Vorschau: Verkrampfte Kämpfe
Die Featureflut
Ein Rollenspiel wie Elex auf einer Messe in 20 Minuten vorzustellen ist eine knifflige Aufgabe, denn in der Kürze der Zeit können die meisten Aspekte nur in Kurzform angerissen werden. Jenny Pankratz von Piranha Bytes gab sich trotzdem große Mühe und legte bei ihrer Präsentation in einem Redetempo los, das selbst Eddie Murphy in seinen besten Beverly-Hills-Cop-Zeiten beeindruckt hätte. In wenigen Minuten umriss sie die vielfältige, offene und handgebaute Spielwelt, die eineinhalb Mal größer als die Welt in Gothic 3 sein soll.
Sie sprach weiter über die vier unterschiedlichen Fraktionen (mit eigenem Talentbaum), dass für die Sprachaufnahmen ungefähr 300.000 Wörter aufgenommen wurden, man die Waffen modifizieren bzw. verzaubern könne, in der Welt herumliegende Bodenminen die Aufmerksamkeit der Spieler erfordern würden und sowohl Kreaturen als auch NPCs einen eigenen Tagesablauf hätten. Man wird eine eigene Basis haben und in Städten durchgeführte Verbrechen (z.B. Morde) sollen Konsequenzen bis zur Verbannung oder zum Kopfgeld nach sich ziehen. Auch ein Schnellreise-System mit Transportern ist geplant, sofern man diese entdeckt hat.
Verkrampfte Kämpfe
Prinzipiell soll Elex bei den Kämpfen viel bieten. Nahkämpfe mit Waffen wie Schwertern, Fernkämpfe mit futuristischen Energieknarren und sogar klassische Zauber (Feuerball) sind enthalten und zwischendurch kann man mit dem Jetpack kurz den Boden unter den Füßen verlieren. Wirklich rund wirkte das (live) gezeigte Kampfsystem nicht. Der aus der Verfolgerperspektive gesteuerte Charakter durfte sich z.B. mit zwei Raptoren anlegen und setzte auf ein Schwert. Jedem geschwungenen Angriff fehlte dabei die Wucht und es mangelte an stimmigem Trefferfeedback, abgesehen davon, dass die Lebenspunkte-Leiste des Gegners sank. Alle Bewegungen und Animationen im Kampf wirkten hakelig und ungeschmeidig. Manche Passagen wie Überkopf-Schwungangriffe aus der Luft mit Jetpack-Unterstützung waren schon in Ordnung, doch gerade die allem Anschein nach wichtigen Ausweichrollen und die Hiebe mit dem Schwert wirkten schwachbrüstig, zu schnell und hinkten - im wahrsten Sinne des Wortes - einige Jahre dem State-of-the-Art hinterher.
Handgebaute Welten sind die schönsten
Besser gelungen ist das Weltdesign, auch wenn die Verschmelzung von Fantasy und Science-Fiction stellenweise eigenwillig anmutet - beispielsweise wenn man Pestratten vor einer mittelalterlichen Hütte mit einem Langschwert verhaut und im Hintergrund Windkraftanlagen sowie Energiebarrieren zu sehen sind. Während manche Areale wirklich gut und stimmig aussehen und sogar die Innenräume ordentlich ausgestattet sind, gibt es wiederum andere Passagen, die so unfertig, wenig zusammenhängend und "baustellig" aussehen, dass sie aus dem letzten S.T.A.L.K.E.R.-Teil stammen könnten. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen setzt Piranha Bytes auf eine offene Welt und per Hand gebaute Welt. Sämtliche am Horizont erkennbaren Berge und Areale können laut den Entwicklern erreicht, u.a. mit der Hilfe des Jetpacks und ggf. findet man dort die eine oder andere Überraschung.
Verzweigte und komplexe Quests
Als dann die Präsentation endete, die Zeit für Nachfragen begann und ich den Entwicklern sagte, dass die Kämpfe nicht wirklich überzeugend waren und sie andere Elemente wie das dynamisch verzweigte Questsystem, das vorher als so komplex wie in keinem anderen Piranha-Bytes-Spiel angepriesen wurde, gar nicht vertieft hätten, legte Frau Pankratz mit richtig viel Herzblut los und verteidigte ihr Rollenspiel mit dem folgenden Questbeispiel, mit dem man Elex sicherlich hätte besser vorstellen können.
Es geht darum, dass man eine Stadt (mit einer Energiekuppel) betreten möchte, doch die Wache an dem Tor/Eingang lässt den Spieler nicht passieren, sofern man nicht der technikaffinen Kleriker-Fraktion angehört. Was tun? Man könnte sich zum Beispiel eine ID-Karte besorgen, um in die Stadt zu gelangen. Hierfür kann man zu den Outlaws gehen, die vor der Stadt ein kleines Lager aufgeschlagen haben und dort nachfragen. Aber die Outlaws haben keine Blanko-Karten mehr. Also müssen zunächst diese Rohlinge organisiert werden, bevor es weitergeht.
Etwas Equilibrium gefällig?
Danach wurde erklärt, dass das emotionale "Kältesystem" Auswirkungen auf die Auswahlmöglichkeiten bei den Dialogen hat. Die in der Spielwelt vorhandene, mächtige und namengebende Ressource Elex sorgt beim Konsum dafür, dass der Konsument stärker wird als Nebenwirkung seine Emotionen verliert, was durch den "Kältewert" repräsentiert wird. Diejenigen, die viel Elex konsumieren, werden somit andere - vorwiegend rationalere - Dialogoptionen vorfinden als andere Spieler. Übrigens sollen die in Textform dargebotenen Dialoge (zur Auswahl) tatsächlich dem Satz entsprechen, den der Charakter von sich geben wird - wie in anderen Spielen von Piranha Bytes sind manche Antworten schon ziemlich forsch und direkt.
Ausblick
Nein, das auf der gamescom 2016 präsentierte Kampfsystem von Elex ist nicht das Gelbe vom Ei. Die Fernkämpfe gehen in Ordnung, aber die Nahkämpfe wirken aufgrund der hakeligen Animationen, der unpassenden Geschwindigkeit mancher Abläufe und dem mauen Kollisionssystem ziemlich ungelenk, unflüssig und abgehackt. Und der von den Entwicklern beschworene Vergleich zu Dark Souls ließ das Gesehene nicht wirklich besser dastehen. An dieser Baustelle müssen die Entwickler dringend weiter arbeiten, da es wie ein mehrere Jahre altes Relikt wirkt. Dafür scheint das Rollenspiel mit der handgebauten Science-Fantasy-Welt, dem verzweigten Questsystem und den Fraktionssystem mehrere Asse im Ärmel zu haben, doch leider wurde diese Asse nicht ausgespielt, sondern bloß auf den Kampftrumpf gesetzt, der (noch) nicht überzeugen konnte. Hoffentlich bekommen die Entwickler bis zur geplanten Veröffentlichung im nächsten Jahr die Macken und Schwächen in den Griff, denn andere Elemente klingen zumindest vielversprechend.
Einschätzung: befriedigend
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