Vertraut und doch anders
Wer Divinity Original Sin insbesondere in der Enhanced Edition gespielt hat, wird sich auch in der Fortsetzung schnell heimisch fühlen: Steuerung, Kulisse und freie Kameraführung wirken sehr vertraut - dieses Mal wird das Studium der Umgebung aus allen Blickwinkeln sogar noch wichtiger, wenn man alle Geheimnisse und versteckte Schätze bergen möchte. Larian setzt für Original Sin 2 auf inhaltliche sowie mechanische Evolution. Statt mit neuen Konzepten punkten zu wollen, hat sich das Team um Studiogründer Swen Vincke und Lead Designer Farhang Namdar sehr genau angeschaut, was funktioniert hat oder bei den Fans ankam und was basierend auf dem Feedback der Community verbesserungswürdig schien. Dementsprechend wird es trotz aller wiederkehrender Elemente nicht nur Optimierungen, sondern auch zahlreiche Neuerungen geben.
Bei der Erstellung der Helden ist man nicht mehr nur auf Menschen beschränkt. Besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der möglichen Gesprächsverläufe kommt den so genannten "Tags" zu.
Die erste davon zeigte mir Namdar gleich zu Beginn seines Besuchs: Die Charaktergenerierung. Denn zum ersten Mal darf man in einem Spiel der Reihe zwischen fünf Völkern wählen, die alle besondere Fähigkeiten, Talente oder Boni besitzen. Neben den Menschen warten Elfen, Zwerge, Echsenwesen und Untote. Das klingt zwar sehr konventionell, doch in der Art und Weise, wie Larian die Völker interpretiert zeigt sich auch, dass man sich in der Welt von Original Sin 2 nicht sicher sein kann: Elfen z.B. haben die Möglichkeit, sich über das Essen ihrer Opfer nicht nur zu heilen, sondern ihre Erinnerungen und darüber teilweise ihre Fähigkeiten anzueignen. Es bleibt allerdings dabei, dass die Entwicklung der Charaktere auf größtmögliche Freiheit ausgelegt ist. Man kann zwar Archeklassen zum Start wählen, doch letztlich stehen einem alle Wege offen.
Komplexe Erzählung aus acht Federn
Wichtiger als irgendwelche Klassenkorsetts sind die so genannten "Tags", mit denen jede Figur quasi charakterisiert wird. Sechs darf jeder Charakter maximal haben, teilweise werden sie von der Auswahl von z.B. dem Volk vorgegeben, teilweise wird man sich Tags durch Aktionen verdienen oder frei verteilen dürfen. "Held" könnte so ein Tag sein. Oder "Schurke". Auch "Schatzsucher" oder "Grausam" gehören zu den Attributen, mit denen die Figuren umschrieben werden. Allerdings haben diese Bestimmungen nicht nur Auswirkung auf die Erzählung. Denn je nachdem, mit welchen Tags man versehen ist, starten Gespräche mit NPCs oder dem KI-Partner der Gruppe anders und können sich in komplett unterschiedliche Richtungen entwickeln. Dementsprechend spielt es auch eine Rolle, mit wem man das Gespräch beginnt.
Viele der zur Auswahl stehenden Antworten in Gesprächen sind von den "Tags" abhängig.
Und selbstverständlich wirken sich einige Folgen der Dialog-Führung auch auf das mögliche Ende aus. Da dies innerhalb der ohnehin deutlich breiter aufgestellten Erzählung zu enormen Verzweigungen führen kann, hat man in diesem Bereich personell aufgestockt.
War bei Original Sin letztlich nur eine Person für das Skript verantwortlich, sitzen mittlerweile acht Schreiber an der Geschichte und den Dialogen, die in der endgültigen Version komplett vertont sein sollen. Und das hat Auswirkungen: Wie Namdar erklärte, habe man etwa zur Hälfte des ersten Aktes von Original Sin 2 bereits mehr Texte als im gesamten Vorgänger. Das verwundert auch insofern nicht, da das Geschehen hier satte 1000 Jahre später stattfindet, die man irgendwie irgendwo Revue passieren lässt und man sich mit seinen Figuren anderen Vorzeichen gegenübersieht. Der gesamte erzählerische Unterbau wurde neu gestaltet: Musste man in Original Sin die magische "Source" eindämmen, ist man nun ein "Sourcerer", deren Fähigkeiten nach dem Tod der Gottheit als Nebeneffekt dafür sorgen, dass Kreaturen aus der Leere in die Welt einfallen. Da die Sourcerer daher für den nahenden Untergang der Welt verantwortlich gemacht werden, muss man sich nicht nur der Gruppierung der "Göttlichen Ordnung" widersetzen, die die Sourcerer gebrandmarkt hat, sondern auch versuchen, das Mysterium aufzuklären.
Ursprung und Erweiterungen
Wohin nur mit der ganzen Beute? Trotz Gegenstandsflut ist das Inventar übersichtlich - auch dank zahlreicher Sortier-Tabs.
Dialoge und Erzählung sind wie schon im Vorläufer einer der Eckpfeiler des Erlebnisses. Party-Interaktion und –Dynamik sind ein weiterer, den man ebenfalls schon aus Original Sin kennt, der hier jedoch gewaltig aufgebohrt wurde. So kann man z.B. nicht nur mit einem individuellen Charakter starten, sondern bietet auch gleichzeitig vorgefertigte Figuren an, mit denen man eine der so genannten "Ursprungsgeschichten" erleben kann. Sehr clever: Diese Helden, von denen vier in der Mitte September startenden Early-Access-Phase zur Verfügung stehen werden, laufen einem auch über den Weg, wenn man mit einem eigenen Charakter startet. Und selbst wenn man sie nicht mit in die Gruppe aufnimmt oder sie sich weigern mitzukommen, werden diese Geschichten mit in die Erzählung eingeflochten, die der Spieler erlebt. Auch die Erforschung der weiträumigen sowie mit Geheimnissen gespickten Gebiete und taktische Kriegsführung sind in ihren Grundzügen bekannt, wurden für Orginal Sin 2 aber ebenfalls erweitert. Nicht alle versteckten Wege und Gebiete sind z.B. auf Anhieb sichtbar, sondern werden erst erkannt, wenn man die Kamera entsprechend justiert. Zudem kann man nie sicher sein, dass in einer Truhe in einem verlassenen Haus nicht doch ein lebensrettender Zauber oder einfach "nur" eine enorme Menge Gold auf einen wartet.