Rock Band 411.06.2015, Michael Krosta

Vorschau: Vorhang auf für die Zugabe

Das Genre der Musikspiele hat die große Bühne eigentlich vor Jahren verlassen – sicher auch deshalb, weil vor allem Activision den Markt mit immer neuen Ablegern rund um Guitar Hero völlig übersättigt hat. Doch jetzt scheint die Zeit reif für ein Comeback: Nicht nur die Gitarrenhelden melden sich zurück, sondern auch Rock Band feiert mit dem vierten Teil seine Premiere auf den aktuellen Konsolen. Wir haben wieder zur Plastikgitarre gegriffen, die Stimmbänder geölt und mit Drumsticks jongliert...

Alte Klasse, wenig Neues

Viele Worte brauche ich über Rock Band 4 (ab 44,43€ bei kaufen) nicht verlieren. Warum? Weil Harmonix hier kaum von der Formel abweicht, der die Serie ihre große Popularität verdankt. Wie gehabt steht das gemeinsame Abrocken als Band im Vordergrund – und das in der üblichen Besetzung mit Gitarre, Bass, Drums und Gesang. Das Keyboard, das in Rock Band 3 als weiteres Instrument eingeführt wurde, aber nur in (wenigen) ausgewählten Songs zum Einsatz kam, bleibt im Ruhestand und wird nicht länger unterstützt. Das gilt auch für die Pro-Gitarren mit ihren 152 Tasten, die im Vorgänger mit speziellen Spuren das Niveau zwar deutlich steigerten und sich näher am realen Gitarrenspiel orientierten, aber wohl kaum genutzt wurden. Vermutlich auch deshalb, weil mit Rocksmith eine Alternative zur Verfügung stand, bei der man sich als Virtuose an echten E-Gitarren versuchen konnte. Anders die Drums: Hier hat man weiterhin die Wahl zwischen dem Standard-Set mit seinen vier Pads und dem Kickpedal oder der Pro-Variante mit drei zusätzlichen Becken (Cymbals). Hersteller Mad Catz will nicht nur die Aufwärtskompatibilität der alten Instrumente gewährleisten, sondern auch neues Equipment veröffentlichen, das in diversen Bereichen verbessert

Es bleibt bei der klassischen Besetzung: Gitarre, Bass, (Pro-)Drums und Sänger. Keyboarder und Pro-Gitarristen haben keinen Platz mehr in der Band.
werden soll. Neben der automatischen Kalibrierung soll z.B. auch der Bewegungssensor in den Klampfen optimiert werden, während das Schlagzeug über eine höhere Anschlagdynamik verfügen wird und die Pads die Schlaggeräusche besser abdämpfen sollen. Das Mikrofon soll dagegen mit 48-Bit einen größeren Stimmumfang abdecken, den Gesang klarer abbilden und mit einem gut 4,50 langen Kabel eine ordentliche Bewegungsfreiheit bieten. Leider konnten wir beim Anspielen noch nicht die finalen Instrumente ausprobieren, sondern mussten mit einer Mischung aus alter Peripherie und nicht repräsentativen Prototypen Vorlieb nehmen. Nur das Mikro war nahezu final, war aber immer noch von einer gewissen Verzögerung der Gesangsstimme geplagt, doch lässt dich die Lautstärke weiterhin reduzieren.

Mehr Einbindung des Publikums

Inhaltlich ändert sich im Vergleich zu den Vorgängern kaum etwas und auch die Technik wird nur mäßig aufpoliert. Wenn die Band im Hintergrund zu den „Laufbändern“ mit den „Noten“ auf der Bühne abrockt, sind die grafischen Unterschiede zu 360 und PS3 nur marginal. Dafür hat man an kleinen Schrauben gedreht, um den Spielverlauf etwas aufzupeppen und ihm nicht nur eine authentischere Live-Atmosphäre zu verpassen, sondern den Akteuren auch mehr kreative Freiheiten und einen besseren Flow für den gemeinsamen Auftritt zu ermöglichen.

Grafisch halten sich die Fortschritte zu den Vorgängern auf den alten Konsolen in Grenzen.
So wird das Publikum etwas stärker in den Gig eingebunden als vorher und reagiert spürbarer auf das, was die Band veranstaltet. So liegt es in der Hand des Sängers, die Meute mit vorgegebenen Sprüchen wie etwa Begrüßungen einzuheizen. Verzichtet man darauf, wird man es schwerer haben, die Zuhörer zu begeistern. Gegen Ende des Songs kommt außerdem ein neues Abstimmungssystem zu Einsatz, bei dem die Bandmitglieder gemeinsam abstimmen, wie es weitergehen soll. Neben bestimmten Songs stehen in diesen Votings u.a. auch Bands, Stilrichtungen oder eine bestimmte Ära zur Auswahl – da sind kleine Unstimmigkeiten unter den Spielern quasi vorprogrammiert. Außerdem fordert das Publikum nicht nur Zugaben, die man selbstverständlich auch verweigern kann. Es kann sogar passieren, dass die Menge mit Sprechgesängen einen ganz bestimmten Song von den Akteuren auf der Bühne fordert – cool! Zudem sollen die Zuschauer auch wieder verstärkt mitsingen, wenn sie von der Vorstellung angetan sind – eine echte Bereicherung für die Live-Atmosphäre, die im dritten Teil und dem Großteil der DLC-Songs leider massiv zurückgefahren wurde.

Kreative Freiheiten

In der Vergangenheit musste man sich als Rock Band strikt an die vorgegebenen „Noten“ halten – lediglich die Fill-Ins am Schlagzeug, die leichten Tonverfremdungen an der Gitarre oder das wilde Gehämmer am Ende mancher Song gaben einen Hauch von kreativer Freiheit. Und genau dieses Live-Gefühl will man im vierten Teil ausbauen, doch geht man dafür beim Schlagzeug-Einsatz zunächst gefühlt einen Schritt zurück. Harmonix hat festgestellt, dass viele Gelegenheits-Drummer mit der kompletten Eigenregie schlichtweg überfordert waren. Entweder machten sie bei

Kreative Freiheiten bei Instrumentalisten und Sängern sollen gefördert werden.
Fill-Ins gar nichts oder schlugen völlig willen- und taktlos auf die Pads ein. Deshalb wird versucht, dieses Chaos in etwas geordnetere Bahnen zu lenken, ohne die Freiräume komplett einzuschränken. Dazu werden per Zufall vorgefertigte Muster aus einer Auswahl von über 100 Fill-Ins dynamisch in die Songs eingeflochten, die dem Schlagzeuger eine kleine Orientierung geben sollen. Wie genau er die Noten spielt, bleibt jedoch ihm überlassen. Eine ähnliche Mechanik wird auch für die Gitarren und den Gesang geboten, indem man in markierten Passagen etwas freier agieren und auch mal improvisieren darf.

Plattform statt Editionen-Wahnsinn

Rock Band 4 soll der einzige Titel innerhalb der Serie werden, der auf Xbox One und PlayStation 4 veröffentlicht wird. Anstatt also wie in der Vergangenheit weitere Editionen mit zusätzlichen Songs auf Disk zu veröffentlichen, möchte man den Titel in Zukunft als Plattform etablieren, die in Abstimmung mit der Community und zusätzlichen Veröffentlichungen im Store weiter wächst und gedeiht. Sollte es z.B. das Verlangen nach mehr kompetitiven Modi geben (z.B. Battle of the Bands), will Harmonix den Wünschen der Spieler nachkommen. Und wer weiß: Sollten Keyboarder und Pro-Gitarristen lautstark protestieren, wäre irgendwann vielleicht sogar eine Rückkehr der Unterstützung denkbar. Es wird sicher spannend zu sehen, wie sich Rock Band in den Monaten nach der Veröffentlichung in diesem Jahr als Plattform weiterentwickeln wird.

Ausblick

Große inhaltliche Fortschritte oder ein neues Spielgefühl darf man bei Rock Band 4 nicht erwarten. Aber warum auch? Das geniale Konzept funktioniert heute noch genauso gut wie damals und Harmonix scheint mit den geplanten Mini-Veränderungen genau an den richtigen Schrauben zu drehen, um das Band- und Live-Erlebnis weiter zu intensivieren. Dass man seine alten Songs und Instrumente an den neuen Konsolen weiterverwenden darf, rechne ich den Entwicklern und Mad Catz hoch an. Trotzdem glaube ich bei letzterem Versprechen erst wirklich daran, wenn ich mein drahtloses Equipment von der 360 tatsächlich zum ersten Mal selbst an der One nutze, denn bisher heißt es immer noch, man befinde sich nur in Gesprächen mit den beiden Plattform-Herstellern. Ob der Plan der Aufwärtskompatibilität aber tatsächlich umgesetzt wird und überhaupt technisch möglich ist, steht de facto noch in den Sternen. Rock Band 4 mag inhaltlich im Vergleich zu Activisions Neugestaltung von Guitar Hero nur einen kleinen Schritt nach vorne machen, aber ich freue mich schon wahnsinnig darauf, noch in diesem Jahr mit meinen treuen Bandkollegen die Bühne auf der PS4 und / oder Xbox One zu rocken, die mir auch heute noch regelmäßig auf den alten Konsolen zur Seite stehen. Das wird auf jeden Fall wieder ein (Rock-)Fest erster Klasse!

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit

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