Far Cry Primal27.01.2016, Benjamin Schmädig

Vorschau: Far Cry bleibt Far Cry

Es gibt Berichte, zu denen fällt mir partout keine Einleitung ein, ohne die dröge Historie der Vorgänger herunter zu beten. Diese Vorschau zu Far Cry Primal (ab 8,36€ bei kaufen) ist so ein Bericht, denn viel mehr als "Es ist eben Far Cry" kommt mir dazu kaum in den Sinn. Dabei hatte ich mit dem Steinzeit-Ableger tatsächlich mehr Spaß als mit Far Cry 4!

Spielen der Arbeit willen?

Um euch keine falschen Hoffnungen zu machen: Nein, das aktuelle Far Cry, eine Recyclingkiste vertrauter Spielinhalte, erfindet sein eigenes Rad nicht neu. Ein, zwei Stunden lang habe ich im Rahmen einer Vorschau-Veranstaltung mit großer Neugier die Steinzeit erkundet. Die ist immerhin ähnlich weitläufig wie die Schauplätze der Vorgänger, führt aber an steilen Felsen vorbei durch enge Täler und vergleichsweise dichte Wälder. Sie wirkt eindringlicher und intimer als bisherige Szenarien der Serie – ein erfrischender Tapetenwechsel!

Doch dann kam der Punkt, an dem ich nach dieser höchstens zweistündigen Einführung die Übersichtskarte öffnete. Und plötzlich war die famose Kulisse nur eine weitere mit "Tu dies, erledige jenes!"-Markierungen gepflasterte

Der Plot? Mann hiflt Frau, Frau hilft Mann.

Landkarte. Ein Arbeitsplan, an dessen Sollerfüllung mir spontan die Lust verging. Etliche Sammelgegenstände sind nur vorhanden, damit ein Wasserstandsanzeiger Gegenstand X von 100 markieren kann – gut, dass man das Anzeigen fast aller Symbole wenigstens im eigentlichen Spiel abschalten darf.

Far Cry Primal folgt ja stoisch der Formel seiner Vorläufer. D. h., überall greifen aus irgendeinem Grund irgendwelche Tiere an, ständig halten böse Menschen gute Menschen gefangen, Ausrüstung wird mit Sammelkram sowie Sammelkram von getöteten Tieren verbessert und um die Umgebung zu erschließen, nimmt man Türme e... Verzeihung: Man entfacht Leuchtfeuer. Siedlungen befeindeter Stämme übernimmt man ebenfalls, um Letztere zu vertreiben.

Jäger in fremden Gefilden

Takkar und seine Verbündeten – hier hat sich zum Glück viel verändert. Denn der Held ist diesmal weder unbedarfter Jungspund wie in Far Cry 3 und 4 noch lebende Action-Ikone wie im coolen Blood Dragon. Takkar ist ein Jäger, der von seinem Stamm getrennt wird und nach Oros gelangt, einem ihm fremden Land.

Im Verlauf des Abenteuers wird Takkars neues Zuhause immer größer.

Dort schlägt er sich mit konkurrierenden Stämmen herum, während aus deren Geisel befreite Zeitgenossen nach und nach eine neue Siedlung aufbauen.

Er zähmt wilde Tiere und räumt mit Pfeil und Bogen ganze Stammesverbände aus dem Weg. Ganz zu Beginn pflegt er die Wunde einer hübschen Dame, die er kurz zuvor den Klauen eines riesigen Tigers entrissen hat und in deren Lager er Unterschlupf findet. Keine Frage: Die Erzählung verklärt die Menschheitsgeschichte, als hätte Disney einen Steinzeit-Film gedreht. Gleichzeitig inszeniert Primal aber ein angenehm unverbrauchtes Szenario, dessen Protagonisten eine (wissenschaftlich fundierte) Kunstsprache sprechen, die in jeder Unterhaltung durch Untertitel übersetzt wird. Ich habe mich in den ersten drei, vier Stunden dieser Epoche jedenfalls wohler gefühlt als in Far Cry 4.

Sehne statt Bolzen

Das lag nicht nur am Umfeld, das lag auch am "Fehlen" sämtlicher Feuerwaffen. In der Steinzeit wurde ja kein Schießpulver verbrannt; man schmiss Speere, spannte Sehnen hölzerner Bögen und verkloppte Bösewichte per Keule. Und diesem ruhigen, konzentrierten Hantieren – weil weniger Schüsse einfach besser sitzen müssen als eine immer irgendwie gefährliche Kugelwand – bin ich sehr angetan. Das Schleichen durchs hohe Gras, ganz allgemein das taktische Vorgehen, gehört seit jeher zu den Stärken der Serie und diesmal passt es besser denn je zum Szenario. Vermisst habe ich bislang allerdings eine echte Herausforderung. Es kann an der frühen Spielzeit liegen, doch nach drei, vier Stunden hätte ich gerne wenigstens ein großes Lager eines feindlichen Stammes entdeckt und durch geschicktes Ausschalten seiner Wachen eingenommen. Da kommt im kompletten Spiel hoffentlich mehr.

Endlich mehr dank weniger?

Ganz allgemein ist die Welt zumindest in den ersten Stunden nicht ganz so überladen wie im vergangenen Far Cry. Auch hier bin ich zwar alle Nase lang auf irgendeine zufällige Mission gestoßen oder wurde von irgendeinem Tier

Ubisoft passt das Konzept dem ungewöhnlichen Szenario an, im Kern bleibt Far Cry aber Far Cry.

attackiert, insgesamt wirkt das Erforschen der Wälder aber entspannter als das Erkunden der Berge von Kyrat.

Und auch die Jagd macht mehr Spaß als zuletzt. Zwar reicht es noch immer, in klar markierte kleine Biotope zu stolzieren, um die dort lebenden Tiere abzuschießen – fertig ist die größere Jutetüte oder andere Verbesserungen der Ausrüstung. Ohne das Streufeuer eines Maschinengewehrs ist es allerdings nicht ganz so leicht, das Ziel mal eben niederzustrecken. Gut gezielte Kopfschüsse sollten es schon sein. Denn rennt die Beute erst mal davon, bleibt in der Eile vielleicht nur noch ein einziger, schnell aufgezogener Pfeil...

Nachdem Far Cry 3 und 4 das Spiel mit dem Feuer etwas vernachlässigt hatten, rückt Primal diesen Aspekt außerdem stärker in den Vordergrund, wenn Takkar Pfeile und Keule anzündet. Mit diesen hält er sich manche Tiere vom Hals, legt kleine Feuer und steckt Gegner mit einem Körpertreffer in Brand. Verschossene (und nicht verbrannte) Munition zieht man übrigens aus Leichen oder Kadavern wieder heraus oder bastelt sie selbst aus mindestens zwei Materialien. Man muss daher stets ein Auge darauf haben, dass der begrenzte Köcher gut gefüllt ist oder nach z.B. Holz und Schiefer Ausschau halten – ein nettes Detail.

Tierische Möglichkeiten

Gezähmte Tiere helfen Takkar übrigens auf verschiedene Weise: Wölfe knurren, wenn sie Gegner wittern, Bären finden Ressourcen und dienen als Fortbewegungsmittel, Raubkatzen stürzen sich hingegen auf einen Feind, ohne

Tiere helfen Takkar: Manche unterstützen ihn im Kampf und auf einigen reitet er sogar.

dessen Begleiter zu alarmieren. Sie dienen also vor allem Heimlichtuern, während Wölfe eher klassische Shootern-Tugenden unterstützen. Und wie macht man sich die Fauna zum Freund? Man lockt eins der gewünschten Tiere mit einem Köder an und hält einen Knopf gedrückt, nachdem man sich ihm vorsichtig genähert hat.

Aus der Sicht eines Adlers beobachtet man die Umgebung außerdem aus der Luft, bevor man sich z.B. auf feindliches Territorium wagt. Wer das Markieren von Gegnern aktiviert hat, tut das während des Erkundens und kann sich anschließend noch als Adler auf einen Feind stürzen. Das ist irgendwie witzig – für mein Empfinden aber eine unsinnige Vereinfachung, die mich aus der Rolle des Alter Ego reißt. Zumal diese Fähigkeit des Helden mit übersinnlichen Kräften erklärt wird und schon deshalb wie ein Fremdkörper in dem stimmungsvollen Szenario wirkt.

Ausblick

Wie gesagt: Far Cry bleibt sich treu. Man zündet ein Leuchtfeuer nach dem nächsten an, überfällt feindliche Lager, tötet aufdringliche Tiere, erledigt wie in einer Beschäftigungstherapie erzählerisch belanglose Zufallsaufgaben – man findet, entdeckt und kämpft über weite Strecken zum Selbstzweck, anstatt in eine vereinnahmende Welt abzutauchen. In den ersten Stunden fehlten mir zudem nennenswerte Herausforderungen, etwa in Form großer feindlicher Siedlungen. Dass sich Far Cry treu bleibt, hat allerdings auch Vorteile. Denn so ist die taktisch geprägte Action nach wie vor vielseitig, während der Wegfall von Feuerwaffen dem ersten Eindruck nach das clevere Vorgehen unterstützt. Dieses frische Spielgefühl steht dem insgesamt ruhigeren, über weite Strecken idyllischen Szenario richtig gut. Primal könnte ein kleiner Schritt in eine richtige Richtung für die Shooter-Serie sein, vielleicht sogar ein gutes Spiel. Ich freue mich jedenfalls auf unterhaltsame Tage in der Steinzeit, auch wenn diese wohl nicht allzu lang sein werden – Far Cry eben.

Einschätzung: befriedigend

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