Robinson: The Journey21.09.2016, Jan Wöbbeking

Vorschau: Cryteks Hoffnungsträger für VR

Crytek lüftet den Vorhang: Nachdem bislang hauptsächlich Demos zur Engine und Spielmechaniken präsentiert wurden, konnten wir in Frankfurt das erste Areal des Virtual-Reality-Abenteuers ausführlich anspielen. Wird Robinson: The Journey (ab 17,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) seiner Rolle als Hoffnungsträger für PlayStation VR gerecht?

Allein auf dem fremden Planeten

 

Es ist schon seltsam: Obwohl ich gezwungenermaßen mit dem gewöhnlichen PlayStation-Controller steuern muss, fühle ich mich auf dem fremden Planeten auf Anhieb wohl. Vermutlich spielt die aufwändig gestaltete Dschungelkulisse dabei eine wichtige Rolle. Vielleicht liegt es aber auch an den zwei charmanten Begleitern, die ständig meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Der schwebende Droide Higgs erklärt mir immer wieder neue Einzelheiten über unsere Absturzstelle sowie die Steuerung – und übernimmt nebenbei ein wenig die Rolle eines Elternteils. Ich spiele schließlich den erst zwölf Jahre jungen Robin, der nach der Havarie seines Siedlungsschiffs vom Rest der Crew getrennt wurde. Ein zweiter Begleiter ist Laika - ein putziger einheimischer Dino, der schnell Freundschaft mit meinem Alter Ego geschlossen hat und immer wieder für Rätsel eingesetzt wird. Mit Hilfe einiger Dressur-Kommandos verscheucht sie z.B. angriffslustiges Getier, das mir zu Beginn noch den Weg zu einer Schlucht versperrt, durch die ich in der halboffenen Welt später andere Abschnitte erreiche. Die beiden Begleiter können sich gegenseitig offenbar nicht sonderlich gut leiden, was immer wieder für Streitereien sorgt. Wirklich albern wird es angesichts der ernsten Lage natürlich nicht, die Interaktion zwischen dem Trio wirkt bislang aber wie ein charmanter Weg, die Aufmerksamkeit des Spielers auf die nächsten Aufgaben zu lenken.

Die auf dem fremden Dino-Planeten gelandete Not-Kapsel dient im ersten Abschnitt als Startpunkt und kleine Basis.
Als „Schiffbrüchiger“ muss Robin schließlich andere Überlebende mit Hilfe von Notsignalen auf sich aufmerksam machen sowie die "Black Boxes" finden, um die Hintergründe des Absturzes zu erforschen. Auch Steuerungstricks tragen ihren Teil zur Immersion bei. Die standardmäßig eingestellten ruckartigen 45-Grad-Drehungen dürften VR-Neulinge zwar zunächst irritieren – ich empfand die Technik allerdings als noch etwas angenehmer als in The Assembly. In Kombination mit der niedrigen Gehgeschwindigkeit (Laufen kann man überhaupt nicht) fühlte sich die Umsetzung sehr magenschonend an, so dass mich auch keine Übelkeitsanflüge aus der Illusion reißen konnten. Das Austüfteln des richtigen Mittelwegs hat laut Producer Fatih Özbayram einige Zeit in Anspruch genommen. Ähnlich wie in unserer Redaktion gab es auch bei den Testspielern starke individuelle Unterschiede. Wer möchte, kann übrigens in den Menüs allerlei Feinheiten der Steuerung auf die persönlichen Bedürfnisse abstimmen.

Entspannte Entdeckung oder Überlebenskampf?

 

Spielerisch lässt sich der Titel schwer in ein einzelnes Genre einordnen, da der Ablauf allerlei Ergebnisse aus Cryteks VR-Experimenten miteinander vermischt. Im Grunde handelt es sich um ein Überlebens-Abenteuer, allerdings ohne Zeitdruck und mühsame Ressourcenbeschaffung. Stattdessen geht es eher darum, die Umgebung zu erforschen, mit Hilfe von Rätseln neue Gebiete zu erschließen, gefährliche Urzeitgiganten abzulenken, Maschinen zum Laufen zu bringen und kleine Geschicklichkeitstests zu bestehen. So klettere ich z.B. wie in The Climb an Vorsprüngen entlang, muss aber nicht auf nachlassende Griffkraft achten. Daher erinnern die Touren spielmechanisch eher an Kletterpassagen aus Uncharted 4 oder an Jump-n-Runs. Habe ich durch sorgfältiges Umschauen den passenden Weg gefunden, muss ich im passenden Rhythmus zugreifen. Die als Griffe benutzten Baumpilze klappen sich nämlich rhythmisch ein und aus.

Ein kleiner Ausblick auf den Ausgangspunkt des Abenteuers, das Rätsel mit Erkundung und Geschicklichkeits-Aufgaben mischt.
Etwas mehr Präzision ist beim Scannen der Umgebung gefragt. Dabei muss man mit Hilfe des Kopftrackings kleine Abschnitte der zu untersuchenden Objekte, die vom HUD leuchtend hervorgehoben werden, mit einem Strahl treffen. Liegt das zu untersuchende Nest hinter einer Nische, kann es auch helfen, immer mal wieder einen Schritt vor oder zurück zu gehen, um die Perspektive zu ändern. Diese kleinen Untersuchungen erinnern ein wenig an das Präparieren der Ammoniten in Spectrobes und bringen mir neue Datenbankeinträge über die Tier- und Pflanzenwelt. Später sollen die Informationen auch in Rätseln relevant werden.

Move muss draußen bleiben

Am kniffligsten gestalteten sich die Nebenbeschäftigungen, bei denen Präzision gefragt ist, z.B. das kleine Basketballspiel oder das Fischen mit einem Sieb. Wie beim Beseitigen von Trümmern lässt ein Multitool das Objekt der Wahl vor einem schweben, so dass man es per Knopfdruck nach vorne bugsieren kann. Schade, dass Crytek auf die Unterstützung der Move-Controllern verzichtet, ohne die sich das Hantieren mit einigen Objekten fummelig und nicht präzise genug anfühlt.

Nicht nur putzig, sondern auch dramaturgisch interessant: Robins beiden Begleiter Higgs und Laika.
Der Grund für den Verzicht ist laut Özbayram schlicht und ergreifend die Verbreitung: „Einen PS4-Controller hat schließlich jeder zu Hause“. Er wolle nicht ausschließen, dass Move-Controller vielleicht später doch noch unterstützt werden, zum Start sei es aber nicht in Planung. Beim Hieven größerer Objekte leistet aber immerhin das Kopf-Tracking gute Dienste. Eigentlich sollte ich einige Fässer per Knopfdruck aus der verstopften Turbine fischen und sie auch per Knopfdruck ans Ufer werfen. Stattdessen habe ich sie nach dem Aufheben einfach mit ein paar schwungvollen Kopfbewegungen ans Ufer geschleudert – eine effektive und zudem feinfühligere Möglichkeit, Objekte zu bewegen. Sobald die Turbine wieder rattert, erwartet mich noch ein Minispiel mit Leiterbahnen, in denen Strom mit passender Spannung umgeleitet wird.

Perspektivwechsel

 

Zwischendurch kann sich der Spieler praktisch in den schwebenden Higgs hineinversetzen. Dann sieht man den Kugel-Droiden von innen, kann die Datenbank studieren oder andere technische Details erledigen. Später sollen noch weitere Droiden im Spiel auftauchen, die wichtige Aufgaben für die Rätsel erfüllen, näher wollte Crytek mit Rücksicht auf die Geschichte aber noch nicht ins Detail gehen. Die reale Welt mit all ihren Feinheiten sieht übrigens richtig schick aus – sogar deutlich schicker als der Großteil der VR-Konkurrenz am PC. Wie genau das Spiel die stärkere PS4 Pro nutzen wird, ist noch Zukunftsmusik, aber schon aus der aktuellen Hardware kitzeln die Entwickler ein Ergebnis, das während der Demo stets flüssig blieb. Als ich Özbayram darauf anspreche, welche Tricks man auf der verhältnismäßig schwachen „alten“ PS4 angewandt hat, lautet die Antwort „hauptsächlich Feintuning“. Die Szenen müssten deutlich häufiger von Testspielern durchlaufen werden als bei einem konventionellen Spiel – und zudem noch aus mehr unterschiedlichen Perspektiven.

Die gemächliche Laufsteuerung aus der Ego-Perspektive lässt sich im Optionsmenü feintunen. Mich nervte z.B. die standardmäßige Ausrichtung der Füße in die Blickrichtung: Schaute ich mich beim gehen um, lief ich also Schlangenlinien. Zum Glück soll sich die Funktion deaktivieren lassen.
Für den besten Räumlichkeitseindruck sorgen auch hier wieder Spiegelungen auf glatten Maschinen oder der Wasseroberfläche. Eine interessante unterbewusste Reaktion erlebte ich beim Angeln: Als mich die starke Sonnenreflektion störte, habe ich z.B. instinktiv die Augen zusammengekniffen. Eigentlich ist das beim nicht übermäßig hellen Screen der PSVR nicht nötig. Trotzdem brachte mich das Unterbewusstsein aber immer wieder dazu, zu blinzeln. Auf ein sich verfärbendes HUD, Blutspritzer in Richtung Kamera oder andere am Fernseher beliebte „In-your-face“-Effekte verzichtet man gänzlich, weil sie zu Irritationen und Unwohlsein geführt hätten. „Partikel-Effekte sind in VR immer das „teuerste“, also was die meiste Performance benötigt, z.B. bei Pusteblumen, Schmetterlingen usw.“, berichtet Özbayram. Des Weiteren sind viele bewegte Details nötig „In einem normalen Spiel bleibt ja kaum jemand stehen, um sich am Wegesrand Schmetterlinge anzuschauen – oder sich wiegende Blätter. In VR ist das anders, haben wir in den Testspielen gemerkt“, erklärt der Producer. Daher müssten die Entwickler einerseits mehr hübsche kleine Details in der Kulisse platzieren und zudem hinterher testen, ob die Bildrate hoch genug bleibt.

Technische Tricks für VR

 

Da die Welt von Robinson mit Trümmerteilen des abgestürzten Raumschiffs Esmeralda übersät ist, sollen alle Gegenstände eine eigene Hintergrundgeschichte sowie eine Funktion für die Handlung einnehmen. Bei der Namensgebung und dem Design nahmen sich die Entwickler bekannte Namen aus der frühen Raumfahrt und Science-Fiction-Filmen der Siebziger und Achtziger zum Vorbild: Hündin Laika war z.B. das erste Lebewesen, das von Russland in die Umlaufbahn geschossen wurde (und übrigens tot zur Erde zurückkehrte).

Producer Fatih Özbayram leitete vor Robinson: The Journey die Entwicklung von The Climb, an das die Klettermechanik angelehnt ist.
Ähnlich wie eine Technik von Intel setzt auch Crytek in Robinson auf einen nach außen hin abnehmenden Detailgrad. An den Bildrändern, die ohnehin etwas unscharf erscheinen, werden Details deutlich simpler und ressourcenschonender gerendert – was mir im Spiel übrigens nicht auffiel. Alle Erkenntnisse aus der Entwicklung und den Tests würden direkt an das Team der CryEngine-Entwickler im Haus weitergeleitet (und umgekehrt), so dass auch andere Entwickler davon profitieren, wenn sie Cryteks Software lizenzieren. Robinson ist schließlich auch ein Vorzeigeprojekt, um für die eigene Engine zu werben. Passend dazu richtete der Producer des Spiels während unseres Gesprächs immer wieder einen Appell an andere Hersteller, viel zu testen und möglichst genau auf ein komfortables Nutzererlebnis zu achten – ein in seinen Augen kritischer Faktor für den Erfolg von VR insgesamt.

Exklusiver Planeten-Ausflug

Auf anderen Plattformen dürfte das Spiel übrigens erst an einem unbestimmten Termin in der Zukunft erscheinen, vorerst hat sich Sony die Exklusivrechte gesichert. Der komplett auf das Einzelspieler-Abenteuer fokussierte Titel erscheint zum Start von PlayStation VR am 13. Oktober, und zwar zum Vollpreis. Dafür sollen rund drei bis acht Spielstunden geboten werden. Je nachdem, ob ein Hardcore-Spieler oder ein Neuling testgespielt hat, seien die Ergebnisse und die Dauer fürs Umsehen sehr unterschiedliche ausgefallen. Auch das Bestreiten oder Auslassen kleiner Nebenmissionen ist natürlich ein Faktor.

Ausblick

Eine Zeit lang war ich skeptisch, ob ich meine Vorbestellung für PlayStation VR nicht lieber zurückziehe und das begrenzte Budget lieber in eine private Vive stecke, die bekanntlich Roomscale-Titel unterstützt. Doch Robinson hat meine Vorfreude auf Sonys VR-Headset wieder gesteigert. Obwohl ich eigentlich Exklusivtitel im Bereich der noch jungen Technologie ablehne, könnte sich Sonys (zeitliche) Sicherung der Rechte als kluger Schritt erweisen. Robinson: The Journey gehört mit seiner liebevoll gestalteten Kulisse nicht nur zu den schönsten VR-Titeln, sondern erinnert im Gegensatz zum Großteil der Konkurrenz auch stärker an ein vollwertiges Abenteuer, in das ich gern viele Stunden versinken würde. Positiv für den Komfort beim Spielen ist außerdem, dass sich Crytek mit seiner Engine als technische Speerspitze im Bereich positionieren möchte – und dementsprechend viel experimentiert hat, bevor man zu dem jetzigen Genremix aus verschiedener Rätseln, Aufgaben, Minispielen und dem magenschonenden Steuerungsschema gelangte. Auch der für Neugier sorgende Absturz und die herumwuselnden Begleiter Higgs und Laika machen das Entdecken interessant. Eine herbes Versäumnis ist allerdings, dass PlayStation Move vorerst nicht unterstützt wird. Wenn filigrane Bewegungen gefragt sind, schreit das Spiel geradezu nach Bewegungs-Controllern, die vom Gamepad und dem Headtracking nur bedingt ersetzt werden können. Davon abgesehen ist Robinson: The Journey momentan aber mein Favorit für den Launch von PlayStation VR – neben Battlezone und Rez Infinite.

Einschätzung: gut

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