Fight Night Champion01.02.2011, Michael Krosta
Fight Night Champion

Vorschau:

Andrew Bishop ist am Ende: Der Hauptdarsteller des neuen Story-Modus steht nur noch auf wackeligen Beinen im Ring, nachdem er eine Minute zuvor auf die Bretter geschickt wurde. Sein geschwollenes, blutverschmiertes Gesicht spricht Bände und ist gezeichnet von der Prügel, die er in den vorherigen Runden einstecken musste. Wie soll er den Kampf gegen dieses aggressive Muskelpaket bloß überstehen - oder gar für sich entscheiden?

Neuer Ansatz

Bei Fight Night Champion (ab 1,39€ bei kaufen) wird einiges anders als bei den vorherigen Umsetzungen des Boxsports. Zwar wird man sich auch hier im Legacy Modus in der Rangliste nach oben kämpfen und seine Fähigkeiten in Trainingsspielchen verbessern können, doch im Mittelpunkt soll dieses Mal die Geschichte des fiktiven Herausforderers Andrew Bishop stehen, der sich in bester Rocky-Manier von ganz unten bis zum heiß ersehnten Gürtel durchschlägt und dabei auch die eine oder andere sportliche sowie persönliche Niederlage hinnehmen muss. Genau wie bei Don King Boxing wird die Geschichte des Aufsteigers in Zwischensequenzen erzählt - doch während man dort echte Schauspieler in realen Kulissen vor die Kamera zerrte, werden hier sämtliche Figuren und Schauplätze am Computer generiert.

Boxmissionen

Wie die Entwickler von EA Canada betonen, erlaubt der Storymodus eine völlig neue Herangehensweise an den Sport. Anstatt immer nur zwei Boxer in einer festgelegten Anzahl an Runden gegeneinander antreten zu lassen, hat man jetzt einen gewissen Spielraum für Variationen und Ziele. So wird der Spieler u.a. mitten im Kampf in den Ring geschickt und hat dabei nur die Aufgabe, sich trotz minimaler Energie nicht auf die Bretter schicken zu lassen und in erster Linie clever zu verteidigen. Bei einem anderen Kampf geht man nur dann als Sieger hervor, wenn man sein Gegenüber mindestens zwei Mal ausknockt. Es wird also innerhalb der Story-Klopperei sehr viel mehr missionsbasierte Auseinandersetzungen geben und auch die Gegner sollen sich von ihrem Auftreten deutlich voneinander unterscheiden. So kämpft einer von ihnen z.B. am Anfang jeder Runde extrem defensiv und wehrt nahezu jeden Schlag ab, ohne aber selbst aktiv zu werden. Erst in den letzten 30 Sekunden dreht er richtig auf und wird in dieser Phase dadurch selbst angreifbar. Bei einem anderen Gegner muss man im Gegenzug selbst eine exzellente Verteidigung beherrschen, denn hier kommt man nur mit anschließenden Konterangriffen weiter. Die Trainingseinheiten spielen ebenfalls eine Rolle und werden zwischendurch immer wieder zur Abwechslung eingestreut. Insgesamt scheint der Storymodus ein interessanter Ansatz zu sein, der viel frischer wirkt als die altbekannte trockene Legacy-Karriere.

Zugänglicher als früher?

Die Kämpfe sind dynamischer als in den bisherigen Fight Night-Teilen.
Nicht nur in Sachen Spielmodi, sondern auch bei der Spielmechanik gehen die Entwickler neue Wege. So stehen die Actionknöpfe jetzt von Anfang an als Alternative zur bewährten Punch-Control mit dem rechten Analogstick zur Auswahl. Das bedeutet gleichzeitig, dass Aktionen wie das Klammern, illegale Schläge oder das Provozieren jetzt auf die Schultertasten respektive das Digitalkreuz rutschen. Die größte Veränderung betrifft jedoch das Blocken sowie die durchschlagenden Haymaker: Bei der Verteidigung orientiert man sich an EAs MMA-Titel, was den Schlagabtausch auf den ersten Blick sehr viel einfacher gestaltet als früher. Warum? Weil der Boxer durch das Halten des Triggers quasi automatisch blockt - man braucht sich nicht wie bei den Vorgängern manuell darum zu kümmern, ob man lieber seinen Kopf oder den Körper schützt. Zum Glück ist die neue Mechanik aber kein Freibrief, um sich wie eine Schildkröte im Panzer zu verkriechen. Wenn der Gegner einen Schlag genau platziert, kann dieser auch schon mal die Deckung durchbrechen - mit der Zeit werden die Arme außerdem schwer. Und mehr noch: Erstmals soll es möglich sein, den Kampf mit nur einem Volltreffer ("Lucky Punch") vorzeitig zu beenden.        

Wie aus dem Lehrbuch

Das Kontersystem wird nahezu unverändert beibehalten, auch wenn die künstliche Pause bzw. die kurze Benommenheit beim Gegner hier wegfällt, damit das Geschehen im Ring realistischer wirkt. Man muss die wuchtigen Konter-Schläge also deutlich schneller ausführen als früher. Die mächtigen Haymaker wurden ebenfalls überarbeitet: Diese werden wie gehabt mit dem Punch-Modifikator (rechte Schultertaste) vorbereitet und dabei spürbar flotter umgesetzt. Das übertriebene und ewig lange Ausholen, das man im realen Boxsport in dieser Form nicht zu Gesicht bekommt, gehört also der Vergangenheit an. Vereinfacht wurden die Haken, für die man den Analogstick nicht mehr im Halbkreis, sondern nur noch in die gewünschte

Fight Night Champion verspricht brachiale Kämpfe.
Richtung drücken muss. Als Folge all dieser Maßnahmen wirkt das Geschehen jetzt sehr viel dynamischer und gleichzeitig echter. Auch bei den Verletzungen möchte man Richtung Realität gehen, doch übertreibt man es hier mit blutverspritzen Shorts und Körpern zu sehr - hier entsteht schnell der Eindruck, als sei man wieder im Oktagon von MMA gelandet.

Duell der Trainerställe

Im Mehrspielerbereich will man mehr bieten als die üblichen Einzelkämpfe über Xbox Live oder das PSN. Dies wird zwar auch möglich sein, doch gibt man den Spielern und ihren Freunden die Möglichkeit, sich in einem Gym zu organisieren. Das wird vergleichbar sein mit der eigenen Liga aus FIFA - es tritt also jeder gegen jeden an und die Siege entscheiden, wer der Champion des Trainerstalls ist. Doch das ist nicht alles, denn auch Wettbewerbe unter den einzelnen Gymns sollen möglich sein, so dass z.B. der Titelträger eines anderen "Vereins" den eigenen Champion zu einem Kampf herausfordern kann. Klingt interessant...

Auch die Präsentation hinterlässt mit detaillierten Kämpfern, den mitfiebernden Zuschauern sowie dem eingespielten Kommentatoren-Duo den überzeugenden Eindruck, den man von der Serie kennt und erwartet. Einzig der Ringrichter, der hier zum ersten Mal gezeigt wird, wirkt manchmal noch etwas störend und versperrt trotz des schnellen Umschaltens auf Transparenz manchmal die Sicht. Außerdem ist es gewöhnungsbedürftig, dass auf dem Bildschirm nur noch eine Ausdauer- aber keine Energieanzeige mehr erscheint. Erst wenn der Boxer benommen durch den Ring wackelt, wird ein Blick auf den Gesundheitszustand gewährt. Dass die optionalen Minispiele immer noch kein Comeback feiern, ist ebenfalls bedauerlich. Beim Anspielen war es nicht mal mehr möglich, wie beim Vorgänger manuell die Punkte auf die Regeneration von Kondition oder Gesundheit zu verteilen - stattdessen läuft alles automatisch ab.   

Ausblick

Zugänglichkeit vs. Anspruch - das ist der wahrscheinlich größte Kampf von Fight Night Champion und ich bin mir noch nicht sicher, wem von beiden ich die Daumen drücken soll. Ja, man kann zu Recht über Neuerungen wie das automatische Blocken, automatisierte Regenerationen und die vereinfachte Steuerung schimpfen oder zumindest meckern. Ich habe mir bei meinen ersten Runden im Ring von Champion ebenfalls mehr Freiheiten bei meiner Verteidigung gewünscht, denn mit der neuen Ausrichtung büßt das neue Fight Night eindeutig eine taktische Komponente ein, die die Vorgänger noch ausgezeichnet hat. Doch hat man das neue System verinnerlicht, lernt man auch die Vorteile zu schätzen: Die Kämpfe fühlen sich sehr viel dynamischer und auch flotter an - vor allem, weil die schweren Schläge jetzt schneller ausgeführt werden und die Zwangspause beim Kontern weg fällt. Gleichzeitig wirkt die Darstellung der Boxeinlagen realistischer, obwohl man sich vom Anspruch her eigentlich von der Simulation wegbewegt. Es bleibt abzuwarten, ob EA der Spagat zwischen einem realistischen Ansatz und Zugänglichkeit gelingt. Nach den ersten Besuchen im Ring steht fest: Fight Night Champion macht verdammt viel Laune, doch sorgt die eine oder andere Design-Einscheidung für leichte Bauchschmerzen. Der neue Storymodus gehört eindeutig nicht dazu - ich finde die Idee klasse, ein Sportspiel auch mal aus dieser Perspektive zu erleben. Und auch in Sachen Mehrspieler scheint man bei EA Canada noch ein paar Asse im Ärmel zu haben.  

Ersteindruck: gut

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