Vorschau: Neue Welten ohne Shepard
Zu wenig Zeit
Mass Effect: Andromeda (ab 5,00€ bei kaufen) konnte ich knapp zweieinhalb Stunden bei Electronic Arts anspielen. Nur zweieinhalb Stunden - das ist verdammt wenig Zeit für solch ein komplexes Science-Fiction-Abenteuer und daher kann ich an dieser Stelle nur auf manche Aspekte eingehen. Geschichte, Beziehungen, Entwicklungsmöglichkeiten, Entscheidungen, Konsequenzen, Vielfalt, Abwechslung: all das kann nur erahnt werden. Meine Eindrücke beschränken sich vorwiegend auf das Kampfsystem, die Kulisse, die Inszenierung des Geschehens, die spielerischen Möglichkeiten sowie die technischen Umsetzung. Eigenes Videomaterial durfte nicht aufgenommen werden, höchstwahrscheinlich als Spoiler- und Bug-Prävention. Apropos Spoiler:
Ein Himmelfahrtskommando
Mass Effect: Andromeda ist vollkommen losgelöst von der Shepard-Trilogie. Alles beginnt damit, dass menschliche Pioniere im 22. Jahrhundert eine Expedition bzw. ein Himmelfahrtskommando mit der Arche Hyperion in die Andromeda-Galaxie starten. Die Reise ins Unbekannte dauert über 600 Jahre. Die Mannschaft unter dem Kommando von Alec Ryder, einem sogenannten Pathfinder, befindet sich im Kälteschlaf. Als das Ziel, ein vermeintlich erdähnlicher Planet, zum Greifen nahe ist, wird die Crew wieder erweckt. Auch Sara und Scott Ryder, Tochter und Sohn des Expeditionsanführers, sind an Bord und je nachdem welches Geschlecht man spielen möchte, darf man zwischen Sara oder Scott wählen. Ich entscheide mich für Sara, um nicht immer Scott und/oder Sara schreiben zu müssen.
Auf dem Planeten
Direkt nach der Ankunft finden erste Gespräche auf dem Raumschiff statt: über die Reise, die Aufgabe, das Geschwisterchen und die gigantische Energiewolke im Weltraum, die bis auf den auserwählten Planeten reicht.
Kaum ist das erste Chaos überstanden, arbeitet Alec Ryder seine To-Do-Liste mit militärischer Präzision und Engstirnigkeit ab und entscheidet, dass erstmal Bodenteams den Planeten trotz des Energiewirbels erkunden sollen. Alsbald oder nach weiteren optionalen Gesprächen sitzt man im Shuttle zur Planetenoberfläche. Wenig überraschend endet das Vorhaben mit einer Bruchlandung
Der erste Kontakt
Nun darf man sich in der schlauchartigen Umgebung "frei" bewegen und die Vorzüge des Jetpacks genießen. Mithilfe des futuristischen Raketenrucksacks kann sich Sara in die Luft katapultieren und dort kurzzeitig in einem Schwebezustand verharren. Außerdem kann sie sich am Boden in alle Richtungen "schubsen" lassen oder ganz einfach vorpreschen. Durch das Jetpack kann man also schnell die Position wechseln, was vor allem in den Kämpfen gut zur Geltung kommt. Apropos: Es dauert nicht lange, bis die ersten Gefechte entbrennen, da seltsam aussehende humanoide Aliens gar nicht gut auf die Präsenz der Menschen reagieren. Zieht man die Waffe, springt die Kamera automatisch näher zu Saras Schulter und wenn man sich einer möglichen Deckung nähert, sei es ein Fels, ein Container oder das Rad eines Fahrzeugs, geht Sara automatisch (ohne weiteren Knopfdruck) in die Schutzposition. Die Deckung zu suchen ist wichtig, denn ohne Schutz ist der Energieschild schnell aufgebraucht und Sara wird ausgeschaltet.
Aus der sicheren Deckung heraus kann Sara natürlich Gegner beschießen oder Spezialfähigkeiten zünden, die diesmal direkt auf Hotkeys bzw. Controller-Tasten liegen und nicht mehr im Ringmenü ausgewählt werden müssen. Man kann drei Fertigkeiten und ein Profil (so etwas wie ein Bonus je nach Talent-Spezialisierung) in einem Favoriten-Loadout speichern. Vier dieser Loadouts darf man zusammenstellen und jederzeit zwischen ihnen wechseln.
Mehr Dynamik in den Kämpfen
Durch das Jetpack sind die Kämpfe dynamischer und flotter geworden. Beim in die Luft katapultieren kann man sich nicht nur einen guten Eindruck von der Umgebung und den Positionen der Gegner machen, sondern sie auch gleich aus der Luft beschießen. Und mithilfe der seitlichen Schubdüsen können die Deckungen schneller gewechselt werden, was die Flankenattacken beschleunigt. Steuern lässt sich beides jedenfalls problemlos. Durch die neu gewonnene Übersicht aus der Luft konnten sowohl seltsame als auch doofe Manöver der Computerintelligenz beobachtet werden. So verließen mehrere Feinde ihre sichere Deckung, um direkt in die Arme eines Mitstreiters zu laufen, der wiederum ungedeckt mitten in der Gegend herumstand, obwohl ein Schritt weiter eine Deckung gewesen wäre. Dieses "sinnlose" Verlassen der sicheren Deckungspositionen konnte mehrfach beobachtet werden. Mache Feinde liefen auch direkt zu Sara und gingen direkt vor ihr in Deckung - eine seltsame Taktik ohne Nahkampfwaffen. Ansonsten scheinen manche Feinde mit Attacken aus der Luft oder von der Flanke überfordert zu sein. Größtenteils war das Verhalten der Gegner und der eigenen Mitstreiter in Ordnung, jedoch fielen diese Verhaltensmacken schon ins Auge.
Charaktere im Uncanny Valley
In dieser Tutorial-Mission suchte man seine versprengte Crew wieder zusammen und startete einen Angriff auf eine unbekannte Technikanlage, bevor am Ende eine Katastrophe passierte, die nicht verraten werden soll. Aber gerade diese Ingame-Zwischensequenz führte vor Augen, wie hervorragend die Charaktere in den Großaufnahmen gestaltet wurden und wie hervorragend die Animationen gelungen sind - vor allem der Gesichtsmimik. Wechselnde Kameraeinstellungen in Gesprächen sogar für eine cineastische Inszenierung der Dialoge. Stellenweise ist die Nachbildung der Charaktere so gut gelungen, dass nur kleine Details - wie z.B. flackernde Schatten bei den Haaren oder kurzzeitig zuckende Armanimationen - sofort alarmierend die Künstlichkeit im Uncanny-Valley-Sinn bestätigen. Während die Gespräche und der Zwischensequenzen hervorragend inszeniert werden, kann dagegen die "normale" Level-Grafik zum Beispiel auf den Planeten nicht ganz mithalten kann. Es fehlt an Detailvielfalt und die Levelgeometrie ist mitunter arg eckig.
Die Stärke der Dialogdarstellung kommt ebenfalls in der „zweiten Demo-Mission“ (kurz vor der Mitte des Spiels) zum Tragen. Diesmal landete Sara mit ihrem eigenen, kleinen Raumschiff auf dem Planeten Kadara (direkt neben dem Schwarzen Loch aus Interstellar) in einer Cyberpunk-Siedlung mit Firefly/Serenity-Charme. Dort soll man den Standort eines speziellen Planeten in Erfahrung bringen und dazu muss ein Informant befragt werden, der jedoch im Gefängnis sitzt, weil er es sich mit dem Widerstand verscherzt hat.
Auf Crashkurs mit dem Nomad
Nach dem Treffen mit der gesuchten Person findet Sara heraus, dass die gewünschten Daten irgendwo in der Botanik vergraben wurden. Also verlässt sie mit ihrer zweiköpfigen Gefolgschaft die Stadt und betritt einen weitläufigen Canyon. Dort wird zunächst eine Sonde aus dem Orbit angefordert. Abgesehen davon, dass solche Sonden als Wegpunkt zur Schnellreise fungieren, kann dort das Fahrzeug Nomad aufgefordert werden, das sich modifizieren und verbessern lässt. Allerdings wirkte das Fahr- und Kollisionsverhalten des Vehikels in dieser Version noch unfertig. So bin ich mit dem großen, sechsrädrigen Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit gegen eine beleibtere Velociraptor-Version gefahren und der Nomad prallte zurück. Als ich den Rammversuch wiederholte, wurde der Nomad wieder zurückgeschleudert, wirbelte wie ein Brummkreisel um die eigene Achse und landete krachend auf dem Boden. Dieses seltsame Verhalten ließ sich mit anderen Gegnern reproduzieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Entwickler diese seltsamen Physik-Macken bis Mitte März aus der Welt geschafft bekommen. Außerdem fielen mir in dem Gebiet viele "Fahrverbotszonen" (unsichtbare Wänden oder Steilhänge) auf, während ich zu den Koordinaten fuhr.
Charakter-Crafting
Apropos Rohstoffe: Mit gefundenen Ressourcen können Waffen, Rüstungen (Helm, Brustrüstung, Schultern, Arme und Beine) sowie sonstige Gegenstände selbst hergestellt werden. Möchte man beispielsweise die Assault Rifle Mark III bauen, benötigt man Omni-Gel-Kanister, Eisen, Cadmium und "Element Zero". Die Knarre kann anschließend noch mit wählbaren Augmentationen modifiziert werden.
Der Charakter-Fortschritt zeigt sich angenehm umfangreich: Das Klassensystem aus den Vorgängern wurde eingemottet. Stattdessen hat man vollen Zugang zu allen möglichen Fertigkeiten und kann Talente/Fähigkeiten aus den Bereichen "Tech", "Kampf" und "Biotik" mischen. Die Fertigkeiten Zielsuchraketen, Sturmgewehr, Scharfschütze, Pistole, FLAK-Kanone oder Kampftaktiken (Gesundheit, Schilde, Regeneration) stehen u.a. bei Kampf zur Verfügung. Bei Tech kann man sich z.B, für die elektrostatische Entladung entscheiden, die gut gegen Schilde ist oder den "Cryo Beam", mit dem sich Gegner einfrieren lassen - oder aber für den Flammenwerfer bzw. ein Plasmageschoss, das Feinde in Brand setzt. Bei den Biotik-Talenten könnte man eine Explosion um den Hauptcharakter auslösen (Nova), Gegner in die Luft heben oder eine Schockwelle, die durch feste Objekte durchgeht, loslassen. Jede Fähigkeit hat einen eigenen Talentbaum mit
Trotzdem fällt auf, dass die meisten Fähigkeiten und Talente mit dem Kampfsystem in Verbindung stehen. Und obwohl das Fertigkeitensystem ziemlich viele Optionen offeriert, scheint es so, als würde BioWare im Vergleich zu den Vorgängern ein bisschen Komplexität abgebaut zu haben, vor allem in Hinblick auf die Beschränkung der Anzahl der aktiven Fähigkeiten bei den Loadouts.
Ausblick
Es fällt mir wirklich schwer, Mass Effect: Andromeda nach diesen zweieinhalb Spielstunden einzuschätzen, da ich nur einen Bruchteil des Ganzen ausprobieren konnte. Daher lassen sich praktische keine Aussagen zu der Qualität von Geschichte und Gesprächen, zu den Entscheidungen, zur Erkundung der Welt und letztendlich zum Fortschrittsystem in Verbindung mit der Herausforderung sagen - leider sind dies alles Kernelemente des Erlebnisses. Allerdings zeichnet es sich ab, dass die Inszenierung des Geschehens und der Dialoge auf einem sehr hohen Niveau mit Kino-Feeling sein wird. Die Darstellung der Charaktere und ihrer Mimik ist bemerkenswert. Hinzu kommen haufenweise Fähigkeiten, die sich individuell weiterentwickeln lassen. Nur stößt es mir negativ auf, dass der Großteil der Fertigkeiten etwas mit dem Kampf zu tun hat und an die vier Loadouts mit drei Fähigkeiten und einem Profil muss man sich erst gewöhnen. Überraschend gut haben mir dafür die Kämpfe gefallen, die dank des automatischen Deckungssystems und des Jetpacks dynamischer und schneller als in der Shepard-Trilogie sind, obgleich die Computerintelligenz von Mitstreitern und Feinden noch mit den neuen Möglichkeiten sichtlich zu kämpfen hatte. Einige Bugs beim Nomad (Crash-Verhalten) und in einer Mission (Speicherstand musste neu geladen werden) gab es ebenfalls. Basierend auf dem, was ich bisher anspielen konnte, würde ich Mass Effect: Andromeda ganz klar als ein Actionspiel mit Story-Fokus in einer halb-offenen Welt und weitreichenden Charakteranpassungsoptionen bezeichnen. Die Rollenspiel- und Erkundungsaspekte kamen für mich bisher zu kurz, aber das könnte und wird sich hoffentlich im weiteren Spielverlauf ändern.
Einschätzung: gut
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