Mittelerde: Schatten des Krieges08.03.2017, Mathias Oertel

Vorschau: Neue Erzfeinde in Mittelerde

Vor wenigen Wochen ließ Warner Interactive die Katze aus dem Sack und bestätigte offiziell, was in der Gerüchteküche schon längst schmorte: Monolith arbeitet an einer Fortsetzung zu Mittelerde: Mordors Schatten. Nach dem Launch-Trailer sehr neugierig geworden, folgten wir einer Einladung des Publishers, um einen Blick auf Mittelerde: Schatten des Krieges (ab 4,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) zu werfen – mehr dazu in der Vorschau.

Nemesis 2.0

Bei der ersten Präsentation zu Mittelerde: Schatten des Krieges hat sich Monolith, vertreten durch Michael de Plater und Kevin Stevens, vor allem darauf konzentriert, die Erweiterungen des so genannten Nemesis-Systems vorzustellen. Zur Erinnerung: Dahinter verbarg sich eine Mechanik, mit deren Hilfe im Vorgänger die gegnerischen Offiziere und War Chiefs nach zufälligen Algorithmen erstellt wurden. Dies sorgte dafür, dass die Spieler individualisierte Gegner und Erzfeinde bekamen und schließlich jeder Waldläufer im Rahmen der festgelegten Hauptgeschichte personalisierte Variationen erleben durfte. Direkt damit verbunden war das gesellschaftliche System der Ork-Stämme, die Sympathien und Abneigungen für ihre Stammesgenossen hegten und die man für seine Zwecke nutzen konnte.

Festungs-Eroberungen sind ein neues Element und wurden mit der Kernmechanik des Nemesis-Systems verknüpft.

In Schatten des Krieges möchte man mehr von allem bieten. Es gibt einen ganzen Haufen neuer Parameter, mit denen die Hauptmänner und War Chiefs ausgestatten werden können - dazu gehören frische Klassen ebenso Vorlieben, Fähigkeiten oder Anfälligkeiten. Man wird neuerdings auch auf Olog-Hai (Trolle) als Nemesis treffen, so dass die Bandbreite an Generierungs-Optionen für die Nemesis und damit auch Individualisierung des Spielerlebnisses stark vergrößert wird. Die Orks gehören nun diversen Stämmen an, die ihre Basisfähigkeiten, Aussehen oder Ausrüstung mit definieren. Zusätzlich wird die Hierarchie um einen Overlord aufgestockt, der vor allem bei den ebenfalls frischen Festungseroberungen eine Rolle spielt. Besonderes Augenmerk scheint man auch auf die erweiterten Beziehungsgeflechte zwischen Talion und seinen kontrollierten Alliierten zu legen. Man soll auch vermehrt auf Eigenschaften wie Loyalität, bedingungsloser Gehorsam und Verrat samt vieler dazwischen liegender Grautöne treffen. Das klingt alles sehr gut, doch den Beweis dafür blieb man in dieser weitgehend geskripteten, aber live vorgespielten Präsentation noch schuldig.

Fast wie Helms Klamm

Je nachdem, wer der neue Overlord ist, ändern sich Aussehen und Effektivität der Festung.

Stattdessen hat Monolith bei der Eroberung der Festung auch die überarbeitete Kulisse vorgestellt. Hinsichtlich der Kampfanimationen bzw. der Kollisionsabfrage lief zwar noch nicht alles ganz sauber, doch der Rest kann sich sehen lassen. Beim Design der Figuren sind deutlich mehr Details zu sehen, die Mimik ist überzeugend und bei den Rüstungen sowie Waffen ist ebenfalls mehr Feinarbeit zu erkennen. Die Inszenierung ist mit ihren Kamerafahrten und schnellen Schnitten ebenfalls kinoreif. In den verschiedenen Stufen der Eroberung, die wiederum auch abhängig von den in der Festung stationierten War Chiefs zu sein scheinen, werden Mauern eingerissen, gehen dutzende von Orks in Flammen auf und schlagen sich zig Trolle und Soldaten gegenseitig den Schädel ein, während Talion seinem tödlichen Handwerk nachgeht. Denn natürlich ist er im Zusammenspiel mit den erweiterten Geist-Fähigkeiten Celebrimbors immer noch der Dreh- und Angelpunkt. Das Klettern und die Kämpfe machen zwar immer noch den Eindruck, dass diese Elemente wie im Vorgänger mechanisch nicht komplett ausgereizt werden. Doch eindrucksvoll sind die schnellen Wechsel zwischen Geisterwelt und den Angriffen des Ringschmieds, dem Bogenschießen sowie den brachialen Nahkampf-Attacken von Talion allemal  - nicht zuletzt auch, weil auch an visueller Gewalt nicht gespart wird. Die Orks verlieren Gliedmaßen und häufig ihre Köpfe, was letztlich die auch hinsichtlich des Artdesigns nach wie vor gesuchte Nähe zu Peter Jacksons Mittelerde-Filmen unterstreicht.

Am Abschluss jeder Festungseroberung steht natürlich der Kampf gegen den Overlord, der sich nicht nur dadurch auszeichnet, dass seine Thronhalle seine individuellen Fähigkeiten und Vorlieben widerspiegelt. Denn damit einhergehend können hier nicht nur schicke Standarten hängen, sondern auch Fallen im Raum untergebracht sein. Und der Olog-Hai, der hier das Kommando hat, ließ Feuerfallen im Boden verbauen, die nach kurzer Ankündigung Flammen speien und alles, was sich in dem Moment auf ihnen befindet, ins Verderben ziehen – hier gibt es keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Zudem scheint er gegen nahezu alle Angriffe von Talion bzw. Celebrimbor immun zu sein. Zumindest nimmt er kaum Schaden. Hilfe naht in Form eines allierten War Chief, dessen Angriffe zum einen mehr Wirkung zeigen und zum anderen die Aufmerksamkeit des Obertrolls auf sich ziehen, so dass Talion schließlich doch die Oberhand behält. Danach kann man entscheiden, welcher der eigenen Anführer zum neuen Overlord erklärt wird – je nach Entscheidung hat dies natürlich Auswirkung auf die weitere Hierarchie und noch stärker auf die Beziehung zu seinen War Chiefs. Der eine oder andere könnte sich von der Entscheidung übergangen fühlen, während der Auserwählte Neu-Overlord natürlich hochgradig loyal wird. Zudem entscheidet man darüber auch indirekt über die Art der Unterstützung, die einem die Festung zukünftig beim Kampf gegen Sauron zusichert: Je nach Stammeszugehörigkeit wird man auf andere Hilfsmittel bauen können.

Der andere "Eine" Ring

Die Kulisse hat nochmal einen Zahn zugelegt und überzeugt mit mehr Details sowie filmreifer Kameraführung.

Erzählerisch setzt Schatten des Krieges quasi genau dort an, wo Mordors Schatten endete: Talion und Celebrimbor schmieden im Schicksalsberg einen neuen „Einen“ Ring, der im Kampf gegen Sauron das entscheidende Mittel sein soll. Viel mehr gab man allerdings noch nicht preis. Da zudem die Schlacht, deren Zeuge man in der Präsentation war, laut Monolith etwa nach fünf bis sechs Stunden im Spiel stattfindet, bleibt hier noch vieles offen. Reist man nur über die schön gestaltete Karte Mordors, um Festungen anzugreifen? Ich hoffe nicht. Denn auch wenn man sich von den bekannten Erzählungen entfernen sollte, hat Mittelerde auch aus Sicht von Geist und Waldläufer mehr zu bieten als diese bloße Kriegsberichterstattung. Dann wiederum darf der Kanon nicht vergessen werden. Denn nachdem Mordors Schatten bereits zwischen den Geschehnissen von „Der Hobbit“ und „Die Gefährten“ lag, rückt man als Nachfolger nun zeitlich noch enger an die Geschehnisse von Frodo, Aragorn & Co heran. Doch ich bin zuversichtlich, dass Monolith eine Lösung findet, wie man Sauron zumindest teilweise besiegt, ohne die Reise der Gefährten zum Schicksalsberg zu gefährden.  

Darüberhinaus bin ich gespannt, in welcher Form man das Beute- und Ausrüstungssystem, die Fähigkeiten oder die Personalisierung erweitert. Nicht zu vergessen, über welche Aktionen man Einfluss auf das Nemesis-System nehmen kann oder wie groß und lebendig die Spielwelt ist, in der man sein Unwesen treiben darf. Hier wird sich zeigen, inwieweit Monolith nur auf das Mehr-von-allem-Prinzip setzt, das schon anderen Fortsetzungen zum Verhängnis geworden ist, oder wo man bestehende Mechaniken sinnvoll erweitert. Doch das bisher Gesehene sowie die getätigten Andeutungen stimmen positiv.

Ausblick

Es wurde mit dem erweiterten Nemesis-System im Wesentlichen nur ein Aspekt des kommenden Mittelerde-Abenteuers um Talion und Celebrimbor gezeigt. Doch der deutet schon sehr viel Potenzial an: Es gibt bei den Erzfeinden neue Klassen, neue Fähigkeiten und die erweiterten Beziehungen, die sich auch auf die alliierten War Chiefs auswirken, bringen eine interessante unberechenbare Ebene in die Gefechte. Auch auf die Festungen, deren Belagerungen wuchtig inszeniert werden, sowie die umliegenden Gebiete, haben die Entscheidungen innerhalb des Nemesis-Systems Einfluss. Sprich: Monolith scheint genau an den richtigen Punkten angesetzt zu haben, während die Kulisse ebenfalls einen Schritt nach vorne gemacht hat und mit klasse Figurendesign, ausgefeilter Mimik sowie filmreifen Kamerafahrten punktet, so dass ein rundum guter Eindruck zurückbleibt. Natürlich bleiben nach nur einer Präsentation noch viele Fragen offen: Wie wird z.B. die Story um das Schicksal Mittelerdes weitergeführt und in den Kanon eingebunden? Was hat Mittelerde abseits der Festungseroberung zu bieten? Gibt es nicht nur visuelle, sondern auch inhaltliche Fortschritte beim Kampfsystem? Wenn Monolith in den kommenden Wochen und Monaten auch darauf vernünftige Antworten geben kann, ist vielleicht sogar ein sehr gutes Abenteuer möglich.

Einschätzung:
gut

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