Mein Freund ist dein Feind
Hat er das Vertrauen des Warchief gewonnen, kann man ihn instruieren, ein Attentat auszuüben, um dessen Position einzunehmen - vorausgesetzt, er kann sich ggf. auch gegen die anderen Leibwächter durchsetzen, die Ansprüche äußern. Oder aber man nutzt ihn, um selber den Warchief und seine Wachen aus dem Wege zu räumen. Wie man als Talion an sein Ziel kommt, bleibt jedem selbst überlassen. Es gibt zahlreiche Optionen, die alle mit einem bestimmten Missionstyp verknüpft sind und bei denen man die "dominierten" Uruk idealerweise unterstützen sollte. Z.B. auch indem man die wilden Tiere einsetzt. Denn jeder Captain hat seine Stärken und Schwächen, die man ausnutzen sollte, wenn man seine "Übernahme" einigermaßen schadlos überstehen möchte. Der eine ist durch Attentate verwundbar, der andere hat Angst vor Feuer. Doch diese Informationen sind dünn gesät und müssen erst durch Beobachtungen und sinnvollen Einsatz der Überzeugungskraft erlangt werden. Es ist ein vielschichtiges Konstrukt, das einiges Potenzial beinhaltet und gut miteinander verzahnt scheint, das aber in der vorliegenden Version nach gut zwei Stunden ohne Storyzusammenhang zu lahmen begann.
Man kann auch Fauna wie Caragors oder die riesigen Graugs zähmen.
Die Missionen glichen sich zunehmend, Abweichungen davon gab es zu selten. Und so löblich es ist, dass man einem dominierten Uruk neue Befehle geben kann, ist die Art und Weise für mein Empfinden zu umständlich: Man muss ihn erst wieder auf der großen Karte ausfindig machen, zu ihm gehen und den Dominations-Vorgang neu starten. Das müsste trotz gut verteilter Teleport-Punkte und schneller Fortbewegung inklusive halbautomatischen Kletterns à la Assassin's Creed besser gelöst werden und birgt Ermüdungs-Potenzial. Interessant wiederum ist, dass wenn genug Zeit vergeht, auch autarke Änderungen der Uruk-Führungsstruktur stattfinden. Getötete Captains werden ersetzt, neue Fehden kosten frische Opfer und man muss sich ggf. auf neue Situationen einstellen. Falls man sehen möchte, ob die von Talion in Gang gesetzten Änderungen den erwünschten Erfolg versprechen, kann man manuell die Zeit vorspulen. Doch auch wenn man selber ablebt und so einem Uruk zu einem Aufstieg in der Hierarchie verhilft, wird die spielinterne Zeit vorgespult.
Fledermaus in Mittelerde
Die Kämpfe sind brachial und in ihrer Dynamik mit den Batman-Spielen von Rocksteady vergleichbar.
Beim Kampfsystem (und es wird viel in Mordor gekämpft) orientiert sich Monolith bei einem anderen Titel aus dem Warner-Stall: Rocksteadys Batman-Serie. Ein Knopf dient für Standardattacken, ein weiterer für Konter, es gibt eine Ausweichrolle. Zusätzlich kann man nach Kombos brachiale Finisher setzen oder auch mit Spezialattacken Bereichsschaden einsetzen. Man kann von dominierten Tieren aus attackieren oder deren Fähigkeiten nutzen, die normalerweise verheerende Uruk-Verluste bedeuten. Zusätzlich kann man in der Geistform auch Pfeile verschießen und Finisher initiieren, mit denen man gleichzeitig große Distanzen überbrücken kann. Die intensiven Gefechte waren in der zur Verfügung stehenden Version glücklicherweise keine Selbstläufer, so dass man u.U. auch mal Fersengeld geben und in sicherer Distanz nach Heilkräutern Ausschau halten sollte. Vor allem gegen größere Gruppen unterschiedlicher Uruk-Typen, die von zwei oder drei Captains begleitet werden, sollte man alle Finessen des Kampfsystems nutzen. In der finalen Fassung wird es sicherlich dadurch erleichtert, dass man sich nach und nach an die freigeschalteten Kombo-Ergänzungen und Sonderfähigkeiten gewöhnen kann.
Schade ist allerdings, dass das ebenfalls an Assassin's Creed erinnernde Schleichen zwar gut aussieht, von Missionen aber kaum genutzt bzw. gefordert wird. Ja: Man kann einigen kritischen Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen, wenn man im Schatten bleibt. Und abhängig von den ausgewürfelten Schwächen der Uruks kann man mit einem Hinterhalt-Angriff enorme Erfolge feiern. Doch es wäre für den Spannungsbogen von Vorteil, wenn man sich nicht ständig auf seine Kampfkünste verlassen könnte. Auch dies kann abermals der Demonstrations-Situation geschuldet sein, in der mit einem hochstufigen Talion das Nemesis-System ausgereizt werden durfte - ich hoffe, dass es z.B. in der Anfangsphase auch Aufgaben gibt, die eine subtile Herangehensweise belohnen oder bei denen ein Frontalangriff nur mit viel Geschick und etwas Glück oder dem überlegten Einschmieden der von getöteten Captains erbeuteten Runen in die Waffen Talions bewältigt werden kann. Doch das wird sich erst in der finalen Version zeigen.