinter dem Steuer saß, liefert sich erneut wilde Verfolgungsjagden durch San Francisco und setzt mittlerweile übernatürliche Ermittlungsmethoden ein, um seinen Erzfeind Charles Jericho endgültig dingfest zu machen. Kann das neue Konzept überzeugen?   

Zwischen Leben und Tod

Bäääm! Mit voller Wucht wird der Wagen von Tanner erfasst. Er überschlägt sich, es kracht und scheppert - von dem schicken Muscle Car bleibt nur ein Haufen zusammengestauchter Schrott übrig. Jericho hat ganze Arbeit geleistet: Der Transporter, der ihn eigentlich in ein anderes Gefängnis verlegen sollte, landet mit Hilfe von Komplizen in den Händen des Schurken und wird unter seiner Kontrolle zu einer gepanzerten Waffe auf vier Rädern, der Tanner im direkten Duell nichts entgegensetzen kann. Während der Fiesling seine Flucht ungehindert fortsetzt, kämpft der verdeckte Ermittler derweil im Inneren des Wacks um sein Überleben. Es sieht nicht gut aus: Der Protagonist fällt ins Koma, aus dem ihn auch die Ärzte nicht wecken können. Lässt Ubisoft als neuer Besitzer der Driver-Marke den altgedienten (aber zuletzt enttäuschenden) Helden jetzt etwa den Serientod sterben?

Shiften macht Spaß!

Nein, keine Sorge. Anstatt ihn vorzeitig in Rente zu schicken, wagen die Entwickler von Reflections ein interessantes Gedankenexperiment: Sie lassen Tanner zwar weiterhin in der Realität im Koma schlummern, aber geben ihm in einer Art Parallelwelt die Möglichkeit, die Kontrolle über beliebige Personen zu übernehmen und in ihre Körper zu schlüpfen. Diese Fähigkeit wird „Shiften“ genannt und ist nicht nur äußerst praktisch, sondern macht auch eine ganze Menge Spaß. Zunächst schwebt man wie ein Geist über den Straßen der amerikanischen Westküsten-Metropole, aber kann sich auf Wunsch in jedes der Fahrzeuge am Boden beamen, um die Stadt frei zu erkunden. Viel eher sollte man aber die Augen nach Icons offenhalten, die zu den Haupt- und Nebenmissionen führen - und davon gibt es reichlich.

Man mag dem "Geister-Konzept" im Vergleich zum klassischen Action-Krimi skeptisch gegenüberstehen - ich fragte mich bei der Ankündigung ebenfalls, wer diesen verrückten Ansatz bei Ubisoft durchgewunken hat. Aber beim Anspielen wird schnell klar, welche spielerischen Vorteile das Shiften mit sich bringt: Anstatt sich nur auf Tanner zu konzentrieren, kann man in den Missionen alle erdenklichen Rollen füllen - und das Ergebnis ist ein enorm abwechslungsreicher Spielablauf! So musste ich z.B. einem Lästermaul von Fahrlehrer eine Lektion erteilen und dessen Herzschlag durch wilde Manöver in die Höhe treiben oder einem TV-Team mit lancierten Verfolgungsjagden sowie Unfällen spektakuläre Aufnahmen bescheren. In bester Crazy Taxi-Manier befördert man

Auch in der Cockpitansicht darf man durch San Francisco rasen und cruisen.
Auch in der Cockpitansicht darf man durch San Francisco rasen und cruisen.
außerdem Fahrgäste unter Zeitdruck an ihr Ziel oder bringt Patienten unter Sirenengeheul ins Krankenhaus, bevor ihr Herz aufhört zu schlagen.  

Übernatürliche Verbrecherjagd

Doch das sind nur Nebenaufgaben, von denen man allerdings eine bestimmte Mindestanzahl erfolgreich absolvieren muss, um den Zugang zu weiteren Story-Missionen zu erhalten. Dort steht dann vornehmlich die Verfolgung Jerichos und seiner Handlager im Fokus, wobei Tanner auch hier von der Shift-Funktion Gebrauch macht, um in den Körpern der Ganoven die Verbrecherbande zu infiltrieren. Dass man dabei gezwungenermaßen die Seiten wechseln muss, versteht sich von selbst und so liefert man sich in der Rolle der bösen Buben u.a. wilde Verfolgungsjagden mit den Cops. Umgekehrt darf man in den "City-Missionen" auch als Gesetzeshüter die Flüchtigen bis zum Totelschaden mit Rempeleinlagen zurechtstutzen. Dazu gesellen sich Aufgaben nach dem Muster "Überhole zehn Autos innerhalb des Zeitlimits" oder Stunteinlagen, bei denen man z.B. über die Ladefläche von Autotransportern springt. Doch auch als Tanner ist man noch oft genug unterwegs, begleitet von dessen altem Partner Jones, den man in einer Mission z.B. erstmal von seinen neuen Fähigkeiten überzeugen muss.

Mit Willen zum Erfolg

Als Belohnung für Missionen winken nicht etwa Orden, Geld oder Pokale - stattdessen gewinnt man an Willensstärke, die vermutlich auch dazu beitragen soll, dass Tanner in der Realität wieder das Bewusstsein erlangt. Doch nicht nur das: Mit genügend Willen lassen sich auch weitere Fahrzeuge, Garagen und Extra-Funktionen wie eine Thrill-Cam "kaufen".

Insgesamt düsen über hundert lizenzierte Boliden namhafter Herstellerwie Dodge, Audi und sogar Porsche durch das virtuelle San Francisco, dieallesamt mit einer Cockpitansicht sowie einem vollen Schadensmodell ausgestattet werden.

Man muss schon Mut und Optimismus mitbringen, wenn man einen Truck stoppen will.
Harter Kampf: Kann sich der Truck gegen die Cop-Übermacht durchsetzen?
Tuning-Freunde kommen im Upgrade-Shop auf ihre Kosten, während eine Durchfahrt bei der Werkstatt das Fahrzeug automatisch repariert. Die Fahrphysik wird dabei auf Arcade getrimmt: Zwar steuern sich die Flitzer zum Glück nichtwie auf Schienen und erfordern zumindest einen Hauch von Gefühl, doch Funktionen wie der unendlich regenerierende Geschwindigkeits-Boost und die aufladbare Rammattacke sind der Beleg dafür, dass die Entwickler von Reflection unter der Leitung von Martin Edmondson ihren Fokus auf ein Action-Erlebnis legen.

Die KI schlägt derzeit in die gleiche Kerbe und wartet bei Verfolgungsjagden und Rennen brav, wenn der Spieler den Anschluss verliert. Für meinen Geschmack war der Gummibandeffekt beim Anspielen zu stark ausgeprägt und wird bis zur geplanten Veröffentlichung im September hoffentlich noch überarbeitet. Die anderen Verkehrsteilnehmer reagieren derzeit außerdem weder auf Hupkonzerte noch Kollisionen, sondern gehen einfach weiter ihrem unspektakulären Alltag nach als sei nichts gewesen.  

Butterweiche Darstellung

Als einer der Gründe für die lange Entwicklungszeit des jüngsten Drivers - Ubisoft sicherte sich die Marke immerhin schon 2006 - wird die Technik genannt: Reflections stampfte eine komplett neue Engine aus dem Boden, die ihren Vorstellungen und Ansprüchen gerecht werden sollte. So stand z.B. die Framerate von konstanten 60 Bildern pro Sekunde ganz oben auf der Prioritätenliste - ein Ziel, das man

Tanner ist immer noch am liebsten in seinem Muscle Car unterwegs.
Tanner ist immer noch am liebsten in seinem Muscle Car unterwegs.
erreicht hat. Zwar geht das mit eher durchschnittlichen Texturen und auch Pop-ups von Schatten sowie Tearing auf Kosten der Grafikqualität,doch flutschen dafür die immer noch ansehnlichen Kulissen mit ihren zahlreichen Häusern, dem Verkehr und Klon-Passanten butterweich über den Bildschirm.

Im Audiobereich soll es dagegen mehr als 70 lizenzierte Tracks auf die Ohren geben - darunter auch exklusive Remix-Versionen des alten Driver-Themas. Abseits der Karriere wartet außerdem noch Schnittstudio, in dem man eigene Clips zusammenstellen und mit anderen Spielern online teilen kann. Darüber hinaus wartet ein Herausforderungs-Modus, in dem man u.a. zwölf Verfolgungsjagden freischalten kann, die von klassischen TV- und Kino-Produktionen inspiriert worden sind. Ein Blick ins Hauptmenü offenbarte außerdem die Option Splitscreen, so dass man wahrscheinlich auch gemeinsam an einem Bildschirm rasen darf. Was die weiteren Pläne für die Mehrspielerkomponente angeht, verweise ich an dieser Stelle auf unsere erste Vorschau, in der Paul sich bereits mit dem Thema beschäftigt hat...

Ausblick

Ghost - Nachricht von Tanner? Ich konnte mich zunächst nicht so richtig mit dieser ungewöhnlichen Neuausrichtung der Driver-Serie anfreunden, die mich als Geist durch die Stadt fliegen und in jeden beliebigen Körper innerhalb von Fahrzeugen „shiften“ lässt. Auf der anderen Seite: Vermutlich ist alles besser als der letzte Einsatz des Undercover-Cops in Driv3r, der sich mit Schießereien in- und außerhalb der Karre als peinlicher Versuch herausstellte, Rockstars GTA-Serie zu kopieren. Hier bleibt Tanner dort, wo er hingehört - hinter das Steuer eines Autos! Und auch wenn das körperlose Schweben durch die Stadt auf der Suche nach neuen Missionen mit der Zeit etwas öde wird, ist es neben den flüssigen 60 Bildern pro Sekunde vor allem dieses neue Spielelement, das mich nach der anfänglichen Skepsis begeistert! Da man sich nicht nur auf den Helden beschränken muss, schlägt sich die gewonnene Freiheit beim Missionsdesign in herrlich abwechslungsreichen Einsätzen nieder: Mal schlüpft man in die Rolle eines Fahrschülers, dann in die eines Sanitäters und auch als vermeintlicher Verbrecher darf man allerlei Unsinn anstellen - der Fantasie sind quasi keine Grenzen gesetzt. Wenn es Reflections schafft, das Potenzial zu nutzen, könnte sich die Neuausrichtung als wahrer Segen für die Serie im Speziellen, aber auch das Genre im Allgemeinen erweisen...   



E3-Eindruck
: gut

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