EVE: Valkyrie05.05.2014, Benjamin Schmädig

Vorschau: Griff nach den Sternen

Es war das aufregendste Erlebnis der gamescom: Als ich das 3D-Headset Oculus Rift aufsetzte, verschwand ich in einer neuen Dimension des virtuellen Spielens. Ich konnte mich im Cockpit eines Raumgleiters frei umsehen, während ich mit rasanten Loopings flinke Gegner jagte. Seitdem ist viel Zeit vergangen, das Spiel hat sich entwickelt und erscheint auch für Sonys 3D-Brille Morpheus. Wie fliegt es sich in den unendlichen Weiten der PlayStation 4? Und wie hat sich Eve: Valkyrie (ab 13,98€ bei kaufen) verändert?

Egoistische Gierschlunde

Ein besseres Zugpferd hätte Entwickler CCP nicht finden können: Katee "Fraking" Sackhoff ist die Stimme von Ran Kavik, Anführerin der Walküren und eine der zentralen Figuren der Handlung. Kavik war eine erfolgreiche Pilotin, die mit ihrem Tod allerdings keine ewige Ruhe fand. Denn Piraten unter der Guristas-Flagge fanden einen Weg, das Bewusstsein erfolgreicher Piloten zum Zeitpunkt des Todes in eigene Klone zu übertragen. So stellten sie eine schlagkräftige Truppe fähiger Kämpfer zusammen – die irgendwann rebellierten, sich unabhängig machten und seitdem unter Rans Führung um Geld und Überleben kämpfen.

Dass sie sich dabei gegenseitig an die Kehle fliegen, liegt in der Natur der Sache; Piraten sind egoistische Gierschlunde. So erklärt es mir jedenfalls Lead Designer Chris Smith. Vor allem aber erklärt es eins: Eve: Valkyrie ist ein Mehrspielererlebnis, in dem zwei Gruppen aufeinander treffen und um Beute kämpfen. Zusätzliche Inhalte wie kooperative Einsätze würden die Entwickler gerne nachreichen. Zur Veröffentlichung gibt es neben einer Einführung ausschließlich Teamgefechte.

Jäger und Gejagte: Valkyrie fordert schnelles räumliches Denken von Mehrspielerpiloten.
Auf dem Fanfest gab es ähnlich wie auf der gamescom eine dreiminütige Demo.

Tanz in der Unendlichkeit

Also tanze ich zwischen ferngelenkten Raketen und Geschützsalven, während ich selbst den erfolgreichen Abschuss suche. Meine Bordkanonen feuern ausschließlich geradeaus und Raketen schalte ich auf, indem ich einen Gegner lange genug anschaue. Hat der Computer das Ziel erfasst, lasse ich den Abzug los und schon zischt ein gefährlicher Schwarm auf das Ziel zu. Ich muss also unabhängig von meiner Flugrichtung ständig in eine andere Richtung sehen – gerade dann, wenn ein Gegner Zickzack fliegt. Das gibt es zwar seit Jahren in ähnlichen Spielen, die reale Kopfbewegung vermittelt allerdings ohne jede Übertreibung ein komplett neues, grandioses Gefühl. Anstatt ein 3D-Bild anzuschauen, befinde ich mich tatsächlich in einer anderen Welt.

Im Gegensatz zu früheren Versionen richten Raketen dabei deutlich weniger Schaden an. Gut so, denn die Sprengköpfe waren übermächtig. Während die Bordkanonen in älteren Demos hingegen kein nennenswerte Rolle spielten, sollte ich sie jetzt nicht vernachlässigen. Ich arbeite mit Schub, Bremse und vielen schnellen Manövern, um die flotten Gegner vors Fadenkreuz zu bekommen – Trümmer , große Schiffe und Asteroiden erschweren das Manövrieren. So fühle ich mich wie im frenetischen Finale eines Science-Fiction-Films. Und immer wenn es mir gelingt, Kopf und Steuerung so zu koordinieren, dass knatterndes Geschützfeuer nach einer Raketensalve ins Ziel trifft, dann erfüllt Eve: Valkyrie schon jetzt einen meiner ältesten Träume!

Der richtige Augenblick

Durch kleine Details wirkt die virtuelle Realität noch plastischer. Schaue ich die neben dem Cockpit montierten Geschütze an, kann ich z.B. sehen, wann sie überhitzen. Immerhin nimmt ihre Leistung bei Dauerfeuer sukzessive ab. Im Idealfall warte ich deshalb auf den richtigen Moment, bevor ich den Abzug drücke. Und weil sowohl das Oculus Rift als auch Sonys Morpheus inzwischen die horizontale Bewegung des Kopfes in alle Richtungen erfassen, bewege ich nicht nur meinen Kopf, sondern den ganzen Oberkörper. So lehne ich mich über den virtuellen Joystick nach vorne oder blicke über den Rand meines Sitzes hinab. Einen spielerischen Nutzen hat das in der Demo nicht, denn beim Fliegen und Zielen zählt nur das normale Umsehen. Die Elektronik meines Jägers erkennt Gegner zudem durch die Cockpitwand hindurch.

Lead Designer Smith deutete allerdings an, dass andere Pilotenarbeitsplätze, genauer gesagt der des schweren Fliegers, einen besseren Rundumblick ermöglichen. Vielleicht liegt es daran, dass Piloten des "Heavys" in Nebelfeldern einen Vorteil haben. Einzelheiten des dicken Brummis verrät CCP allerdings noch nicht, zumal an vielen Teilen noch gearbeitet wird. Eins

Wer den Gegner nicht im Auge behält, könnte so enden.
steht jedoch fest: Die auf dem Fanfest gezeigte Demo präsentiert im Wesentlichen das fertige technische Gerüst des Raumkampfsimulators. Von jetzt an wird sich die Entwicklung um Inhalte drehen.

Eine weitere Finesse gefällt mir übrigens sehr, denn so lange die automatische Raketenabwehr meines Fliegers ankommende Geschosse aufschaltet, sollte ich sie noch nicht aktivieren. Erst nach dem Erfassen der Flugkörper zerstöre ich anfliegende Sprengkörper mit Sicherheit– zünde ich die Gegenmaßnahmen zu früh, besteht nur eine fünfzigprozentige Chance. Es zahlt sich also aus, in der Hitze des Gefechts einen kühlen Kopf zu bewahren, um bis zum richtigen Augenblick Ausweichmanöver zu fliegen.

Die Jagd nach Symbolen?

Eine Kleinigkeit stört mich dagegen: Die Position des aktuellen Gegners wird praktisch jederzeit durch eine rote Markierung angezeigt. Ich muss ihn also nicht im All suchen, sondern verfolge lediglich ein Symbol. Der virtuelle Schauplatz wäre aber greifbarer, wenn ich einen Feind häufiger erst in der Kulisse entdecken muss. Mir gefiele es auch besser, wenn eine Rolle um die Längsachse das Schiff schneller drehen würde als das Zur-Seite-Ziehen – so zeigen es immerhin die meisten Filme. Als ich Smith auf beide Punkte anspreche, weist er darauf hin,

Ob die knirschende Cockpitscheibe schon Ärger andeutet?
dass gerade die Bildschirmanzeige ständig überarbeitet wird und dass verschiedene Flieger unterschiedlich agil sein werden.

Drei Modelle wird es zur Veröffentlichung des Spiels geben: den Jäger, das schwere Angriffsschiff sowie den Unterstützer. Und die unterscheiden sich nicht nur in Sachen Geschwindigkeit, Waffen oder verfügbare Ausstattung, sie haben auch eigene Vor- oder Nachteile in bestimmten Umgebungen. Während ein flinker Jäger im freien All z.B. die Oberhand hat, kann ein schweres Schiff eben in Gebieten mit hoher Partikeldichte besser manövrieren. Raumschiff-Wracks sowie Asteroidenfelder soll es ebenfalls geben und die Entwickler versuchen enge Areale mit Gebieten ohne Hindernisse zu kombinieren, weil der Wechsel zwischen beiden ihrer Meinung nach ein gutes Gefühl für die Weite des Raums vermittelt. Die Flieger, die dafür zuständige Bodencrew, den eigenen Piloten sowie diverse Personalisierungen darf man außerdem stetig ausbauen. Welchen Einfluss Pilot und Bodencrew haben, bleibt vorerst allerdings unter Verschluss.

Neben den drei bereits vorhandenen Schiffen schweben Smith übrigens schon jetzt vier weitere vor, die er später gerne hinzufügen würde. Ähnlich wie Eve Online und Dust 514 könnte sich Eve: Valkyrie also stetig entwickeln. Für ein Bezahlmodell hat sich CCP aber noch nicht entschieden.

Schere, Stein, W20

Wichtig ist den Entwicklern eine taktische Komponente, die über "Schere, Stein, Papier" hinausgeht. Smith vergleicht die Vielfalt mit einem 20-seitigen Würfel. Unterschiedliche Schiffe sollen sich dabei ergänzen: Eins mit starken Waffen und schwacher Raketenabwehr könnte etwa von einem Flieger begleitet werden, der feindliche Piloten mit einem Hologramm in die Irre führt. Überlegene Ausrüstung soll es dabei nicht geben; ein Umbau des Schiffs soll lediglich eine andere Spielweise ermöglichen.

Und nachdem der Lead Designer erzählt hat, dass man entweder per Sprachchat kommunizieren oder ähnlich wie in Left 4 Dead vorgefertigte Sätze an Kameraden schicken könne, verrät er mir noch, dass sein Team momentan mit der Rolle eines Truppenführers experimentiert. Dieser könnte etwa ein Ziel markieren, das ihm und seinen Flügelmännern einen koordinierten Angriff ermöglicht. Die Entwickler spielen weiterhin mit der Möglichkeit, den Anführer bei Bedarf zu wechseln.

Teambildung ist den Entwicklern also wichtig – ein umfangreiches System aus Corporationen und Allianzen wie in Eve und Dust wird es zum Start wohl trotzdem nicht geben. Auch das hebt sich CCP für die Zeit nach der Veröffentlichung auf.

Taktik soll eine große Rolle spielen: Drei Schiffstypen können unterschiedlich ausgerüstet werden. Die Fähigkeiten der Bodencrew und des Piloten darf man zudem erweitern.
Eine Lobby sowie das Bilden von Gruppen sowie das Hinzufügen von Flügelmännern werden allerdings von Beginn an dazu gehören. Nicht zuletzt soll Zusammenarbeit im Spiel belohnt werden. Ob und auf welche Weise Valkyrie mit dem Eve-Universum spielerisch verbunden wird, steht übrigens noch nicht fest.

Kalte Krallen

Und wie fliegt es sich mit Sonys Morpheus? Die aktuelle Version für Oculus Rift hat immerhin mächtige Fortschritte gemacht: Sternenlicht blitzt durch Eisenstreben, die wie kalte Krallen in den Weltraum ragen und in dem aufwändigen Cockpit fühle ich mich zwischen etlichen Schalttafeln wie Zuhause. Eve: Valkyrie ist technisch nicht brillant, aber wie alle CCP-Abenteuer todschick. Vor allem ist es rasend schnell.

Der Vergleich von Morpheus und Rift fällt allerdings schwer; die PS4-Demo trägt nämlich eine ältere Versionsnummer. Im Cockpit fehlen zahlreiche Details, Anzeigen arbeiten unterschiedlich, es gibt spielerische Unterschiede – das ist keine technische Einschätzung, sondern eine Aufzählung dessen, wofür den Entwicklern bisher die Zeit fehlte. Während sie seit Januar nämlich mit Unreal Engine 4 arbeiten, konnte Sony die vier Exemplare seines Headsets erst in letzter Minute zur Verfügung stellen. Nach Smiths Schätzung befand sich damit mindestens die Hälfte, wenn nicht gar alle derzeit existierenden Morpheus-Geräte auf dem Fanfest.

Interessant ist, dass das Bild mit Morpheus ruhiger wirkte. Ob es am Typ des verwendeten Bildschirms liegt, der im Spiel verwendeten Auflösung oder den Texturen, kann ich nicht einschätzen. Der Lead Designer weist darauf hin, dass die Entwickler häufig mit der Größe des dargestellten Blickfelds und anderen Einstellungen experimentieren. Perfekt ist das Bild auf beiden Geräten noch immer nicht. Das "Fliegengitter", also die aufgrund der Nähe zum Bildschirm sichtbaren schwarzen Zeilen zwischen den Leuchtpunkten, gibt es trotz inzwischen verwendeter 1080p-Displays noch immer.

Morpheus oder Rift? Sony und Oculus entwickeln die Hardware offenbar mit großer Sorgfalt weiter.
Im Spiel vergesse ich die Zeilen komplett, beim bewussten Hinsehen fallen sie aber auf.

Schnelle Verfolger

Obwohl Morpheus klobiger aussieht, empfand ich Sonys Headset übrigens als bequemer – mehr wie ein Hifi-Produkt als provisorisch zusammengehaltene Plastikteile. Ich konnte es allerdings nicht so festzurren, dass sich die Linsen nah genug vor meinen Augen befanden und musste deshalb mit einem unscharfen Bild Vorlieb nehmen. Außerdem verrutschte der Mittelpunkt meines Bildes für einen kurzen Moment sehr deutlich. Vielleicht befand sich in dem Moment nur ein Entwickler zwischen Headset und Sensor; später blieb das Bild jedenfalls stabil. Zu guter Letzt erkannte Morpheus meine Kopfbewegungen ähnlich wie das Rift ohne nennenswerte Verzögerung.

Eine detaillierte Einschätzung ist nach drei Minuten Spielzeit natürlich unmöglich. Und immerhin sind sowohl Oculus Rift als auch Morpheus im aktuellen Zustand nur vorläufige Fassungen – alle Aussagen zu Technik und Komfort sagen nichts über die Geräte aus, die im Handel erscheinen sollen. Bei mir bleibt allerdings ein sehr guter Eindruck hängen. Einer der zeigt, dass beide Hersteller viel Sorgfalt walten lassen beim Zusammenstellen der neuen Technik. Und der kaum erkennen lässt, dass die Entwicklung bei Sony später begonnen hat.

Ausblick

Genau wie die Hardware ist auch das Spiel derzeit nur eine Demo – eine, die noch nicht einmal den Alphastatus erreicht hat. Das Verblüffende daran: Valkyrie erfüllt schon jetzt meinen Traum vom verklärten Fliegen im All. In dem Wimpernschlag, den die Demo dauert, katapultiert sie mich in eine Spielewelt, die es bisher nicht gegeben hat. Diese Art der Virtual Reality ist eine Erfahrung, die mit Worten nicht zu beschreiben ist, ein echter Schritt in eine neue Wirklichkeit. Der Raumkampfsimulator erfüllt dabei alle Ansprüche, die ich an die Science-Fiction des Fliegens habe: Der suchende Blick aus dem Cockpit heraus, das Hinsehen auf den Jäger und seine Instrumente sowie das Zusammenspiel von Kopfbewegungen und Raumschiffdrehungen vermitteln das Gefühl einer plastischen Umgebung. Und wenn CCP die taktische Vielfalt der Gefechte weiterhin so sinnvoll ausbaut, dann könnte Eve: Valkyrie das Versprechen einer neuen Spielegeneration tatsächlich halten.

Einschätzung: sehr gut

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