Deus Ex: Mankind Divided17.06.2015, Benjamin Schmädig
Deus Ex: Mankind Divided

Vorschau: Das doppelte Erbe

“Mit Deus Ex: Human Revolution mussten wir dem Erbe eines großen Vorbilds gerecht werden – jetzt müssen wir unserem eigenen Erbe gerecht werden”, beschreibt Gameplay Director Patrick Fortier die Herausforderung, der sich Eidos Montreal nach der Veröffentlichung von Human Revolution gegenüber sah. Spielen konnte ich sein neues Deus Ex: Mankind Divided (ab 9,00€ bei kaufen) auf der E3 noch nicht. Die ersten Spielszenen zeigen aber: Es schließt nahtlos an den Vorgänger an.

Die Action im Vordergrund

Tatsächlich war ich überrascht. Überrascht davon, wie ähnlich sich die Spiele nach so langer Entwicklungszeit doch sind. Das ist nicht als böser Seitenhieb gemeint, doch Adam Jensens zweites Abenteuer wirkt wie ein „More of the same“. Tatsächlich wollten die Entwickler sein heimliches Umgehen von Wachen und das lautlose Ausschalten der Gegner im Kern nicht verändern – sie waren zufrieden damit, wie es funktionierte.

Ihren Schwerpunkt setzten sie auf die Action und das ist laut Fortier auch der Grund, dass Schusswechsel sowie der Einsatz tödlicher Fähigkeiten derzeit im Vordergrund stehen: Die direkte Konfrontation mit Feinden soll stärker an einen knackigen Shooter erinnern. Das sagt nicht nur der Gameplay Director, das machen auch Spielszenen deutlich, in denen während eines Schusswechsels Dutzende Gegenstände zu Bruch gehen, das Gewehr satte Salven knattert und Adam seine Gegner u.a. mit seiner vom Arm trennbaren Klinge ausschaltet. Entweder wirft er die Novablade direkt auf einen Feind oder neben zwei Wachen, bevor sie wie ein Sprengsatz explodiert.

Container City

Warum es zu den Gefechten kommt? Jensen sucht den Verantwortlichen eines Terroranschlags in Prag. Eine Explosion riss dort etliche Menschen in den Tod – ein trauriger Höhepunkt des ständigen Konflikts „normaler“ Menschen und solcher, die durch mechanische Körperteile verändert wurden. Denn die werden u.a. aufgrund der

Das Artdesign ist erneut famos.
Vorfälle in Human Revolution von der Gesellschaft geächtet und verstoßen. In Prag leben viele von ihnen in einer Art Containerstadt, die hunderte Meter in den Himmel ragt. Deren Anblick ist ebenso erdrückend wie überwältigend.

Hör mal!

Als Adam beim Anführer der für den Anschlag verantwortlich gemachten Organisation ankommt, kommentiert dieser übrigens sein gewalttätiges Vorgehen. Wäre man ans Ziel geschlichen, hätte er anders reagiert – ein cleveres Detail. Der folgende Wortwechsel erinnert an Unterhaltungen im Vorgänger, deren Ergebnis vom Verhalten Jensens abhängt. Vertraut Adam seinem auf unschuldig plädierenden Gegenüber oder lässt er sich nicht von seinem Weg abbringen?

Der eindrucksvolle Schauplatz unterstrich weiterhin zwei gute Neuerungen: Die Gebiete erstrecken sich deutlich weiter in Höhe und Tiefe und es gibt mehr Wege als im Vorgänger. Adam zerstört dabei auch einfache Sicherheitsschlösser, Ventilatoren oder setzt bis zu vier Wachen mit einem erweiterten Elektroschock außer Gefecht. Lauscht er in ruhigen Gegenden den richtigen Unterhaltungen, erhält er zudem Hinweise auf versteckte Wege oder Nebenmissionen.

Wie willst du spielen?

Die Passanten an den zentralen Schauplätzen wirkten in Human Revolution oft starr, reagierten kaum auf den Agenten und sein Tun, der inzwischen übrigens einer Organisation namens Illuminati auf der Spur ist. Ob das Zusammenspiel zwischen Protagonist und Nebenfiguren erweitert wurde, wollte ich deshalb von Fortier wissen, doch eine detaillierte Antwort gab er mir nicht. Die Menschen sollen ihren Beschäftigungen nachgehen und verlieren wohl ein, zwei Sätze, wenn man sie anspricht. Ich hoffe sehr, dass das kanadische Studio auch diesen Aspekt ausbaut.

Ein Aspekt war mir zudem wichtig: Wird es erneut Entscheidungen geben, die dem Spieler nicht durch einen Wink mit dem Zaunpfahl vermittelt werden? Im Vorgänger erhielt man Vorteile in einem Bosskampf, wenn man vorsichtshalber darauf verzichtete, der Software der Augmentierungen ein Update aufzuspielen, obwohl man mehrfach dazu aufgefordert wurde. Und tatsächlich: „Ja, es gibt Dinge dieser Art, auf die wir nicht völlig offensichtlich hinweisen.“

Überhaupt werden Entscheidungen eine noch größere Rolle spielen, nicht nur während des Schleichens oder Kämpfens, denn anstatt kurz vor Schluss den Ausgang der Geschichte zu wählen, führen diesmal während des Spiels

Schusswechsel sind knackiger als im Vorgänger - andere Neuerungen bleiben noch im Dunkeln.
getroffene Entscheidungen zu einem von verschiedenen Enden. Und apropos Bosskämpfe: Darüber schweigt sich Fortier tatsächlich noch aus. Aus ihren Fehlern hätten die Entwickler aber gelernt und es werde möglich sein, das komplette Spiel zu erleben ohne einen einzigen Gegner zu töten.

Neuer Akku, neue Kraft

Und wie umfangreich werden die Möglichkeiten der Charakterentwicklung sein? Ein Rollenspiel sei Deus Ex nicht. Man werde die Figur nach wie vor auf verschiedene Weisen entwickeln können, einem Witcher soll Deus Ex aber keine Konkurrenz machen. Die Aufteilung der Energieleiste fällt dabei weg: Man benötigt keine Batterien mehr, um sie vollständig aufzuladen – das geschieht nach entsprechend langer Zeit von selbst. Gut so! Das wird die Entscheidung über den Einsatz einer Fähigkeit erleichtern. Dazu zählen eine Art Panzer, der Adam im Kreuzfeuer schützt, das an Dishonored erinnernde Springen auf nahe Plattformen sowie eine kurze Zeitlupe, um etwa das Zielen zu erleichtern.

Ebenfalls neu sind verschiedene Munitionstypen und Feuergeschwindigkeiten der Waffe. Man kann damit effektiver auf unterschiedliche Situationen reagieren – in den Spielszenen zeigen die Entwickler, wie Adam einen Geschützturm erst ablenkt, um ihn schließlich mit einer schnellen Salve panzerbrechender Munition zerstört. Und übrigens: Takedowns kosten nach wie vor Energie und werden ausgeführt, während die Spielzeit angehalten wird.

Ausblick

Auch wenn es seinem Vorgänger sehr ähnlich ist: Ich freue mich riesig auf Adam Jensens zweites Abenteuer. Eidos Montreal erweitert offenbar die sehr gute Kombination aus Kampf, Taktik und Verstecken sowie erzählerischen Entscheidungen, die jetzt den Ausgang der Geschichte bestimmen. Dass die Schusswechsel knackiger sind, wird dem Spiel nur gut tun. In vielen wichtigen Aspekten muss das neue Deus Ex aber noch beweisen, dass es mehr als ein gelungener Aufguss ist. Wirken die meist gewaltfreien zentralen Schauplätze etwa lebendiger als zuletzt? Auch Fragen zur KI beantworten die Entwickler so, dass viele von ihnen offen bleiben. Gegner sollen zwar nicht blind in Sackgassen laufen, im Vorgänger konnte Adam aber zu viele Wachen ohne Ändern seiner Taktik auf die gleiche Weise ausschalten. Ich bin gespannt, wie sich Mankind Divided letztlich spielt.

Einschätzung: gut

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