Elex23.08.2016, Marcel Kleffmann
Elex

Vorschau: Verkrampfte Kämpfe

Im letzten Jahr wurde Elex (ab 6,19€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) von den Gothic- und Risen-Machern erstmals ausführlich der Öffentlichkeit vorgestellt und auch auf der gamescom 2016 präsentierte THQ Nordic das ambitionierte Science-Fantasy-Rollenspiel aus Essen. Diesmal wurden hauptsächlich die Spielwelt, der Erkundungsaspekt und die Kämpfe vorgestellt. Keine so gute Idee, denn das Kampfsystem konnte noch nicht wirklich überzeugen, doch dafür scheint das Spiel andere Stärken zu haben...

Die Featureflut

Ein Rollenspiel wie Elex auf einer Messe in 20 Minuten vorzustellen ist eine knifflige Aufgabe, denn in der Kürze der Zeit können die meisten Aspekte nur in Kurzform angerissen werden. Jenny Pankratz von Piranha Bytes gab sich trotzdem große Mühe und legte bei ihrer Präsentation in einem Redetempo los, das selbst Eddie Murphy in seinen besten Beverly-Hills-Cop-Zeiten beeindruckt hätte. In wenigen Minuten umriss sie die vielfältige, offene und handgebaute Spielwelt, die eineinhalb Mal größer als die Welt in Gothic 3 sein soll.

Sie sprach weiter über die vier unterschiedlichen Fraktionen (mit eigenem Talentbaum), dass für die Sprachaufnahmen ungefähr 300.000 Wörter aufgenommen wurden, man die Waffen modifizieren bzw. verzaubern könne, in der Welt herumliegende Bodenminen die Aufmerksamkeit der Spieler erfordern würden und sowohl Kreaturen als auch NPCs einen eigenen Tagesablauf hätten. Man wird eine eigene Basis haben und in Städten durchgeführte Verbrechen (z.B. Morde) sollen Konsequenzen bis zur Verbannung oder zum Kopfgeld nach sich ziehen. Auch ein Schnellreise-System mit Transportern ist geplant, sofern man diese entdeckt hat.

Die Konsolen-Versionen werden direkt bei Piranha Bytes entwickelt. Das anfängliche Debakel wie bei Risen 3 soll nicht wiederholt werden. Damals wurde die Konsolen-Fassung von einem externen Studio umgesetzt.
Ein Großteil der in Windeseile präsentierten Featureflut war schon bekannt (vgl. Vorschau aus 2015), bis dann das Kampfsystem vorgestellt wurde - und das war, zumindest im aktuellen Zustand, nicht so richtig überzeugend.

Verkrampfte Kämpfe

Prinzipiell soll Elex bei den Kämpfen viel bieten. Nahkämpfe mit Waffen wie Schwertern, Fernkämpfe mit futuristischen Energieknarren und sogar klassische Zauber (Feuerball) sind enthalten und zwischendurch kann man mit dem Jetpack kurz den Boden unter den Füßen verlieren. Wirklich rund wirkte das (live) gezeigte Kampfsystem nicht. Der aus der Verfolgerperspektive gesteuerte Charakter durfte sich z.B. mit zwei Raptoren anlegen und setzte auf ein Schwert. Jedem geschwungenen Angriff fehlte dabei die Wucht und es mangelte an stimmigem Trefferfeedback, abgesehen davon, dass die Lebenspunkte-Leiste des Gegners sank. Alle Bewegungen und Animationen im Kampf wirkten hakelig und ungeschmeidig. Manche Passagen wie Überkopf-Schwungangriffe aus der Luft mit Jetpack-Unterstützung waren schon in Ordnung, doch gerade die allem Anschein nach wichtigen Ausweichrollen und die Hiebe mit dem Schwert wirkten schwachbrüstig, zu schnell und hinkten - im wahrsten Sinne des Wortes - einige Jahre dem State-of-the-Art hinterher.

Nachdem die Geschichte von Elex abgeschlossen ist, darf man übrigens weiterspielen und die offene Welt weiter erkunden.
Die Fernkampfduelle mit einer Energiewaffe oder einem Granatwerker waren okay. Nur der Nahkampf, der laut den Entwickler ein bisschen von Dark Souls inspiriert wurde, sieht derzeit einfach hakelig, ungeschmeidig, kraftlos und unrund aus. Das Gefühl der Geschwindigkeit und der physischen Wucht der Bewegungsabläufe wirkte ebenfalls nicht stimmig. Vieles war zu schnell (Ausweichrolle) und sah zu kraftlos aus. Auch die Kollisionen mit der Umgebung bieten Raum zur Verbesserung. Ja, natürlich befindet sich Elex in einer frühen Pre-Alpha-Version und viele der Animationen sind gerade erst implementiert worden, aber warum zeigt man diese Elemente dann überhaupt auf einer Messe, anstatt sich auf andere Stärken zu berufen oder unter Umständen eine ausgearbeitete Beispiel-Questreihe zu zeigen, in der glaubhaft deutlich wird, dass die Kämpfe nur ein Aspekt sind. Versteht mich nicht falsch, die Ansätze sind in Ordnung, erfordern jedoch noch viel Entwicklungsarbeit. Problem dabei: Das gezeigte Ingame-Material der Kämpfe machte nicht Lust auf mehr und erinnerte - u.a. bei der Qualität der Animationen - an viele vorherige Spiele von Piranha Bytes.

Handgebaute Welten sind die schönsten

Besser gelungen ist das Weltdesign, auch wenn die Verschmelzung von Fantasy und Science-Fiction stellenweise eigenwillig anmutet - beispielsweise wenn man Pestratten vor einer mittelalterlichen Hütte mit einem Langschwert verhaut und im Hintergrund Windkraftanlagen sowie Energiebarrieren zu sehen sind. Während manche Areale wirklich gut und stimmig aussehen und sogar die Innenräume ordentlich ausgestattet sind, gibt es wiederum andere Passagen, die so unfertig, wenig zusammenhängend und "baustellig" aussehen, dass sie aus dem letzten S.T.A.L.K.E.R.-Teil stammen könnten. Im Gegensatz zu vielen anderen Spielen setzt Piranha Bytes auf eine offene Welt und per Hand gebaute Welt. Sämtliche am Horizont erkennbaren Berge und Areale können laut den Entwicklern erreicht, u.a. mit der Hilfe des Jetpacks und ggf. findet man dort die eine oder andere Überraschung.

Verzweigte und komplexe Quests

Berserker, Kleriker, Albs oder Outlaws? Wenn man sich einmal für eine Fraktion entschieden hat, dann wird man diese Wahl nicht verändern können. Jede Fraktion bietet dabei Zugang zu unterschiedlichen Fähigkeiten.

Als dann die Präsentation endete, die Zeit für Nachfragen begann und ich den Entwicklern sagte, dass die Kämpfe nicht wirklich überzeugend waren und sie andere Elemente wie das dynamisch verzweigte Questsystem, das vorher als so komplex wie in keinem anderen Piranha-Bytes-Spiel angepriesen wurde, gar nicht vertieft hätten, legte Frau Pankratz mit richtig viel Herzblut los und verteidigte ihr Rollenspiel mit dem folgenden Questbeispiel, mit dem man Elex sicherlich hätte besser vorstellen können.

Es geht darum, dass man eine Stadt (mit einer Energiekuppel) betreten möchte, doch die Wache an dem Tor/Eingang lässt den Spieler nicht passieren, sofern man nicht der technikaffinen Kleriker-Fraktion angehört. Was tun? Man könnte sich zum Beispiel eine ID-Karte besorgen, um in die Stadt zu gelangen. Hierfür kann man zu den Outlaws gehen, die vor der Stadt ein kleines Lager aufgeschlagen haben und dort nachfragen. Aber die Outlaws haben keine Blanko-Karten mehr. Also müssen zunächst diese Rohlinge organisiert werden, bevor es weitergeht.

Mitglieder der Kleriker-Fraktion dürfen die Stadt unter der Energiekuppel betreten. Andere Fraktionsangehörige müssen sich irgendwie anders Zugang beschaffen.
Oder man redet man der Wache und berichtet ihr, dass draußen die Outlaws ein Lager haben und man bei der Beseitigung der Leute zur Hand gehen könnte, wenn man dafür in die Stadt reinkommt. Schlägt man dann ein und geht mit dem Wächter zu den Outlaws, kann hat wiederum die Wahl, ob man wirklich die Outlaws ausschaltet oder den Wächter oder den Ausgang beobachtet …

Etwas Equilibrium gefällig?

Danach wurde erklärt, dass das emotionale "Kältesystem" Auswirkungen auf die Auswahlmöglichkeiten bei den Dialogen hat. Die in der Spielwelt vorhandene, mächtige und namengebende Ressource Elex sorgt beim Konsum dafür, dass der Konsument stärker wird als Nebenwirkung seine Emotionen verliert, was durch den "Kältewert" repräsentiert wird. Diejenigen, die viel Elex konsumieren, werden somit andere - vorwiegend rationalere - Dialogoptionen vorfinden als andere Spieler. Übrigens sollen die in Textform dargebotenen Dialoge (zur Auswahl) tatsächlich dem Satz entsprechen, den der Charakter von sich geben wird - wie in anderen Spielen von Piranha Bytes sind manche Antworten schon ziemlich forsch und direkt.

Ausblick

Nein, das auf der gamescom 2016 präsentierte Kampfsystem von Elex ist nicht das Gelbe vom Ei. Die Fernkämpfe gehen in Ordnung, aber die Nahkämpfe wirken aufgrund der hakeligen Animationen, der unpassenden Geschwindigkeit mancher Abläufe und dem mauen Kollisionssystem ziemlich ungelenk, unflüssig und abgehackt. Und der von den Entwicklern beschworene Vergleich zu Dark Souls ließ das Gesehene nicht wirklich besser dastehen. An dieser Baustelle müssen die Entwickler dringend weiter arbeiten, da es wie ein mehrere Jahre altes Relikt wirkt. Dafür scheint das Rollenspiel mit der handgebauten Science-Fantasy-Welt, dem verzweigten Questsystem und den Fraktionssystem mehrere Asse im Ärmel zu haben, doch leider wurde diese Asse nicht ausgespielt, sondern bloß auf den Kampftrumpf gesetzt, der (noch) nicht überzeugen konnte. Hoffentlich bekommen die Entwickler bis zur geplanten Veröffentlichung im nächsten Jahr die Macken und Schwächen in den Griff, denn andere Elemente klingen zumindest vielversprechend.

Einschätzung: befriedigend

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