Mittelerde: Mordors Schatten10.09.2014, Mathias Oertel
Mittelerde: Mordors Schatten

Vorschau: Actionreiche Intrigen in Mittelerde

Politische Intrigen, Uruks und die schwergewichtige Herr-der-Ringe-Lizenz: Das sind die Pfunde, mit denen Mittelerde: Schatten von Mordor wuchert. Wir haben uns ausgiebig mit dem so genannten Nemesis-System und den brachialen Auseinandersetzungen beschäftigt. Die Vorschau verrät, ob das Team von Monolith wieder zu alter Form zurückfindet.

Schlechte Karten

Das Schicksal meint es nicht gut mit dem Gondor-Ranger Talion. Stationiert am Schwarzen Tor, das den Rest Mittelerdes vor den Übergriffen Mordors schützen soll, wird er Zeuge, wie seine Familie in der Nacht von Saurons Rückkehr getötet wird. Kurz darauf wird er von den brandschatzenden Uruk-Horden getötet. Doch er wird von dem Geist Celebrimbor wiederbelebt, dem ursprünglichen Schmied der Ringe, der auch noch eine Rechnung mit Sauron zu begleichen hat. Mit ihm erhält Talion auch die Fähigkeit, in die Geisterform des Schmieds zu wechseln und mit magischen Fähigkeiten Rache an seinen Feinden zu üben, ihren Verstand zu beeinflussen  oder sie zu „übernehmen“. Doch die Schicksale der beiden Figuren sind noch stärker miteinander verbunden. Um das ganze Geheimnis zu entschlüsseln, muss Talion die zerstrittenen Uruk-Stammesfürsten auf seine Seite ziehen.

Die Qualität der  Geschichte, die zwischen den Geschehnissen von Der Hobbit und den Erlebnissen der Gefährten angesiedelt ist, lässt sich noch nicht einschätzen. Doch ausgehend von den Sequenzen, die bislang in den Trailern genutzt wurden, könnte sie die eine oder andere motivierende Überraschung bereithalten. In der vorliegenden Version standen die Vorstellung des so genannten "Nemesis"-Systems sowie die Kampfmechanik im Vordergrund.

Gemeinsamer Erzfeind

Auch Gollum wird in der Geschichte eine tragende Rolle spielen.
Dementsprechend habe ich zwar die kleinen visuellen Unstimmigkeiten wie Pop-Ups, zu weich gezeichnete Texturen und eine gelegentlich zu gering scheinende Sichtweite (gespielt wurde auf der PS4) bemerkt, warte aber bis zur finalen Version, um darüber endgültig zu urteilen. Zwar sieht im Detail der Landschaft nicht alles hundertprozentig nach HD aus, was evtl. der gleichzeitigen Entwicklung für die alten Systeme PS3 und 360 geschuldet ist. Und die Bildrate läuft auch noch nicht ganz rund. Dennoch bleibt der Gesamteindruck sehr stimmig und hangelt sich im Wesentlichen an dem entlang, was von den Peter-Jackson-Filmen etabliert wurde. Wenig zu mäkeln gibt es am Gegnerdesign. Bislang traf ich zwar nur auf Uruk und ein paar "wilde" Tiere wie Graugs oder Caragors, aber vor allem die höherrangigen Uruks können sich sehen lassen - zumal die Figuren samt ihrer Stärken und Schwächen sowie ihrer Ausrüstung und anatomischer Besonderheiten stets zufällig ausgewürfelt werden.

Dank Geist-Fähigkeiten kann man die Uruks auch "übernehmen" und für seine Zwecke nutzen.
Diese Zufälligkeit, die auch dann eintritt, wenn man niederrangige Uruks tötet und irgendwann die Hierarchie wieder aufgefüllt wird, ist ein Hauptbestandteil des Nemesis-Systems. Doch was steckt genau dahinter? Im Wesentlichen versucht Monolith, eine vollständige soziopolitische Ebene innerhalb der Uruk-Struktur zu simulieren, auf die man aktiv einwirken kann. An der Spitze stehen fünf „Warchiefs“, die man mit Hilfe der Fähigkeit „Dominanz“ quasi gefügig machen kann, so dass sie im Zweifelsfall sogar an der Seite Talions kämpfen – dies ist das Hauptziel der Kampagne. Die Anführer wiederum rekrutieren aus einem Pool von etwa 20 „Captains“ unterschiedlicher Stufen ihre Leibwache. Doch innerhalb dieser und mitunter auch der Stammeshäuptlinge gibt es  Fehden und Grabenkämpfe um ranghöhere Positionen. Und genau hier versucht Monolith, Impulse zu setzen: Über Entscheidungen, die man in der Rolle Talions trifft, kann man versuchen, dieses fragile soziale Gefüge innerhalb der Uruk zu manipulieren und ggf. sogar zum Einsturz zu bringen. Uruk steigen auf, übernehmen neue Rollen und bilden Fraktionen, die miteinander kämpfen. So kann man z.B. versuchen, einen bestimmten Captain als Leibwache zu installieren, was allerdings nur gelingt, wenn er den Anführer z.B. durch eine erfolgreiche Jagd beeindrucken kann – auf der man ihn jedoch aktiv unterstützt, um ein erfolgreiches Gelingen zu garantieren.

Mein Freund ist dein Feind

Hat er das Vertrauen des Warchief gewonnen, kann man ihn instruieren, ein Attentat auszuüben, um dessen Position einzunehmen - vorausgesetzt, er kann sich ggf. auch gegen die anderen Leibwächter durchsetzen, die Ansprüche äußern. Oder aber man nutzt ihn, um selber den Warchief und seine Wachen aus dem Wege zu räumen. Wie man als Talion an sein Ziel kommt, bleibt jedem selbst überlassen. Es gibt zahlreiche Optionen, die alle mit einem bestimmten Missionstyp verknüpft sind und bei denen man die "dominierten" Uruk idealerweise unterstützen sollte. Z.B. auch indem man die wilden Tiere einsetzt. Denn jeder Captain hat seine Stärken und Schwächen, die man ausnutzen sollte, wenn man seine "Übernahme" einigermaßen schadlos überstehen möchte. Der eine ist durch Attentate verwundbar, der andere hat Angst vor Feuer. Doch diese Informationen sind dünn gesät und müssen erst durch Beobachtungen und sinnvollen Einsatz der Überzeugungskraft erlangt werden. Es ist ein vielschichtiges Konstrukt, das einiges Potenzial beinhaltet und gut miteinander verzahnt scheint, das aber in der vorliegenden Version nach gut zwei Stunden ohne Storyzusammenhang zu lahmen begann.

Man kann auch Fauna wie Caragors oder die riesigen Graugs zähmen.
Die Missionen glichen sich zunehmend, Abweichungen davon gab es zu selten. Und so löblich es ist, dass man einem dominierten Uruk neue Befehle geben kann, ist die Art und Weise für mein Empfinden zu umständlich: Man muss ihn erst wieder auf der großen Karte ausfindig machen, zu ihm gehen und den Dominations-Vorgang neu starten. Das müsste trotz gut verteilter Teleport-Punkte und schneller Fortbewegung inklusive halbautomatischen Kletterns à la Assassin's Creed besser gelöst werden und birgt Ermüdungs-Potenzial. Interessant wiederum ist, dass wenn genug Zeit vergeht, auch autarke Änderungen der Uruk-Führungsstruktur stattfinden. Getötete Captains werden ersetzt, neue Fehden kosten frische Opfer und man muss sich ggf. auf neue Situationen einstellen. Falls man sehen möchte, ob die von Talion in Gang gesetzten Änderungen den erwünschten Erfolg versprechen, kann man manuell die Zeit vorspulen. Doch auch wenn man selber ablebt und so einem Uruk zu einem Aufstieg in der Hierarchie verhilft, wird die spielinterne Zeit vorgespult.

Fledermaus in Mittelerde

Die Kämpfe sind brachial und in ihrer Dynamik mit den Batman-Spielen von Rocksteady vergleichbar.
Beim Kampfsystem (und es wird viel in Mordor gekämpft) orientiert sich Monolith bei einem anderen Titel aus dem Warner-Stall: Rocksteadys Batman-Serie. Ein Knopf dient für Standardattacken, ein weiterer für Konter, es gibt eine Ausweichrolle. Zusätzlich kann man nach Kombos brachiale Finisher setzen oder auch mit Spezialattacken Bereichsschaden einsetzen. Man kann von dominierten Tieren aus attackieren oder deren Fähigkeiten nutzen, die normalerweise verheerende Uruk-Verluste bedeuten. Zusätzlich kann man in der Geistform auch Pfeile verschießen und Finisher initiieren, mit denen man gleichzeitig große Distanzen überbrücken kann. Die intensiven Gefechte waren in der zur Verfügung stehenden  Version glücklicherweise keine Selbstläufer, so dass man u.U. auch mal Fersengeld geben und in sicherer Distanz nach Heilkräutern Ausschau halten sollte. Vor allem gegen größere Gruppen unterschiedlicher Uruk-Typen, die von zwei oder drei Captains begleitet werden, sollte man alle Finessen des Kampfsystems nutzen. In der finalen Fassung wird es sicherlich dadurch erleichtert, dass man sich nach und nach an die freigeschalteten Kombo-Ergänzungen und Sonderfähigkeiten gewöhnen kann.

Schade ist allerdings, dass das ebenfalls an Assassin's Creed erinnernde Schleichen zwar gut aussieht, von Missionen aber kaum genutzt bzw. gefordert wird. Ja: Man kann einigen kritischen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen, wenn man im Schatten bleibt. Und abhängig von den ausgewürfelten Schwächen der Uruks kann man mit einem Hinterhalt-Angriff enorme Erfolge feiern. Doch es wäre für den Spannungsbogen von Vorteil, wenn man sich nicht ständig auf seine Kampfkünste verlassen könnte. Auch dies kann abermals der Demonstrations-Situation geschuldet sein, in der mit einem hochstufigen Talion das Nemesis-System ausgereizt werden durfte - ich hoffe, dass es z.B. in der Anfangsphase auch Aufgaben gibt, die eine subtile Herangehensweise belohnen oder bei denen ein Frontalangriff nur mit viel Geschick und etwas Glück oder dem überlegten Einschmieden der von getöteten Captains erbeuteten Runen in die Waffen Talions bewältigt werden kann. Doch das wird sich erst in der finalen Version zeigen.

Ausblick

Das Konzept mit den veränderbaren soziopolitischen Strukturen innerhalb der Uruk ist interessant. Die Kulisse der offenen Welt ist trotz kleiner Aussetzer in Form von Pop-Ups und gelegentlich matschiger Texturen stimmungsvoll, wobei vor allem das Design der Antagonisten zu gefallen weiß. Das von Batman inspirierte Kampfsystem ist ebenso eingängig wie dynamisch. Doch es bleiben noch viele Fragen, die vor allem die Verläufe von Story und Charakterentwicklung betreffen. In der vorliegenden Version lag der Fokus auf der Demonstration vom Nemesis-System sowie der Kampfmechanik. Und diese bilden im Zusammenspiel zwar eine potenziell solide Grundlage, liefen sich aber nach etwa zwei Stunden Missions-Dauerfeuer mit einer fast vollkommen entwickelten Figur etwas wund. Vor allem auch, da es durchaus mehr Abwechslung innerhalb der Aufgaben hätte geben können. Anstatt einem immer die freie Wahl zu lassen, wie man die Mission angeht, könnte man auch mal das Schleichen oder das Nutzen der Wraith-Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen bzw. einfordern. Doch ungeachtet dessen freue ich mich schon auf Anfang Oktober. Wenn die Geschichte gut erzählt  wird, hat Mordors Schatten das Zeug, eines der besseren Spiele aus dem Mittelerde-Universum zu werden.

Einschätzung: gut

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