Beyond: Two Souls08.06.2012, Jan Wöbbeking
Beyond: Two Souls

Vorschau:

Auf Sonys Pressekonferenz hinterließ Quantic Dreams Beyond: Two Souls (ab 6,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) einen ruhigen und mysteriösen Eindruck: Ein unheimliches Verhör, ein schweigsames Mädchen und ein spukendes Wesen namens Aiden, welches mit der Protagonistin in Verbindung steht. Auf einer Präsentation hinter verschlossenen Türen ging es deutlich hektischer und actionlastiger zu.

Fluch oder Segen?

Meist kann der Spieler frei entscheiden, ob er Jodie oder Aiden steuert - ab und zu ist es aber auch fest vorgegeben.
Meist kann der Spieler frei entscheiden, ob er Jodie oder Aiden steuert - ab und zu ist es aber auch fest vorgegeben.

Heavy Rain-Entwickler David Cage betonte, dass das Spiel komplette 15 Jahre aus dem Leben von Jodie Holmes abdecken (von ihrem 14. Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter) und sich daher sehr unterschiedlich spielen soll. "Das Abenteuer soll sich organisch und lebendig anfühlen und nicht wie ein klassisches Videospiel", erklärte Cage. Die vorgespielte Präsentation beginnt unerwartet. Ich sehe die 23-jährige Jody, welche schlummernd den Kopf an ein Zugfenster lehnt.

Doch statt in ihre Rolle zu schlüpfen, schwebt der am Controller sitzende Entwickler ein Stückchen von ihr weg. Er steuert Aiden, das Geistwesen, welches dem Mädchen seit langer Zeit nicht von der Seite weicht. All zu weit kann er sich ohnehin nicht von ihr entfernen. Aus der Ego-Perspektive fliegt er ein wenig den Gang entlang und jagt einem anderen Fahrgast einen Schrecken ein, indem er einen Becher vom Tisch stößt. Jodie lässt nach einem Weckversuch nur ein entnervtes "Let me sleep, Aiden!" von sich.

Glühender Schutzengel

"Ayden hat seine eigene Persönlichkeit. Er kann sich schützend, neidisch oder gewalttätig verhalten", erklärt David Cage. Auf dem Bild verwandelt er sich in ein schützendes Schild.
"Ayden hat seine eigene Persönlichkeit. Er kann sich schützend, neidisch oder gewalttätig verhalten", erklärt David Cage. Auf dem Bild verwandelt er sich in einen schützenden Schild.

Als der Zug einen außerplanmäßigen Stopp einlegt, ändert sich das Tempo: Der Waggon ist von Sicherheitskräften umstellt und eine turbulente Verfolgungsjagd über das Zugdach beginnt. Wie in Heavy Rain gilt es, die angreifenden Polizisten mit Reaktionstests abzuwehren. Wenn das entsprechende Symbol auf dem Bildschirm erscheint, ist mal eine flott ausgeführte Halbkreisbewegung mit dem Stick oder schnelles Hämmern auf eine Taste gefragt - und schon weicht Jody aus. Als jemand sie trotzdem zu packen bekommt, schüttelt der Spieler das Pad. Das Mädchen springt vom Zugdach, während eine Pistolenkugel in Zeitlupe auf sie zu fliegt.

Hier kommt Aidens Spezialfähigkeit zum Einsatz: Ebenfalls durch Tastendruck verwandelt er sich in einen blau glühenden Schild, der Kugeln abfängt und die Wucht eines Aufschlags mindert. Als Jody später auf einem Motorrad unterwegs ist, nutzt sie dieselbe Fähigkeit, um eine Straßensperre zu durchbrechen. Die Flucht auf dem Zweirad war in der Präsentation eine der wenigen Sequenzen, in welchen die Action direkt gesteuert wird. Durch das Kippen des Dualshock-Controllers neigt sich der fahrbare Untersatz nach rechts und links.

Beängstigend  gutes Motion-Capturing

David Cage präsentierte in Los Angeles seine Vision für Beyond: Two Souls.
David Cage erläuterte in Los Angeles seine Vision für Beyond: Two Souls.

Auch bei der Flucht zu Fuß steuert man sie mit dem Stick durch den Wald. Während sie über Stock und Stein stolpert, sehen ihre Laufbewegungen und Gesichtszüge erstaunlich natürlich aus. Erreicht wird das beeindruckende Ergebnis durch die neue Technik, mit der Bewegungen, Gestik und Mimik von Hollywood-Schauspielerin Ellen Page (Inception, Juno) gleichzeitig im Detail aufgenommen wurden "Für die Flucht durch den Wald haben wir z.B. 20 verschiedene Lauf-Animationen eingebaut, damit sich die Bewegungen nicht wiederholen", erklärt Cage.

Da Tiere Aidens Präsenz spüren, kann das Geistwesen ihnen einen Schrecken einjagen. Nur eine Sekunde später ergreifen sie jaulend die Flucht. Auch als Jody in der Stadt umstellt wird, kommen Aidens übernatürliche Fähigkeiten zum Einsatz. Je nach farbigem Aura-Symbol kann ein Mensch entweder gewürgt (rot) oder oder übernommen (orange) werden. Bei letzterer Aktion wird das Opfer zu einem willenlosen Gehilfen. Einer der auf dem Dach postierten Scharfschützen richtet die Waffe z.B. auf seine eigenen Kollegen. Auch ein paar Autos werden zischend aufs Dach geschleudert, ein Haus zum Einsturz gebracht und schließlich fliegt eine komplette Tankstelle in die Luft. Das Feuer reißt einige der Spezialkräfte in den Tod. Zum Schluss knöpft Ellie sich einen Überlebenden vor, welcher die warnende Botschaft überbringen soll: "Tell them to leave me the fuck alone, because next time i will kill everyone!"

Lebenslange Hetzjagd

Dank des verbesserten Motion-Capturings hat man das Gefühl, echten Schauspielern zuzuschauen.
Dank des verbesserten Motion-Capturings hat man das Gefühl, echten Schauspielern zuzuschauen.

Auch wenn der Vergleich seltsam klingen mag - die Handlung besitzt offenbar starke Parallelen zu John Rambos Kampf gegen die Hetzjagd der Polizei in First Blood. Jodie hat den Krieg nicht begonnen, muss aber wohl oder übel mit den Konsequenzen von Aidens Aktionen leben. Das bringt das Zusammenleben mit einem derart mächtigen Geist eben mit sich.

Schade nur, dass in solche Momenten ebenfalls auf Quicktime-Events zurückgegriffen wird und man nicht persönlich mit dem besessenen Scharfschützen auf seine Gegner anlegt. Auch Aidens Flugbahn von einem Opfer zum nächsten ist hier vorgegeben. Die Design-Entscheidung erklärt Producer Ray Khalastchi in einem Gespräch mit uns folgendermaßen: "In ruhigen Momenten übernimmt der Spieler die direkte Steuerung von Jodie oder Aiden. Doch wenn es brenzlig wird, kommt es auf Reaktionen an. Dann nutzen wir Quicktime-Events, um die Szene besonders dramatisch zu inszenieren."

Meine Jodie, deine Jodie

Hier nutzt Aiden die explosive Tankstelle, um seine Verfolger endgültig loszuwerden.
Hier nutzt Aiden die explosive Tankstelle, um seine Verfolger endgültig loszuwerden.

An einigen Stellen gebe es aber unterschiedliche Abzweigungen: Wenn Jodie z.B. im Zug gefangen genommen wird, fällt die Verfolgungsjagd mit dem Motorrad aus und man gelangt erst später in den Wald. "Außerdem gibt es viele Entscheidungen, welche den Spielverlauf beeinflussen. Deine Jodie ist im späteren Spiel eine ganz andere Person als meine Jodie", berichtet Khalastchi.

David Cage erklärt, dass er die actionlastigen Szenen bewusst für die Präsentation gewählt hat, um ein Gegengewicht zum ruhigen Trailer der Pressekonferenz zu schaffen - und natürlich, um eindrucksvolle Bilder zeigen zu können. Das Spiel soll beides abbilden: Ruhige Momente wie man sie auch aus Heavy Rain kennt sowie hektische Kämpfe und Verfolgungsjagden. Außerdem soll man die Welt recht frei erkunden können. Wie das in Kombination mit dem erzählerischen Fokus funktioniert, verriet er aber noch nicht. Auch über Jodies Vorgeschichte schwiegen die Entwickler sich noch aus.

Ausblick

Die erste Präsentation von Beyond: Two Souls ließ mich ein wenig ratlos zurück. Das ins Spiel transportierte Schauspiel sah dank der verbesserten Aufnahmetechnik so gut aus, dass es schon fast unheimlich war, eine Spielfigur derart natürlich agieren zu sehen. Auch die filmische Inszenierung war erste Sahne. Doch kurz darauf redete David Cage davon, dass er ganze 15 Jahre eines Menschenlebens in ein Spiel pressen will. In dieser Zeit soll man nebenbei auch relativ frei die Welt erkunden und die Persönlichkeit der beiden Protagonisten durch wichtige Abzweigungen verändern können. In der Präsentation war davon allerdings noch nichts zu sehen, stattdessen gab es ähnlich wie in Heavy Rain einen starken Fokus auf die cineastische Umsetzung und Reaktionstests. Der ambitionierte Vortrag erinnerte ein wenig daran, wie Molyneux einst über die dynamische Welt von Fable fabulierte. Falls Quantic Dream sich nicht verzettelt und sich auf seine erzählerischen Stärken konzentriert, könnte die Geschichte um das Mädchen und ihren Geist genau  so packend unterhalten wie Heavy Rain. In der Vorführung wurden wider Erwarten zwar kaum Worte gewechselt, doch auch die Verfolgungsjagd hat mich in ihren Bann gezogen.

E3-Eindruck: sehr gut

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