Raw Data15.08.2016, Jan Wöbbeking

Vorschau: Mit Schwert, Pistole und Muskelkater

Raw Data (ab 36,99€ bei kaufen) soll mehr Tiefe in schnelle Roomscale-Abwehrspielchen bringen: Ähnlich wie in Space Pirate Trainer taucht man mit dem eigenen Körper stilvoll durch die Projektile, um einen Datenkern zu beschützen. Hier wird die Action aber durch Schwertkämpfe, Geschütze, Spezialfähigkeiten und abwechslungsreichere Robo-Gegner aufgepeppt. Das momentan heißeste Early-Access-Eisen für HTC Vive?

Rohe Gewalt und viel Bewegung

Momentan befindet sich der heißbegehrte Liebling der Vive-Fraktion in Steams Early-Access-Programm. Der Einstieg in die feindliche Konzernzentrale ist noch etwas unübersichtlich – schaut vorm Start am besten in die hier verlinkte Anleitung . Eine der coolsten Features ist natürlich der Schwertkampf: Es ist schon ein cooles Gefühl, in der Rolle von „Cyber-Ninja“ Saija den Griff per Grip-Taste von der Hüfte zu nehmen und die blau glimmende Licht-Klinge per Trigger zu aktivieren: Bsssssst…wwwssst…ein Kindheitstraum wird wahr! Dank sauberem Lighthouse-Tracking bewegt sich die Leuchtschneide auch meist exakt so, wie man den Griff vor sich umher fuchtelt. Der Schwertkampf ist allerdings nicht so cool, wie ich es mir vorgestellt hatte: Meine Klinge gleitet leider nicht exakt durch die gegnerischen Robo-Körper wie durch Butter, so dass die präzise abgesäbelten Stücke zu Boden purzeln. Stattdessen kann ich meine Gegner damit nur schädigen und an grob vorgegebenen Punkten zerteilen oder von mir wegprügeln. Das Schwertverhalten ähnelt ein wenig einem Knüppel. Mal fliegt der Kopf korrekt vom Rumpf, meist wird der Robo aber nur schwungvoll von der Klinge zurückgestoßen – mitunter etwas zu schwungvoll.

Bleib mir vorm Leib: Das Schwert lässt sich auch als Distanzwaffe auf die Gegner schleudern. Auch Koop-Kämpfe übers Netz werden unterstützt - sofern man Mitspieler findet.
Vielleicht steckt auch eine Spieldesign-Entscheidung dahinter, damit das Zerlegen der Blechkameraden nicht zu einfach wird. Auch beim Abwehren leuchtender Projektile mit der Klinge kann ich nur bedingt zielen: Meist fliegen die Kugeln einfach grob in die Richtung der Drohne zurück, die sie abgefeuert hat. Die Ausrichtung meiner Klinge oder Stoßbewegungen nehmen kaum einen Einfluss auf den Winkel - schade. Deutlich genauer wird es aber mit dem alternativen Charakter Bishop, der die Gegner mit seiner Pistole bzw. später auch mit zwei Wummen bearbeitet.

Arcade-Verteidigung im realen Raum

Die in Wellen stattfindenden Abwehr-Kämpfe haben eine einfache Vorgeschichte: Als Teil der Widerstandsgruppe Syndik8 dringe ich in die gleißenden Serverräume der bösartigen Eden Corp ein, um wichtige Daten zu stehlen und ihre finsteren Machenschaften publik zu machen. Die Geschichte würfelt quasi die kitschigsten Klischees aus diversen dystopischen SciFi-Vorbildern wie The Matrix, Cyberpunk oder Portal zusammen und vermischt sie (auch in Update-News) mit angemessen futuristischen Begriffen wie „Neo-Shinjuku“, „EXE nanobot technology“ oder „Improved crawler vomit VFX“. Man merkt, dass die Entwickler das Thema lieben, es im Rahmen des leichtfüßigen Gemetzels aber bewusst ordentlich auf die Schippe nehmen. Das Ergebnis bringt mich immer wieder zum Schmunzeln: Während ich mich in der feindlichen Zentrale in die Drecksarbeit stürze, versorgt mich eine weibliche Hackerin im Sekundentakt mit panischen Instruktionen, während mich die manipulierte KI Simon für einen vermögenden Waffenkunden hält und mich pausenlos mit Verkaufs-Avancen im Teleshopping-Stil bombardiert.

Doppelt hält besser: Auch im Akimbo-Stil lassen sich die anrückenden Horden beharken.
Natürlich schlägt das Abwehrsystem des Konzerns Alarm, wenn ich den fetten Datenschlüssel zum Abzapfen der Datenmassen ins Laufwerk pfropfe. Also stapfen schon Sekunden später aggressive Blecheimer auf mich zu. Je nach gewähltem Krieger decke ich sie mit Pistolenschüssen oder Lichtschwerthieben ein; die Klinge lässt sich außerdem in Richtung der Gegner schleudern. Zwischendurch husche ich immer wieder mit vollem Körpereinsatz durch die Licht-Projektile oder tauche vor ihnen in die Deckung ab, indem ich hinter Technik-Konsolen in die Knie gehe. Letzteres hat mir schon nach ein paar Runden einen ordentlichen Muskelkater beschert. Vielleicht sollte ich im Fitnessstudio mal einige Kniebeugen einlegen, um meine Roomscale-Skills zu verbessern.

Attacke auf Schrank und Umwelt

Nach erster Eingewöhnung bin ich aber auf den Trichter gekommen, dass mich die Teleportation oft ohnehin schneller aus der Gefahrenzone rettet. Die Räume sind hier schließlich eine ganze Ecke größer als die schmale Plattform im Space Pirate Trainer. Wer möchte, kann auch in einem kleinen Raum-Setup spielen und ist dann noch stärker auf die Teleportation angewiesen. Es dauert eine Weile, bis man die verschiedenen Abwehrstrategien flüssig miteinander kombiniert und herausfindet, wie man die detonierenden „Selbstmord-Roboter“ und über dem Kopf umher schwirrenden Drohnen umtänzelt - oder sie vom zu beschützenden Kern fernhält. Mitunter wird die Aufmerksamkeit so stark von allen Seiten vereinnahmt, dass man die Warn-Gitter an den Rändern übersieht: Sowohl Dieter als auch ich haben in der Hitze des Gefechts schon einmal auf unseren Büroschrank eingedroschen.

Der fette Boss-Robo schickt immer wieder lästige Raketen in die Luft. Nach und nach schaltet man leicht unterschiedliche Missions-Areale frei, von denen sich viele noch in Entwicklung befinden.
Das Zielen mittels Pistole passt schon deutlich besser in die Action als das Lichtschwert. Nachgeladen wird mit der nicht dominanten Hand - bei Rechtshändern z.B. mit links. Einfach Hand zur Hüfte führen, Grip-Button drücken und Magazin passend ausgerichtet zur Waffe führen. Neben einem aufladbaren Schuss, der effektiv explosive Blechkameraden auf Abstand hält, werden mit der Zeit noch weitere Upgrade-Baupläne von Eden Corp stibitzt und mit Hilfe verdienter Ingame-Währung installiert. Darunter befindet sich z.B. ein kurzzeitiger Projektilhagel: Mit ihm räume ich z.B. einige zerteilte Roboter aus dem Weg, die an den kriechenden Terminator erinnern und mich zu Beginn der zweiten Mission aus der Dunkelheit überraschen. Schreckhafte Naturen wie Alice dürften sich in solchen Szene ganz schön verjagen. Wie in Brookhaven Project ist es ziemlich unheimlich, wenn plötzlich lebensgroße, fies fiepsende Wesen auf den Spieler zu springen oder sich an ihm festklammern. Wieder einmal gilt: Was auf dem 2D-Schirm bestenfalls ein latentes Zusammenzucken auslöst, kommt in VR viel bedrohlicher herüber.

Der futuristische Bogen darf nicht fehlen

Später sollen weitere Updates wie ein Bogenschütze folgen – ich kann mir vorstellen, dass das Anpeilen wie in The Lab prima ins Spiel passt, zumal ein Artillerie-ähnliches Flugverhalten das Spiel um eine weitere Herausforderung bereichern könnte. Bereits jetzt nützlich sind an „die Macht“ aus Star Wars erinnernde Attacken, mit denen man Widersacher zurückstößt oder in die Luft hievt, um mit ihnen andere Gegner „umzukegeln“. Später kommen außerdem automatische Geschütze hinzu, welche das ständige Abwägen zwischen Lebenserhalt und Schutz des Datenkerns noch etwas taktischer gestalten könnten. Das blitzblanke SciFi-Design scheint eine gute Wahl für ressourcenschonende Grafik zu sein: Auch auf einer GTX 970 muss man für eine flüssige Darstellung nicht allzu viel herunterregeln. Ab und zu hatten wir allerdings technische Probleme bei der Kantenglättung, der Schärfe der Textdarstellung oder beim Übernehmen neuer Grafikoptionen.

Ausblick

Schade, dass der Schwertkampf noch nicht so wirklich ins Spiel passen will – zudem hätte ich mir das Absäbeln der Gliedmaßen viel cooler und präziser vorgestellt. Dieser Aspekt von Raw Data benötigt noch viel Feintuning, aber davon abgesehen ist das Potenzial schon jetzt spürbar. Vor allem die größeren Räume machen die Schießereien mit der Pistole und das Abtauchen zwischen den Projektilen zu einer spannenden Angelegenheit. Offenbar dauert es aber eine Weile, bis man die Teleportation intuitiv mit Kämpfen und Ausweichbewegungen auf kleinem Raum kombiniert. Auch Feinheiten wie Geschütze und der futuristische Bogen klingen nach einer interessanten Ergänzung. Ich bin gespannt darauf, wie sich der Hoffnungsträger der Roomscale-Fans entwickelt!

Einschätzung: gut

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